Leitsatz (amtlich)
1. Die Grundsätze über die Beweislast sind nur anzuwenden, wenn die von Amts wegen vollständig durchgeführten Ermittlungen nicht zur Feststellung der Tatsachen geführt haben, die für das Bestehen oder Nichtbestehen des geltend gemachten Anspruchs erheblich sind.
2. Ein Beitrag zur Invalidenversicherung ist schon im Zeitpunkt des Einklebens der Beitragsmarke in die Quittungskarte entrichtet. Die Entwertung der Marke ist hierfür nicht erheblich.
Normenkette
RVO § 1413 Fassung: 1936-12-23, § 1428 Fassung: 1924-12-15, § 1431 Fassung: 1941-07-01; SGG § 128 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; RVO § 1411 Abs. 1 Fassung: 1924-12-15
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das am 25. Januar 1956 verkündete Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Die im Jahre 1887 geborene Klägerin beantragte am 1. Juni 1950 bei der Beklagten die Gewährung der Invalidenrente. Sie ist unstreitig seit dem 1. Juni 1950 invalide. Zum Nachweis der Beitragsleistung wurden die Aufrechnungsbescheinigungen Nr. 1, 3 bis 12 und 14 sowie die Quittungskarten Nr. 14 und 15 vorgelegt. Die am 19. November 1925 ausgestellte Quittungskarte Nr. 14 enthält 26 Beitragsmarken der Klasse II für 1949 sowie zwei (zu Prüfungszwecken abgelöste) Beitragsmarken der Klasse III mit den Entwertungsdaten 15. Mai 1925 und 25. Mai 1925. Die beklagte Landesversicherungsanstalt hatte Bedenken gegen die ordnungsmäßige Verwendung dieser beiden Beitragsmarken und ließ die Klägerin nach Stellung des Rentenantrags durch ihren Kontrollbeamten vernehmen. Diese gab an, sie habe die Quittungskarte Nr. 14 im Januar oder Februar 1950 unter alten Akten und Gegenständen ihres Schwiegersohnes wiedergefunden; die beiden Marken der Klasse III hätten sich zu diesem Zeitpunkt in der Quittungskarte befunden, sie seien nicht nachträglich in die Karte geklebt worden. Die beiden Marken seien jedoch noch nicht entwertet gewesen. Erst nach dem Auffinden der Karte habe ihre inzwischen verstorbene Schwester C... S... nach Erkundigung beim Amt T..., ob die Anwartschaft aus dieser Versicherung wiederherzustellen sei, die Marken durch die oben angegebenen Daten entwertet. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 17. Juli 1953 den Rentenantrag ab: Der Versicherungsfall sei im Juni 1950 eingetreten. Die Anwartschaft aus den vor dem 1. Januar 1924 entrichteten Beiträgen sei erloschen, weil die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1924 bis 30. November 1948 keine Beiträge entrichtet habe. Die in der Quittungskarte Nr. 14 enthaltenen zwei Beitragsmarken der Klasse III seien ungesetzlich verwendet und daher rechtsunwirksam. Die Anwartschaft sei auch nicht durch Halbdeckung erhalten.
Die von der Klägerin beim Oberversicherungsamt eingelegte Berufung ging als Klage auf das Sozialgericht über. Dieses verurteilte die Beklagte am 27. September 1954 zur Gewährung der Rente vom 1. Juli 1950 an mit der Begründung, die beanstandeten zwei Beitragsmarken seien rechtswirksam entrichtet, der Nachweis einer Doppelverwendung sei nicht erbracht. Zur Begründung der gegen dieses Urteil rechtzeitig eingelegten Berufung trug die Beklagte im wesentlichen folgendes vor: Gegen die rechtswirksame Entrichtung der in der Quittungskarte Nr. 14 enthaltenen zwei Beitragsmarken der Klasse III bestünden erhebliche Bedenken. Die Marken seien, wie sich aus einem Gutachten des von ihr gehörten Gerichtschemikers Dr. D... ergebe, erst nachträglich mit fremdem Leim in die Karte eingeklebt worden. Gegen die rechtsgültige Verwendung spreche, daß es sich bei den beanstandeten Marken um solche der Klasse III handele, während die Klägerin für ihre freiwillige Weiterversicherung nur Marken der Beitragsklasse I hätte zu kleben brauchen. Auffällig sei auch, daß die Klägerin die Aufrechnungsbescheinigung für die Quittungskarte Nr. 13, die über ihre freiwillige Weiterversicherung seit dem 1. Januar 1924 hätte Aufschluß geben können, nicht vorgelegt habe. Die Klägerin müsse deshalb die rechtsgültige Verwendung der beiden Marken "glaubhaft" machen, was sie jedoch nicht tun könne. Das Landessozialgericht hat über die Frage, ob und unter welchen Umständen die Quittungskarte Nr. 14 aufgefunden worden ist, Beweis erhoben durch Vernehmung der Tochter und des Schwiegersohnes der Klägerin. Auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. Januar 1956 wies das Landessozialgericht die Berufung durch ein am 25. Januar 1956 verkündetes Urteil zurück: Für die Entscheidung komme es ausschließlich darauf an, ob die von der Beklagten beanstandeten zwei Beitragsmarken der Klasse III in der Quittungskarte Nr. 14 rechtswirksam entrichtet seien. Bei rechtswirksamer Entrichtung sei die Anwartschaft aus allen von der Klägerin entrichteten Beitragsmarken bis zum Eintritt des Versicherungsfalles erhalten und auch die Wartezeit erfüllt. Bei Beurteilung der beanstandeten Marken sei zunächst zu berücksichtigen, daß sich diese in einer am 19. November 1925 ausgestellten, aber erst am 7. Februar 1950 aufgerechneten Quittungskarte (Nr. 14) befänden - bzw. vor ihrer Ablösung anläßlich ihrer Prüfung befunden hätten. Ferner sei zu beachten, daß die Marken nicht im Jahre 1925, sondern erst im Jahre 1950 entwertet worden seien. Die verspätete Entwertung der Marken habe grundsätzlich keinen Einfluß auf die Rechtswirksamkeit der Entrichtung. Nach § 1413 der Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F. würden die Beiträge durch Einkleben von Marken in die Quittungskarte des Versicherten entrichtet. Die Entwertung der Marken sei zwar ebenfalls im Gesetz vorgesehen (§§ 1414, 1431, 1439 RVO), sie sei auch jeweils für den Zeitpunkt bzw. Zeitraum vorzunehmen, für den die Beitragsmarken gelten sollten. Die Entrichtung der Beiträge im Sinne des § 1413 RVO und des § 4 Abs. 2 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes (SVAG) sei aber auch ohne die Entwertung schon mit dem Einkleben der Marken wirksam geworden. Daß die Quittungskarte Nr. 14 im Jahre 1925 ausgestellt und erst 1950 aufgerechnet worden sei, sei für die Wirksamkeit der Beiträge ebenfalls unerheblich. Zwar solle nach § 1420 RVO (a.F.) die Quittungskarte binnen drei Jahren nach dem Tage der Ausstellung zum Umtausch eingereicht werden. Die Wirksamkeit der Beitragsentrichtung werde aber durch eine Verletzung dieser Vorschrift nicht berührt. § 1420 RVO habe früher allerdings - bis zu seiner Streichung durch Art. 17 Abs. 5 der Ersten Vereinfachungsverordnung (VereinfVO) vom 17. März 1945 - einen weiteren Satz enthalten, wonach im Falle der Versäumung der Umtauschfrist im Streitfall der Versicherte hätte beweisen müssen, daß die Anwartschaft erhalten ist. Da