Leitsatz (amtlich)

Bei einer Jagd ist der "Jagdwert" ein "anderer angemessener Maßstab" für die Berechnung des Beitrags zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung (§§ 776 Abs 1 S 1 Nr 3, 803 Abs 1, 805, 816 RVO).

 

Orientierungssatz

1. Die Tatsache, daß bei Eigenjagdbezirken der steuerliche "Jagdwert" niedriger (nur 50 vH) als bei verpachteten Jagden und damit auch der Beitrag zur Berufsgenossenschaft entsprechend gering ist, bedeutet keine Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte. Er rechtfertigt sich aus sachlichen Gründen und ist nicht willkürlich.

2. Bei der Beurteilung der Angemessenheit des Beitragsmaßstabes für Jagden darf keine "Momentaufnahme" zugrunde gelegt werden, sondern es muß die Entwicklung während der Dauer des Pachtvertrages (hier 10 Jahre) berücksichtigt werden.

3. Im Pachtpreis schlägt sich ua die Lage, die Größe sowie die Art und Zahl des Wildbestandes und das jagdliche Interesse nieder, die sämtliche in Beziehung zum Unfallrisiko stehen.

 

Normenkette

RVO § 776 Abs 1 S 1 Nr 3, § 803 Abs 1, §§ 805, 816; GG Art 3 Abs 1; BJagdG § 7

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 04.10.1985; Aktenzeichen L 17 U 126/81)

SG Dortmund (Entscheidung vom 24.02.1981; Aktenzeichen S 17 U 249/80)

 

Tatbestand

Der Kläger, der Beigeladene zu 2 und der im Laufe des Verfahrens verstorbene Ehemann der Beigeladenen zu 1 sind bzw waren gemeinsam Pächter einer ca 455 ha großen Jagd in der Gemeinde S (Jagdpachtvertrag vom 4. Februar 1979). Nach dem Jagdpachtvertrag begann die Pachtzeit am 1. April 1979 und wurde auf zehn Jahre (bis zum 31. März 1989) festgesetzt (§ 4 des Vertrages). Als jährlicher Pachtpreis wurden 17.320,-- DM (§ 5 des Vertrages) mit einer Wertsicherungsklausel (§ 6 des Vertrages) vereinbart.

Die Jagdsteuer für die gepachtete Jagd wurde vom M Kreis für das Jahr 1979 (Bescheid vom 26. April 1979) in Höhe von 15 vH des Jagdwertes (Summe von Jagdpacht von 17.320,-- DM und Verwaltungskosten von 519,60 DM) auf 2.675,94 DM im Jahr festgesetzt. Durch Bescheid vom 23. Mai 1980 forderte die Beklagte vom Kläger den Beitrag zur Berufsgenossenschaft für das Umlagejahr 1979 (Hebejahr 1980) in Höhe von 400,20 DM. Der Berechnung des Beitrags legte die Beklagte einen (aufgerundeten) Jagdwert von 17.400,-- DM und ein Hebesatz von 2,3 % zugrunde. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 21. August 1980 zurück.

Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Klage gegen den Bescheid vom 23. Mai 1980 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. August 1980 abgewiesen (Urteil vom 24. Februar 1981). Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen (Urteil vom 4. Oktober 1985). Zur Begründung hat das LSG unter Hinweis auf die Unterschiede der Beitragsberechnung bei landwirtschaftlichen und gewerblichen Berufsgenossenschaften, die Gesetzesmaterialien und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Beitragsberechnung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften dargelegt, daß es sich bei dem Beitragsmaßstab "Jagdwert" um einen "anderen angemessenen Maßstab" iS von § 803 Abs 1 iVm § 805 Reichsversicherungsordnung (RVO) handele. Während in der allgemeinen Unfallversicherung die Höhe des Beitrags zur Berufsgenossenschaft sich regelmäßig nach dem Entgelt der Versicherten in den Unternehmen und nach dem Grad der Unfallgefahr richte (§ 725 Abs 1 RVO), sei in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung die Unfallgefahr im allgemeinen kein bestimmender Faktor für die Beitragsbemessung. Auch soweit nach den tatsächlichen Gegebenheiten eine Differenzierung nach der Unfallgefahr möglich sei, werde die eingeräumte Möglichkeit der Abstufung des Beitrags nach der Unfallgefahr nicht zum gesetzlichen Zwang. Bei Unternehmen ohne Bodenwirtschaft (§ 805 RVO) seien die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften noch freier in der Gestaltung des anzuwendenden Beitragsmaßstabes, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergebe. Aus den Zahlen der Hannoverschen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 4. Oktober 1985 gewesen und nach der Auffassung der Beteiligten typisch seien, könne auf die Berechtigung der den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften eingeräumten großen Spielräume geschlossen werden. Die Zahlen zeigten, daß der durchschnittliche Jagdwert je Hektar (für Gemeinschaftsjagden, verpachtete Eigenjagden und selbstgenutzte Eigenjagden) von 9,77 DM ganz extrem über- oder unterschritten werden könne. Der Hektarwert könne bei einem 75stel des Durchschnittswertes (0,13 DM) liegen; er könne aber auch das 10- bis 12-fache des Durchschnittswertes betragen (122,-- DM). Diese Zahlen erlaubten nur den Schluß, daß sich das Interesse der Jagdpächter an einzelnen guten Gebieten in ganz erheblichen DM-Beträgen ausdrücke. Unter diesen Umständen verbiete es sich, dieses jagdliche Interesse allein ideellen Werten zuzuordnen und nicht dem realen Jagdwert, zumal da sich die Preise ausschließlich auf dem freien Markt bildeten. Insoweit folge der Senat den Ausführungen im Gutachten des vom SG Detmold in der Sache S 8 U 155/78 gehörten Sachverständigen S (Gutachten vom 15. Mai 1980 mit Ergänzung vom 14. Januar 1981), das Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen sei. Danach sei eher der "Jagdwert" als die "Jagdfläche" ein angemessener Maßstab. Allein die Tatsache, daß durch die Anführung zahlreicher, einander ergänzender Merkmale eine größere Gerechtigkeit im Einzelfall und eine nähere Beziehung zur Unfallgefahr herstellbar wäre, besage nicht, daß die im Interesse der Typisierung und Vereinfachung eingeräumte Möglichkeit des § 805 RVO vom Träger der landwirtschaftlichen Unfallversicherung nicht ausgeschöpft werden dürfe. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Vergleichswerten bei der Unfallgefahr bedürfe es aus den dargelegten Rechtsgründen daher nicht.

Die beigezogenen Zahlen im Verhältnis zu den vom Kläger selbst angegebenen Belastungen bewiesen zudem, daß bei der Beurteilung der Angemessenheit des Maßstabes keine Momentaufnahme zugrunde gelegt werden dürfe. Der Jagdwert bei verpachteten Jagden entwickele sich für den einzelnen Jagdpächter mehr oder minder sprunghaft im Abstand von 9 Jahren, weil die Pachtverträge jeweils auf diesen Zeitraum abgeschlossen würden (§ 11 Abs 4 des Bundesjagdgesetzes idF vom 29. September 1976 - BGBl I, 2849). In demselben Zeitraum stiegen die Durchschnittswerte kontinuierlich infolge jeweils neu und erheblich höher vereinbarter Pachtbeträge. Bis 1979 habe der Hektarwert des Klägers von 20,-- DM nahe dem Durchschnittswert im Bereich der Beklagten von 17,11 DM gelegen (s Jagdsteuerbescheid 1979 vom 26. April 1979). Mit der Neupachtung im Jahre 1979 habe der Kläger durch die Verdoppelung seines Pachtzinses auf 38,-- DM je Hektar zwar einen deutlich vom Mittelwert liegenden Beitrag hinnehmen müssen; der Durchschnittswert habe weiterhin bei 17,-- DM gelegen. Aber schon 1981 habe er sich wieder dem Durchschnittswert genähert, der - nur zwei Jahre nach dem Neuabschluß - bereits auf 31,19 DM gestiegen sei (s Jagdsteuerbescheid 1981 vom 22. April 1981). Nach allem komme dem Jagdwert als Beitragsmaßstab angesichts der Formenvielfalt eine große Praktikabilität zu; durch seine Abhängigkeit vom Pachtpreis stehe er zudem prinzipiell in Beziehung zur Unfallgefahr, weil der Pachtpreis jedenfalls auch durch die Größe des Jagdreviers sowie durch die Art und Zahl des Wildbestandes beeinflußt sei.

Trotz der knappen Jagdreviere und der immer weiter steigenden Preise bildeten sich am Markt ganz erhebliche Spannen heraus, die allein mit der Qualität der Reviere für die Jagdnutzung zu erklären seien. Die Spannen zeigten, daß der Wert der einzelnen Bezirke für die gewünschte Nutzung, die ihrerseits in direkter Beziehung zur Unfallgefahr stehe, erheblich differieren könnten. Der Kläger sei, wie er selbst vorgetragen habe, an seinem Jagdrevier wegen der guten Erreichbarkeit interessiert. Bei großer Entfernung von seinem Wohnort, aber sonst gleicher Qualität, insbesondere gleicher Flächengröße, wäre ihm das Revier weniger wert, weil er es weniger nutzen könnte. Die Unfallgefahr wäre dann herabgesetzt.

Die Tatsache, daß bei eigengenutzten Jagden am steuerlichen Jagdwert und damit auch bei der Berechnung der Beiträge zur Berufsgenossenschaft Abschläge gemacht werden, verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Die steuerliche Entlastung sei vom Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen in seiner Auskunft vom 15. September 1983 damit begründet worden, daß bei nicht verpachteten Jagden das Jagdrecht nicht aufgrund eines besonderen Pachtaufwandes, sondern primär als Inhalt des Eigentumsrechts ausgeübt werde. Dieser Gesichtspunkt habe auch Beziehungen zum Unfallrisiko. Die selbstgenutzte Eigenjagd befinde sich typischerweise in Händen landwirtschaftlicher Unternehmer, deren Hauptinteresse nicht die Jagdausübung sei. Daran änderten auch nichts die vom Kläger angeführten Einzelfälle, in denen Eigenjagden ausschließlich zum Zwecke der Jagdausübung genutzt würden. Im Gegensatz zu Eigenjagden, die in der Regel nur dem Eigentümer und dessen Freundes- und Bekanntenkreis zur Verfügung ständen, könnten sich bei verpachteten Jagden mehrere Personen den Aufwand teilen, wie dies beim Kläger, dem Beigeladenen zu 2 und dem Ehemann der Beigeladenen zu 1 der Fall gewesen sei. Dieser Kostenteilung stehe beim Unfallversicherungsträger eine entsprechende Multiplikation der Unfallast gegenüber. Das Unfallrisiko vervielfältige sich mit der Anzahl der Pächter und dem damit notwendigerweise erweiterten Kreis der Jagdausübenden.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Der von der Beklagten gewählte Beitragsmaßstab "Jagdwert" verstoße gegen Art 3 GG. Den Jagdwert allein mit der Qualität des Reviers für die Jagdnutzung zu erklären, sei falsch. Es gebe eine Reihe von gemeinschaftlichen Jagdbezirken, die an die Jagdgenossen zu einem sehr niedrigen, weit unter dem Durchschnitt liegenden ha-Preis verpachtet worden seien. Hochwildreviere, die Rot-, Schwarz oder Damwild beherbergten, erbrächten zwar hohe Preise pro ha Jagdfläche, jedoch habe dies mit der Qualität der Reviere für die Jagdnutzung nichts zu tun. Die Jagdnutzung dieser Reviere unterscheide sich von Revieren mit Niederwild, die teilweise unterdurchschnittliche Preise hätten, höchstens dadurch, daß aufgrund der Empfindlichkeit des Hochwildes die Jagdnutzung eher in der Intensität unter der in anderen Revieren liege. Dies zeige, daß der Jagdwert allein absolut untauglich sei, als Maßstab herangezogen zu werden. Mit der Jagdintensität nehme zwar das Unfallrisiko zu, jedoch könne die Jagdintensität nicht am Jagdwert abgelesen werden. Einziger durchschnittlicher Maßstab, der allen Interessen gerecht werde, sei die Jagdfläche und nicht der Jagdwert. Das gelte auch im Blick auf die selbstgenutzte Eigenjagd, die sich entgegen der Ansicht des LSG nicht typischerweise in den Händen landwirtschaftlicher Unternehmer befinde. Er habe die konkrete Situation bei den Eigenjagden im Gemeindegebiet S geschildert. Dort wohne nur einer von vier Inhabern einer Eigenjagd. Er sei nach wie vor der Ansicht, daß es der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Unfallrisikos bei Eigenjagden sowie verpachteten gemeinschaftlichen Jagdbezirken bedürfe. In den Vorinstanzen habe er dargelegt, daß nicht nur verschiedene Wildbestände (Hochwild oder Niederwild) zu unterschiedlichen ha-Preisen führen könnten, sondern auch die Tatsache, daß Reviere unter der Hand verpachtet oder öffentlich ausgeschrieben würden. Im ersteren Falle bestehe dann kein freier Markt. Nach der Entscheidung des BSG vom 25. November 1977 - 2 RU 9/76 - sei aber der Jagdwert kein angemessener Maßstab für die Berechnung der Beiträge, wenn er von Umständen abhänge, die keine Beziehungen zur Unfallgefahr hätten. Unbeantwortet sei auch die Frage, ob die Steigerung des Pachtpreises aufgrund der im Jagdpachtvertrag vereinbarten Wertsicherungsklausel auch zu einer Anhebung der Beiträge der Beklagten führen müsse. Auch hier handele es sich um eine Steigerung des Jagdwertes, die mit der Unfallgefahr, Praktikabilität sowie Auswirkungen des Maßstabes auf die Beiträge nicht vereinbar sei.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Oktober 1985 und des Urteils des SG Dortmund vom 24. Februar 1981 den Bescheid vom 23. Mai 1980 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. August 1980 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, daß das Gesetz eine Abstufung der Beiträge nach der Unfallgefahr nicht zwingend fordere; sie sei lediglich in § 803 Abs 2 RVO fakultativ vorgesehen. Für die nach § 805 RVO zu regelnden Beiträge böten sich zwei Maßstäbe an: die Jagdfläche und der Jagdwert; auch eine Kombination beider Maßstäbe sei zulässig. Der Jagdwert sei ein Maßstab, der vom Unfallversicherungsträger nicht beeinflußbar sei. Er stehe im Regelfall in direkter Beziehung zum Wert der Jagd, den der Jagdunternehmer seiner Jagd beimesse. Hohe Preise würden für Jagdbezirke erzielt, an denen die Pächter ein gesteigertes Interesse hätten. Das führe zu einer vermehrten jagdlichen Betätigung und einem höheren Unfallrisiko. Daher sei es gerechtfertigt, dort, wo hohe Pachtpreise eine entsprechende Bonität vermuten ließen, einen entsprechenden Beitrag zur Unfallversicherung zu erheben. Würde die Jagdfläche zum Maßstab gewählt, könnten sich jene Pächter benachteiligt fühlen, die zwar eine große Fläche gepachtet haben, aber nur ein schwacher Wildbesatz vorhanden sei oder die Fläche einen schlechten Zuschnitt aufweise. Es sei durchaus denkbar, daß ein relativ kleines Revier aus jagdlicher Sicht eine hohe Qualität aufweise. Ein Kombinationsmaßstab, wie er später eingeführt worden sei, berücksichtige deshalb regelmäßig, daß die Bandbreite der Beitragsstreuung reduziert werde. Bei eigengenutzten Jagden sei regelmäßig nur ein gesetzlich unfallversicherter Jagdunternehmer vorhanden. Außerdem entfielen bei eigengenutzten Jagden typischerweise die teilweise beträchtlichen Wegrisiken, die bei Jagdpächtern beständen. Hinzu komme, daß bei verpachteten Jagden sehr häufig - wie auch hier - mehrere Pächter und damit mehrere versicherte Unternehmer vorhanden seien.

Die Beigeladenen haben im Revisionsverfahren keine Anträge gestellt und auch nichts vorgetragen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Wie in der allgemeinen Unfallversicherung (§§ 646 ff RVO) ist auch in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung der Finanzbedarf der jeweiligen Berufsgenossenschaft durch Beiträge der als Mitglieder in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmer aufzubringen (§ 802 RVO iVm § 723 RVO). Landwirtschaftliche Unternehmer sind ua auch die Unternehmer von Jagden (§ 776 Nr 3 RVO; BSGE 16, 79, 80; BSG SozR 2200 § 780 Nr 3; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 776 Anm 13). Die Beiträge müssen den Bedarf des abgelaufenen Geschäftsjahres decken, insbesondere also die Aufwendungen für Heilbehandlung, Verletztengeld oder Übergangsgeld, Verletzten- und Hinterbliebenenrente, und zwar auch aus früher eingetretenen Unfällen. Der auf die Jagden entfallene Anteil der Unfallast betrug (1980) bei der Beklagten 0,82 % des Gesamtaufwandes (Schriftsatz der Beklagten vom 23. Dezember 1981). Den Maßstab für die Berechnung der Beiträge bestimmt - anders als in der allgemeinen Unfallversicherung (s § 725 RVO) - die Satzung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (§ 34 SGB IV). Für Unternehmen mit Bodenwirtschaft werden die Beiträge gemäß § 803 Abs 1 RVO nach dem Arbeitsbedarf (§§ 809, 810 RVO) oder dem Einheitswert (§§ 811 bis 814 RVO) oder einen anderen angemessenen Maßstab berechnet. Für Unternehmen ohne Bodenwirtschaft, zu denen ua die Jagden gehören, regelt die Beitragsleistung nach § 805 RVO die Satzung; sie bestimmt auch den Maßstab für die Berechnung der Beiträge (§ 798 Nr 1 RVO) und das Verfahren (§ 816 RVO). Nach § 52 Abs 2 der Satzung der Beklagten in der hier maßgebenden Fassung vom 11. Dezember 1978 wird der Beitrag für Jagden nach einem Hundertsatz des steuerlichen Jagdwertes berechnet. Die Höhe des Beitrags für Unternehmen der Jagden für das Geschäftsjahr 1979 (Hebejahr 1980) ist auf 2,3 % des steuerlichen Jagdwertes (§ 52 Abs 2 Satz 2 der Satzung), mindestens jedoch 35,-- DM festgesetzt (§ 52 Abs 1 und 2 Satz 1 der Satzung iVm § 21 Nr 17 der Satzung).

Die Satzungsbestimmungen, auf die sich die Beitragsforderung der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid vom 23. Mai 1980 stützt, sind autonomes objektives Recht. Im Streitfall ist jedoch von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu prüfen, ob sie mit dem Gesetz, auf dem die Ermächtigung zur Rechtssetzung beruht, und mit sonstigem höherrangigem Recht vereinbar sind (BSGE 54, 232 233 und 243, 244).

Die Bestimmung des "Jagdwertes" als Beitragsmaßstab zur Berechnung des Beitrags für Jagden verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. In der allgemeinen Begründung zu den durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I 241) geschaffenen Vorschriften der §§ 803 bis 816 RVO (im Gesetzentwurf §§ 801 bis 813 RVO) ist ua ausgeführt (BT-Drucksache IV/120 S 71), daß die Ausgestaltung der Beitragsleistung der Unternehmer gegenüber ihren Berufsgenossenschaften eine echte Aufgabe der berufsgenossenschaftlichen Selbstverwaltung sei. Bei der großen Verschiedenheit der Verhältnisse und Bedürfnisse der einzelnen Berufsgenossenschaften beschränke sich die gesetzliche Ordnung des Beitragswesens darauf, die wesentlichen Grundlagen für die Beitragsleistung der Unternehmer in so elastischem Umfang festzulegen, daß dem satzungsmäßigen Beitragsrecht der Berufsgenossenschaften zur Berücksichtigung dieser Verschiedenheiten die notwendige Bewegungsfreiheit gesichert bleibe. Hinsichtlich der Beitragsleistung für Unternehmen ohne Bodenwirtschaft ist besonders darauf hingewiesen worden (BT-Drucksache aaO S 72), daß bei der Notwendigkeit und Schwierigkeit, die Beitragsleistung der Unternehmen der Vielgestaltigkeit der Verhältnisse anzupassen, den Berufsgenossenschaften bei der Ausgestaltung der für sie in Betracht kommenden Beiträge durch die Satzung genügender Spielraum gewährt werden müsse. Die Einräumung einer solchen der berufsgenossenschaftlichen Praxis entsprechenden Befugnis sei unbedenklich, da die Aufsichtsbehörde die Art der Beitragsleistung und das Verfahren bei der Genehmigung der satzungsmäßigen Bestimmungen nachprüfe.

Im Lichte dieser Begründung hält der erkennende Senat den der Betragsberechnung für Jagden von der Beklagten gewählten Beitragsmaßstab "Jagdwert" für zulässig. Er ist, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 25. November 1977 - 2 RU 9/76 - (SozSich 1978, 118; s auch BSG, Beschluß vom 30. März 1982 - 2 BU 207/81 -) ausgeführt hat, grundsätzlich ein anderer angemessener Maßstab iS der §§ 803 Abs 1, 816 RVO. Denn er trägt dem bei der Beitragsverteilung zu berücksichtigenden Unfallwagnis Rechnung, führt auch zu einer ausreichenden Beitragsgerechtigkeit und ist zudem für eine Massenverwaltung praktikabel (s BSGE 54, 243, 247).

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angefochten worden sind, verblieb der ha-Wert der von dem Kläger in den Jahren 1970 bis 1979 gepachteten Jagd bei rund 20,-- DM, während sich der durchschnittliche ha-Wert aller verpachteten Jagden während dieses Zeitraums langsam nach oben entwickelte und im Jahre 1979 17,11 DM betrug. Bei Beginn der Neupachtung am 1. April 1979 stieg zwar der individuelle ha-Wert aufgrund des nahezu verdoppelten Pachtzinses auf rund 38,-- DM pro Hektar, während der durchschnittliche ha-Wert aller verpachteten Jagden zunächst noch weiterhin rund 17,-- DM betrug. Er stieg dann aber bis 1981 bereits auf 31,19 DM. Bei Beginn der Neuverpachtung im Jahre 1979 lag somit zwar der individuelle ha-Wert höher als das doppelte des durchschnittlichen ha-Wertes (38 zu 17), er befand sich aber noch nahe der Streubreite, die nach oben durch den doppelten und nach unten durch den halben durchschnittlichen ha-Wert markiert wird und nach der Rechtsprechung des Senats den Jagdwert als angemessenen Beitragsmaßstab nicht in Frage stellt (s Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 29. Oktober 1981 - L 10 Ub 242/78 und Beschluß des BSG über die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde vom 30. März 1982 aaO). Zutreffend hat das LSG darauf hingewiesen, daß bei der Beurteilung der Angemessenheit des Beitragsmaßstabes für Jagden keine "Momentaufnahme" zugrunde gelegt werden dürfe, sondern die Entwicklung während der Dauer des Pachtvertrages (hier 10 Jahre) berücksichtigt werden müsse. Danach kann nicht angenommen werden, daß der vom Kläger gezahlte Pachtpreis 1979 im wesentlichen durch Umstände beeinflußt war, die keine Beziehung zur Unfallgefahr haben. Die Zahlen der Hannoverschen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sind für die Beurteilung der Angemessenheit des Beitragsmaßstabes "Jagdwert" für verpachtete Jagden nicht geeignet. Sie unterscheiden bei den durchschnittlichen sowie den niedrigsten und höchsten ha-Werten nicht zwischen verpachteten Jagden und selbstgenutzten Eigenjagden. Wie noch auszuführen sein wird, sind die selbstgenutzten Eigenjagden einer gesonderten Betrachtung zu unterziehen.

Die Auffassung des Klägers, daß der dem Pachtpreis entsprechende Jagdwert überhaupt keine Beziehung zur Unfallgefahr habe, wird vom Senat nicht geteilt. Das LSG hat im angefochtenen Urteil überzeugend dargelegt, daß sich im Pachtpreis ua die Lage, die Größe sowie die Art und Zahl des Wildbestandes und das jagdliche Interesse niederschlage, die sämtliche in Beziehung zum Unfallrisiko stehen. Diesen Ausführungen stimmt der Senat zu. Der "Jagdwert" hält sich unter den gegebenen Umständen im Rahmen der §§ 803, 805 und 816 RVO. Ob durch einen anderen Beitragsmaßstab oder durch Modifizierung des von der Beklagten gewählten Maßstabes (s dazu unten) eine stärkere Berücksichtigung der Unfallgefahr erreichbar wäre, muß der Entscheidung der Selbstverwaltung der Beklagten überlassen bleiben und ist nicht vom Senat zu entscheiden (BSGE 54, 243, 246). Daß, wie der Kläger meint, der Unfallgefahr allein bei einer Beitragsberechnung nach der Jagdfläche Rechnung getragen würde, ist zudem unzutreffend, weil dabei ua schon der Wildbestand und die Lage der Jagd nicht berücksichtigt sind, von denen die Intensität der Jagdausübung und damit die daraus abzuleitende unterschiedliche Unfallgefahr jedenfalls nicht stärker beachtet wäre.

Der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist nicht verletzt. Die Tatsache, daß bei Eigenjagdbezirken (§ 7 des Bundesjagdgesetzes -BJG- idF vom 29. September 1976 - BGBl I 2849), die in der bisherigen Betrachtung nicht berücksichtigt worden sind, der steuerliche "Jagdwert" niedriger (nur 50 vH) als bei verpachteten Jagden und damit auch der Beitrag zur Berufsgenossenschaft entsprechend gering ist, bedeutet keine Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte. Er rechtfertigt sich aus sachlichen Gründen und ist nicht willkürlich. Einen Eigenjagdbezirk bilden zusammenhängende Grundflächen mit einer land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbaren Fläche von 75 ha an, die im Eigentum ein und derselben Person oder einer Personenmehrheit stehen (s § 7 Abs 1 BJG). Diese Person oder Personen sind regelmäßig landwirtschaftliche Unternehmer (§ 776 Abs 1 Nr 1 RVO), so daß sie deswegen auch Beiträge zur landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft zu zahlen haben. Zusätzlich wird ein Beitrag für das Unternehmen Jagd (§ 776 Abs 1 Nr 3 RVO) fällig (s BSG Beschluß vom 28. Februar 1986 - 2 BU 179/85 -). Zudem wird bei Eigenjagdbezirken, die sich typischerweise in Händen landwirtschaftlicher Unternehmer befinden, deren hauptsächliches Interesse gerade nicht durch den Jagdwert ihres Bezirkes bestimmt, was sich auf das Unfallrisiko durch Jagdausübung auswirkt, zumal da sie in der Regel auch im Eigenjagdbezirk wohnen. Daß es davon Ausnahmen gibt, wie der Kläger sie vorgetragen hat, ändert nichts an der anderen Bewertung der Eigenjagdbezirke, wie das LSG zutreffend dargelegt hat. Einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG hat das BSG bereits für den Fall verneint, daß für selbstgenutzte Eigenjagden - im Gegensatz zu verpachteten Jagden - keine Beiträge zur Unfallversicherung erhoben werden (BSGE 16, 79, 82). Zu einer weiteren Sachaufklärung - Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des unterschiedlichen Unfallrisikos bei Eigenjagden sowie verpachteten gemeinschaftlichen Jagden - brauchte sich das LSG deshalb nicht gedrängt zu fühlen; § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht verletzt.

Was die Frage angeht, ob die Steigerung des Pachtpreises aufgrund der im Pachtvertrag vom 4. Februar 1979 vereinbarten Wertsicherungsklausel (§ 6 des Vertrages) zu einer automatischen Anhebung der Beiträge der Beklagten führen müsse, ist diese im anhängigen Verfahren nicht zu beantworten. Soweit ersichtlich, hat sich der Jagdwert von ursprünglich 17.320,-- DM erstmalig 1982 auf 19.918,-- DM erhöht (Steuerbescheide vom 4. Mai 1982 und 16. Mai 1983), was auf die Anwendung der Wertsicherungsklausel des Pachtpreises zurückzuführen sein kann; entsprechende Feststellungen sind vom LSG nicht getroffen und brauchten auch nicht zu erfolgen. Seit dem Geschäftsjahr 1980 hat sich zudem der Beitragsmaßstab der Beklagten für Jagden geändert. Er wird vom Umlagejahr 1980 (Hebejahr 1981) an zu 2/3 über den steuerlichen Jagdwert und zu 1/3 über die Fläche berechnet; für das Umlagejahr 1980 betrug der Hebesatz 1,3 % des Jagdwertes und 0,17 DM je Hektar Jagdfläche, mindestens jedoch 40,-- DM. Da der Kläger Bescheide der Beklagten für die Umlage 1980 und später jeweils mit dem Widerspruch angefochten hat, ist es zunächst Sache der Beklagten und erforderlichenfalls der Instanzgerichte, darüber zu entscheiden, ehe sich das BSG dazu äußern kann.

Die Revision des Klägers mußte daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665872

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