Beteiligte
Kassenärztliche Vereinigung Südwürttemberg |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. September 1997 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der in Pf zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger wendet sich gegen den Honorarbescheid der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), mit dem seine Honorarforderung für Basislaborleistungen im Quartal III/1994 reduziert worden ist. Streitig ist, wie die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl für die nach Abschnitt O I des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM-Ä) erbrachten Leistungen für den Kläger, der sowohl als Chirurg als auch als Urologe zugelassen ist, zu berechnen ist.
Seit dem 1. April 1994 sind kurativ-ambulante Laboratoriumsuntersuchungen nach Abschnitt O I EBM-Ä – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – je Arztpraxis und Abrechnungsquartal (nur) bis zu einer begrenzten Gesamtpunktzahl berechnungs- und damit vergütungsfähig, deren Höhe sich aus dem Produkt der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl und der Zahl kurativ-ambulanter Behandlungsfälle je Arztpraxis ergibt. Die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl beträgt bei Urologen 100 Punkte für Allgemeinversicherte und 135 für Rentner; für Chirurgen beträgt sie für beide Versichertengruppen 5 Punkte.
Die Beklagte ermittelte das dem Kläger zustehende Budget für Basislaborleistungen, indem sie für Allgemeinversicherte und Rentner getrennt arithmetische Mittelwerte der Fallpunktzahlen für Urologie und Chirurgie errechnete, die 53 Punkte für Allgemeinversicherte und 70 Punkte für Rentner betragen. Diese Werte multiplizierte die Beklagte mit den tatsächlichen Behandlungsfällen des Klägers im Primärkassen- und Ersatzkassenbereich von 411 Allgemeinversicherten und 253 Rentnern. Das so berechnete Budget überschritt der Kläger um 107.872 Punkte, so daß die Beklagte seine Honorarforderung für das Basislabor entsprechend kürzte (Bescheid vom 16. Januar 1995). Seinen Widerspruch wies sie zurück. Nach Mitteilung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) würden Ärzte, die mit mehr als einer Gebietsbezeichnung zugelassen seien, bei der Ermittlung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl ebenso durch Bildung des arithmetischen Mittelwertes eingruppiert, wie dies bei fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen – aufgrund der Übergangsvereinbarung der Partner der Bundesmantelverträge – geschehe. Eine Gewichtung der verschiedenen Leistungsbereiche nach den tatsächlichen Verhältnissen der einzelnen Praxis sei in beiden Konstellationen weder durchführbar noch geboten. Bei der Bedarfsplanung werde ein Arzt mit Doppelzulassung in beiden Fachgebieten zu je 1/2 berücksichtigt, was für die Berechtigung des arithmetischen Mittels als Anknüpfungspunkt für die Berechnung des Basislabors in Fällen der Doppelzulassung spreche (Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1995).
Das Sozialgericht (SG) hat den angefochtenen Bescheid abgeändert und die Beklagte verpflichtet, über die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl der der Begrenzung unterliegenden Basislaborleistungen im Quartal III/1994 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (Urteil vom 11. Dezember 1996). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß diese den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden habe. Der Honorarbescheid vom 16. Januar 1995 für das Quartal III/1994 sei rechtswidrig, soweit die Beklagte bei der Errechnung der Punktzahl der zu vergütenden Leistungen nach dem Abschnitt O I EBM-Ä das arithmetische Mittel von arztgruppenbezogener Fallpunktzahl der Urologen und der Chirurgen zugrunde gelegt habe. Der EBM-Ä sehe in Erfüllung des in § 87 Abs 2a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vorgesehenen Auftrages seit dem 1. April 1994 eine (grundsätzlich rechtmäßige) Begrenzung der Punktzahlen für die Leistungen des Abschnittes O I vor. Die vom Bewertungsausschuß festgelegten arztgruppenbezogenen Fallpunktzahlen gäben den Wert der Leistungen wieder, der in der jeweiligen Arztgruppe für Untersuchungen des Basislabors pro Patient gewöhnlicherweise anfalle. Wenn sowohl im EBM-Ä als auch im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) eine abweichende Regelung für Ärzte mit zwei Gebietsbezeichnungen fehle, müsse die Beklagte bei der Ermittlung des Laborbudgets des Klägers für die chirurgischen Behandlungsfälle die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl der Chirurgen und für die urologischen Behandlungsfälle die entsprechende Fallpunktzahl der Urologen zugrunde legen. Der Gesichtspunkt der Praktikabilität berechtige die Beklagte nicht, den von ihr gewählten Mittelwert in Abweichung von Gesetz, EBM-Ä und HVM zugrunde zu legen. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung könne ihre Vorgehensweise nicht rechtfertigen (Urteil vom 10. September 1997).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die fehlerhafte Auslegung des EBM-Ä. Zwar enthalte dieser keine Regelung darüber, wie bei einem Arzt mit einer Zulassung für zwei Fachgebiete die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl für das O I-Laborbudget zu berechnen sei. Lediglich für die Fälle fachübergreifender Gemeinschaftspraxen hätten die Partner der Bundesmantelverträge gemäß § 82 Abs 2, § 87 Abs 1 SGB V mit der Übergangsvereinbarung vom 16. Februar 1994 (DÄ 1994, A 988) unter Ziffer 3 eine Rechtsgrundlage geschaffen, wonach das arithmetische Mittel der Fallpunktzahl der in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Ärzte als arztgruppenbezogene Fallpunktzahl maßgeblich sei. Die Regelungslücke im EBM-Ä habe sie – die Beklagte –, dem Rundschreiben der KÄBV an die KÄVen vom 28. April 1994 folgend, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung entsprechend den Regelungen für Gemeinschaftspraxen schließen müssen. Die Befugnis zur ergänzenden Vertragsauslegung habe sich daraus ergeben, daß die Gewährung von zwei Budgets für die im Bereich des jeweiligen Fachgebiets erbrachten Leistungen bei einem Arzt mit Doppelzulassung vom Normgeber offensichtlich nicht beabsichtigt gewesen sei, wie spätere Regelungen durch den Bewertungsausschuß in anderem Zusammenhang zeigten. Außerdem sei sie zur ergänzenden Auslegung verpflichtet gewesen, da die im Wege der Satzungsautonomie geschaffene Rechtsnorm ansonsten willkürlich die fachübergreifende Gemeinschaftspraxis im Hinblick auf die Bewertung des Basislabors gegenüber Ärzten mit Zulassung in zwei Fachgebieten benachteilige. Im übrigen ergebe sich ihre entsprechende Befugnis als ärztlichem Selbstverwaltungsorgan aus dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität, der Typisierungen und Pauschalierungen erlaube. Selbst wenn der Kläger eine Kennzeichnung danach vornehme, ob Basislaborleistungen im Zusammenhang mit Leistungen der Abschnitte M (Urologie) oder N (Chirurgie) erbracht worden seien, könne eine Zuordnung dann nicht erfolgen, wenn die Laborleistungen im Zusammenhang mit Leistungen aus verschiedenen Fachgebieten gestanden hätten. Eine Differenzierung nach Diagnosen bedeute einen unzumutbaren Verwaltungsaufwand. Zur Zeit seien von den 2.406 Vertragsärzten in ihrem Bezirk 118 für zwei Fachgebiete zugelassen. Daraus folge ein Bedürfnis nach einer pauschalen Regelung. Die der Vorgehensweise zugrundeliegende Grundannahme, daß der Arzt mit Zulassung in zwei Fachgebieten beide Gebiete etwa zur Hälfte bediene, sei für den Regelfall nicht zu beanstanden und entspreche der bedarfsplanungsrechtlichen Erfassung des Arztes mit Zulassung in zwei Fachgebieten.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. September 1997 und des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Dezember 1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Ihre von SG und LSG beanstandete Entscheidung, der Berechnung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl für Basislaborleistungen bei einem Arzt mit Zulassung in zwei Fachgebieten stets das arithmetische Mittel der Punktzahlen der beiden Fachgebiete und nicht die tatsächlichen Gegebenheiten der einzelnen Praxis zugrunde zu legen, ist rechtswidrig.
Die Begrenzung der für Basislaboruntersuchungen berechnungsfähigen Gesamtpunktzahl in Abschnitt O I des EBM-Ä in der ab 1. April 1994 geltenden Fassung ist durch die gesetzliche Ermächtigung des § 87 Abs 2 und Abs 2b SGB V gedeckt. Durch die vom Bewertungsausschuß zusätzlich zur Punktzahlabsenkung bei einzelnen Laborleistungen beschlossene Begrenzung der für Leistungen des Abschnitts O I EBM-Ä berechnungsfähigen Gesamtpunktzahl – differenzierend einerseits nach Allgemeinversicherten und Rentnern und andererseits nach Fachgruppen – ist der gesetzliche Auftrag, über eine grundlegende, auch Strukturveränderungen einschließende Neufassung des Laborkapitels im EBM-Ä Wirtschaftlichkeitsreserven bei der Versorgung mit Laborleistungen zu erschließen, sachgerecht umgesetzt worden (BSGE 78, 98 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12). Im Hinblick auf praxisindividuelle Umstände innerhalb einer Arztgruppe waren weitergehende Differenzierungen nicht erforderlich, weil andernfalls die mit der Budgetierung von Basislaborleistungen notwendig verbundene und auch beabsichtigte Generalisierung und Pauschalierung in Frage gestellt wäre. Auch rechtlich ist die Berücksichtigung besonderer Umstände und Behandlungsausrichtungen der einzelnen ärztlichen Praxis bei der normativen Ausgestaltung des Praxisbudgets für Leistungen des Basislabors nicht geboten, weil jeder Arzt bei Beginn eines Abrechnungsquartals die Höhe der durchschnittlich pro Behandlungsfall maximal abrechenbaren Punktzahlen kennt und sein Behandlungs- und Abrechnungsverhalten darauf einstellen kann (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 15 S 61). Der Senat hat schließlich die auf der Grundlage des tatsächlichen Abrechnungsverhaltens der einzelnen Arztgruppen ermittelten Fallpunktzahlen nicht beanstandet, soweit darüber zu entscheiden war. Er hat es auch als zulässig bewertet, daß zum Zwecke der Reduzierung des Anreizes zur Erbringung medizinisch nicht indizierter Laborleistungen die Summe der tatsächlich durchschnittlich abgerechneten Punkte geringfügig vermindert worden ist (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 16).
Hinsichtlich der Anwendung der Vorschriften über die Begrenzung der für Basislaborleistungen abrechenbaren Punktzahlen haben die Partner der Bundesmantelverträge in Ziff 3 der Übergangsvereinbarung vom 16. Februar 1994 (DÄ 1994, A 988) eine Regelung für die Behandlung von fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen getroffen. Danach bildet das arithmetische Mittel der Fallpunktzahlen der in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Ärzte die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl der Praxis. Diese Regelung steht, wie der Senat durch Urteil vom 20. Januar 1997 - B 6 KA 77/97 R - entschieden hat, mit höherrangigem Recht im Einklang. Die Rechtsprechung sieht es seit jeher als zulässig an, daß die Partner der Bundesmantelverträge Übergangsregelungen im Zuge von Neugestaltungen der Bewertungsmaßstäbe treffen. Sie sind zwar nicht berechtigt, das Bewertungsgefüge des EBM-Ä zu verändern. Sie sind jedoch nicht gehindert, Regelungen zur Ausführung des EBM-Ä zu treffen und insbesondere zu vereinbaren, wie sich der Übergang von einer alten zu einer neuen Fassung einzelner Positionen des Bewertungsmaßstabs vollziehen soll (vgl zuletzt BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 17 S 78 mwN). Die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis (§ 33 Abs 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte ≪Ärzte-ZV≫) ist durch eine gemeinsame Praxisführung und Behandlung in der Weise gekennzeichnet, daß bei gemeinschaftlicher Organisation und Abrechnung jeder der beteiligten Ärzte zur Behandlung aller Patienten der Praxis berechtigt ist. Schließen sich Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen zu einer Gemeinschaftspraxis zusammen, bleibt gleichwohl jeder der beteiligten Ärzte auf die Grenzen seines Fachgebiets beschränkt. Die der Anknüpfung an das arithmetische Mittel der für die jeweiligen Fachgebiete festgesetzten Punktzahlen zugrundeliegende Annahme, jeder der Ärzte einer Gemeinschaftspraxis arbeite in seinem Fachgebiet in dem auch für einen Arzt in Einzelpraxis typischen Umfang und benötige daher das für sein Teilgebiet arztgruppenspezifische Basislabor, ist durch die Struktur der Gemeinschaftspraxis vorgegeben. Für den Fall, daß alle in einer Gemeinschaftspraxis zusammenarbeitenden Ärzte in dem für einen Vertragsarzt typischen Umfang der Tätigkeit in ihrem Fachgebiet nachgehen, berücksichtigt die durch den arithmetischen Mittelwert gebildete arztgruppenbezogene Fallpunktzahl die je nach medizinischer Disziplin deutlich unterschiedliche Angewiesenheit auf Leistungen des Basislabors. Sofern die tatsächlichen Gegebenheiten in einer Gemeinschaftspraxis von diesem Leitbild abweichen, etwa weil einer der beteiligten Ärzte eine unterdurchschnittliche Zahl von Patienten behandelt, aber gleichwohl – wenn dieser Arzt einem Fachgebiet mit niedriger arztgruppenbezogener Fallpunktzahl angehört – die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl der Gemeinschaftspraxis durch Bildung des arithmetischen Mittels sinkt, ist dies durch persönliche Entscheidungen der Ärzte einer Gemeinschaftspraxis begründet. Diese müssen ebensowenig wie praxisindividuelle Umstände der einzelnen ärztlichen Praxis bei der normativen Ausgestaltung des Praxisbudgets bei Leistungen des Basislabors berücksichtigt werden. Die in Ziff 3 der Übergangsvereinbarung getroffenen Regelung entspricht also dem Bewertungsgefüge, das der EBM-Ä für Basislaborleistungen aufgestellt hat, und genügt den Anforderungen, die an die Rechtmäßigkeit von ergänzenden Abrechnungsbestimmungen im Zuge einer Neugestaltung der Bewertungsmaßstäbe zu stellen sind.
Eine der Ziff 3 der Übergangsvereinbarung vom 16. Februar 1994 vergleichbare Regelung für die Berechnung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl im Falle der Zulassung eines einzelnen Arztes auf mehr als einem Fachgebiet existiert nicht. Die KÄV ist nicht berechtigt, ohne eine ausdrückliche normative Regelung den dieser Vorschrift zugrunde liegenden Rechtsgedanken auf den Fall der Doppelzulassung entsprechend anzuwenden. Anders als in einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis, deren Struktur durch die Beschränkung der einzelnen Ärzte auf ihr jeweiliges Fachgebiet bestimmt wird, ist der Vertragsarzt mit einer Zulassung für zwei Fachgebiete nicht durch berufsrechtliche oder zulassungsrechtliche Vorgaben auf eine bestimmte, typische Ausgestaltung seiner Praxis festgelegt. Der Tätigkeitsbereich eines Facharztes wird allein durch die auf landesrechtlicher Grundlage beruhende Gebietsbezeichnung festgelegt und begrenzt, wobei die Bindung des Arztes an die Grenzen seines Fachgebiets ihn auch in seiner Eigenschaft als Kassen- bzw Vertragsarzt trifft, obwohl das im SGB V und der Ärzte-ZV nicht ausdrücklich geregelt ist. Die Berufsordnungen der Länder normieren auf der Grundlage von Ermächtigungen in den landesrechtlichen Heilberufs- bzw Kammergesetzen die Verpflichtung derjenigen Ärzte, die Gebietsbezeichnungen führen, ihre Tätigkeit auf dieses Fachgebiet zu beschränken. Die Zusammenschau der § 18 Abs 1 Satz 2, § 24 Abs 3 Ärzte-ZV und § 101 Abs 1 Satz 2 und 4 und Abs 2, § 103 Abs 2 Satz 3 SGB V zwingt zu dem Schluß, daß der Gesetzgeber von einer klaren Vorstellung einer nach einzelnen ärztlichen Fachgebieten gegliederten ambulanten vertragsärztlichen Tätigkeit ausgegangen ist und sich insoweit auf die landesrechtlichen Vorschriften zur Abgrenzung der einzelnen „Arztgruppen” gestützt hat (BSGE 62, 224, 226 = SozR 2200 § 368a Nr 19 S 71 und BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 27 f). Auch die Festlegung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahlen beruht auf Differenzierungen im Hinblick auf die empirisch ermittelten Leistungsanforderungen der durch Landesrecht bestimmten Arztgruppen.
Den für zwei Fachgebiete zugelassenen Ärzten steht es sowohl nach den Vorschriften des baden-württembergischen Kammergesetzes als auch nach der maßgeblichen Weiterbildungsordnung frei, in welchem Umfang sie in den beiden Fachgebieten, für die sie zugelassen sind, tätig sein wollen. Das hat das LSG in Anwendung dieser nicht revisiblen (§ 162 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) landesrechtlichen Vorschriften dargelegt. Die Beteiligten schließen sich dem übereinstimmend an. Die Zulassung des Klägers für Urologie und Chirurgie erweitert also seine Leistungserbringungsmöglichkeiten, ohne daß durch die berufsrechtlichen Vorschriften eine bestimmte Struktur der Praxis vorgegeben wäre. Die Entscheidung eines in zwei Fachgebieten zugelassenen Vertragsarztes, seine Tätigkeit schwerpunktmäßig auf ein Fachgebiet auszurichten und im anderen Fachgebiet nur gelegentlich tätig zu werden, ist Teil seiner durch Art 12 Abs 1 Satz 2 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit. Vergütungsbeschränkende Regelungen, die in diese Entscheidung und die davon geprägte Struktur der vertragsärztlichen Praxis eingreifen, bedürfen einer hinreichenden normativen Grundlage. Diese muß nicht im Gesetz selbst enthalten sein. Vielmehr reicht eine bundesmantelvertragliche Regelung aus, die auch im Bewertungsmaßstab getroffen werden kann, der nach § 87 Abs 1 Satz 1 SGB V Bestandteil der Bundesmantelverträge ist. Eine entsprechende Regelung findet sich ab dem 1. Juli 1997 in den Allgemeinen Bestimmungen Teil B Nr 1.6.2 EBM-Ä im Zusammenhang mit der Berechnung der Fallpunktzahlen des Praxisbudgets. Dort ist bestimmt, daß für einen Arzt, der eine vertragsärztliche Tätigkeit unter mehreren Gebietsbezeichnungen ausübt, die Höhe der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl als arithmetischer Mittelwert der entsprechenden arztgruppenbezogenen Fallpunktzahlen nach Nr 1.5 errechnet wird. Eine vergleichbare Regelung hat der Bewertungsausschuß jedoch auch anläßlich der Neugestaltung des EBM-Ä zum 1. Juli 1997 für die Berechnung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl bei den Basislaborleistungen nach Abschnitt O I EBM-Ä nicht getroffen. Ohne ausdrückliche Regelung in diesem Sinne ist die KÄV nicht berechtigt, die Fallpunktzahl für Basislaborleistungen gegen den Willen des betroffenen Vertragsarztes mit Doppelzulassung entsprechend zu berechnen. Wie die Situation des Klägers zeigt, kann die Berechnung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl auf der Grundlage des arithmetischen Mittelwerts je nach vorhandener Praxisstruktur und Bedarf an Laborleistungen von erheblicher Tragweite sein. Wenn der Kläger – wie es seinem von der Beklagten nicht bestrittenen Vorbringen entspricht – tatsächlich regelmäßig 90 % urologische und nur 10 % chirurgische Behandlungsfälle hat, führt die Bildung des arithmetischen Mittels im Hinblick auf die minimale Fallpunktzahl für chirurgische Behandlungsfälle dazu, daß das ihm für seine urologischen Behandlungsfälle zur Verfügung stehende Basislaborbudget auf ca die Hälfte dessen reduziert wird, was vom Bewertungsausschuß für die Arztgruppe der Urologen für sachgerecht gehalten worden ist. Die damit verbundene Einschränkung der urologischen Tätigkeit des Klägers wäre allenfalls hinzunehmen, wenn jede andere Berechnungsweise des Laborbudgets in Fällen der Doppelzulassung schlechthin unmöglich und allein die Anknüpfung an das arithmetische Mittel, wie sie in Ziff 1.6.2 des Teils B der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM-Ä ab 1. Juli 1997 für das Praxisbudget getroffen worden ist, praktikabel wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Es bestehen keine unüberwindbaren Schwierigkeiten, wenn der Kläger seine Behandlungsfälle zur Ermittlung des Basislaborbudgets nach Zugehörigkeit zum chirurgischen bzw urologischen Fachgebiet kennzeichnet, zumal Abgrenzungsschwierigkeiten und Überschneidungen die seltene Ausnahme bilden werden. Selbst wenn die Beklagte den damit für sie verbundenen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für zu hoch hält, ist die Anknüpfung an das arithmetische Mittel beider Disziplinen nicht der einzig mögliche Ausweg. Der Kläger könnte ihr gegenüber auf der Grundlage einer seit langen Jahren gewachsenen Praxisstruktur und eines offenbar nur geringfügig schwankenden Behandlungsverhaltens eine Quote der chirurgischen bzw urologischen Behandlungsfälle angeben, die dann für einen bestimmten Zeitraum der Berechnung der Fallpunktzahl für Basislaborleistungen der Praxis zugrunde gelegt würde. Daß die Beklagte berechtigt ist, die Richtigkeit der Zuordnung der Behandlungsausweise zu den einzelnen Fachgebieten bzw die annähernde Richtigkeit der vom Kläger angegebenen Quote zu überprüfen, liegt auf der Hand. Dasselbe gilt für die Verpflichtung des Arztes, diese Kennzeichnung zutreffend vorzunehmen und der KÄV unverzüglich mitzuteilen, wenn deutliche Verschiebungen hinsichtlich der auf die beiden Fachgebiete entfallenden Quoten auftreten, so daß sich ein unrealistisch hoher praxisbezogener Wert für die Ermittlung des Basislabors ergibt. Zutreffend geht die Beklagte im übrigen davon aus, daß der Kläger nicht beanspruchen kann, für alle in seiner Praxis behandelten Fälle den höchsten der in Betracht kommenden arztgruppenbezogenen Punktzahlenwerte, hier also den für Urologen, zugrunde legen zu können; ein entsprechendes Ansinnen hat der Kläger indessen zu keinem Zeitpunkt an die Beklagte gerichtet.
Nach alledem ist die Beklagte verpflichtet, über das Honorar des Klägers für Basislaborleistungen insoweit eine neue Entscheidung zu treffen, als sie für die in die Berechnung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl eingegangenen Behandlungsfälle das arithmetische Mittel der Punktzahlen für Urologen und Chirurgen angesetzt hat. Ob sich die Beklagte für das streitbefangene Quartal und spätere Abrechnungszeiträume zu einer exakten Zuordnung aller Behandlungsfälle oder zur Festlegung einer der Realität möglichst eng angenäherten Quote für beide Fachgebiete entschließt, obliegt zunächst ihrer Entscheidung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 542999 |
AusR 2000, 148 |