diese Vorschrift aufgehoben sei, habe der verspätete Umtausch der Karte nicht ohne weiteres zur Folge, daß die Klägerin nunmehr den Nachweis der wirksamen Markenentrichtung erbringen müsse. Eine solche "Beweislast" könne angesichts der ausdrücklichen Aufhebung des § 1420 Satz 2 RVO auch nicht aus anderen Vorschriften der RVO hergeleitet werden. Vielmehr sei die Frage, ob eine wirksame Beitragsentrichtung vorliege, nach den allgemeinen Grundsätzen der Beweisführung im sozialgerichtlichen Verfahren zu beurteilen. Die Frage, welche Beweisanforderungen im Einzelfall zu stellen seien, könne nur nach den besonderen Umständen des Falles entschieden werden. Es sei davon auszugehen, daß die Klägerin eine am 19. November 1925 ausgestellte Quittungskarte vorgelegt habe, in der sich zwei zu jener Zeit gültige Beitragsmarken der Klasse III befunden hätten. Damit sei zunächst eine wirksame Entrichtung der beiden Marken dargetan, da es eine Überspannung der Beweisanforderung bedeuten würde, in einem derartigen Falle grundsätzlich noch einen konkreten Beweis dafür zu fordern, daß die Marken auch tatsächlich im Jahre 1925 in die Karte eingeklebt worden seien. Eine solche Beweisanforderung würde angesichts der inzwischen verflossenen Zeit von dem Versicherten praktisch Unmögliches verlangen. Die Annahme einer wirksamen Beitragsentrichtung könne allerdings durch besondere Umstände erschüttert oder widerlegt werden. Die von der Beklagten vorgebrachten Umstände seien aber nicht geeignet, die Wirksamkeit der Beitragsentrichtung entscheidend in Frage zu stellen. Die Tatsache, daß der Sachverständige an den fraglichen Marken fremde Leimteile festgestellt habe, spreche nicht ohne weiteres gegen die gesetzliche Verwendung der Marken. Es bestehe durchaus die Möglichkeit, daß die Marken schon 1925, um ein dauerhaftes Kleben zu gewährleisten, mit einem zusätzlichen Klebstoff befestigt worden seien, was nicht ohne weiteres ungewöhnlich erscheine. Es sei auch möglich, daß die Marken vor dem Einkleben infolge unsachgemäßer Aufbewahrung ihre Klebfähigkeit zum Teil verloren hätten. Diese Möglichkeiten müßten in Rechnung gestellt werden, wenn auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür gegeben seien und wenn auch die Klägerin eine bestimmte Erklärung, wie es zu der Verwendung des fremden Klebstoffs gekommen sei, nicht gegeben habe. Angesichts der Länge der verflossenen Zeit sei es nicht nur erklärlich, daß die Klägerin insoweit keine genauen Angaben mehr machen könne, im Gegenteil müßte es beim Fehlen ganz besonderer Umstände bedenklich erscheinen, wenn ein Versicherter nach nahezu 30 Jahren noch in der Lage wäre, genaue Angaben zu machen, weshalb er beim Einkleben von zwei bestimmten, zur Zeit des Einklebens nicht sonderlich bedeutsamen Beitragsmarken fremden Klebstoff verwendet habe. Deshalb müßten noch andere wesentliche Umstände hinzukommen, wenn man aus der Verwendung des fremden Klebstoffs auf eine unrechtmäßige Markenentrichtung schließen wollte. Solche Umstände seien jedoch nicht vorhanden; insbesondere habe die chemische Untersuchung der Marken nichts dafür ergeben, daß sie schon einmal an anderer Stelle eingeklebt gewesen seien. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten ausdrücklich bemerkt, daß er nach Ablösung der Marken von der Karte unter den Wertzeichen weder Beschädigungen noch fremde Druckabfärbungen festgestellt habe. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die streitigen Beitragsmarken der Klasse III angehörten, während für die freiwillige Versicherung solche der Klasse I ausgereicht hätten. Zwar möge es im allgemeinen ungewöhnlich sein, daß ein freiwillig Versicherter höhere Beiträge als erforderlich entrichte, indes sei eine solche Möglichkeit nicht ausgeschlossen, sie könne gerade bei der Entrichtung einzelner Marken aus besonderen Gründen sehr wohl einmal praktisch werden. Überdies stehe nicht fest, ob nicht auch die Quittungskarte Nr. 13 Marken der Klasse III enthalten habe; solche Marken hätten sich - als Pflichtmarken - auch in früherer Karten befunden. Nachteilig sei zwar, daß gerade die Aufrechnungsbescheinigung über die Quittungskarte Nr. 13 nicht vorliege, was möglicherweise den vorliegenden Streit ohne weiteres erledigt hätte. Indes könne die Behauptung der Klägerin, diese Aufrechnungsbescheinigung sei verlorengegangen, nicht als widerlegt angesehen werden. Jedenfalls fehle es an jedem Anhaltspunkt dafür, daß die Klägerin diese Bescheinigung etwa absichtlich beiseite geschafft habe. Hiergegen spreche ferner der Umstand, daß auch die Aufrechnungsbescheinigung über die Quittungskarte Nr. 2 fehle. Wenn sich aus den bisher erörterten Umständen nichts Ausschlaggebendes für eine unrechtmäßige Wiederverwendung der Marken ergebe, so spreche andererseits für die Klägerin, daß sie sich noch am 19. November 1925 eine Quittungskarte für das Jahr 1925 habe ausstellen lassen. Dies lasse den Schluß zu, daß sie die Versicherung habe fortsetzen und Beitragsmarken habe entrichten wollen. Die verwendeten Marken seien auch im Jahre 1925 gültig gewesen. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Klägerin diese Marken etwa im Jahre 1949 erlangt und in die Karte eingeklebt habe, sei nur gering. Wenn auch zu dieser Zeit die Möglichkeit bestanden haben möge, auf illegalem Wege in den Besitz von entwerteten Beitragsmarken früherer Jahrgänge zu gelangen, so erscheine es doch sehr fraglich, ob es 1949 möglich gewesen sei, nicht entwertete Marken eines so weit zurückliegenden Jahrgangs zu erhalten. Überdies fehle jeglicher Anhalt dafür, daß die Klägerin in Beziehung zu Personen gestanden habe, die in der Lage gewesen wären, solche Beitragsmarken zu beschaffen. Auch die Möglichkeit, daß die beiden Marken aus der Quittungskarte der Schwester der Klägerin, Ch... Sch..., stammten, scheide aus, weil diese bereits 1924 Rentenempfängerin gewesen sei und deshalb für 192 5 keine Beitragsmarken mehr entrichtet habe. Für die Glaubwürdigkeit der Klägerin spreche, daß sie ihr Vorbringen nicht geändert habe und daß sie von Anfang an zugegeben habe, daß die beiden streitigen Marken erst im Jahre 1950 zusammen mit den übrigen 26 Beitragsmarken der Klasse II entwertet worden seien, während es im Falle einer unrechtmäßigen Wiederverwendung nahegelegen hätte zu versuchen, die frühere Entrichtung der Marken durch die Behauptung zu bekräftigen, sie seien auch schon damals entwertet worden. Daß die Marken tatsächlich erst 1950 entwertet worden seien, werde durch das Gutachten des Dr. D... eindeutig bestätigt. Schließlich hätten auch der Schwiegersohn und die Tochter der Klägerin die Angaben über das Auffinden der Quittungskarte Nr. 14 im Jahre 1950 bestätigt. Zwar hätten die Aussagen der Zeugen zunächst einige kleine Widersprüche enthalten. Diese hätten sich jedoch nur auf Nebensächlichkeiten bezogen und seien durch erneutes Befragen klargestellt worden. Es bestehe daher kein Anlaß, die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Zweifel zu ziehen, zumal ihre Aussagen im wesentlichen übereinstimmten. Der Schwiegersohn habe mit Bestimmtheit ausgesagt, daß er die Quittungskarte Nr. 14 in dem seinen Schwiegereltern gehörenden, aber in seinem Schlafzimmer aufgestellten Waschtisch gefunden habe und daß sich in der Karte auch zwei nicht entwertete grüne Beitragsmarken befunden hätten. Die Tochter der Klägerin habe sich zwar nicht an der Suche der Quittungskarte beteiligt, ihr Ehemann habe ihr aber nach ihrer Aussage die Quittungskarte sofort nach ihrem Auffinden gezeigt. Beide Zeugen hätten zudem auf ausdrückliches Befragen erklärt, die Marken seien nicht nachträglich eingeklebt worden. Der Senat sei nach alledem zu der Überzeugung gelangt, daß hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme einer unrechtmäßigen Verwendung der beanstandeten Beitragsmarken nicht gegeben seien, sondern daß die Klägerin die Marken rechtswirksam entrichtet habe.
Das Landessozialgericht hat die Revision zugelassen, weil der Frage, welche Beweisanforderungen in Fällen dieser Art zu stellen sind, rechtsgrundsätzliche Bedeutung zukomme.
Zur Begründung ihrer frist- und formgerecht eingelegten Revision macht die Beklagte folgendes geltend: Die Auffassung des Berufungsgerichts, bei Beurteilung der Frage, ob eine wirksame Beitragsentrichtung stattgefunden habe, seien die allgemeinen Grundsätze der Beweisführung im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwenden, sei unrichtig. Sie nehme dem § 1420 RVO in der Fassung der Ersten VereinfVO vom 17. März 1945 wie auch dem § 1445 Abs. 1 RVO (a.F.) praktisch jede Bedeutung. Der Gesetzgeber habe zugunsten des Versicherten bestimmt, daß er jederzeit die bindende Feststellung der Gültigkeit der entrichteten Beiträge verlangen könne und daß der Versicherungsträger nach Ablauf von zehn Jahren seit Aufrechnung der Quittungskarte die rechtsgültige Verwendung der nachgewiesenen Beiträge nicht mehr anfechten könne. Zugunsten des Versicherungsträgers habe der Gesetzgeber dagegen bestimmt, daß die Quittungskarten innerhalb einer bestimmten Frist zum Umtausch vorgelegt werden sollen. Werde eine richtig ausgestellte Karte innerhalb der Frist umgetauscht, so werde vermutet, daß während der belegten Beitragswochen ein Versicherungsverhältnis bestanden habe (§ 1445 Abs. 1 RVO (a.F.)) bzw., daß während der nicht länger als ein Jahr vor dem Ausstellungstag der Karte liegenden Beschäftigungszeit ein die Versicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis mit dem angegebenen Entgelt bestanden habe und die dafür zu entrichtenden Beiträge rechtzeitig geleistet seien (§ 11 Abs. 1 der Durchführungsverordnung - DurchfVO - vom 15.6.1942 zur Zweiten Lohnabzugsverordnung -LAV-). Die Fassung dieser Vorschriften, insbesondere in Verbindung mit § 1420 RVO 2. Satz (in der vor Inkrafttreten der VereinfVO geltenden Fassung) und § 179 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) sprächen dafür, daß der Gesetzgeber die Beweiskraft der Quittungs- und Versicherungskarte in Abweichung von dem für den Zivilprozeß geltenden § 415 der Zivilprozeßordnung (ZPO) habe regeln wollen. Diese Vorschriften müßten im Hinblick auf die im sozialgerichtlichen Verfahren geltende Amtsmaxime dahin ausgelegt werden, daß die Unmöglichkeit einer sicheren Feststellung, sofern es sich um die in § 1445 Abs. 1 Satz 1 RVO oder in § 11 Abs. 1 DurchfVO zur Zweiten LAV genannten Zeiten handele, dem Versicherungsträger und, sofern es sich um andere Zeiten handele, dem Versicherten zum Nachteil gereichten. Im einzelnen rügt die Beklagte, das Landessozialgericht habe keine Erhebungen darüber angestellt, ob die beanstandeten Beiträge innerhalb der vom Gesetzgeber vorgesehenen Frist entrichtet worden seien. Es habe eine rechtswirksame Entrichtung der beiden Marken als dargetan angesehen, obgleich die Vermutung der Rechtswirksamkeit nur gelte, wenn die Quittungskarten rechtzeitig zum Umtausch eingereicht seien. Wenn auch die Verwendung eines zusätzlichen Klebstoffs nicht ohne weiteres auf eine ungesetzliche Verwendung der Marken schließen lasse, so hätte die Klägerin doch glaubhaft machen müssen, warum in diesem Falle ein zusätzlicher Leim verwendet worden sei, denn sie - die Beklagte - habe Beweis dafür angetreten, daß die Marken dieser Serie gut gummiert gewesen seien. Die Klägerin habe im übrigen nicht hinreichend dargetan, weshalb sie im Jahre 1925 nach der überstandenen Inflation Beiträge der Klasse III entrichtet habe, obgleich solche der Klasse I ausgereicht hätten, und aus welchem Grunde nach Entrichtung von zwei Beiträgen die weitere Entrichtung unterblieben sei. Da die Klägerin "nicht glaubhaft gemacht" habe, daß die Beiträge rechtswirksam entrichtet seien, müsse ihr dies zum Nachteil gereichen, zumal auf Grund der Vorkarten angenommen werden müsse, daß die zur Aufrechterhaltung der Anwartschaft regelmäßig erforderlichen Beiträge nicht geleistet worden seien. Die Beklagte beantragt, unter Abänderung der Urteile des Landessozialgerichts vom 25. Januar 1956 und des Sozialgerichts vom 27. September 1954 die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts nebst den ihm zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II.
Die vom Landessozialgericht zugelassene und somit statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) ist nicht begründet.
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Rentenanspruch, der aus einem im Juni 1950 eingetretenen Versicherungsfall hergeleitet wird, nach dem bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Recht zu beurteilen (Art. 2 § 5 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - ArVNG -). Das Bestehen des Anspruchs hängt daher davon ab, ob die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1924 bis zum 30. November 1948 wenigstens einen wirksamen Beitrag entrichtet hat (§ 4 Abs. 2 SVAG); das würde zutreffen, wenn die in der Quittungskarte Nr. 14 enthaltenen beiden Marken der Beitragsklasse III wirksam entrichtet worden sind. Die Klägerin hat unstreitig die am 19. November 1925 ausgestellte Quittungskarte Nr. 14 nicht innerhalb von zwei Jahren nach dem Tage der Ausstellung zum Umtausch eingereicht und damit gegen die Ordnungsvorschrift des § 1420 RVO a.F. verstoßen. § 1420 Satz 2 RVO a.F., auf den sich die Beklagte beruft, schrieb vor, daß bei Versäumung des rechtzeitigen Umtausche im Streitfall der Versicherte beweisen müsse, daß die Anwartschaft erhalten sei. Nachdem § 4 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften der Zweiten Verordnung über die Vereinfachung des Lohnabzugs (Zweite LAV) vom 15. Juni 1942 (RGBl. I S. 403, berichtigt S. 448) die Umtauschfrist für die Beitragsentrichtung nach der Zweiten LAV auf drei Jahre verlängert hatte, wurde § 1420 Satz 1 RVO durch Art. 17 Abs. 5 der Ersten VereinfVO vom 17. März 1945 (RGBl. I S. 41 dahin geändert, daß das Wort "zwei" durch "drei" ersetzt wurde. Zugleich wurde bestimmt, daß Satz 2 des § 1420 RVO a.F. wegfällt. Diese Vorschrift enthielt eine gesetzliche Regelung über die Beweislast. Bei rechtzeitigem Umtausch der Quittungskarte traf im Streitfall den Versicherungsträger die Beweislast dafür, daß die Anwartschaft nicht aufrechterhalten war, während umgekehrt bei verspätetem Umtausch der Versicherte beweisen mußte, daß die Anwartschaft erhalten ist (vgl. RVA., Erweiterter Senat, Nr. 981 in AN. 1902 S. 474). Wie schon das RVA. in seiner Entscheidung Nr. 1627 (AN. 1912 S. 891) zutreffend ausgeführt hat, bedeutet Beweislast im Verfahren vor den Versicherungsbehörden nicht eine Durchbrechung des Grundsatzes der Amtsermittlung, sie hat nur zur Folge, daß die Unmöglichkeit einer sicheren Feststellung demjenigen zum Nachteil gereicht, der die Beweislast zu tragen hat, in der Regel - vorbehaltlich anderer gesetzlicher Regelung - also demjenigen, dessen Anspruch von der nicht feststellbaren Tatsache abhängt. Lassen sich die für das Bestehen eines Anspruchs wesentlichen Tatsachen - hier die wirksame Entrichtung der von der Beklagten beanstandeten beiden Beitragsmarken - nach der Überzeugung des Gerichts nicht feststellen, so ist der Anspruch als unbegründet abzuweisen. Insoweit gelten ebenso wie früher im Verfahren nach der RVO auch in der Sozialgerichtsbarkeit die Grundsätze der Beweislast in dem Sinne, daß die Folgen der Unmöglichkeit, eine rechtserhebliche Tatsache festzustellen, derjenige Beteiligte zu tragen hat, der aus dieser Tatsache ein Recht herleitet (vgl. BSG. Bd. 6 S. 70, hier 72 ff. mit Nachweisen; BSG. vom 26.6.1958 in SozR. SGG § 128 Bl. Da 11 Nr. 31; Brackmann a.a.O., Bd. I S. 244 1 mit weiteren Nachweisen; Wolff "Zur Beweislast im Sozialgerichtsverfahren" in Festschrift für Bogs (1959), S. 385 ff.).
Wie das Landessozialgericht zutreffend angenommen hat, kann der Nachweis, daß die Klägerin die beanstandeten Beitragsmarken in die im Jahre 1925 ausgestellte Quittungskarte alsbald nach ihrer Ausstellung eingeklebt hat, wegen des nicht rechtzeitigen Umtauschs der Quittungskarte Nr. 14 nicht schon durch die Aufrechnungsbescheinigung erbracht werden. Das Vordergericht hat jedoch auf Grund der von ihm erhobenen Beweise die Überzeugung gewonnen, daß es sich trotz des nicht rechtzeitigen Umtauschs der Quittungskarte nicht um unrechtmäßig wiederverwendete, sondern um ordnungsmäßig während der Zeit ihrer Gültigkeit entrichtete Marken handelt. Diese Feststellung verstößt nicht, wie die Beklagte meint, gegen die im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Beweisgrundsätze.
Die Beklagte beruft sich zu Unrecht auf die Vermutung des § 1445 Abs. 1 RVO (Formalversicherung). Denn diese das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses betreffende Vermutung setzt voraus, daß die Marken einer richtig ausgestellten und rechtzeitig zum Umtausch eingereichten Quittungskarte "ordnungsgemäß verwendet" sind; hier ist aber gerade streitig, ob nicht schon anderweit verwendete Marken unzulässigerweise in die Quittungskarte eingeklebt worden sind. Die genannte Vorschrift enthebt im übrigen den Versicherten grundsätzlich nicht der Notwendigkeit, bei begründeten Zweifeln das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses darzutun (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 15.2.1959, Bd. III S. 656; Koch-Hartmann, Komm. zum AVG 2. Aufl. S. 675 Anm. III zu § 1445 RVO). Auch nach Wegfall des § 1420 Satz 2 RVO a.F. hat ein Versicherter, der seine Quittungskarte nicht rechtzeitig umgetauscht hat, nach den allgemeinen Regeln über die Beweislast den Nachteil zu tragen, wenn nicht aufklärbare Zweifel an der wirksamen Entrichtung der Beiträge bestehen bleiben. Im vorliegenden Streitfall hat aber das Landessozialgericht auf Grund der erhobenen Beweise den für die Entscheidung des Rechtsstreits wesentlichen Sachverhalt - die Verwendung von zwei noch nicht anderweit verwendeten Marken - als hinreichend geklärt angesehen und daraufhin die Feststellung getroffen, "... daß die Klägerin die Marken rechtswirksam entrichtet hat". Wenn es dabei der Tatsache besondere Bedeutung beigelegt hat, daß die Quittungskarte Nr. 14, in die die Marken eingeklebt waren, im Jahre 1925 ausgestellt worden ist, und daß es sich bei den beanstandeten Marken um solche handelt, die im Jahre 1925 gültig gewesen sind, so bestehen hiergegen keine Bedenken. Das Landessozialgericht konnte, ohne die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung zu überschreiten, in entsprechender Anwendung der Grundsätze des Beweises des ersten Augenscheins (prima facie-Beweis) davon ausgehen, daß es sich bei Beitragsmarken, die für die Verwendung im Jahre 1925 bestimmt waren und in eine im Jahre 1925 ausgestellte Quittungskarte eingeklebt worden sind, nicht um schon einmal verwendete, also in betrügerischer Absicht nachträglich wiederverwendete Marken gehandelt hat, sofern nicht besondere Umstände vorlagen, die diesen ersten Anschein entkräfteten. Wenn das Gericht auf Grund der von ihm angestellten Ermittlungen - trotz der zugegebenermaßen erst 1950 erfolgten Entwertung der Marken - die von der Beklagten vorgebrachten Umstände nicht als geeignet angesehen hat, die Wirksamkeit der Beitragsentrichtung entscheidend in Frage zu stellen, so sind hiergegen nach den Grundsätzen über die freie Beweiswürdigung (§ 128 SGG) keine Bedenken zu erheben. Das Berufungsgericht brauchte insbesondere der Tatsache, daß sich an den beanstandeten Marken fremde Leimteile befinden, keine für die Klägerin nachteilige Bedeutung beizulegen, da die chemische Untersuchung der Marken nach dem vom Landessozialgericht verwerteten Sachverständigengutachten nichts dafür ergeben hatte, daß die Marken schon einmal an anderer Stelle eingeklebt waren. Wenn das Landessozialgericht aus dem Fehlen der Aufrechnungsbescheinigung der Quittungskarte Nr. 13 und aus der Tatsache, daß es sich bei den beanstandeten Marken um solche der Beitragsklasse III handelt, während für die freiwillige Versicherung Marken der Klasse I ausgereicht hätten, mangels hinreichender Anhaltspunkte keinen für die Klägerin nachteiligen Schluß gezogen hat, so lassen die von ihm dafür angegebenen Gründe eine Überschreitung der Grenzen des Rechts der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 SGG) nicht erkennen. Das Landes - Sozialgericht konnte im Hinblick auf die von ihm als glaubwürdig angesehenen Bekundungen der von ihm gehörten beiden Zeugen bei der Gesamtwürdigung des Sachverhalts auch als entscheidend ansehen, daß sich das Vorbringen der Klägerin im Laufe des Rechtsstreits nicht geändert hat und daß ihre Erklärung, die beanstandeten Marken seien erst im Jahre 1950 zusammen mit den übrigen 26 Beitragsmarken der Klasse II entwertet worden, für ihre Glaubwürdigkeit spricht. Das Landessozialgericht konnte hiernach, ohne gegen die im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Beweisgrundsätze zu verstoßen und ohne Verletzung seiner Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) zu der Überzeugung gelangen, daß es sich bei den von der Beklagten beanstandeten Marken nicht um unrechtmäßig wiederverwendete Marken handelt. Hat aber das Landessozialgericht diese Überzeugung gewonnen und - wie sich insbesondere aus den Ausführungen am Ende der Urteilsgründe ergibt - eine entsprechende tatsächliche Feststellung getroffen, so ist die Rüge der Revision, das Landessozialgericht habe die Beweislast verkannt, unbegründet; denn die Grundsätze über die Beweislast finden nur Anwendung, wenn es dem Gericht nicht möglich war, zu tatsächlichen Feststellungen über die Anspruchsvoraussetzungen zu gelangen.
Daß die beanstandeten Marken, die im Jahre 1925 gültig gewesen sind, erst im Jahre 1950 entwertet wurden, steht - wie das Landessozialgericht zutreffend angenommen hat - der Wirksamkeit der Beitragsentrichtung nicht entgegen. Die Beiträge wurden durch das Einkleben der Marken in die Quittungskarte des Versicherten entrichtet (§ 1413 RVO a.F.). Zwar schreibt § 1431 Satz 1 RVO a.F. vor, daß die Marken entwertet werden müssen. Die Entwertung der Marken hat aber auf den Zeitpunkt der Entrichtung der Beiträge, der sich allein nach § 1413 RVO a.F. bestimmt, keinen Einfluß. Der Beitrag ist freilich erst mit der Entwertung der Marken vorschriftsmäßig verwendet (vgl. Brackmann, a.a.O., Bd. 3 S. 650 c); die Unterlassung der Entwertung kann auch für den Versicherten nachteilige Folgen haben (vgl. §§ 1439, 1445 Abs. 1 RVO a.F.), sie ist aber auf die Wirksamkeit der Beitragsentrichtung ohne Einfluß (ebenso RVO-Mitgl. Komm. 1930 § 1431 Anm. 1 unter Hinweis auf die zu § 1497 RVO a.F. ergangene Entscheidung des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 40 S. 335; Dersch, Grundriß der gesetzlichen Rentenversicherung, S. 239 Abschn. XI Nr. 2). Die Revision der Beklagten ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen