Leitsatz (amtlich)
Die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung ist auch dann durch Arbeitslosigkeit unterbrochen, wenn dazwischen eine Zeit des Bezuges von Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus liegt.
Normenkette
RKG § 57 S 1 Nr 3; RVO § 1259 Abs 1 S 1 Nr 3
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 29.10.1981; Aktenzeichen L 2 Kn 155/80) |
SG Dortmund (Entscheidung vom 28.10.1980; Aktenzeichen S 22 Kn 135/80) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger gewährten Knappschaftsruhegeldes, insbesondere darüber, ob die Zeit vom 3. Dezember 1974 bis zum 30. September 1979 als Ausfallzeit nach § 57 Satz 1 Nr 3 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) zu berücksichtigen ist.
Der Kläger erhielt nach seinem Ausscheiden aus dem Bergbau am 31. Dezember 1973 zunächst das Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus und seit dem 1. Oktober 1974 die Knappschaftsausgleichsleistung. Die Beklagte gewährte ihm mit Bescheid vom 8. November 1979 das Knappschaftsruhegeld nach § 48 Abs 1 Nr 2 RKG für die Zeit vom 1. Oktober 1979 an. Bei der Rentenberechnung wurde die Zeit vom 1. Oktober 1974 bis zum Rentenbeginn nicht als Ausfallzeit berücksichtigt. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte am 28. Oktober 1980 unter Änderung ihres Bescheides vom 8. November 1979 und Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 1980 verurteilt, das Knappschaftsruhegeld des Klägers neu festzustellen und dabei die Arbeitslosigkeit des Klägers ab 1. Oktober 1974 als Ausfallzeit anzurechnen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 29. Oktober 1981 die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Arbeitslosigkeit des Klägers ab 3. Dezember 1974 als Ausfallzeit zu berücksichtigen ist. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei vom 3. Dezember 1974 bis zum Beginn des Knappschaftsruhegeldes arbeitsfähig und arbeitswillig gewesen. Er sei auch beim Arbeitsamt als Arbeitsuchender gemeldet gewesen und habe die Leistungen nur wegen des Bezuges der Knappschaftsausgleichsleistung nicht erhalten. Die in dieser Zeit bestehende Arbeitslosigkeit habe auch eine versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen, obwohl sie nicht unmittelbar an die letzte Beschäftigungszeit anschließe. Die zeitliche Lücke sei bis zum 30. September 1974 durch den Bezug des Anpassungsgeldes, der nach § 48 Abs 2 RKG der Arbeitslosigkeit gleichstehe, überbrückt. Der Kläger sei aber auch in der Zeit vom 1. Oktober 1974 bis zum 3. Dezember 1974 arbeitslos, dh arbeitsfähig und arbeitswillig gewesen, auch wenn er sich erstmalig am 3. Dezember 1974 arbeitslos gemeldet habe.
Die Beklagte hat dieses Urteil mit der - vom LSG zugelassenen - Revision angefochten. Sie ist der Ansicht, die erst am 3. Dezember 1974 beginnende Arbeitslosigkeit des Klägers habe dessen versicherungspflichtige Beschäftigung nicht unterbrochen, weil dazwischen ein Zeitraum von 11 Monaten liege. Die Zeiten des Bezuges von Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus ständen zwar nach § 48 Abs 2 RKG der Arbeitslosigkeit gleich. Daraus habe das LSG zu Unrecht für die folgende Zeit bis zum 3. Dezember 1974 auf eine ernstliche Arbeitsbereitschaft geschlossen. Darüber hinaus habe das LSG die aktenkundige Tatsache unberücksichtigt gelassen, daß dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1974 Abfindungsbeträge gezahlt worden seien. Die Würdigung dieser Tatsache führe zu dem Ergebnis, daß erst mit Ablauf des Abfindungszeitraums Arbeitsbereitschaft vorgelegen haben könne.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28. Oktober 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zu verwerfen.
Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und trägt zusätzlich vor, die Angriffe der Beklagten gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts und insbesondere gegen die Feststellung der Arbeitswilligkeit seien unzulässig.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, daß der Kläger einen Anspruch auf ein höheres als das festgestellte Knappschaftsruhegeld unter Berücksichtigung der Zeit vom 3. Dezember 1974 an als Ausfallzeit hat.
Auszugehen ist von den insoweit nicht angegriffenen und für den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen für die Zeit vom 3. Dezember 1974 an. In dieser Zeit ist der Kläger arbeitsfähig und arbeitswillig gewesen; er war auch bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitsuchender gemeldet und hat eine der in § 57 Satz 1 Nr 3 RKG genannten Leistungen nur wegen des Zusammentreffens mit der Knappschaftsausgleichsleistung nicht bezogen. Die Voraussetzungen des § 57 Satz 1 Nr 3 RKG liegen also vor, wenn die Arbeitslosigkeit auch eine knappschaftlich versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen hat. Diese allein noch streitige Frage ist zu bejahen.
Zwar liegen zwischen der letzten knappschaftlich versicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers und seiner Meldung beim Arbeitsamt als Arbeitsuchender etwa 11 Monate. Das schließt die Annahme einer Unterbrechung der knappschaftlich versicherungspflichtigen Beschäftigung durch die Arbeitslosigkeit aber nicht aus. Im Normalfall ist eine versicherungspflichtige Beschäftigung durch Arbeitslosigkeit nur dann unterbrochen, wenn sich diese ihr unmittelbar anschließt (vgl BSGE 29, 120 = BSG SozR Nr 22 zu § 1259 RVO). Aus Wortlaut und Sinn der Vorschrift folgt jedoch nicht notwendig, daß sich eine anrechenbare Ausfallzeit der Arbeitslosigkeit in jedem Falle zeitlich unmittelbar an eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit anschließen muß. Das ergibt sich grundsätzlich schon aus § 57 Satz 2 RKG, wonach mehrere unmittelbar aufeinanderfolgende Ausfallzeiten angerechnet werden können, obschon sich davon nur die erste unmittelbar an die versicherungspflichtige Beschäftigung anschließen kann. Die zeitliche Lücke zwischen versicherungspflichtiger Beschäftigung und Arbeitslosigkeit kann aber nicht nur durch eine anrechenbare Ausfallzeit, sondern auch durch andere Tatbestände überbrückt werden. Das gilt insbesondere dann, wenn zB eine nicht als Ausfallzeit anrechenbare Arbeitslosigkeit vorgelegen hat oder wenn der Versicherte versucht hat, die Arbeitslosigkeit durch einen Selbsthilfeversuch zu überbrücken (vgl hierzu BSG aa0 und BSGE 34, 93 = SozR Nr 44 zu § 1259 RVO sowie BSG SozR 2200 § 1259 Nr 8 mwN).
Nun handelt es sich allerdings bei der Zeit des Bezuges des Anpassungsgeldes weder um einen Ausfalltatbestand noch um einen solchen Tatbestand, der bisher von der Rechtsprechung als Überbrückungstatbestand anerkannt worden ist. Zwar steht nach § 48 Abs 2 RKG die Zeit des Bezuges von Anpassungsgeld der Arbeitslosigkeit gleich. Diese Gleichstellung gilt jedoch nicht allgemein, sondern ist auf den Anspruch auf vorgezogenes Knappschaftsruhegeld nach § 48 Abs 2 RKG beschränkt (BSG SozR 2600 § 57 Nr 1). Während dieser Zeit kann der Kläger zwar arbeitslos gewesen sein. Entsprechende Tatsachen sind aber nicht festgestellt. Die Zeit des Bezuges von Anpassungsgeld ist auch weder Beitrags- noch Ersatz- oder Ausfallzeit. Sie wird aber nach § 56 Abs 1a RKG - ebenso wie Ersatz- und Ausfallzeiten - bei der Ermittlung der Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre iS des § 53 RKG und nach § 50 Abs 4 RKG auf die Wartezeit bei dem Knappschaftsruhegeld nach § 48 Abs 1 Nr 2 RKG angerechnet. Weitere Gleichstellungsvorschriften enthalten § 50 Abs 3 Satz 3, § 54 Abs 7 Satz 2, § 56 Abs 2 Satz 2 und § 58 Abs 1 Satz 3 RKG. Wenn danach das Gesetz die Zeiten des Bezuges von Anpassungsgeld in vielfacher Hinsicht ähnlich oder gleich behandelt wie Ersatz- oder Ausfallzeiten, die an die Stelle einer nicht möglichen versicherungspflichtigen Beschäftigung treten, so legt das die Annahme nahe, daß der Gesetzgeber dies auch für die Frage der Unterbrechung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses gelten lassen will. Dies um so mehr als damit dem gesetzgeberischen Zweck entsprochen wird, das dem Erfordernis der Unterbrechung zugrunde liegt. Nur bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Aufgabe der versicherungspflichtigen Beschäftigung und dem Ausfallzeittatbestand hält der Gesetzgeber die Annahme für begründet, daß ohne den Ausfallzeittatbestand das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis fortgedauert und zur Entrichtung von Pflichtbeiträgen geführt hätte. Dieser enge zeitliche Zusammenhang ist auch dann gewahrt, wenn zwischen der Aufgabe des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses und dem Ausfallzeittatbestand eine beitragslose Zeit liegt, die das Gesetz deshalb ähnlich wie eine Pflichtbeitragszeit behandelt, weil der Versicherte wegen des von ihm nicht zu vertretenden Arbeitsschicksals an der der Leistung weiterer Pflichtbeiträge gehindert worden ist. Das trifft für Zeiten des Bezuges von Anpassungsgeld ebenso zu wie für Ersatz- und Ausfallzeiten.
Damit ist jedoch die zeitliche Lücke zwischen Beendigung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses und Meldung beim Arbeitsamt noch nicht vollständig geschlossen, weil das Anpassungsgeld nur bis einschließlich 30. September 1974 gewährt wurde und die Meldung des Klägers beim Arbeitsamt erst am 3. Dezember 1974 erfolgte. Der Umstand, daß der Kläger ab 1. Oktober 1974 Knappschaftsausgleichsleistung bezog, rechtfertigt zwar für sich allein nicht seine ernsthafte Arbeitsbereitschaft ganz allgemein zu unterstellen (vgl BSG SozR 2600 § 57 Nr 1). Das LSG hat aber festgestellt, daß der Kläger während der restlichen Zeit vom 1. Oktober 1974 an arbeitsfähig und arbeitswillig gewesen ist. Die gegen diese Tatsachenfeststellungen gerichtete Rüge der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat insbesondere bei der Beweiswürdigung das Gesetz nicht verletzt. Der Vortrag der Beklagten, der Kläger habe bei seinem Ausscheiden aus dem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis eine Abfindung erhalten, enthält keine begründete Verfahrensrüge gegen die Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts, sondern lediglich eine andere Beweiswürdigung unter Berücksichtigung einer erstmals mit der Revision vorgetragenen Tatsache. Eine Gesetzesverletzung bei der Beweiswürdigung hat die Beklagte nicht aufgezeigt. Geht man aber von der Arbeitsfähigkeit und der Arbeitswilligkeit des Klägers aus, so war er in dieser Zeit arbeitslos. Wie schon ausgeführt, sind Zeiten der Arbeitslosigkeit, die selbst nicht Ausfallzeiten sind, durchaus geeignet, die Zeit zwischen der Aufgabe der versicherungspflichtigen Beschäftigung und dem Ausfallzeittatbestand zu überbrücken, insbesondere, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - relativ kurz sind.
Der Senat hat die danach unbegründete Revision der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen