Leitsatz (amtlich)
Bei der Berechnung des Übergangsgeldes nach AVG § 18 Abs 1 (= RVO § 1241 Abs 1) sind Sonderzahlungen wie 13. Monatsgehalt und Urlaubsgeld, auch soweit auf diese Leistungen ein Rechtsanspruch und im Falle vorzeitigen Ausscheidens ein Anspruch auf anteilige Auszahlung bestand, jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie im Bemessungszeitraum nicht ausgezahlt wurden.
Normenkette
SGB 4 § 14 Fassung: 1976-12-23; AVG § 18 Abs 1 Fassung: 1974-12-21; RVO § 1241 Abs 1 Fassung: 1974-12-21, § 182 Abs 4 Fassung: 1974-08-07, § 182 Abs 5 Fassung: 1974-08-07
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 23.03.1979; Aktenzeichen L 1 An 167/78) |
SG Stade (Entscheidung vom 29.08.1978; Aktenzeichen S 4 An 79/78) |
Tatbestand
I
Streitig ist die Höhe von Übergangsgeld für die Dauer einer Umschulung von März 1977 bis September 1978.
Die Beklagte berechnete das Übergangsgeld aufgrund des Arbeitsverdienstes für den Monat Februar 1977 (Bescheid vom 11. März 1977). Im November 1977 beantragte der Kläger, ein ihm auf vertraglicher Grundlage gezahltes 13. Monatsgehalt und ein in Höhe von 45 % gezahltes Urlaubsgeld anteilig (dh zu einem Zwölftel des Jahresbetrages) zu berücksichtigen. Die Beklagte lehnte aufgrund sachlicher Prüfung den Antrag ab (Bescheid vom 3. März 1978).
Die hiergegen erhobene Klage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 29. August 1978; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- vom 23. März 1979). Das LSG hat den Februar 1977 als letzten abgerechneten Monat angesehen und meint, die Beklagte habe das Übergangsgeld zu Recht in Höhe des in diesem Monat erzielten Nettoentgelts gezahlt und bei dessen Berechnung die Weihnachtsgratifikation und das Urlaubsgeld nicht anteilmäßig einbezogen. Diese Leistungen seien nicht laufend monatlich, sondern je einmal im Kalenderjahr gezahlt worden. Beide Leistungen seien im maßgeblichen Abrechnungsmonat Februar 1977 nicht ausgezahlt worden. Sie seien daher nicht im Sinne des § 182 Abs 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) "erzielt". Auch wenn eine oder beide der genannten Leistungen im maßgeblichen Abrechnungsmonat Februar 1977 dem Kläger gezahlt worden wären, würden sie nicht als Teil des Regellohns zu beurteilen sein, weil sie einmalige Zuwendungen seien, um die das Arbeitsentgelt zu vermindern sei. Dem nicht veröffentlichten Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. Februar 1976 - 7 RAr 71/74 -, dem der Kläger seine gegenteilige Auffassung entnehme, habe der Senat nicht zu folgen vermocht.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 182 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Die beiden streitigen Zahlungen hätten dem Kläger jährlich regelmäßig zugestanden und seien deshalb in die normale Lebensführung eingeplant gewesen. Es handele sich damit nicht um einmalige Zuwendungen, die zu einer zufällig überhöhten Zahlung geführt hätten. Derartige feste Jahresbeträge seien auf die einzelnen Monate zu verteilen in der Weise, daß sie in jedem Monat zu einem Zwölftel als erzielt anzusehen seien.
Der Kläger beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. März 1978 zu verurteilen, bei der Berechnung des an den Kläger zu zahlenden Übergangsgeldes das 13. Monatsgehalt und das Urlaubsgeld anteilmäßig zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie weist zusätzlich darauf hin, daß die im Gesetz vorgeschriebene Berechnung des Übergangsgeldes von dem letzten "abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum" ausgehe, so daß nur das gezahlte und abgerechnete Entgelt, nicht aber ein fiktives Entgelt maßgebend sein könne. Das vom Kläger angezogene Urteil des BSG betreffe Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz in der vor dem Inkrafttreten des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes (Reha-AnglG) geltenden Fassung und könne auch nicht vergleichsweise herangezogen werden.
Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision hatte keinen Erfolg.
1. Die Klage richtet sich gegen den Bescheid vom 3. März 1978 und gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gegen den Bescheid vom 10. August 1978, mit dem die Beklagte das Übergangsgeld für die Zeit ab 1. März 1978 aufgrund der jährlich vorzunehmenden Anpassung neu festgesetzt hat.
Das LSG hat den Bescheid vom 3. März 1978 zu Recht voll überprüft und nicht als Ablehnung einer Zugunstenregelung aufgefaßt. Die Beklagte hat in diesem Bescheid über den Antrag auf höheres Übergangsgeld sachlich entschieden, ohne sich auf eine Bindungswirkung des Bescheides vom 11. März 1977 zu beziehen, der zudem, da er keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, nicht bindend war, als der Kläger in November 1977 höheres Übergangsgeld begehrte.
2. Dem LSG ist auch darin zuzustimmen, daß die Beklagte das Übergangsgeld nach Maßgabe des § 18 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG- (idF des Einkommensteuerreformgesetzes vom 21. Dezember 1974) iVm § 182 Abs 4 und 5 RVO idF des Reha-AnglG zutreffend berechnet hat. Nach diesen Vorschriften beträgt das Übergangsgeld 80 vH des wegen der Arbeitsunfähigkeit (Rehabilitation) entgangenen regelmäßigen Entgelts (Regellohn) und darf das entgangene regelmäßige Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Als Regellohn gilt nach § 182 Abs 5 Satz 3, sofern wie im Falle des Klägers das Entgelt nach Monaten bemessen ist, der 30. Teil des in dem letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmalige Zuwendung verminderten Entgelts.
Bei der Berechnung des im Februar 1977 erzielten Bruttoentgelts und des aus dem Bruttoentgelt durch Verminderung um die gesetzlichen Abzüge zu ermittelnden Nettoentgelts (vgl Urteile des 4. Senats vom 23. März 1977 - 4 RJ 177/75 - und vom 28. November 1978 - 4 RJ 78/76 -; Urteil des 11. Senats vom 10. Mai 1977 - 11 RA 110/76 -; Urteil des 1. Senats vom 30. Mai 1978 - 1 RA 61/77 - und Urteil des 3. Senats vom 25. Juli 1979 - 3 RK 74/78 -) hat das LSG im Ergebnis zu Recht das 13. Gehalt und das Urlaubsgeld unberücksichtigt gelassen, ohne zu klären, ob auf diese Leistungen ein Rechtsanspruch bestand, ob Höhe und Fälligkeit von vornherein feststanden und ob sie in der Weise Bestandteile des festen Jahresgehaltes bildeten, daß bei vorzeitigem Ausscheiden ein Anspruch auf anteilige Zahlung bestand.
Der Ansicht des LSG, 13. Monatsgehalt und Urlaubsgeld seien auch dann als einmalige Zuwendung unberücksichtigt zu lassen, wenn vorgenannte Voraussetzungen vorlägen, vermochte der Senat nicht zu folgen. Das LSG meint zu Unrecht, bei dem vom Kläger für die Gegenansicht angeführten Urteil des BSG vom 11. Februar 1976 - 7 RAr 71/74 - handele es sich um eine vereinzelte - unveröffentlichte - Entscheidung, die zudem nicht § 182 RVO, sondern die §§ 44, 212 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) betreffe und sich auf ältere Rechtsprechung zu § 160 Abs 3 RVO berufe, der inzwischen aufgehoben sei.
Der § 160 Abs 3 RVO aF, der für die Berechnung der Beiträge einmalige Zuwendungen, soweit sie als Entgelt anzusehen sind, dem Zeitabschnitt zuordnet, in dem sie gewährt worden sind, ist zwar inzwischen aufgehoben worden. Nach der Neuregelung (§ 14 SGB 4 iVm § 4 der Arbeitsentgeltverordnung) werden ehemalige Einnahmen dem Lohnzahlungszeitraum zugerechnet, in dem sie gewährt werden. Die Abgrenzung zwischen laufenden Bezügen und einmaliger Zuwendung behält also auch für das neue Beitragsrecht ihre Bedeutung. Damit hat die Aufhebung des § 160 Abs 3 RVO der Absicht des 7. Senats, die Begriffe des (laufenden) Bruttoentgelts und der einmaligen Zuwendung im Beitragsrecht und im Leistungsrecht einheitlich auszulegen, wie dies auch der Rechtsprechung des 3. Senats entspricht (BSGE 29, 105, 106), keineswegs die Grundlage entzogen.
Auch handelt es sich nicht um eine vereinzelte Entscheidung; vielmehr hat der 7. Senat diese Rechtsprechung mit Urteilen vom 10. Oktober 1978 - 7 RAr 57/77 - und vom 7. August 1979 - 7 RAr 72/78 - fortgesetzt. Es handelt sich damit um eine ständige Rechtsprechung mehrerer Senate des BSG (vgl zur älteren Rechtsprechung die Urteile des 3. Senats BSGE 16, 91; 22, 162; 26, 68; 29, 105). Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, zumal sich das LSG mit ihr nicht auseinandergesetzt und keine Gegengründe angeführt hat.
Damit stellt sich die Frage, ob derartige Sonderzahlungen (jeweils unter den vorgenannten Voraussetzungen) ohne Rücksicht auf ihr Zufließen jeder Lohnperiode anteilmäßig (bei jährlicher Zahlung und Monatsgehalt also jeweils mit einem Zwölftel) zuzuordnen sind, oder aber nur der Lohnperiode, in der sie zugeflossen sind, dann aber nicht nur mit einem Zwölftel sondern in voller Höhe.
3. Diese Frage hat das LSG zutreffend dahin beantwortet, daß derartige Sonderzahlungen nur, wenn sie im Bemessungszeitraum zugeflossen sind, einen Teil des Bruttoentgelts darstellen.
Der Senat verkennt nicht, daß diese Rechtsansicht zu Zufallsergebnissen führt, die insbesondere bei längerdauernder Leistungsgewährung fragwürdig sind und bei einer anteilmäßigen Berücksichtigung (bezogen auf jährliche Zuwendungen und Monatsgehälter Zwölftelungsprinzip genannt) vermieden würden. Das Zwölftelungsprinzip findet indes im Gesetz keine Stütze. Die für das Beitragsrecht gefundene Lösung (für die Höhe der Beiträge wird die Sonderzahlung fiktiv gleichmäßig auf die Lohnzahlungszeiträume verteilt, für die Fälligkeit bleibt allein der Zeitpunkt des Zuflusses maßgebend) kann in dieser Weise nicht auf das Leistungsrecht übertragen werden; denn bei dem Zwölftelungsprinzip bleibt der Zeitpunkt des Zuflusses völlig bedeutungslos. Das ist mit Wortlaut und Sinn des § 182 Abs 5 RVO, der auf den im Bemessungszeitraum "erzielten" Entgelt abstellt, nicht zu vereinbaren.
Dabei hat der Senat berücksichtigt, daß die bisherige Rechtsprechung des BSG auch in anderem Zusammenhang an diese Voraussetzung strenge Anforderungen gestellt hat. So hat der 7. Senat vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers bei der Berechnung des Unterhaltsgelds nach § 44 AFG nicht berücksichtigt, da sie im Bemessungszeitraum nicht in dem Sinne "erzielt" seien, daß der Arbeitnehmer die Verfügungsgewalt erhalten habe (SozR 4100 § 44 Nr 10). Entsprechend haben zum Begriff des erzielten Nettoarbeitsentgelts der 4. Senat mit Urteil vom 23. März 1977 und ihm folgend der erkennende Senat mit Urteil vom 10. Mai 1977 allein auf den im Bemessungszeitraum tatsächlich ausgezahlten Betrag abgestellt und die spätere Entwicklung, insbesondere den Erstattungsbetrag aus dem Lohnsteuerjahresausgleich und nicht in die Steuerkarte eingetragene Freibeträge als unbeachtlich angesehen (vgl SozR 2200 § 1241 Nrn 3 und 4). Dem folgend hat der 1. Senat eine bei der Lohnabrechnung für den Bemessungszeitraum noch nicht berücksichtigte rückwirkende Lohnerhöhung für unbeachtlich erklärt (Urteil vom 30. Mai 1978, SozR 2200 § 1241 Nr 9). Mit dieser Rechtsprechung wäre es nicht zu vereinbaren, bei den Sonderzahlungen dem Zeitpunkt des Zuflusses keine Bedeutung zuzumessen, zumal auch das abgezogene Nettoarbeitsentgelt nur auf der Grundlage der tatsächlichen Abzüge im abgerechneten Lohnzeitraum ermittelt werden kann; bei einer Zwölftelung müßten insoweit fiktive Abzüge errechnet werden.
Das vom LSG als entgegenstehend bezeichnete Urteil des 7. Senats vom 11. Februar 1976 - 7 RAr 71/74 - und das weitere Urteil dieses Senats zu einem vergleichbaren Sachverhalt vom gleichen Tage - 7 RAr 72/74 - (BB 1976, 466 = AuB 1976, 219) nötigen nicht zur Anrufung des Großen Senats. Denn der 7. Senat hat in diesen beiden Urteilen zu der Frage Zwölftelungsprinzip oder Anrechnung in voller Höhe im Monat des Zuflusses, überhaupt nicht Stellung genommen, sondern nur geprüft ob die dortigen Sonderzahlungen als einmalige Zuwendung unberücksichtigt bleiben müßten. Ob sich diese beiden Urteile, in denen der 7. Senat die Berechnung des LSG bestätigt hat, damit gleichwohl stillschweigend für das Zwölftelungsprinzip ausgesprochen haben, bedarf keiner Erörterung. Denn der 7. Senat hat mit Urteil vom 10. Oktober 1978 - 7 RAr 57/77 - sich eindeutig für die Ansicht ausgesprochen, daß derartige Sonderzahlungen nur bei Auszahlung im Bemessungszeitraum und dann in voller Höhe zu berücksichtigen sind. Dabei hat der 7. Senat seinen beiden vorgenannten Urteilen anscheinend keinen entgegenstehenden Rechtssatz entnommen, da er sich anderenfalls mit diesen Urteilen auseinandergesetzt hätte.
Da beide Sonderzahlungen nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG im Bemessungszeitraum nicht zugeflossen sind, war die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen