Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 28. Mai 1970 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 2. Dezember 1969 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungs- und das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I
Durch Veranlagungsbescheid der beklagten Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft vom 10. Oktober 1967 wurde die Klägerin für das Jahr 1966 zur Beitragszahlung herangezogen. Sie betrieb in dieser Zeit eine Legehennenhaltung mit etwa 5 000 Tieren. Die Futtermittel wurden vollständig von Futtermittelfirmen gekauft. Eigene oder gepachtete Grundstücke bewirtschaftete die Klägerin nicht.
Mit ihrem Widerspruch, der als Klage angesehen wurde, hat sie sich gegen diese Heranziehung durch die Beklagte mit der Begründung gewandt, sie betreibe keine Landwirtschaft, sie sei vielmehr Mitglied der Handelskammer und ihr Unternehmen werde auch steuerrechtlich als Gewerbebetrieb behandelt. Das Sozialgericht (SG) Lübeck hat durch Urteil vom 2. Dezember 1969 die Klage abgewiesen. Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin am 28. Mai 1970 das Urteil des SG und den angefochtenen Bescheid mit folgender Begründung aufgehoben: Die Entscheidung des Reichsversicherungsamts (RVA) vom 2. Juni 1889 – AN 1889, 321 Nr. 712 –, auf die die Versicherungspflicht der Klägerin bei der Beklagten allenfalls gestützt werden könne, sei nach Art. 4 § 16 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963 – BGBl I 241 außer Kraft getreten, weil sie gegen § 776 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des UVNG verstoße. Die dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung erteilte Ermächtigung des § 776 Abs. 2 RVO, von der dieser bisher keinen Gebrauch gemacht habe, sei erheblich enger gefaßt als die allgemeine, früher in § 1 Abs. 6 des Landwirtschaftlichen Unfallversicherungsgesetzes dem RVA eingeräumte Befugnis. Die für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidende Begrenzung liege gerade darin, daß die mögliche Erweiterung des Kreises der Unternehmen, die von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung umfaßt werden, nicht allein den Zweckmäßigkeitserwägungen des Verordnungsgebers überlassen bleibe. Voraussetzung für eine derartige Erweiterung sei, daß die von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung erfaßten Unternehmen überwiegend der Landwirtschaft dienten. Daran fehle es im vorliegenden Fall. Die Produktion von Eiern und der Verkauf von Schlachtvieh im Rahmen einer Hühnerfarm diene ausschließlich gewerblichen Zwecken des Unternehmens und habe gegenüber der Landwirtschaft keine dienende Funktion. Danach könne es keinem Zweifel unterliegen, daß nach dem Inkrafttreten des UVNG durch Rechtsverordnung die Hühnerfarmen, die keine Bodenbewirtschaftung betreiben, nicht mehr von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung erfaßt werden könnten. Bis zum Erlaß einer entsprechenden Rechtsverordnung könnten nur die Entscheidungen des RVA weiter Geltung besitzen, die sich im Rahmen der neuen gesetzlichen Ermächtigung hielten. Nach dem Grundsatz des Vorranges des Gesetzes seien nachrangige Rechtssätze, die dem Gesetz widersprächen, rechtsunwirksam. § 776 Abs. 2 RVO lasse den Willen des Gesetzgebers erkennen, künftig nur noch solche Unternehmen als landwirtschaftliche Betriebe anzusehen, die der Landwirtschaft dienten. Es verstehe sich von selbst, daß allein der Konsum von landwirtschaftlichen Erzeugnissen nicht den Begriff des überwiegenden Dienens i.S. des § 776 Abs. 2 RVO ausfülle. Denn auf den mittelbaren oder unmittelbaren Nutzen, den die Landwirtschaft durch den Einkauf der Futtermittel habe; könne es allein nicht ankommen. Im übrigen ähnelten die Produktionsstätten in einer Hühnerfarm heute denen eines gewerblichen Betriebes.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 646, 776 RVO und der §§ 11, 16 des Artikels 4 UVNG. Hierzu führt sie u.a. aus, der Gesetzgeber habe durch Art. 4 § 11 UVNG Vorsorge dafür getroffen, daß hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Zuständigkeit keine Rechtsunsicherheit eintrete. Nach dieser Vorschrift bleibe auch unter Geltung des neuen Rechts jeder Träger der Unfallversicherung für diejenigen Unternehmen zuständig, für die er bisher zuständig gewesen sei, soweit das UVNG selbst nichts anderes bestimme und solange eine nach § 646 Abs. 2 RVO erlassene Rechtsverordnung die Zuständigkeit nicht anders regele. Eine Bestimmung darüber, welcher Versicherungsträger für die Versicherung der Tierhaltung ohne Bodenbewirtschaftung zuständig sein solle, enthalte das UVNG nicht. Für die Versicherung der Hühnerfarmen ohne Bodenbewirtschaftung seien seit jeher die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften nach der Entscheidung des RVA von 2. Juni 1889 zuständig. Die Auffassung des LSG, daß das UVNG diese Situation geändert habe, sei nicht richtig, denn § 776 Abs. 1 RVO entspreche in diesem Punkt dem früheren Recht. § 776 Abs. 2 RVO stimme zwar im Wortlaut nicht mit den früheren entsprechenden Bestimmungen überein, habe jedoch bezüglich der hier interessierenden Unternehmen keine Abweichung gebracht. Die gegenteilige Auffassung des LSG beruhe auf einer zu sehr individualisierenden Betrachtungsweise. Es komme darauf an, ob insgesamt die Rede davon sein könne, daß Unternehmen überwiegend, das heiße in ihrer Mehrzahl, der Landwirtschaft usw. dienten. Dazu habe sich das LSG nicht geäußert. Wäre das LSG diesen Begriffsmerkmalen nachgegangen, so hätte es festgestellt, daß Hühnerfarmen durchaus überwiegend der Landwirtschaft dienten. Das ergebe sich bereits daraus daß solche Tierhaltungsbetriebe meistens aus Unternehmen, die selbst Bodenbewirtschaftung betrieben hätten, hervorgingen. So sei der Standort von Hühnerfarmen auch fast ausschließlich im Bereich der landwirtschaftlichen Betriebe. Diese schafften die unmittelbare Futtergrundlage für die Tierhaltung und verwerteten andererseits den anfallenden Dung. Im übrigen seien heute die Mechanisierung und Automatisierung der Arbeitsvorgänge auch in landwirtschaftlichen Betrieben nicht mehr außergewöhnlich. Das UVNG habe keinen Zuständigkeitswechsel von landwirtschaftlichen auf gewerbliche Berufsgenossenschaften gebracht.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 28. Mai 1970 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Lübeck vom 2. Dezember 1969 zurückzuweisen.
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
II
Die Revision ist begründet.
Der Geflügelhof der Klägerin gilt als landwirtschaftliches Unternehmen.
Maßgebend für die Beurteilung des Rechtsstreits sind die Verhältnisse, auf die sich der angefochtene Bescheid erstreckt. Das ist das Jahr 1966, in dem die Klägerin unbestritten ihren Hühnerhof noch voll betrieben hat.
Zutreffend haben die Vorinstanzen in Übereinstimmung mit der Beklagten dargelegt, daß der Geflügelhof kein landwirtschaftliches Unternehmenist. Da die Klägerin keine Bodenbewirtschaftung betreibt, die Futtermittel vielmehr vollständig kauft, kann ihr Betrieb nicht als landwirtschaftliches Unternehmen i.S. des § 776 Abs. 1 Nr. 1 RVO gekennzeichnet werden. Das Erfordernis der Bodenbewirtschaftung ergibt sich schon aus dem allgemeinen Sprachgebrauch. Aber auch der Sinn des § 776 Abs. 1 Nr. 1 RVO verbietet eine ausdehnende Anwendung auf Betriebe, die nur in enger Beziehung zur Landwirtschaft stehen. Die Beziehung zur Landwirtschaft ist allerdings gerade in den Fällen der vorliegenden Art besonders eng. Es handelt sich hier um Betriebe, die früher regelmäßig nur Teile eines landwirtschaftlichen Unternehmens waren und sich in beachtlicher Zahl erst im Zuge der Spezialisierungstendenzen in der Landwirtschaft im Laufe der letzten Jahrzehnte verselbständigt haben. Es handelt sich ferner um Betriebe, die auch heute noch in großer Zahl in Verbindung mit der Bodenbewirtschaftung betrieben werden. Schließlich sind es auch Unternehmen, die überwiegend Erzeugnisse der Landwirtschaft (Getreide) verwenden und zum Bereich der Urproduktion zählen. Außerdem rechnet die allgemeine Verkehrsanschauung Eier nach wie vor zu den landwirtschaftlichen Produkten. Trotzdem zeigt die ausdrückliche Einbeziehung von Fischereiunternehmen und von Imkereien in die in § 776 Abs. 1 Nr. 1 RVO aufgeführte Reihe der land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen, daß andere vergleichbare Unternehmen nicht schon deshalb als landwirtschaftliche Unternehmen im engeren Sinne behandelt werden sollen, weil eine besonders enge Beziehung zur „Landwirtschaft vorliegt. Auch der weitere Katalog der Unternehmen, die kraft Gesetzes (§ 776 Abs. 1 Nr. 2-6 RVO) der landwirtschaftlichen Unfallversicherung unterstellt werden, obwohl keine eigentliche Bodenbewirtschaftung vorliegt, macht deutlich, daß eine Ausdehnung des Begriffs der Landwirtschaft i.S. des § 776 Abs. 1 Nr. 1 RVO über den gesetzlichen bestimmten Umfang hinaus nach dieser Vorschrift nicht zulässig ist. Schließlich wird das Verbot einer ausdehnenden oder analogen Anwendung des § 776 Abs. 1 Nr. 1 RVO auch durch die Ermächtigung des § 776 Abs. 2 RVO deutlich. Diese Ermächtigung, durch Rechtsverordnung auch andere Unternehmen in die Unfallversicherung einzubeziehen; wenn sie überwiegend der Landwirtschaft dienen, wäre nicht erforderlich, wenn der Begriff der Landwirtschaft in einem Sinne aufzufassen wäre, der die Bodenbewirtschaftung nicht grundsätzlich zur Voraussetzung hat.
Die Hühnerhaltung der Klägeringilt aber als landwirtschaftliches Unternehmen. Das ergibt sich aus der „Entscheidung” des RVA vom 2. Juni 1889 (AN 1889, 321 Nr. 712), die aufgrund von § 1 Abs. 6 des Gesetzes betreffend die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen (Landwirtschaftliches Unfallversicherungsgesetz) vom 5. Mai 1886 (RGBl 132) ergangen ist. Diese Entscheidung ist noch heute gültiges Recht und erfaßt die Fälle der vorliegenden Art. Die genannte Entscheidung hat folgenden Wortlaut; „Viehhaltungsbetriebe, in welchen, ohne gleichzeitige Bodenbewirthschaftung Vieh in mehreren Stücken (ein Viehstapel, eine Heerde) zum Zweck der Aufzucht, der Milchgewinnung oder der Mast gehalten wird, gelten als landwirthschaftliche Betriebe, soweit nicht die Viehhaltung durch organische Einfügung in einen versicherungspflichtigen gewerblichen (Brennerei-, Brauerei- usw.) Betrieb Bestandtheil des letzteren geworden ist. Hierunter ist das Halten eines oder weniger Stücke Vieh lediglich oder überwiegend zur Befriedigung des eigenen Hausbedarfs nicht begriffen.”
Daß diese Entscheidung grundsätzlich auch Kleinvieh und daher auch Geflügel umfaßt, ist einhellige Meinung in Rechtsprechung und Schrifttun, und davon geht auch das angefochtene Urteil aus (vgl. AN 1897, 517; EuM Bd. 32, 32; BSG 13, 189, 194; vgl. Handbuch der Unfallversicherung Bd. 2 S. 70; Schraeder/Strich, Die Deutsche Unfallversicherung, Stand 1. Januar 1942 Bd. II S. 910 und AN 1912, 812). Es besteht kein Zweifel daran, daß die Entscheidung nicht nur einen Einzelfall betraf, sondern als Akt der Rechtssetzung zu beurteilen ist, wozu § 1 Abs. 6 des Landwirtschaftlichen Unfallversicherungsgesetzes ermächtigte (vgl. jetzt § 776 Abs. 2 RVO). Der Wortlaut dieser gesetzlichen Vorschrift „entscheidet im Zweifelsfalle” bezieht sich nach damaligem Verständnis auf generelle Entscheidungen. Die genannte Entscheidung des RVA besagt zwar nur, daß die erwähnten Unternehmen als landwirtschaftliche Unternehmengelten. Es ist aber für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung; ob nach der Vorstellung des RVA diese Unternehmen landwirtschaftliche Unternehmensind oder nur als solche behandelt werden. Entscheidend ist, daß der Streit über die Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft ganz allgemein und damit auch für die Zukunft entschieden werden sollte.
Der Rechtscharakter der aufgrund von § 1 Abs. 6 des Landwirtschaftlichen Unfallversicherungsgesetzes ergangenen Entscheidungen wird bestätigt durch die entsprechenden Ermächtigungsnormen späterer Gesetze, § 1 Abs. 8 des Unfallversicherungsgesetzes für Land- und Forstwirtschaft vom 30. Juni 1900 (RGBl 573, 641) vermied schon das Wort „entscheiden” und ersetzte es durch „bestimmen”. Die RVO formulierte in § 915 Abs. 2 schon in der ersten Fassung vom 19. Juli 1911 (RGBl 509): „Das Reichsversicherungsamt kann bestimmen, welche Betriebszweige als landwirtschaftliche Betriebe gelten”. Diese Formulierung ist im wesentlichen bis zum Inkrafttreten des UVNG beibehalten worden. Ob diese – vorkonstitutionelle – Ermächtigungsnorm etwa durch Art. 129 Abs. 3 Grundgesetz (GG) außer Kraft getreten ist, braucht nicht geklärt zu werden; denn Vorschriften, die aufgrund solcher außer Kraft getretener Ermächtigungen ergangen sind, werden in ihrer Rechtswirksamkeit durch das Außerkrafttreten der Ermächtigungsnorm nicht berührt (vgl. BVerfG 9, 3, 12; 12, 341, 347; 14, 245, 249). Daß eine inhaltliche Übereinstimmung mit dem GG (Art. 123 Abs. 1 GG) fraglich sein könnte, ist nicht ersichtlich.
Die genannte Entscheidung des RVA konnte als Rechtsvorschrift nur dadurch außer Kraft getreten sein, daß das UVNG entgegensteht (Art. 4 § 16 Abs. 2 UVNG). In Betracht kommt § 776 RVO idF des UVNG, der in Absatz. 2 die Ermächtigung des § 915 Abs. 2 RVO aF den Erfordernissen des Artikels 80 GG anpaßt und dadurch einschränkt, daß durch Rechtsverordnung nur noch solche Unternehmen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft unterstellt werden können, die der Landwirtschaft (Forstwirtschaft, Garten- und Weinbau, Binnenfischerei oder Imkerei) überwiegend dienen. Dadurch ist die Ermächtigung des § 915 Abs. 2 RVO aF außer Kraft getreten, jedoch sind allein durch diese Aufhebung die aufgrund der Ermächtigung ergangenen Rechtsvorschriften nicht weggefallen. Die Vorschrift des § 776 Abs. 2 RVO kann nur dann früher ergangene – nach den damaligen Rechtsgrundsätzen (vgl. BSG 12; 157 ff; 18, 65, 67 sowie 93, 95 f) den Rechtsverordnungen gleichzuerachtende – Zuständigkeitsregelungen außer Kraft gesetzt haben, wenn sich aus ihr ergibt, daß der Zuständigkeitsbereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung gegenüber dem bisherigen Recht unmittelbar eingeschränkt werden sollte. Dies läßt sich aus dem Wortlaut des § 776 Abs. 2 jedoch nicht herleiten. Allenfalls könnte die Auffassung vertreten werden, § 776 Abs. 1 RVO zähle die der landwirtschaftlichen Unfallversicherung unterliegenden Unternehmen abschließend auf und lasse nur durch § 776 Abs. 2 eine Erweiterung zu, die indessen noch nicht erfolgt wäre. Aber auch dafür bietet der Wortlaut keinen überzeugenden Hinweis. Zwar sind eine Reihe von Unternehmen, die aufgrund von Entscheidungen des RVA über § 915 Abs. 2 als landwirtschaftliche Unternehmen galten (vgl. AK 1934 IV, 82 = EuM Bd. 36, 467 betreffend Lohndreschereien und Lohnpflügereien), in den Katalog der Unternehmen aufgenommen worden, die nunmehr kraft Gesetzes der landwirtschaftlichen Unfallversicherung unterliegen (§ 776 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, daß andere vom RVA bestimmte Unternehmen – wie Hühnerhaltungen ohne Bodenbewirtschaftung – aus dem Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ohne weiteres ausscheiden sollten. Eine solche Auffassung hätte zur Konsequenz, daß ein zweimaliger Wechsel der Zuständigkeit bestimmter Unternehmensgruppen in Kauf genommen worden wäre: einmal durch das Gesetz, das die Unternehmen, die nur durch das RVA der landwirtschaftlichen Unfallversicherung unterstellt worden sind, aus dieser Versicherung ausschlösse, dann durch die zu erwartende Rechtsverordnung, die einen Teil dieser Unternehmungen wieder der landwirtschaftlichen Unfallversicherung unterstellen könnte. Diese offensichtlich nicht gewollte Konsequenz dürfte das LSG veranlaßt haben, zu prüfen, ob Hühnerhaltungen ohne Bodenbewirtschaftung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung überwiegend dienen. An dieser Prüfung zeigt sich, daß das LSG bereit gewesen wäre, die Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zu bejahen, wenn nur das „überwiegend dienen” vorgelegen hätte. Aber auch bei dieser Prüfung wird unterstellt, daß in § 776 Abs. 2 RVO zugleich eine materiell-rechtliche Regelung etwa des Inhalts enthalten sei, daß diejenigen durch das RVA bestimmten Unternehmen, die der Landwirtschaft usw. überwiegend dienen, nach wie vor zum Zuständigkeitsbereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung gehören. Diese Auffassung steht aber im Widerspruch zu der Meinung des LSG, § 776 Abs. 2 RVO nF habe die aufgrund von § 915 Abs. 2 RVO aF erlassenen Bestimmungen außer Kraft gesetzt. Denn es müßte dann dem Verordnungsgeber überlassen bleiben, zu bestimmen, welche Unternehmen, die der Landwirtschaft usw. dienen, in die landwirtschaftliche Unfallversicherung einbezogen werden sollen. Möglicherweise kann der Verordnungsgeber – aufgrund des Wortlauts des § 776 Abs. 2 RVO – bestimmen, daß alle Unternehmen, die der Landwirtschaft überwiegend dienen, als landwirtschaftliche Unternehmen gelten. Er ist aber auch befugt, nur einzelne Gruppen dieser Unternehmen der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zu unterstellen.
Daß § 776 Abs. 2 RVO – allein oder i.V.m. § 776 Abs. 1 RVO – nicht die schon früher der landwirtschaftlichen Unfallversicherung (UV) eingegliederten Unternehmen von der landwirtschaftlichen UV ausschließen will, ergibt sich auch aus dem Sinn dieser Vorschrift, wie er sich in den Motiven und in den Übergangsvorschriften zeigt. Die amtliche Begründung (Bundestagsdrucks. IV/120 S. 70 zu § 773; der § 776 entspricht) weist darauf hin, daß der technischen Entwicklung folgend Lohnunternehmen aufgenommen worden sind und daß sich die Begründung für die neuen Ziffern 4 und 5 aus der Natur der Sache ergibt. Zu Absatz 2 dieser Vorschrift wird nur gesagt, daß diese Ermächtigung im Hinblick auf Art. 80 GG genauer begrenzt sei. Es lag also nicht in der Absicht des Gesetzgebers, den Kreis der der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft unterliegenden Unternehmen kraft Gesetzes zu beschränken. Auch aus Art. 4 § 11 UVNG ist die Tendenz des Gesetzes erkennbar, an der bisherigen Zuständigkeit der Träger der Unfallversicherung unmittelbar grundsätzlich nichts zu ändern. Jeder Träger der Unfallversicherung bleibt hiernach für die Unternehmen zuständig, für die er bisher zuständig war, soweit das UVNG nichts anderes bestimmt. Daraus folgt, daß eine Zuständigkeitsänderung durch Gesetz nur dann angenommen werden kann, wenn diese ausdrücklich erfolgt ist. Ob hieraus weiter gefolgert werden kann – wie die Revision offenbar meint –, daß eine Zuständigkeitsänderung nur dann vorliegt, wenn auch der neue Versicherungsträger ausdrücklich bestimmt ist, kann dahinstehen; denn es fehlt schon, wie dargelegt, eine Vorschrift des UVNG, die die seitherige Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Unfallversicherung auch nur einschränkt.
Art. 4 § 11 UVNG betrifft zwar nur die gewerblichen Berufsgenossenschaften, weil die sachliche Abgrenzung nach Art und Gegenstand der Unternehmen einer Verordnung (nach § 646 Abs. 2 RVO) überlassen werden sollte und die Abgrenzung der landwirtschaftlichen UV im wesentlichen schon im Gesetz erfolgt ist. Wollte man aber in § 776 Abs. 1 RVO eine Einschränkung des Zuständigkeitsbereichs der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften sehen, so würde dies zugleich eine Zuständigkeitserweiterung der gewerblichen Berufsgenossenschaften bedeuten. Es bliebe die Frage offen, welche gewerbliche Berufsgenossenschaft im Einzelfall zuständig wäre, und der Zweck des Artikels 4 § 11 UVNG – Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten aus Anlaß des Inkrafttretens des UVNG – würde in diesem Bereich vereitelt. Daher ist der Grundgedanke des Artikels 4 § 11 UVNG – im Zweifel keine Zuständigkeitsänderung – auch für die landwirtschaftliche Unfallversicherung maßgebend. Da in § 776 RVO – abgesehen von den Ziffern 2, 4 und 5 des Absatzes 1 – jedenfalls keine ausdrückliche Zuständigkeitseinschränkung enthalten ist, bleibt es bis zu einer etwaigen Änderung durch Rechtsverordnung nach § 776 Ab S. 2 RVO bei dem bisherigen Rechtszustand.
Da das Urteil des SG somit richtig ist; war unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG die Berufung der Klägerin zurückzuweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–). Sollte sich die Klägerin nunmehr gegen dieHöhe der Beiträge wenden wollen, so wäre auf ihren Widerspruch zunächst ein Vorverfahren durchzuführen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Dr. Maisch, Dr. Zimmer, Schroeder-Printzen
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.04.1973 durch Schuppelius Reg. Hauptsekretär als Urk.Beamter d.Gesch.Stelle
Fundstellen