Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausfallzeit. Unterbrechung der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung. Überbrückung durch Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus

 

Orientierungssatz

Die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung ist auch dann durch Arbeitslosigkeit unterbrochen, wenn dazwischen eine Zeit des Bezuges von Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus liegt (vgl BSG 1982-11-24 5a RKn 23/81 = SozR 2200 § 1259 Nr 72).

 

Normenkette

RKG § 57 S 1 Nr 3; RVO § 1259 Abs 1 S 1 Nr 3

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 17.09.1981; Aktenzeichen L 2 Kn 16/81)

SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 28.11.1980; Aktenzeichen S 9 Kn 11/80)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger bei der Berechnung seines Knappschaftsruhegeldes zusätzlich eine Ausfallzeit vom 25. November 1974 bis zum 30. September 1979 anzurechnen ist.

Der bis zum 31. Mai 1973 knappschaftlich versicherungspflichtig tätige Kläger erhielt vom 1. Juni 1973 bis zum 30. September 1974 Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus und seit dem 1. Oktober 1974 Knappschaftsausgleichsleistung. Am 25. November 1974 meldete er sich beim Arbeitsamt arbeitslos. Die Beklagte wandelte durch Bescheid vom 16. Dezember 1979 ab dem 1. Oktober 1979 die bisher gewährte Knappschaftsausgleichsleistung in das Altersruhegeld um. Bei der Rentenberechnung wurde die Zeit vom 1. Oktober 1974 bis zum Rentenbeginn nicht als Ausfallzeit berücksichtigt. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12. März 1980).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte am 28. November 1980 unter Aufhebung der angefochtene Bescheide verurteilt, bei der Berechnung der dem Kläger gewährten Rente die Zeit vom 25. November 1974 bis zum 30. September 1979 als Ausfallzeit zu berücksichtigen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 17. September 1981 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: In der Zeit vom 1. Oktober 1974 bis zum 25. November 1974 sei der Kläger arbeitslos, dh arbeitsfähig und arbeitswillig gewesen, auch wenn er sich erstmalig am 25. November 1974 arbeitslos gemeldet habe. Danach sei er nicht nur arbeitslos, sondern auch beim Arbeitsamt als Arbeitsuchender gemeldet gewesen und habe Leistungen nur wegen des Bezuges der Knappschaftsausgleichsleistung nicht erhalten. Die in dieser Zeit bestehende und gemeldete Arbeitslosigkeit habe auch eine versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen, obwohl sie nicht unmittelbar an die letzte Beschäftigungszeit anschließe. Die zeitliche Lücke sei bis zum 30. September 1974 durch den Bezug des Anpassungsgeldes, der nach § 48 Abs 2 Reichsknappschaftsgesetz -RKG- der Arbeitslosigkeit gleichstehe, geschlossen. Die Zeit vom 1. Oktober 1974 bis zum 25. November 1974 sei durch die nicht gemeldete Arbeitslosigkeit überbrückt.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 57 Satz 1 Nr 3 RKG und des 128 Abs 1 Satz 1 SGG durch das Berufungsgericht.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28. November 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, daß der Kläger einen Anspruch auf ein höheres als das festgestellte Knappschaftsruhegeld unter Berücksichtigung der Zeit vom 25. November 1974 an als Ausfallzeit hat.

Nach den insoweit nicht angegriffenen und für den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (§ 163 SGG) war der Kläger in der Zeit vom 25. November 1974 bis zur Gewährung des Altersruhegeldes arbeitswillig gewesen; er war auch bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitsuchender gemeldet und hat eine der in § 57 Satz 1 Nr 3 RKG genannten Leistungen nur wegen des Zusammentreffens mit der Knappschaftsausgleichsleistung nicht bezogen. Die Voraussetzungen des § 57 Satz 1 Nr 3 RKG liegen also vor, wenn die Arbeitslosigkeit auch eine knappschaftlich versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen hat. Diese unter den Beteiligten allein noch streitige Frage ist zu bejahen.

Zwar liegen zwischen der letzten knappschaftlich versicherungspflichtigen Versicherung des Klägers und seiner Meldung beim Arbeitsamt als Arbeitsuchender etwa 18 Monate. Das schließt die Annahme einer Unterbrechung der knappschaftlich versicherungspflichtigen Beschäftigung durch die Arbeitslosigkeit aber nicht aus. Im Normalfall ist eine versicherungspflichtige Beschäftigung durch Arbeitslosigkeit nur dann unterbrochen, wenn sich diese ihr unmittelbar anschließt (vgl BSGE 29, 120 = BSG SozR Nr 22 zu § 1259 RVO). Aus Wortlaut und Sinn der Vorschrift folgt jedoch nicht notwendig, daß sich eine anrechenbare Ausfallzeit der Arbeitslosigkeit in jedem Falle zeitlich unmittelbar an eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit anschließen muß. Das ergibt sich grundsätzlich schon aus § 57 Satz 2 RKG, wonach mehrere unmittelbar aufeinander folgende Ausfallzeiten angerechnet werden können, obschon sich davon nur die erste unmittelbar an die versicherungspflichtige Beschäftigung anschließen kann. Die zeitliche Lücke zwischen versicherungspflichtiger Beschäftigung und Arbeitslosigkeit kann aber nicht nur durch eine anrechenbare Ausfallzeit, sondern auch durch andere Tatbestände überbrückt werden. Das gilt insbesondere dann, wenn zB eine nicht als Ausfallzeit anrechenbare Arbeitslosigkeit vorgelegen hat oder wenn der Versicherte versucht hat, die Arbeitslosigkeit durch einen Selbsthilfeversuch zu überbrücken (vgl hierzu BSG aaO und BSGE 34, 93 = SozR Nr 44 zu § 1259 RVO sowie BSG SozR 2200 § 1259 Nr 8 mwN).

Wie der Senat mit Urteil vom 24. November 1982 (5a RKn 23/81) entschieden hat, ist die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung auch dann durch Arbeitslosigkeit unterbrochen, wenn dazwischen eine Zeit des Bezuges von Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus liegt. Das folgt daraus, daß das Gesetz die Zeit des Bezuges von Anpassungsgeld in vielfältiger Weise den Ersatz- und Ausfallzeiten ähnlich oder gleich behandelt (§§ 48 Abs 2, 50 Abs 4, 54 Abs 7 Satz 2, 56 Abs 1a, 56 Abs 2 Satz 2, 58 Abs 1 Satz 3 RKG). Nur bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Aufgabe der versicherungspflichtigen Beschäftigung und dem Ausfallzeittatbestand hält der Gesetzgeber die Annahme für begründet, daß ohne den Ausfallzeittatbestand das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis fortgedauert und zur Entrichtung von Pflichtbeiträgen geführt hätte. Dieser enge zeitliche Zusammenhang ist auch dann gewahrt, wenn zwischen der Aufgabe der versicherungspflichtigen Beschäftigung und dem Ausfallzeittatbestand eine beitragslose Zeit liegt, die der Gesetzgeber deshalb ähnlich wie eine Pflichtbeitragszeit behandelt sehen will, weil der Versicherte wegen des von ihm nicht zu vertretenden Arbeitsschicksals an der Leistung weiterer Pflichtbeiträge gehindert worden ist. Das trifft für Zeiten des Anpassungsgeldes ebenso zu wie für Ersatz- und Ausfallzeiten.

Auch die Zeit zwischen Ende des Bezuges von Anpassungsgeld (30. September 1974) und Meldung beim Arbeitsamt (25. November 1974) ist durch einen Überbrückungstatbestand ausgefüllt. Der Umstand, daß der Kläger ab 1. Oktober 1974 Knappschaftsausgleichsleistungen bezog, rechtfertigt zwar für sich allein nicht, seine ernsthafte Arbeitsbereitschaft zu unterstellen (vgl BSG SozR 2600 § 57 Nr 1). Das LSG hat aber festgestellt, daß der Kläger auch während der Zeit vom 1. Oktober 1974 bis 25. November 1974 arbeitsfähig und arbeitswillig gewesen ist.

Die gegen diese Tatsachenfeststellung gerichtete Rüge einer Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG ist nicht begründet. Das LSG hat bei seiner Beweiswürdigung das Gesetz nicht verletzt. Wenn das LSG - wie es ausgeführt hat - im Falle des Klägers die Überzeugung gewonnen hat, daß seine Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit auch nach Verlust seiner Arbeitsstelle Ende Mai 1973 bis Mitte November 1974 angedauert hat, so ist das Sache seiner freien Beweiswürdigung, die als solche in der Revisionsinstanz nicht nachvollzogen werden kann.

Da - wie ausgeführt - Zeiten der nicht gemeldeten Arbeitslosigkeit selbst zwar nicht Ausfallzeiten sind, aber durchaus geeignet sind, die Zeit zwischen der Aufgabe der versicherungspflichtigen Beschäftigung und dem Ausfallzeittatbestand zu überbrücken, ist auch die Zeit zwischen dem 1. Oktober 1974 und dem 25. November 1974 durch einen Überbrückungstatbestand geschlossen.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660541

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