Leitsatz (amtlich)
1. Unter den Begriff des öffentlichen Dienstes iS des FRG § 17 Abs 2 fällt auch der Dienst der Geistlichen der als öffentlich-rechtliche Korporationen anerkannten Religionsgesellschaften (AVG § 11 Abs 2 aF, RVO § 169 Abs 1 S 2 aF ).
2. Die vor dem 1945-05-09 in Thüringen (DDR) als Pfarrer der Thüringer evangelischen Kirche verrichtete Beschäftigung ist keine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes iS des FRG § 17 Abs 2; für sie gilt FRG § 16 nicht.
3. Ist ein in Thüringen bei der Thüringer evangelischen Kirche beschäftigter Pfarrer vom 1945-05-01 an ohne Bezüge beurlaubt und am 1947-07-31 entlassen worden, so ist er iS des FANG Art 6 § 18 Abs 1 vor dem 1945-05-09 aus dem deutschen öffentlichen Dienst ausgeschieden.
4. Die Beurlaubung ohne Dienstbezüge eines im öffentlichen Dienst versicherungsfreien Beschäftigten bewirkt ein Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung iS des AVG § 18 Abs 1 aF (= RVO § 1242a Abs 1 aF).
Normenkette
FRG § 17 Abs. 2 Fassung: 1960-02-25; AVG § 11 Abs. 2 Fassung: 1924-05-28; RVO § 169 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1939-12-12; FRG § 16 Fassung: 1960-02-25; FANG Art. 6 § 18 Abs. 1 Fassung: 1960-02-25; AVG § 18 Abs. 1 Fassung: 1937-12-21; RVO § 1242a Abs. 1 Fassung: 1937-12-21
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. November 1970 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Kläger war bis zum Ausgang des letzten Krieges Pfarrer der Thüringer evangelischen Kirche. Es ist darüber zu entscheiden, ob er für die Zeit seiner Beschäftigung vor dem 9. Mai 1945 nach Art. 6 § 18 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes - FANG - vom 25. Februar 1960 (BGBl I S. 93) als nachversichert gilt oder ob seine vor dem 9. Mai 1945 in Thüringen Verrichtete Beschäftigung gemäß § 17 Abs. 2 des Fremdrentengesetzes - FRG - (Art. 1 FANG) einer Beschäftigung im Sinne des § 16 FRG gleichsteht.
Der am 13. November 1906 geborene Kläger besuchte vom 4. September bis zum 31. Dezember 1934 als Kandidat der Theologie das Thüringer Predigerseminar in E. Danach stand er in Thüringen im Dienst der Thüringer evangelischen Kirche. Er war vom 1. Januar 1935 bis zum 31. Dezember 1936 Lehrvikar und Hilfsprediger, vom 1. Januar 1937 bis zum 31. August 1943 Hilfspfarrer und vom 1. September 1943 an Pfarrer. Seine letzten Dienstbezüge beliefen sich auf etwa 463,- RM. Vom 1. Mai 1945 bis zum 31. Juli 1947 war er ohne Bezüge beurlaubt. Aufgrund eines Beschlusses der Spruchstelle der Thüringer evangelischen Kirche wurde er mit Ablauf des 31. Juli 1947 aus dem Dienst der Landeskirche entlassen.
Er war im Januar 1940 zum Wehrdienst eingezogen und im Dezember 1945 aus der sich anschließenden Kriegsgefangenschaft entlassen worden. Er kehrte nicht nach Thüringen zurück, sondern begab sich nach B bei B. Dort ist er seit April 1946 bei den von B'schen Anstalten als Krankenpfleger angestellt.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13. Juli 1966 den Antrag des Klägers auf Nachversicherung gemäß Art. 6 § 18 FANG mit der Begründung ab, der Kläger sei erst nach dem 8. Mai 1945, nämlich am 31. Juli 1947 aus dem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis bei der Thüringer evangelischen Kirche ausgeschieden; sein Dienstverhältnis zur Kirche habe weder durch die Beurlaubung ohne Bezüge noch mit seiner Einberufung zum Kriegsdienst oder mit der Gefangenschaft geendet; die mit diesem Beschäftigungsverhältnis verbundenen Versorgungszusagen habe er erst am 31. Juli 1947 verloren. Die Nachversicherung für die Zeit vom 4. September bis zum 31. Dezember 1934 sei ohnehin nicht möglich, da der Kläger während dieser Zeit noch in einem Ausbildungsverhältnis gestanden habe.
Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat durch Urteil vom 26. November 1970 (SozSich 1971, 185) das Urteil des Sozialgerichts Detmold (SG) vom 28. Mai 1968 und die ergangenen Bescheide abgeändert und festgestellt, daß die Beschäftigung des Klägers vom 4. September 1934 bis zum 8. Mai 1945 im Dienst der Thüringer evangelischen Kirche einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung im Geltungsbereich des FRG (§ 17 Abs. 2 iVm § 16), für die Beiträge entrichtet sind, gleichsteht. Es hat die Revision zugelassen. Das LSG hat ausgeführt, der Kläger habe sich während seiner Beschäftigung im Dienst der Kirche nicht im "öffentlichen Dienst" befunden. Einen allgemein gültigen Begriff des "öffentlichen Dienstes" gebe es nicht. Art. 131 des Grundgesetzes (GG) habe die Ausfüllung dieses Begriffes dem Gesetzgeber überlassen. Dies sei in § 1 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen - G 131 - geschehen. Geistliche seien weder in § 1 noch in § 2 G 131 genannt; sie seien demnach weder Angehörige des öffentlichen Dienstes noch seien sie ihnen gleichgestellt. Daß der Begriff des öffentlichen Dienstes in den einzelnen Gesetzen einen jeweils anderen Inhalt haben solle, entbehre der Begründung, wenn nicht in dem Gesetz (hier Art. 131 GG) eine bestimmte Einschränkung des Begriffes vorbehalten werde. Dies sei nicht geschehen. Deshalb sei der vielfach vertretenen Auffassung nicht zu folgen, daß der Dienst in einer als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannten Religionsgemeinschaft als "öffentlicher Dienst" anzusehen sei.
Die Beschäftigung des Klägers in der Zeit vom 4. September 1934 bis zum 8. Mai 1945 sei nach den reichsgesetzlichen Vorschriften versicherungsfrei gewesen, und zwar für die Zeit vom 4. September bis zum 31. Dezember 1934 nach § 12 Nr. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) aF, da der Kläger in dieser Zeit lediglich für seinen Beruf ausgebildet worden sei, für die Folgezeit gemäß § 11 Abs. 2 AVG aF.
Gegen das Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie rügt fehlerhafte Anwendung des Art. 6 § 18 FANG und der §§ 16, 17 Abs. 2 FRG. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 28. Mai 1968 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
|
1.) |
|
die Revision zurückzuweisen, |
|
2.) |
|
hilfsweise die Revision zurückzuweisen mit der Maßgabe, daß das Berufungsurteil wie folgt abzuändern ist: auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts in Detmold vom 28. Mai 1968 und der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 1966 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 1967 aufgehoben. Es wird festgestellt, daß der Kläger für die Zeit vom 4. September 1934 bis 8. Mai 1945 mit Ausnahme seiner Kriegsdienstzeit als nachversichert gilt. |
II
Die Revision der Beklagten ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen ist. Die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil reichen zu einer abschließenden Entscheidung nicht aus.
Zu Recht wendet sich die Revision gegen die vom LSG vertretene Auffassung, die Beschäftigung des Klägers vom 4. September 1934 bis zum 8. Mai 1945 im Dienst der Thüringer evangelischen Kirche stehe gemäß § 17 Abs. 2 iVm § 16 FRG einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung im Geltungsbereich des FRG, für die Beiträge entrichtet seien, gleich. An den gesetzlichen Voraussetzungen des § 17 Abs.2 FRG fehlt es schon deshalb, weil die Vorschrift sich ausdrücklich nur auf eine Beschäftigung vor dem 9. Mai 1945 außerhalb des öffentlichen Dienstes bezieht, die nach den reichsgesetzlichen Vorschriften wegen der Gewährleistung von Versorgungsanwartschaften versicherungsfrei gewesen ist. Die Beschäftigung des Klägers im kirchlichen Dienst der Thüringer evangelischen Kirche gehört aber zu dem öffentlichen Dienst im Sinne dieser Vorschrift.
Dem LSG ist zuzugeben, daß es einen allgemein gültigen Begriff des öffentlichen Dienstes nicht gibt. Das Gesetz verwendet diesen Begriff in den einzelnen Bestimmungen nicht einheitlich und in stets gleicher Bedeutung. Sein Inhalt läßt sich daher nur nach dem Sinn und Zweck der jeweiligen Gesetzesvorschrift ermitteln. Hier ist allein entscheidend, welche Bedeutung dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Dienstes in § 17 Abs. 2 FRG zukommt. Dies kann aber nicht - wie es das LSG getan hat - daraus hergeleitet werden, in welchem Sinne der Begriff des öffentlichen Dienstes in Art 131 GG aufzufassen und wie er in §§ 1 und 2 G 131 seine nähere Ausgestaltung erfahren hat. § 17 Abs. 2 FRG ist eine Vorschrift des Sozialversicherungsrechts und speziell des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung. Deshalb ist auch allein entscheidend, was unter öffentlichem Dienst im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung zu verstehen ist. Dies folgt schon daraus, daß es sich um eine Beschäftigung gehandelt haben muß, die nach den reichsgesetzlichen Vorschriften - der Rentenversicherung - wegen der Gewährleistung von Versorgungsanwartschaften versicherungsfrei gewesen ist. Die Vorschrift knüpft also an die Regelungen in §§ 169 ff der Reichsversicherungsordnung aF (RVO), §§ 11 ff AVG aF an, in denen für die Versicherungsfreiheit wegen Gewährleistung der Versorgungsanwartschaften danach unterschieden wurde, ob es sich nur um eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst (§ 169 RVO aF, § 11 AVG aF) oder auch um eine solche im Dienst des Privatrechts, also in einem privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnis (§ 174 RVO aF, § 17 AVG aF) handelte. Zu den im öffentlichen Dienst Beschäftigten gehörten aber im Rentenrecht gemäß § 169 Abs. 1 II Satz 2 RVO aF, § 11 Abs. 2 AVG aF die Geistlichen der als öffentlich-rechtliche Korporationen anerkannten Religionsgesellschaften, zu denen die Thüringer evangelische Kirche zählte. Daß auch der Gesetzgeber von dieser Abgrenzung der Beschäftigung im öffentlichen Dienst von der in einem privatrechtlichen Arbeits- oder Dienstverhältnis ausgegangen ist und § 17 Abs.2 FRG nur für ein Beschäftigungsverhältnis privatrechtlicher Art gilt, ist mit besonderer Deutlichkeit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift im Zusammenhang mit der des Art. 6 § 18 FANG zu entnehmen.
In dem Gesetzgebungsverfahren hat der Bundesrat darauf hingewiesen, aus § 17 Abs. 2 FRG ergebe sich, daß die im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesenen Personen, die weder von diesem Gesetz noch von dem Gesetz zur Regelung der unter Art. 131 GG fallenden Personen noch von § 99 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes erfaßt seien, weiterhin ohne Versorgung seien. Diese Lücke müsse geschlossen werden. In ihrer Stellungnahme zu diesem Änderungsvorschlag hat die Bundesregierung diese Auffassung bestätigt und ausgeführt, § 17 Abs.2 FRG beziehe nur Beschäftigungen privatrechtlicher Art in die Rentenversicherung ein, weil es sich hier um einen Personenkreis handele, der seine Sicherung grundsätzlich im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung finde. Bei Beschäftigten im öffentlichen Dienst handele es sich dagegen um ein Versorgungsproblem. Der Ausschuß für Sozialpolitik (20. Ausschuß) hat sodann für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes die Einfügung des Art 6 § 19 a FANG vorgeschlagen, der in der Fassung des Art 6 § 18 FANG Gesetz geworden ist (vgl. hierzu BT-Drucks. 1109/3. Wahlperiode S. 83, 84; BT-Drucks. 1532/3. Wahlperiode S. 57; zu Drucks. 1532 S. 6).
Die vor dem 9. Mai 1945 aus dem deutschen öffentlichen Dienst ausgeschiedenen Personen werden also, soweit für sie nicht andere gesetzliche Regelungen gelten, von der fiktiven Nachversicherung des Art. 6 § 18 FANG, nicht aber von § 17 Abs.2 FRG erfaßt. Bei Personen, die im privatrechtlichen Dienst gestanden haben, findet mit der Vorschrift des § 17 Abs. 2 FRG der Ausgleich durch die Anrechnung von Beschäftigungszeiten statt (Jantz-Zweng-Eicher, Das neue Fremdrenten- und Auslandsrentenrecht, 2. Auflage, Anm. 2 zu § 17 FRG). Der Senat hat in seinem Urteil vom 20. April 1972 - 1 RA 233/70 - entschieden, daß unter den Begriff des deutschen öffentlichen Dienstes i.S. des Art. 6 § 18 Abs. 1 FANG auch der öffentliche Dienst der Geistlichen der als öffentlich-rechtliche Korporationen anerkannten Religionsgesellschaften fällt, also der Geistlichen, deren Beschäftigung nach § 11 Abs. 2 AVG aF, § 169 Abs. 1 Satz 2 RVO aF in der Rentenversicherung versicherungsfrei war. Für die Berücksichtigung ihrer Beschäftigungszeiten vor dem 9. Mai 1945 kann jedenfalls nicht § 17 Abs. 2 FRG, sondern nur Art. 6 § 18 FANG oder § 16 FRG unmittelbar angewandt werden. Da der Kläger im Dienst der Thüringer evangelischen Kirche vor dem 9. Mai 1945 in keinem privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnis i.S. des § 17 Abs. 2 FRG gestanden und somit bei dieser Kirche auch keine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes i.S. dieser Vorschrift verrichtet hat, steht sie auch einer Beschäftigung i.S. des § 16 FRG nicht gleich.
Der Kläger ist aber entgegen der Annahme der Revision infolge seiner Beurlaubung ohne Dienstbezüge vom 1. Mai 1945 an am 30. April 1945, also i.S. des Art. 6 § 18 FANG vor dem 9. Mai 1945 aus dem deutschen öffentlichen Dienst ausgeschieden und war von der Thüringer evangelischen Kirche, also einem anderen Rechtsträger außerhalb des Geltungsbereiches des FANG nach den im Zeitpunkt seines Ausscheidens am 30. April 1945 geltenden § 18 Abs. 1 AVG aF für die Zeit seiner versicherungsfreien Beschäftigung nachzuversichern, ohne daß er nachversichert worden ist.
Daß der kirchliche öffentliche Dienst bei einer als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannten Religionsgesellschaft zu dem öffentlichen Dienst i.S. dieser Vorschrift rechnet, hat - wie bereits gesagt - der Senat in Übereinstimmung mit dem einhelligen Schrifttum in seinem Urteil vom 20. April 1972 ausgesprochen und begründet. Nach § 169 Abs. 1 Satz 2 RVO aF, § 11 Abs. 2 AVG aF waren Geistliche der als öffentlich-rechtliche Korporationen anerkannten Religionsgesellschaften versicherungsfrei. Die Thüringer evangelische Kirche war eine solche Religionsgesellschaft. Sie umfaßte das Gebiet der ehemaligen sächsischen Herzogtümer (Weimar-Eisenach, Gotha, Meiningen und Altenburg), sowie der Schwarzburgischen und Reußischen Fürstentümer. Sieben bis dahin selbständige Landeskirchen der genannten Gebiete schlossen sich 1919 zur einheitlichen Thüringischen evangelischen Landeskirche zusammen (Evangelisches Kirchenlexikon, herausgegeben von Heinz Brunotte und Otto Weber, Bd. III Sp. 1439). Sie gehörte im Jahre 1919 zu den Religionsgesellschaften i.S. des Art. 137 Abs. V der Deutschen Verfassung vom 11. August 1919 (WRV), die schon bisher Körperschaften des öffentlichen Rechts waren und solche bleiben. Seit 1948 ist sie Mitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Die Beklagte ist der Auffassung, das kirchliche öffentliche Dienstverhältnis des Klägers zur Thüringer evangelischen Kirche habe bis zu seiner Entlassung am 31. Juli 1947 bestanden. Erst mit diesem Zeitpunkt habe er seine aus dem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis als Geistlicher bestehenden Versorgungsanwartschaften verloren. Seine Beurlaubung ohne Dienstbezüge vom 1. Mai 1945 an habe sein Dienstverhältnis zur Kirche nicht beendet. Deshalb sei er nicht i.S. des Art. 6 § 18 Abs.1 II FANG vor dem 9. Mai 1945 aus dem deutschen öffentlichen Dienst ausgeschieden. Diese Schlußfolgerung ist indessen nicht gerechtfertigt. Es kommt für die Pflicht zur Nachversicherung gemäß § 18 Abs. 1 AVG aF auf das unversorgte Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung, nicht aber auf die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, also auch nicht auf die Beendigung des kirchenrechtlichen Dienstverhältnisses an. Denn auch bei einer Fortdauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses kann ein Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung vorliegen und ein Nachversicherungsfall eintreten, also auch dann, wenn das öffentlich-rechtliche kirchliche Dienstverhältnis fortbestanden hat (vgl. hierzu BSG 16, 112; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 626 h II). Aus der Beschäftigung, in der der Kläger als Geistlicher der evangelischen-lutherischen Kirche in Thüringen gemäß § 11 Abs. 2 AVG aF in der Rentenversicherung versicherungsfrei war, ist er aber mit seiner Beurlaubung ohne Dienstbezüge am 30. April 1945 ausgeschieden. An die Feststellung in dem angefochtenen Urteil, daß der Kläger für die Zeit vom 1. Mai 1945 bis zum 31. Juli 1947 aus seinem kirchlichen Dienstverhältnis als Pfarrer ohne Dienstbezüge beurlaubt war - die mit den Angaben in der Bescheinigung des Landeskirchenrats in Eisenach vom 2. März 1962 übereinstimmt -, ist das Revisionsgericht gemäß § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gebunden, weil gegen diese Feststellung keine Revisionsrüge erhoben worden ist.
Nach dem Wortlaut des Art. 6 § 18 Abs. 1 FANG gilt die Vorschrift zwar nur für Personen, die vor dem 9. Mai 1945 aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden sind. Dies könnte dahin aufgefaßt werden, das Gesetz stelle es hier für die fiktive Nachversicherung nicht nur wie sonst im Nachversicherungsrecht darauf ab, daß die Person vor dem 9. Mai 1945 aus der versicherungsfreien Beschäftigung ausgeschieden ist, sondern zusätzlich auch darauf, daß das öffentliche Dienstverhältnis aus beamten- oder kirchenrechtlichen Gründen vor dem 9. Mai 1945 geendet hat. Eine solche Auffassung würde aber dem Charakter der Vorschrift als einer Regelung der Nachversicherung im Rentenrecht nicht gerecht und auch dem Zusammenhang nicht Rechnung tragen, in dem diese Fassung des Gesetzes gebraucht ist. Dem Gesetzgeber kam es hier nur darauf an, klarzustellen, daß die Vorschrift sich auf solche Personen beschränken soll, die vor dem 9. Mai 1945 aus dem öffentlichen Dienst und nicht aus Diensten des Privatrechts ausgeschieden sind. Zudem geht es um solche Personen, die aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden sind und für die Zeit ihrer versicherungsfreien Beschäftigung nachzuversichern waren und nicht nachversichert worden sind. Aus dieser Verknüpfung des Ausscheidens aus dem öffentlichen Dienst mit der Pflicht zur Nachversicherung ergibt sich, daß nur Personen gemeint sein können, die im Sinne des Nachversicherungsrechts vor dem 9. Mai 1945 so aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden sind, daß sie nach den zur Zeit ihres Ausscheidens geltenden Vorschriften in den Rentenversicherungen nachzuversichern waren. Auch im Rahmen des Art. 6 § 18 Abs.1 FANG kommt also dem Begriff des Ausscheidens aus dem öffentlichen Dienst keine andere Bedeutung zu, als er sonst im Nachversicherungsrecht gilt.
Ein Ausscheiden aus der im Rentenrecht versicherungsfreien Beschäftigung im Sinne des Nachversicherungsrechts liegt aber auch bei einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge vor. Dem Wesen nach ist die in der Rentenversicherung versicherungsfreie Beschäftigung eine an sich rentenversicherungspflichtige Beschäftigung, die nur infolge der gesetzlichen Ausnahmeregelungen versicherungsfrei gestellt ist. Das Bestehen dieses an sich rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses setzt in der Regel die Beschäftigung als Arbeitnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Arbeitgeber (Dienstherrn) gegen Zahlung von Entgelt voraus. Wird für die Zeit der Beschäftigung kein Entgelt gezahlt, so fehlt es - von besonderen Ausnahmen abgesehen - an einer wesentlichen rechtlichen Voraussetzung für die rentenversicherungspflichtige Beschäftigung. Mangels Vorliegens einer an sich versicherungspflichtigen Beschäftigung besteht in einem solche Falle sodann auch keine Beschäftigung, die nach den besonderen Vorschriften in der Rentenversicherung versicherungsfrei sein könnte. Die Versicherung in der Rentenversicherung hängt zudem von der Beitragsleistung ab. Für Zeiten der Beurlaubung ohne Dienstbezüge können mangels Zahlung von Entgelt keine Beiträge geleistet werden. Eine Zeit, für die von vornherein kein Entgelt gezahlt wird und die Beitragsleistung ausgeschlossen ist, scheidet als Zeit der versicherungspflichtigen Beschäftigung auch aus diesem Grunde aus, so daß sie auch nicht versicherungsfrei gewesen sein kann. Entscheidend aber ist, daß im Nachversicherungsrecht bereits jede vorübergehende Unterbrechung des Dienstverhältnisses zum Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung führt; denn nach § 5 Abs. 1 der Verordnung über die Nachentrichtung von Beiträgen für versicherungsfreie Personen vom 4. Oktober 1930 (RGBl I S. 459) idF der Verordnung vom 5. Februar 1932 (RGBl I S. 64) - Aufschub-VO - und ebenso nach dem geltenden Recht des § 1403 Abs.1 Buchst. b RVO, § 125 Abs. 1 Buchst. b AVG wird die Nachentrichtung von Beiträgen aufgeschoben, solange die versicherungsfreie Beschäftigung vorübergehend unterbrochen wird. Der typische Fall der vorübergehenden Unterbrechung der versicherungsfreien Beschäftigung ist aber gerade der Fall der Unterbrechung des Dienstverhältnisses durch Beurlaubung ohne Dienstbezüge (vgl. hierzu Zimmer, Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, § 125/§ 1403 Anm. 5; Brackmann, aaO S. 626 h II). Im gesetzlich geregelten Recht der Nachversicherung ist mit der Beurlaubung ohne Dienstbezüge also jedenfalls ein Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung und der Eintritt des Nachversicherungsfalles verbunden. Nur ob die Nachentrichtung der Beiträge sofort zu erfolgen hat oder aufgeschoben wird, hängt davon ab, ob es sich bei dem Ausscheiden um eine vorübergehende Unterbrechung der versicherungsfreien Beschäftigung handelt oder nicht (ebenso außer Zimmer und Brackmann Jantz-Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 2. Aufl., Anm. zu § 1232 RVO S. 142, Anm. zu § 1227 RVO S. 81 und 82; aA Hanow-Lehmann-Bogs, Rentenversicherung der Arbeiter, 5. Aufl., Rdnr. 6 a.E. zu § 1232; Komm. zur RVO, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 6. Aufl. § 1232 Anm. 4 a.E.).
