Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragszuschuß

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Bezieher von Renten nach dem FRG ist die Vorversicherungszeit des RVO § 165 Abs 3 aF nicht nach dem Stichtag des 1944-07-01, sondern nach dem Stichtag der Rentenantragstellung zu berechnen.

2. Die Vorschrift des KVdRG Art 2 § 9, wonach für die Berechnung der in RVO § 165 Abs 1 Nr 3 aF geforderten Versicherungszeit unter bestimmten Voraussetzungen anstelle des Rentenantrages der 1944-07-01 maßgebend ist, gilt nur für solche Rentner, die Rente oder Altersruhegeld nach dem SVFAG vom 1953-08-07 erhalten.

3. Der Beitragszuschuß für eine private KV (RVO § 381 Abs 4 S 2) steht auch denjenigen Rentnern zu, die zwar die Voraussetzungen des RVO § 165 Abs 1 Nr 3 erfüllen, sich aber von der Versicherungspflicht nach RVO § 173 haben befreien lassen.

 

Normenkette

RVO § 381 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1956-06-12, § 165 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1956-06-12; FRG Fassung: 1960-02-25

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14.Januar 1965 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beitragszuschuß an die Klägerin zu zahlen ist.

Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Witwe des inzwischen verstorbenen Klägers T (T.) ein Zuschuß zum Krankenversicherungsbeitrag gemäß § 381 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zusteht.

T. war bis zum 28.Februar 1941 in Ostpreußen als Postfacharbeiter tätig. Bis zu diesem Zeitpunkt sind für ihn Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung entrichtet worden. Ab 1.März 1941 wurde er von der damaligen Reichspost in das Beamtenverhältnis übernommen. Beiträge zur Rentenversicherung wurden seitdem nicht mehr gezahlt. Er gehörte der Postbeamten-Krankenkasse als Mitglied an. Am 26.November 1959 beantragte T. bei der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) die Gewährung des Altersruhegeldes aus der Arbeiterrentenversicherung. Dies wurde ihm mit Bescheid vom 16.März 1960 ab 1. Februar 1960 bewilligt.

Am 13. April 1960 beantragte der Kläger bei der LVA die Gewährung eines Beitragszuschusses gemäß § 381 Abs. 4 RVO. Die Postbetriebskrankenkasse teilte der LVA am 25. Mai 1960 mit, daß sie T. ab 1.Februar 1960 als ordentliches Rentenmitglied aufgenommen habe. Mit dieser Mitteilung sah die LVA den ersten Antrag des Klägers als erledigt an, ohne einen Bescheid zu erteilen.

Am 3. Juni 1960 wiederholte T. seinen Antrag auf Gewährung eines Beitragszuschusses. Dieser wurde mit Schreiben der LVA vom 27. Juli 1960 abgelehnt.

Am 20. Juni 1962 beantragte T. zum dritten Mal bei der LVA die Gewährung des Beitragszuschusses. Er machte dazu geltend und wies dies durch eine Mitgliedsbescheinigung der Postbeamten-Krankenkasse nach, daß er ab 17. Mai 1962 als Ruhestandsbeamter gemäß § 173 RVO von der Krankenversicherungspflicht befreit sei. Durch Bescheid vom 9. Juli 1962 wurde der dritte Antrag des T. mit der Begründung abgelehnt, die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht begründe nicht den Anspruch auf den begehrten Zuschuß.

Auf die Klage des T. hin hob das Sozialgericht (SG) diesen Bescheid auf und verurteilte die LVA, dem T. ab 1.Juni 1962 einen Beitragszuschuß gemäß § 381 Abs. 4 RVO zu zahlen. Die Berufung der LVA wurde durch Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (LSG) vom 14. Januar 1965 zurückgewiesen. Zur Begründung führte das LSG aus: Die Voraussetzungen für die Gewährung des Beitragszuschusses lägen vor. T. sei nicht während der letzten fünf Jahre vor Stellung des Rentenantrags mindestens 52 Wochen bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen. Maßgebend für die Berechnung dieser Frist sei der Zeitpunkt, in dem der Rentenantrag gestellt worden sei, also November 1959. Damals hätte T. seit mehr als 18 Jahren keiner gesetzlichen Krankenkasse angehört. Die LVA könne sich auch nicht auf Art. 2 § 9 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) vom 12. Juni 1956 (BGBl I 500) berufen. Diese Bestimmung sei durch das Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) vom 25.Februar 1960 (BGBl I 93), das am 1.Januar 1959 in Kraft getreten ist, aufgehoben worden, habe also im Zeitpunkt der Antragstellung des T. am 26. November 1959 nicht mehr gegolten. Dem stehe auch nicht § 10 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 7. August 1953 (FAG) entgegen, dessen Inhalt nach Art. 7 § 3 Abs. 2 FANG bis zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung weiter gelte. T. habe einen Antrag auf Fortsetzung der bis zur Übernahme in das Beamtenverhältnis bestehenden Krankenversicherung nicht gestellt; im Gegenteil, er habe durch seine mehrfachen Anträge auf Gewährung eines Beitragszuschusses nach § 381 Abs. 4 RVO eindeutig den Willen bekundet, Mitglied der privaten Krankenkasse zu bleiben, der er seit 1941 angehört habe, es fehle also ein entsprechender Antrag des Klägers.

Gegen dieses Urteil hat die LVA die - zugelassene - Revision eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Entgegen der Ansicht des LSG falle T. unter Art. 2 § 9 KVdR. Der dort bezeichnete Personenkreis sei nach dem Inkrafttreten des FANG noch in gleicher Weise schutzbedürftig wie während der Geltungsdauer des FAG. Es würde dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers widersprechen und wäre auch rechtspolitisch nicht gerechtfertigt, wollte man jenen umfangreichen Bevölkerungsteil, der von der Flucht oder Vertreibung betroffen worden ist, von dieser in der genannten Bestimmung vorgesehenen Vergünstigung ausschließen. Vor dem 1. Juli 1944 sei T. mindestens 52 Wochen bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen. Seine Zugehörigkeit zu dem in § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO bezeichneten Personenkreis habe T. etwa nicht dadurch verloren, daß er sich mit Wirkung vom 17. Mai 1962 an durch die Bundespostbetriebskrankenkasse von der Versicherungspflicht als Rentner habe befreien lassen. Es sei zweifelhaft, ob diese Befreiung überhaupt zulässig gewesen sei. Selbst wenn das aber der Fall sein sollte, wäre es ohne Bedeutung. Zwar könne der Rentner ggf. wählen, ob er von der Pflichtversicherung auf Kosten der Rentenversicherung Gebrauch machen wolle oder nicht; entscheide er sich aber gegen eine Pflichtversicherung und für die freiwillige Versicherung, so müsse er die freiwillige Versicherung auf eigene Kosten durchführen.

Die LVA hat beantragt,

das angefochtene Urteil und das zugrunde liegende Urteil des SG Schleswig vom 31.Januar 1964 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat beantragt,

die Revision der beklagten LVA gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 14.Januar 1965 als unbegründet zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

T. ist am 15. März 1967 verstorben. Seine Ehefrau, mit der er in häuslicher Gemeinschaft gelebt hatte, hat das Verfahren aufgenommen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II

Die Revision ist nicht begründet.

Das Revisionsverfahren, in dem es darum geht, ob die beklagte LVA einen Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO an die Ehefrau des verstorbenen T. zu zahlen hat, mußte allein mit seiner Witwe als seiner Sonderrechtsnachfolgerin gemäß § 1288 Abs. 2 RVO und nicht mit seinen bürgerlich-rechtlichen Erben, nämlich der Witwe und ihren beiden Töchtern, fortgesetzt werden (BSG SozR Nr. 3 zu § 1288 RVO).

Nach § 381 Abs. 4 RVO hatte die LVA zum Krankenversicherungsbeitrag des T., falls er bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Krankheit versichert war, bei Vorliegen der Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung einen Beitragszuschuß zu gewähren, wenn er nicht zu den in § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO idF vor dem Finanzänderungsgesetz vom 21. Dezember 1967 (BGBl I 1259) bezeichneten Personen gehörte.

T. gehörte nicht zu dem genannten Kreis; denn er ist während der letzten fünf Jahre vor Stellung des Rentenantrages nicht mindestens 52 Wochen bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen.

Zu Unrecht meint die LVA, für die Berechnung dieser Frist komme es nach Art. 2 § 9 KVdR auf den Stichtag 1. Juli 1944 an. Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 24.November 1967, SozR Nr. 1 zu KVdR Art. 2 § 9), gilt Art. 2 § 9 KVdR nicht für Bezieher von Renten nach dem Fremdrentengesetz, das am 1. Januar 1959 in Kraft getreten ist (Art. 7 § 3 Abs.1 FANG), sondern nur für Versicherte, die bereits beim Inkrafttreten des Gesetzes über die KVdR (1.August 1956) eine nach dem damaligen Fremdrentenrecht berechnete Rente bezogen (Urteil des Senats vom 15.Oktober 1968 in SozR Nr.2 zu Art. 2 § 9 KVdR). T. ist durch Bescheid vom 16.März 1960 mit Wirkung vom 1.Februar 1960 an das beantragte Altersruhegeld aus der Arbeiterrentenversicherung bewilligt worden. Diese Rentenbewilligung beinhaltet mithin, daß der verstorbene Kläger die Rente nicht nach dem FAG bezieht, sondern nach dem FRG. Die Frage der Vorversicherungszeit des § 165 Abs. 3 RVO aF berechnet sich also nicht nach dem Stichtag des 1. Juli 1944, sondern nach dem Stichtag der Rentenantragstellung, dem 26.November 1959. In den fünf Jahren vor dem letztgenannten Stichtag war der verstorbene Kläger bei keiner gesetzlichen Krankenkasse gegen Krankheit versichert. Mithin hat das LSG zu Recht die Auffassung vertreten, der verstorbene Kläger gehöre nicht zu den in § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO bezeichneten Personen.

Dem steht auch nicht § 10 FAG entgegen, dessen Inhalt nach Art. 7 § 3 Abs. 2 FANG bis zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung weiter gilt. Nach dieser Bestimmung können unter den dort näher bestimmten Voraussetzungen Flüchtlingsrentner, wenn sie nach dem 30.Juni 1944 ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder im Land Berlin genommen haben, auf Antrag innerhalb von sechs Monaten ihre frühere Krankenversicherung fortsetzen. Einen solchen Antrag auf Fortsetzung seiner bis zur Übernahme in das Beamtenverhältnis bestehenden Krankenversicherung hatte T. nicht gestellt. Durch seine mehrfachen Anträge auf Gewährung des Beitragszuschusses nach § 381 Abs. 4 RVO hatte er vielmehr eindeutig seinen Willen bekundet, Mitglied der Postbeamten-Krankenkasse zu bleiben, der er seit 1941 angehörte.

Die Postbeamten-Krankenkasse ist ein privates Versicherungsunternehmen i.S. des § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO. Sie ist nach § 1 ihrer Satzung eine "Wohlfahrtseinrichtung der Deutschen Bundespost" für ihre Bediensteten zwar in der Form des öffentlichen Rechts. Wie der Senat jedoch in BSG 14,116,118 entschieden hat, ist das Wort "privat" nicht im Hinblick auf die Rechtsform des Versicherungsunternehmens zu verstehen, sondern allein als Unterscheidung gegenüber den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern aufzufassen. Zu den privaten Versicherungsunternehmen ist deshalb auch die Postbeamten-Krankenkasse, bei der der verstorbene Kläger versichert war, zu rechnen (vgl. Bescheid des BMA vom 1.Februar 1957 in DOK 1957, 116; BSG 20, 159, 160).

Im übrigen gehörte T. auch deswegen nicht zu den in § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO aF bezeichneten Personen, weil er gemäß § 173 Abs. 1 RVO von der Versicherungspflicht befreit worden war (vgl. Urteil des Senats vom 21.Februar 1969 - 3 RK 87/65 - i.V.m. BSG 23, 211).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2284898

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