Leitsatz (amtlich)

1. Mehrere der beruflichen Bildung dienende Unterrichtseinheiten bilden eine einheitliche Maßnahme iS der Übergangsvorschriften des AFKG und des HBegleitG 1983, wenn sie organisatorisch und inhaltlich so miteinander verbunden sind, daß erst mit dem letzten Abschnitt der auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Beruf erreicht wird.

2. Eine wegen Krankheit abgebrochene erfolglose Umschulung und die später erneute, nunmehr erfolgreiche Umschulung stellen wegen fehlender organisatorischer Verbundenheit keine einheitliche Maßnahme dar.

 

Orientierungssatz

1. Zum Hinweis auf die bevorstehende Minderung des Übergangsgeldes durch das HBegleitG 1983 (vgl BSG 20.10.1983 7 RAr 17/83 = SozR 4150 Art 1 § 2 Nr 1).

2. Die Kürzungen des Übergangsgeldes durch das AFKG und das HBegleitG 1983 waren verfassungsgemäß (vgl BSG 28.11. 1985 11b RAr 2/85 = SozR 4100 § 242b Nr 1).

3. Der Begriff der Maßnahme in den Übergangsvorschriften des Art 1 § 2 AFKG und des § 242a AFG idF des HBegleitG 1983 stimmt mit dem des Rehabilitationsrechts überein (vgl BSG 20.6.1985 11b/7 RAr 89/84 = SozR 4150 Art 1 § 2 Nr 2). Im Rehabilitationsrecht werden unter Maßnahmen diejenigen Veranstaltungen des Rehabilitationsverfahrens verstanden, an denen der Behinderte auf Veranlassung und auf Kosten des Rehabilitationsträgers teilnimmt, beispielsweise ein Kur- bzw Sanatoriumsaufenthalt oder ein Umschulungslehrgang.

 

Normenkette

AFG § 59 Abs 2 Fassung: 1981-12-22, § 59 Abs 2 Fassung: 1982-12-20, § 242a Fassung: 1982-12-20; AFKG Art 1 § 2 Nr 3; GG Art 14 Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 24.04.1985; Aktenzeichen L 3 Ar 1930/84)

SG Mannheim (Entscheidung vom 01.03.1984; Aktenzeichen S 13 Ar 784/83)

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Übergangsgeldes (Übg).

Der Kläger konnte seinen Beruf als Kraftfahrer aus Gesundheitsgründen nicht mehr ausüben. Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit bewilligte ihm eine Umschulung zum Güteprüfer beim Berufsförderungswerk (Bfw) S. in der Zeit vom 31. März 1981 bis voraussichtlich 30. September 1982 und gewährte Übg. Der Kläger brach die Maßnahme zum 2. September 1982 krankheitsbedingt ab. Das Übg wurde gemäß § 59d Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bis zum 26. September 1982 weitergewährt.

Nach einer Heilmaßnahme trat der Kläger zum 16. Dezember 1982 in ein gleichartiges, seit dem 28. Januar 1982 laufendes Ausbildungsprogramm bei dem Bfw H. ein, das er zum 6. Juli 1983 erfolgreich abschloß. Der Bescheid über die Bewilligung dieser Maßnahme und von Übg, über dessen Dauer und Höhe gesondert entschieden werde, enthielt ua den Hinweis, der Kläger müsse mit einer Änderung des AFG zum 1. Januar 1983 rechnen; nach dem derzeitigen Stand des Gesetzgebungsverfahrens könne dies bedeuten, daß je nach Anspruchsvoraussetzung eine Verminderung des Übg von 90 auf 80 vH bzw von 75 auf 70 vH der Berechnungsgrundlage eintrete (Bescheid vom 15. Dezember 1982). Die Beklagte setzte sodann die Höhe des Übg für die Zeit ab 16. Dezember 1982 mit Bescheid vom 18. Januar 1983, geändert durch Bescheid vom 4. Februar 1983, beide idF des Widerspruchsbescheides vom 4. März 1983, gemäß § 59 Abs 2 AFG idF des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 und für die Zeit ab 1. Januar 1983 idF des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 (HBegleitG) vom 20. Dezember 1982 fest.

Das Sozialgericht (SG) verurteilte die Beklagte, dem Kläger ab 16. Dezember 1982 bis 6. Juli 1983 Übg in Höhe von 100 vH der Berechnungsgrundlage zu gewähren (Urteil vom 1. März 1984). Die vom SG zugelassene Berufung wurde vom Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 24. April 1985). Das LSG meint, wenn die Maßnahme volle zwei Jahre, also über den 31. Dezember 1982 hinaus, gedauert und der Kläger sie ohne Unterbrechung absolviert hätte, wäre nach den Übergangsregelungen zum AFKG (Art 1 § 2 Nr 3) und zum HBegleitG 1983 (§ 242a Abs 1 AFG) ein ungekürztes Übg während der ganzen Dauer der Maßnahme zu zahlen gewesen, weil die Maßnahme schon vor dem 2. September 1981 bewilligt und begonnen worden sei. Etwas anderes könne vorliegend nicht gelten, weil die beiden Teilmaßnahmen als einheitliche Maßnahme anzusehen seien. Denn beide Teilabschnitte seien auf dasselbe Ausbildungsziel gerichtet, seien nach einem entsprechenden Ausbildungsprogramm abgelaufen, könnten als Teilmaßnahme nicht selbständig besucht werden und seien inhaltlich so aufeinander bezogen, daß sich die spätere Teilnahme als Fortsetzung der vorausgegangenen, aus Gesundheitsgründen vorzeitig beendeten Teilmaßnahme darstelle. Die Einschränkung auf gesundheitsbedingte Unterbrechungen berücksichtige, daß gesundheitliche Gründe, welche die Reha-Maßnahme erforderlich machen, häufig auch zu Unterbrechungen führen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verletzung des Art 1 § 2 Nr 3 AFKG und des § 242a AFG sowie des § 59 Abs 2 AFG idF des AFKG und in der des HBegleitG 1983. Der Maßnahmebegriff der Übergangsvorschriften sei vorrangig an deren Zielsetzung und nicht an den Zielen des geänderten Gesetzes auszurichten.

Die Beklagte beantragt, die Urteile des LSG vom 24. April 1985 und des SG vom 1. März 1984 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe

Das LSG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, das Übg in Höhe von 100 vH der Berechnungsgrundlage zu gewähren. Denn der Kläger hat im Dezember 1982 eine neue Umschulungsmaßnahme begonnen.

Es kann daher dahinstehen, ob dem Kläger dann, wenn er im Dezember 1982 lediglich die im März 1981 begonnene Umschulungsmaßnahme fortgesetzt hätte, das Übg für die gesamte Zeit ungekürzt zu gewähren wäre. Das erscheint zwar für die Zeit bis zum 31. Dezember 1982 nicht zweifelhaft, da nach Art 1 § 2 Nr 3 Satz 1 AFKG der § 59 Abs 1 und 2 AFG in der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung ua dann weiter anzuwenden ist, wenn der Antragsteller vor dem 2. September 1981 in eine Maßnahme eingetreten ist und Leistungen beantragt hat. Für die anschließende Zeit ab Januar 1983 verweist indes die insoweit maßgebende Übergangsvorschrift des § 242a Abs 1 Satz 1 AFG idF des HBegleitG 1983 für die Höhe des Übg allgemein auf § 59 Abs 2 AFG in der bis zum 31. Dezember 1982 geltenden Fassung, nicht aber auf die im Einzelfall am 31. Dezember 1982 anzuwendende Fassung oder das am Stichtag zustehende Übg.

Der hier streitige Besuch des Lehrgangs beim Bfw H vom 16. Dezember 1982 bis zum 6. Juli 1983 ist eine selbständige Maßnahme und stellt sich nicht als Fortsetzung des beim Bfw S in der Zeit vom 31. März 1981 bis zum 2. September 1982 besuchten Lehrgangs iS einer einheitlichen Maßnahme dar. Der Begriff der Maßnahme in den Übergangsvorschriften des Art 1 § 2 AFKG und des § 242a AFG idF des HBegleitG 1983 stimmt mit dem des Rehabilitationsrechts überein, wie der Senat zur Übergangsvorschrift des AFKG bereits entschieden hat (SozR 4150 Art 1 § 2 Nr 2). Im Rehabilitationsrecht werden unter Maßnahmen diejenigen Veranstaltungen des Rehabilitationsverfahrens verstanden, an denen der Behinderte auf Veranlassung und auf Kosten des Rehabilitationsträgers teilnimmt, beispielsweise ein Kur- bzw Sanatoriumsaufenthalt oder ein Umschulungslehrgang (BT-Drucks 7/1237 auf S 54); dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber die Abgrenzung zwischen "Maßnahme" und "Leistung" im Gesetzeswortlaut auch durchgehend beachtet hat (vgl SozR 2200 § 1241 Nrn 8 und 11). Soweit es sich um die Maßnahmen der beruflichen Bildung handelt, wie es bei der streitigen Umschulung der Fall ist, hat die Rechtsprechung bereits entschieden, wann bei mehreren "Unterrichtseinheiten" (Lehrgangswochen) eine einheitliche Maßnahme angenommen werden kann. Sie hat dies bejaht, wenn die einzelnen Ausbildungsbemühungen (Unterrichtseinheiten) organisatorisch und inhaltlich miteinander verbunden und so aufeinander bezogen sind, daß erst mit dem letzten Abschnitt das angestrebte Ziel, d.h. ein auf dem Arbeitsmarkt verwertbares Ergebnis, insbesondere ein dort verwertbarer Beruf erreicht wird (Urteil vom 11. März 1976 - 7 RAr 116/74 - AuB 1976, 250; Urteil vom 15. Februar 1979 - 7 RAr 67/78 - AuB 1980, 58). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Danach genügt es für die Annahme einer Maßnahme (einer einheitlichen Maßnahme) nicht, daß unterschiedliche Veranstaltungen nur in einem Zusammenhang stehen und inhaltlich die gleiche Ausbildung vollziehen (SozR 4150 Art 1 § 2 Nr 2; SozR 2200 § 1241e Nr 5; Urteil vom 9. Mai 1984 - 4 RJ 65/83 -). Erforderlich ist vielmehr eine organisatorische Verbundenheit, die die unterschiedlichen Veranstaltungen in aller Regel schon im Vorhinein als einheitliche Maßnahme kennzeichnet.

Hiernach haben die erfolglose Umschulung des Klägers beim Bfw S und die anschließende erfolgreiche Umschulung beim Bfw H zwei verschiedene Maßnahmen dargestellt, weil sie nicht organisatorisch miteinander verbunden gewesen sind. Das hat sich schon darin gezeigt, daß Antrag und Bewilligung der ersten erfolglosen Umschulung die Fortsetzung der Umschulung beim Bfw H weder umfaßt haben noch mitumfassen konnten, so daß für die letztere dann erfolgreiche Umschulung ein neuer Antrag und ein neuer Bewilligungsbescheid erforderlich waren. Auch das LSG geht davon aus, daß der Kläger Teilabschnitte von zwei selbständigen Maßnahmen besucht hat. Es hebt zu Unrecht darauf ab, daß die Teilabschnitte dasselbe Ausbildungsprogramm und Ausbildungsziel verfolgten und daß sich der spätere Abschnitt als Fortsetzung der vorangegangenen Maßnahmen dargestellt hat. Daß dies nicht ausreicht, ist bereits dargelegt; damit kann die zwischen beiden Umschulungen fehlende organisatorische Verbundenheit nicht hergestellt werden. Zu einem anderen Ergebnis kann auch nicht die Meinung des LSG führen, daß dem Kläger bei volle zwei Jahre dauernder Maßnahme ohne Unterbrechung das ungekürzte Übg während der gesamten streitigen Zeit zu zahlen gewesen sei. Das LSG übersieht, daß der Kläger, wenn er die erste Umschulungsmaßnahme erfolgreich beendet hätte, insgesamt für eine wesentlich geringere Zeit Übg erhalten hätte. Ihm war bis September 1982 aufgrund des AFKG ein ungekürztes Übg und insofern Vertrauensschutz gewährt worden. Für einen zusätzlichen weiteren Vertrauensschutz für eine im Dezember 1982 begonnene neue Maßnahme, wenn auch gleichen Inhalts, bestand kein schutzwürdiger Besitzstand mehr; der Kläger mußte sich nunmehr auf die neue Rechtslage einrichten.

Demnach bemißt sich das Übg für die Zeit ab 16. Dezember 1982 nach § 59 Abs 2 AFG idF des AFKG und für die Zeit ab Januar 1983 idF des HBegleitG 1983. Der Kläger war im Bescheid über die Bewilligung der Maßnahme vom 15. Dezember 1982 auf die bevorstehende Änderung des AFG zum 1. Januar 1983 hingewiesen worden. Der vom LSG im Wortlaut festgestellte Hinweis ist inhaltlich ausreichend (vgl hierzu Urteil des 7. Senats vom 20. Oktober 1983 SozR 4150 Art 1 § 2 Nr 1). Die Kürzungen des Übg durch das AFKG und das HBegleitG 1983 waren verfassungsgemäß (vgl hierzu Urteil des Senats vom 28. November 1985 - 11b RAr 2/85 -). Daß das Übg unter Berücksichtigung dieser Kürzungen richtig berechnet wurde, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662032

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