Beteiligte
Kassenärztliche Vereinigung Südwürttemberg |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. Juli 1997 aufgehoben. Die Bescheide der Beklagten vom 18. April 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 1995 und vom 17. Juli 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 1995 werden abgeändert.
Die Beklagte wird verpflichtet, über die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl hinsichtlich der der Begrenzung unterliegenden Leistungen nach Abschnitt O I EBM-Ä in den Quartalen IV/1994 und I/1995 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die in R. in Gemeinschaftspraxis zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Kläger wenden sich gegen Honorarbescheide der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), mit denen ihre Honorarforderungen für Basislaborleistungen in den Quartalen IV/1994 und I/1995 reduziert worden sind. Streitig ist dabei, wie die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl für die nach Abschnitt O I des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM-Ä) erbrachten Laborleistungen bei dem Kläger zu 1), der sowohl als Internist (ohne Schwerpunktbezeichnung) als auch als Radiologe zugelassen ist, und der Klägerin zu 2), einer Internistin mit der Schwerpunktbezeichnung Endokrinologie, zu berechnen ist.
Seit dem 1. April 1994 sind kurativ-ambulante Laboratoriumsuntersuchungen nach Abschnitt O I EBM-Ä – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – je Arztpraxis und Abrechnungsquartal (nur) bis zu einer begrenzten Gesamtpunktzahl berechnungs- und damit vergütungsfähig, deren Höhe sich aus dem Produkt der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl und der Zahl kurativ-ambulanter Behandlungsfälle je Arztpraxis ergibt. Die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl beträgt bei Endokrinologen 140 Punkte für Allgemeinversicherte und 175 für Rentner, bei Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung 100 Punkte für Allgemeinversicherte und 135 für Rentner und für Radiologen für beide Versichertengruppen 2 Punkte.
Die Beklagte ermittelte das der Gemeinschaftspraxis zustehende Budget für Basislaborleistungen, indem sie für Allgemeinversicherte und Rentner getrennt arithmetische Mittelwerte der Fallpunktzahlen für Endokrinologie, allgemeine Innere Medizin und Radiologie im Verhältnis 2: 1: 1 errechnete. Daraus ergaben sich in beiden streitbefangenen Quartalen Mittelwerte von 96 Punkte für Allgemeinversicherte und 122 für Rentner. Die Kläger überschritten das so errechnete Budget um ca 21.000 Punkte (Quartal IV/1994) bzw 34.000 Punkte (Quartal I/1995); ihre Honorarforderungen für das Basislabor wurden um 9,4 % bzw 15,5 % gekürzt (Bescheide vom 18. April und 17. Juli 1995).
Die Beklagte wies die Widersprüche der Kläger zurück. Für Gemeinschaftspraxen sei seitens der Partner der Bundesmantelverträge eine Übergangsvereinbarung dahin getroffen worden, daß das Laborbudget auf der Grundlage des arithmetischen Mittels der Fallpunktzahlen der in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Ärzte zu berechnen sei. Nach Mitteilung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sei gegenüber Ärzten, die mit mehr als einer Gebietsbezeichnung zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen seien, in gleicher Weise zu verfahren. Eine Gewichtung der verschiedenen Leistungsbereiche nach den tatsächlichen Verhältnissen der einzelnen Praxis sei in beiden Konstellationen weder durchführbar noch geboten. Bei der Bedarfsplanung werde ein Arzt mit Doppelzulassung in beiden Fachgebieten zu je 1/2 berücksichtigt, was für die Berechtigung des arithmetischen Mittels als Anknüpfungspunkt für die Berechnung des Basislabors in Fällen der Doppelzulassung spreche (Widerspruchsbescheide vom 1. und 20. September 1995).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Es sei nicht geboten, bei der Bildung des Budgets für Basislaborleistungen auf praxisindividuelle Umstände abzustellen. Jeder Arzt kenne bei Beginn eines Abrechnungsquartals die Höhe der durchschnittlich pro Behandlungsfall maximal abrechenbaren Punktzahlen und könne sein Behandlungs- und Abrechnungsverhalten darauf einstellen. Deshalb sei es zulässig, auch bei fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen zur Ermittlung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahlen den arithmetischen Mittelwert zu bilden. Unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität sei schließlich nicht zu beanstanden, bei Doppelzulassung von Ärzten den arithmetischen Mittelwert der für jedes Fachgebiet festgelegten Punktzahlen zu bilden und die verschiedenen Leistungsbereiche nicht nach den tatsächlichen Verhältnissen in der einzelnen Praxis zu gewichten. Es stehe außer Frage, daß die Gewichtung der verschiedenen Leistungsbereiche zu einer gerechteren Lösung führen würde; doch sei diese nicht praktikabel und stelle die mit der Budgetierung von Laborleistungen notwendig verbundene und auch beabsichtigte Generalisierung und Pauschalierung in Frage (Urteil vom 9. Juli 1997).
Mit ihrer Sprungrevision machen die Kläger geltend, die Ermittlung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl bei Ärzten mit Doppelzulassung sei mit Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar. Für die Bildung des arithmetischen Mittelwerts zur Berechnung der begrenzten Gesamtpunktzahl für Basislaborleistungen fehle es an einer ausreichenden Rechtsgrundlage im Gesetz und in den untergesetzlichen Vorschriften. Ob es eine solche Regelung für fachübergreifende Gemeinschaftspraxen gebe, habe das SG nicht hinreichend geprüft. Jedenfalls sei sie auf Ärzte mit Zulassung für zwei Fachgebiete nicht entsprechend anzuwenden. Wenn in einem der beiden Fachgebiete, in denen ein Arzt mit Doppelzulassung tätig sei, nahezu keine Laborleistungen anfielen, komme es durch die Bildung des arithmetischen Mittelwerts fast zu einer Halbierung der arztbezogenen Fallpunktzahl für das andere Fachgebiet. Dies treffe im Fall des Klägers zu 1) zu, weil die Fallpunktzahl für Radiologen lediglich 2 betrage und nur 5 % seiner Behandlungsfälle dem Gebiet der Radiologie zuzurechnen seien. Da Ärzte für Radiologie ausschließlich auf Überweisung tätig werden dürften, sei eine differenzierende Ermittlung der fachgruppenbezogenen Fallpunktzahlen nach den tatsächlichen Verhältnissen der Praxis nicht mit nennenswerten Schwierigkeiten verbunden.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. Juli 1997 aufzuheben sowie den Honorarbescheid der Beklagten vom 18. April 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 1995 und den Honorarbescheid der Beklagten vom 17. Juli 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 1995 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, über die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl hinsichtlich der der Begrenzung unterliegenden Leistungen nach Abschnitt O I EBM-Ä in den Quartalen IV/1994 und I/1995 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der EBM-Ä selbst enthalte keine Regelung darüber, wie bei einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis sowie bei einem doppelt zugelassenen Arzt die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl für das O I-Laborbudget zu berechnen sei. Lediglich für fachübergreifende Gemeinschaftspraxen hätten die Partner der Bundesmantelverträge mit der Übergangsvereinbarung vom 16. Februar 1994 eine Rechtsgrundlage geschaffen, wonach das arithmetische Mittel der Fallpunktzahlen der in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Ärzte als arztgruppenbezogene Fallpunktzahl der gesamten Praxis maßgebend sei. Die für Ärzte mit Doppelzulassung bestehende Regelungslücke hätte sie – die Beklagte – in Übereinstimmung mit einem Rundschreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung entsprechend den Regelungen für Gemeinschaftspraxen schließen dürfen. Andere Formen der Berechnung des Basislabors in Fällen der Doppelzulassung seien zwar theoretisch möglich, erforderten aber einen nicht zu rechtfertigenden Verwaltungsaufwand. Die der von ihr praktizierten Vorgehensweise zugrunde liegende Annahme, ein Arzt mit Zulassung in zwei Fachgebieten bediene beide Fachgebiete etwa zur Hälfte, sei für den Regelfall nicht zu beanstanden und entspreche der bedarfsplanungsrechtlichen Erfassung eines solchen Arztes.
II
Die Revision der Kläger hat Erfolg. Die vom SG gebilligte Entscheidung der Beklagten, der Berechnung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl für Basislaborleistungen bei einem Arzt mit Zulassung in zwei Fachgebieten stets das arithmetische Mittel der Punktzahlen der beiden Fachgebiete und nicht die tatsächlichen Gegebenheiten der einzelnen Praxis zugrunde zu legen, ist rechtswidrig. Nicht zu beanstanden ist dagegen die Anwendung dieser Berechnungsmethode bei fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen.
Die Begrenzung der für Basislaboruntersuchungen berechnungsfähigen Gesamtpunktzahl in Abschnitt O I des EBM-Ä in der ab 1. April 1994 geltenden Fassung ist durch die gesetzliche Ermächtigung des § 87 Abs 2 und Abs 2b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gedeckt. Durch die vom Bewertungsausschuß zusätzlich zur Punktzahlabsenkung bei einzelnen Laborleistungen beschlossene Begrenzung der für Leistungen des Abschnitts O I EBM-Ä berechnungsfähigen Gesamtpunktzahl – differenzierend einerseits nach Allgemeinversicherten und Rentnern und andererseits nach Fachgruppen – ist der gesetzliche Auftrag, über eine grundlegende, auch Strukturveränderungen einschließende Neufassung des Laborkapitels im EBM-Ä Wirtschaftlichkeitsreserven bei der Versorgung mit Laborleistungen zu erschließen, sachgerecht umgesetzt worden (BSGE 78, 98 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12). Im Hinblick auf praxisindividuelle Umstände innerhalb einer Arztgruppe waren weitergehende Differenzierungen nicht erforderlich, weil andernfalls die mit der Budgetierung von Basislaborleistungen notwendig verbundene und auch beabsichtigte Generalisierung und Pauschalierung in Frage gestellt wäre. Auch rechtlich ist die Berücksichtigung besonderer Umstände und Behandlungsausrichtungen der einzelnen ärztlichen Praxis bei der normativen Ausgestaltung des Praxisbudgets für Leistungen des Basislabors nicht geboten, weil jeder Arzt bei Beginn eines Abrechnungsquartals die Höhe der durchschnittlich pro Behandlungsfall maximal abrechenbaren Punktzahlen kennt und sein Behandlungs- und Abrechnungsverhalten darauf einstellen kann (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 15 S 61). Der Senat hat schließlich die auf der Grundlage des tatsächlichen Abrechnungsverhaltens der einzelnen Arztgruppen ermittelten Fallpunktzahlen nicht beanstandet, soweit darüber zu entscheiden war. Er hat es auch als zulässig bewertet, daß zum Zwecke der Reduzierung des Anreizes zur Erbringung medizinisch nicht indizierter Laborleistungen die Summe der tatsächlich durchschnittlich abgerechneten Punkte geringfügig vermindert worden ist (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 16).
Hinsichtlich der Anwendung der Vorschriften über die Begrenzung der für Basislaborleistungen abrechenbaren Punktzahlen haben die Partner der Bundesmantelverträge in Ziff 3 der Übergangsvereinbarung vom 16. Februar 1994 (Deutsches Ärzteblatt 1994, A 988) eine Regelung für die Behandlung von fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen getroffen. Danach bildet das arithmetische Mittel der Fallpunktzahlen der in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Ärzte die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl der Praxis. Diese Regelung, deren Anwendung die Kläger nicht beanstanden, steht mit höherrangigem Recht im Einklang. Der Senat sieht es seit jeher als zulässig an, daß die Partner der Bundesmantelverträge Übergangsregelungen im Zuge von Neugestaltungen der Bewertungsmaßstäbe treffen. Die Partner der Bundesmantelverträge sind zwar nicht berechtigt, das Bewertungsgefüge des EBM-Ä zu verändern. Sie sind jedoch nicht gehindert, Regelungen zur Ausführung des EBM-Ä zu treffen und insbesondere zu vereinbaren, wie sich der Übergang von einer alten zu einer neuen Fassung einzelner Positionen des Bewertungsmaßstabs vollziehen soll (vgl zuletzt BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 17 S 78 mwN). Die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis (§ 33 Abs 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte ≪Ärzte-ZV≫) ist durch eine gemeinsame Praxisführung und Behandlung in der Weise gekennzeichnet, daß bei gemeinschaftlicher Organisation und Abrechnung jeder der beteiligten Ärzte zur Behandlung aller Patienten der Praxis berechtigt ist. Schließen sich Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen zu einer Gemeinschaftspraxis zusammen, bleibt gleichwohl jeder der beteiligten Ärzte auf die Grenzen seines Fachgebiets beschränkt. Die der Anknüpfung an das arithmetische Mittel der für die jeweiligen Fachgebiete festgesetzten Punktzahlen zugrundeliegende Annahme, jeder der Ärzte einer Gemeinschaftspraxis arbeite in seinem Fachgebiet in dem auch für einen Arzt in Einzelpraxis typischen Umfang und benötige daher das für sein Teilgebiet arztgruppenspezifische Basislabor, ist durch die Struktur der Gemeinschaftspraxis vorgegeben. Für den Fall, daß alle in einer Gemeinschaftspraxis zusammenarbeitenden Ärzte in dem für einen Vertragsarzt typischen Umfang der Tätigkeit in ihrem Fachgebiet nachgehen, berücksichtigt die durch den arithmetischen Mittelwert gebildete arztgruppenbezogene Fallpunktzahl die je nach medizinischer Disziplin deutlich unterschiedliche Angewiesenheit auf Leistungen des Basislabors. Sofern die tatsächlichen Gegebenheiten in einer Gemeinschaftspraxis von diesem Leitbild abweichen, etwa weil einer der beteiligten Ärzte eine unterdurchschnittliche Zahl von Patienten behandelt, aber gleichwohl – wenn dieser Arzt einem Fachgebiet mit niedriger arztgruppenbezogener Fallpunktzahl angehört – die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl der Gemeinschaftspraxis durch Bildung des arithmetischen Mittels sinkt, ist dies durch persönliche Entscheidungen der Ärzte einer Gemeinschaftspraxis begründet. Diese müssen ebensowenig wie praxisindividuelle Umstände der einzelnen ärztlichen Praxis bei der normativen Ausgestaltung des Praxisbudgets bei Leistungen des Basislabors berücksichtigt werden. Die in Ziff 3 der Übergangsvereinbarung getroffenen Regelung entspricht also dem Bewertungsgefüge, das der EBM-Ä für Basislaborleistungen aufgestellt hat, und genügt den Anforderungen, die an die Rechtmäßigkeit von ergänzenden Abrechnungsbestimmungen im Zuge einer Neugestaltung der Bewertungsmaßstäbe zu stellen sind.
Eine der Ziff 3 der Übergangsvereinbarung vom 16. Februar 1994 vergleichbare Regelung für die Berechnung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl im Falle der Zulassung eines einzelnen Arztes auf mehr als einem Fachgebiet existiert nicht. Die KÄV ist nicht berechtigt, ohne eine ausdrückliche normative Regelung den dieser Vorschrift zugrunde liegenden Rechtsgedanken auf den Fall der Doppelzulassung entsprechend anzuwenden. Anders als in einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis, deren Struktur durch die Beschränkung der einzelnen Ärzte auf ihr jeweiliges Fachgebiet bestimmt wird, ist der Vertragsarzt mit einer Zulassung für zwei Fachgebiete nicht durch berufsrechtliche oder zulassungsrechtliche Vorgaben auf eine bestimmte, typische Ausgestaltung seiner Praxis festgelegt. Der Tätigkeitsbereich eines Facharztes wird allein durch die auf landesrechtlicher Grundlage beruhende Gebietsbezeichnung festgelegt und begrenzt, wobei die Bindung des Arztes an die Grenzen seines Fachgebiets ihn auch in seiner Eigenschaft als Kassen- bzw Vertragsarzt trifft, obwohl das im SGB V und der Ärzte-ZV nicht ausdrücklich geregelt ist. Die Berufsordnungen der Länder normieren auf der Grundlage von Ermächtigungen in den landesrechtlichen Heilberufs- bzw Kammergesetzen die Verpflichtung derjenigen Ärzte, die Gebietsbezeichnungen führen, ihre Tätigkeit auf dieses Fachgebiet zu beschränken. Die Zusammenschau der § 18 Abs 1 Satz 2, § 24 Abs 3 Ärzte-ZV und § 101 Abs 1 Satz 2 und 4 und Abs 2, § 103 Abs 2 Satz 3 SGB V zwingt zu dem Schluß, daß der Gesetzgeber von einer klaren Vorstellung einer nach einzelnen ärztlichen Fachgebieten gegliederten ambulanten vertragsärztlichen Tätigkeit ausgegangen ist und sich insoweit auf die landesrechtlichen Vorschriften zur Abgrenzung der einzelnen „Arztgruppen” gestützt hat (BSGE 62, 224, 226 = SozR 2200 § 368a Nr 19 S 71 und BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 27 f). Auch die Festlegung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahlen beruht auf Differenzierungen im Hinblick auf die empirisch ermittelten Leistungsanforderungen der durch Landesrecht bestimmten Arztgruppen.
Den für zwei Fachgebiete zugelassenen Ärzten steht es sowohl nach den Vorschriften des baden-württembergischen Kammergesetzes als auch nach der maßgeblichen Weiterbildungsordnung frei, in welchem Umfang sie in den beiden Fachgebieten, für die sie zugelassen sind, tätig sein wollen. Das hat das LSG Baden-Württemberg in einem vergleichbar gelagerten Fall mit Urteil vom 10. September 1997 - L 5 Ka 571/97 - (vgl dazu Senatsurteil B 6 KA 78/97 R vom heutigen Tag) in Anwendung dieser nicht revisiblen (§ 162 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) landesrechtlichen Vorschriften dargelegt. Die Beteiligten schließen sich dem übereinstimmend an. Die Zulassung des Klägers zu 1) für Innere Medizin und Radiologie erweitert also seine Leistungserbringungsmöglichkeiten, ohne daß durch die berufsrechtlichen Vorschriften eine bestimmte Struktur der Praxis vorgegeben wäre. Die Entscheidung eines in zwei Fachgebieten zugelassenen Vertragsarztes, seine Tätigkeit schwerpunktmäßig auf ein Fachgebiet auszurichten und im anderen Fachgebiet nur gelegentlich tätig zu werden, ist Teil seiner durch Art 12 Abs 1 Satz 2 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit. Vergütungsbeschränkende Regelungen, die in diese Entscheidung und die davon geprägte Struktur der vertragsärztlichen Praxis eingreifen, bedürfen einer hinreichenden normativen Grundlage. Diese muß nicht im Gesetz selbst enthalten sein. Vielmehr reicht eine bundesmantelvertragliche Regelung aus, die auch im Bewertungsmaßstab getroffen werden kann, der nach § 87 Abs 1 Satz 1 SGB V Bestandteil der Bundesmantelverträge ist. Eine entsprechende Regelung findet sich ab dem 1. Juli 1997 in den Allgemeinen Bestimmungen Teil B Nr 1.6.2 EBM-Ä im Zusammenhang mit der Berechnung der Fallpunktzahlen des Praxisbudgets. Dort ist bestimmt, daß für einen Arzt, der eine vertragsärztliche Tätigkeit unter mehreren Gebietsbezeichnungen ausübt, die Höhe der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl als arithmetischer Mittelwert der entsprechenden arztgruppenbezogenen Fallpunktzahlen nach Nr 1.5 errechnet wird. Eine vergleichbare Regelung hat der Bewertungsausschuß jedoch auch anläßlich der Neugestaltung des EBM-Ä zum 1. Juli 1997 für die Berechnung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl bei den Basislaborleistungen nach Abschnitt O I EBM-Ä nicht getroffen. Ohne ausdrückliche Regelung in diesem Sinne ist die KÄV nicht berechtigt, die Fallpunktzahl für Basislaborleistungen gegen den Willen des betroffenen Vertragsarztes mit Doppelzulassung entsprechend zu berechnen. Wie die Situation des Klägers zu 1) zeigt, kann die Berechnung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl auf der Grundlage des arithmetischen Mittelwerts je nach vorhandener Praxisstruktur und Bedarf an Laborleistungen von erheblicher Tragweite sein. Wenn der Kläger zu 1) – wie es seinem von der Beklagten nicht bestrittenen Vorbringen entspricht – tatsächlich regelmäßig 95 % internistische und nur 5 % radiologische Behandlungsfälle hat, führt die Bildung des arithmetischen Mittels im Hinblick auf die minimale Fallpunktzahl für radiologische Behandlungsfälle dazu, daß das ihm für seine internistischen Behandlungsfälle zur Verfügung stehende Basislaborbudget auf etwas mehr als die Hälfte dessen reduziert wird, was vom Bewertungsausschuß für die Arztgruppe der allgemein tätigen Internisten für sachgerecht gehalten worden ist. Die damit verbundene Einschränkung der internistischen Tätigkeit des Klägers zu 1) wäre allenfalls hinzunehmen, wenn jede andere Berechnungsweise des Laborbudgets in Fällen der Doppelzulassung schlechthin unmöglich und allein die Anknüpfung an das arithmetische Mittel, wie sie in Ziff 1.6.2 des Teils B der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM-Ä ab 1. Juli 1997 für das Praxisbudget getroffen worden ist, praktikabel wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Es bestehen keine unüberwindbaren Schwierigkeiten, wenn der Kläger zu 1) seine Behandlungsfälle zur Ermittlung des Basislaborbudgets nach Zugehörigkeit zum internistischen bzw radiologischen Fachgebiet kennzeichnet, zumal Abgrenzungsschwierigkeiten und Überschneidungen die seltene Ausnahme bilden werden. Selbst wenn die Beklagte den damit für sie verbundenen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für zu hoch hält, ist die Anknüpfung an das arithmetische Mittel beider Disziplinen nicht der einzig mögliche Ausweg. Der Kläger zu 1) könnte ihr gegenüber auf der Grundlage einer seit langen Jahren gewachsenen Praxisstruktur und eines offenbar nur geringfügig schwankenden Behandlungsverhaltens eine Quote der radiologischen bzw internistischen Behandlungsfälle angeben, die dann für einen bestimmten Zeitraum der Berechnung der Fallpunktzahl für Basislaborleistungen der Praxis zugrunde gelegt würde. Daß die Beklagte berechtigt ist, die Richtigkeit der Zuordnung der Behandlungsausweise zu den einzelnen Fachgebieten bzw die annähernde Richtigkeit der vom Kläger zu 1) angegebenen Quote stichprobenartig zu überprüfen, liegt auf der Hand. Dasselbe gilt für die Verpflichtung des Arztes, diese Kennzeichnung zutreffend vorzunehmen und der KÄV unverzüglich mitzuteilen, wenn deutliche Verschiebungen hinsichtlich der auf die beiden Fachgebiete entfallenden Quoten auftreten, so daß sich ein unrealistisch hoher praxisbezogener Wert für die Ermittlung des Basislabors ergibt. Zutreffend geht die Beklagte im übrigen davon aus, daß die Kläger nicht beanspruchen können, für alle in ihrer Praxis behandelten Fälle den höchsten der in Betracht kommenden arztgruppenbezogenen Punktzahlenwerte, hier also den für endokrinologisch tätige Internisten, zugrunde legen zu können; ein entsprechendes Ansinnen haben die Kläger indessen zu keinem Zeitpunkt an die Beklagte gerichtet.
Nach alledem ist die Beklagte verpflichtet, über das Honorar der Kläger für Basislaborleistungen insoweit eine neue Entscheidung zu treffen, als für die Hälfte der in die Berechnung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl für die Gemeinschaftspraxis der Kläger eingegangenen Behandlungsfälle das arithmetische Mittel der Punktzahlen für allgemeinärztlich tätige Internisten und Radiologen angesetzt worden ist. Ob sich die Beklagte für die streitbefangenen Quartale und spätere Abrechnungszeiträume zu einer exakten Zuordnung aller Behandlungsfälle oder zur Festlegung einer der Realität möglichst eng angenäherten Quote für beide Fachgebiete entschließt, obliegt zunächst ihrer Entscheidung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 542998 |
AusR 1999, 147 |