Ist der Kläger somit mit dem 30. April 1945 aus dem öffentlichen Dienst der Thüringer evangelischen Kirche i.S. des Art.6 § 18 Abs. 1 FANG ausgeschieden, so war er auch nach dem am 30. April 1945 geltenden § 18 AVG aF für die Zeit, während der er sonst versicherungspflichtig gewesen wäre, nachzuversichern; denn aus der versicherungsfreien Beschäftigung ist er ausgeschieden, ohne daß ihm Ruhegeld oder eine gleichwertige Leistung aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses geleistet wurde. Der Nachversicherungsfall ist am 30. April 1945 ungeachtet dessen eingetreten, ob die Beiträge sofort nachzuentrichten waren oder ob die Nachentrichtung der Beiträge aufgeschoben war (BSG 32, 71, 72 und 76, 79). Für den Kläger waren die Beiträge aber sofort bei seinem Ausscheiden von der Thüringer evangelischen Kirche als Arbeitgeber nachzuentrichten, weil ein gesetzlicher Grund für den Aufschub der Nachentrichtung nicht bestanden hat. Mit der Beurlaubung ohne Dienstbezüge vom 1. Mai 1945 an waren die Voraussetzungen für einen Aufschub der Nachentrichtung der Beiträge wegen vorübergehender Unterbrechung der versicherungsfreien Beschäftigung nach § 5 Abs. 1 Aufschub-VO nicht gegeben. Eine vorübergehende Unterbrechung i.S. dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn beim Ausscheiden der erkennbare Wille der Rückkehr zu demselben Dienstherrn bestanden hat und wenn er später die versicherungsfreie Beschäftigung bei ihm tatsächlich wieder aufgenommen hat (Brackmann aaO S. 626 o VI; Hanow-Lehmann-Bogs aaO, § 1403 Rdnr. 9). Der Kläger ist aber bei der Thüringer evangelischen Kirche, seinem früheren Arbeitgeber, nicht wieder versicherungsfrei beschäftigt worden.
Da dür den Kläger für die Zeit seiner versicherungsfreien Beschäftigung in den Diensten der evangelisch-lutherischen Kirche in Thüringen Beiträge nicht entrichtet worden sind, ist er i.S. des Art. 6 § 18 Abs.1 FANG nicht nachversichert worden. Die Nachversicherung für die Zeit seiner versicherungsfreien Beschäftigung im öffentlichen kirchlichen Dienst bis zum 30. April 1945 ist aufgrund anderer Vorschriften nicht erfolgt. Dafür, daß diese Zeit bei der Bemessung einer lebenslänglichen Alters- oder Hinterbliebenenversorgung berücksichtigt wird, bestehen nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil und dem Vorbringen der Beteiligten keine Anhaltspunkt.
Der Kläger gilt somit für die Zeit, während der er im Dienst der Thüringer evangelischen Kirche bis zum 30. April 1945 gemäß § 11, § 12 Nr. 1 bis 3, § 17 AVG aF versicherungsfrei war (§ 18 Abs.1 Satz 1 AVG aF) und in der er sonst versicherungspflichtig gewesen wäre - mit Ausnahme der Zeit seines Kriegsdienstes, soweit sie Ersatzzeit i.S. des § 1263 RVO aF ist (§ 18 Abs. 1 Satz 3 AVG aF), nach Art. 6 § 18 FANG als nachversichert.
Für welche Zeiten bis zum 30. April 1945 diese Voraussetzungen im einzelnen erfüllt sind, läßt sich aufgrund der Feststellungen in dem angefochtenen Urteil nicht beurteilen und entscheiden. Es kommen nach § 18 Abs. 1 AVG aF (= § 1242 a Abs. 1 RVO aF) nur solche Zeiten in Betracht, in denen der Kläger gemäß §§ 11, 12 Nr. 1 bis 3, 17 AVG aF (§ 169, 172 Abs. 1 Nr. 1, § 174, 1230 RVO aF) versicherungsfrei gewesen ist. Zeiten, in denen Versicherungsfreiheit aus anderen Gründen bestanden hat, scheiden von der Nachversicherungspflicht aus, weil der Kläger dann nicht "sonst versicherungspflichtig" gewesen wäre. Deshalb kann die Zeit, in der der Kläger zu seiner wissenschaftlichen Ausbildung für den zukünftigen Beruf gegen Entgelt tätig und nach § 12 Satz 1 Nr. 4 AVG aF (§ 172 Abs.1 Nr. 5 RVO aF) versicherungsfrei gewesen ist, nicht berücksichtigt werden (vgl. hierzu BSG 17, 206 ff; BSG in SozR Nr. 7 zu § 72 G 131 = Breithaupt 1971, 898; Brackmann aaO S. 626 f III, IV). In dem angefochtenen Urteil fehlen Feststellungen darüber, in welcher Zeit der Kläger zu seiner wissenschaftlichen Ausbildung für den zukünftigen Beruf gegen Entgelt tätig gewesen ist. Es fehlen insbesondere Angaben darüber, zu welchem Zeitpunkt er die zweite theologische Prüfung abgelegt hat und wann er zum Geistlichen ordiniert worden ist. Ebenso wäre der Kläger für solche Zeiten nicht "sonst versicherungspflichtig gewesen", in denen sein Entgelt für die Beschäftigung als Pfarrer die Jahresarbeitsverdienstgrenze (JAV) überschritten hat. Nach Art. 6 § 18 Abs. 3 FANG stehen die Vorschriften über die Versicherungspflichtgrenze der Nachversicherung in der Rentenversicherung der Angestellten nur dann nicht entgegen, wenn ohne die Nachversicherung eine ausreichende anderweitige Alters- und Hinterbliebenensicherung nicht gewährleistet ist. Das LSG hat zwar festgestellt, die letzten Dienstbezüge des Klägers als Pfarrer hätten etwa 463,- RM monatlich betragen. Ob dabei das bei der JAV zu berücksichtigende Entgelt voll erfaßt ist, läßt sich den Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Zudem besagen sie nur etwas über die letzten Dienstbezüge nichts aber über die in der vorhergehenden Zeit. Deshalb kann nicht beurteilt und entschieden werden, für welche Zeit vor dem 1. Mai 1945 der Kläger nachzuversichern war oder die Voraussetzungen des Art. 6 § 18 Abs. 3 FANG für die fiktive Nachversicherung erfüllt sind. Das LSG wird die dafür erforderlichen Feststellungen noch zu treffen haben.
Aus diesen Gründen ist unter Aufhebung des angefochtenen Urteils der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 SGG).
Das LSG wird bei seiner den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung auch darüber zu entscheiden haben, inwieweit die Beteiligten außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten haben.
Fundstellen