Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Aufenthalt eines Pflegebedürftigen in vollstationärer Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen. kein Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen
Leitsatz (amtlich)
Solange sich ein Pflegebedürftiger in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen aufhält, kann er keine zusätzlichen Betreuungsleistungen zu Lasten der Pflegekasse in Anspruch nehmen.
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch käme nur in Zeiten in Betracht, in denen sich der Pflegebedürftige bei seiner Familie aufhält, zB an Wochenenden oder zu Ferienzeiten.
2. Die Beschränkung der Leistungen nach den §§ 45aff SGB 11 auf die Pflegebedürftigen in häuslicher Pflege besteht auch nach der ab dem 1.1.2015 geltenden Rechtslage.
3. Die Inklusion als fachübergreifendes Ziel der Betreuung von Menschen mit körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung dürfte die Einstufung eines Betreuungsangebots als zusätzliche Betreuungsleistung ist des § 45b Abs 1 SGB 11 nicht hindern, wenn die sonstigen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind.
Normenkette
SGB 11 § 45b Abs. 1 S. 1 Fassung: 2008-05-28, S. 2 Fassung: 2008-05-28, S. 5 Fassung: 2008-05-28, S. 6 Fassung: 2008-05-28, § 45a Abs. 1 S. 1 Fassung: 2001-12-14, S. 2 Fassung: 2008-05-28, Abs. 2 S. 1 Fassung: 2001-12-14, S. 2 Fassung: 2012-10-23, § 45c Abs. 1 S. 1 Fassung: 2001-12-14, Abs. 3 S. 1 Fassung: 2001-12-14, S. 5 Fassung: 2001-12-14, § 13 Abs. 3 S. 3, § 36 Abs. 1 S. 2, § 43 Abs. 2, §§ 43a, 71 Abs. 2, 4, § 87b; SGB 12 § 53; PSG I
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 29. Januar 2015 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger als Bewohner einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen (§ 43a SGB XI) wegen der Teilnahme an einer Freizeitgruppe Anfang 2013 ein Anspruch auf Erstattung der Kosten zusätzlicher Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI zusteht.
Der am 30.8.1993 geborene Kläger leidet an einer geistigen Behinderung mit Sprachentwicklungs-, Orientierungs- und Wahrnehmungsstörungen. Seine Alltagskompetenz ist erheblich eingeschränkt. Am 20.12.2006 wurde er in das Wohnheim der Lebenshilfe S. gGmbH, einer in S. ansässigen Einrichtung der Eingliederungshilfe, aufgenommen, wo er noch heute in einer Wohngruppe lebt. Mit Bescheid vom 7.12.2005 bewilligte die beklagte Pflegekasse dem Kläger aufgrund eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 17.11.2005 rückwirkend ab 1.9.2005 Pflegegeld der Pflegestufe I. Mit weiterem Bescheid vom 7.12.2005 stellte die Beklagte ab 1.9.2005 für die Inanspruchnahme zusätzlicher Betreuungsleistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung bis zu 460 Euro je Kalenderjahr zur Verfügung. Nach seinem Umzug in das Wohnheim übernahm die Beklagte die Aufwendungen für die Pflege, für die soziale Betreuung sowie für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege in Höhe von 10 % des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgelts, begrenzt auf 256 Euro monatlich (Bescheid vom 16.1.2007). Pflegegeld erhält der Kläger seitdem nur noch für Zeiten, in denen er sich im elterlichen Haushalt aufhält (§ 38 Satz 5 iVm § 43a Satz 3 SGB XI).
Am 13.5.2013 stellte die Lebenshilfe S. gGmbH dem Kläger für zusätzliche Betreuungsleistungen 354,48 Euro in Rechnung (21 Stunden x 16,88 Euro), nachdem der Kläger in der Zeit vom 8.1. bis 20.3.2013 an einer einmal wöchentlich stattfindenden Freizeitgruppe des Familienentlastenden Dienstes (FED) teilgenommen hatte. Die Beklagte lehnte den Antrag vom 16./24.5.2013 auf Freistellung von diesen Kosten ab. Zusätzliche Betreuungsleistungen seien an die Pflege im häuslichen Bereich gekoppelt (§ 45b Abs 1 Satz 1 iVm § 45a Abs 1 Satz 1 SGB XI). An den hier betroffenen sieben Tagen (8.1., 21.1., 5.2., 19.2., 26.2., 6.3., 20.3.2013) habe sich der Kläger jedoch nicht zu Hause, sondern in dem Wohnheim (§ 43a, § 71 Abs 4 SGB XI) aufgehalten (Bescheid - ohne Rechtsmittelbelehrung - vom 6.6.2013, Widerspruchsbescheid vom 1.8.2014).
Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, die Regelungen der §§ 45a, 45b und § 87b SGB XI seien Ausdruck eines zum 1.7.2008 eingeführten Systems der Leistungserweiterung um zusätzliche Betreuungsmaßnahmen für Menschen mit kognitiven oder psychischen Störungen. Die Bewohner von Einrichtungen der Eingliederungshilfe (§ 43a SGB XI) dürften aus diesem System nicht herausfallen. Solange ein Versicherter - wie er - in einer solchen Einrichtung dauerhaft lebe und betreut werde, finde im rechtlichen Sinne dort seine "häusliche Pflege" statt, sodass der Anspruch nach § 45b SGB XI nicht ausgeschlossen sei.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.1.2015) und die Sprungrevision zugelassen (Beschluss vom 7.4.2015): Ein Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen bestehe nicht, weil es sich bei den Aktivitäten der Freizeitgruppe schon nicht um eine Betreuungsleistung iS des § 45b SGB XI handele; das Betreuungsangebot habe nicht das Ziel gehabt, pflegende Angehörige zu entlasten, sondern die Inklusion zu fördern. Außerdem setzen diese Leistungen voraus, dass sich der Pflegebedürftige während seiner Teilnahme an der Freizeitgruppe in häuslicher Pflege befunden habe. Der Aufenthalt in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe (§ 43a SGB XI) stehe dem entgegen.
Mit der Sprungrevision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 45a und 45b SGB XI. Der Begriff der häuslichen Pflege sei weit auszulegen und schließe den Aufenthalt eines Pflegebedürftigen in einer Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen (§ 43a SGB XI) nicht aus; abzugrenzen sei lediglich zur vollstationären Pflege in Pflegeheimen (§ 43, § 71 Abs 2, § 87b SGB XI). Außerdem stelle die Entlastung pflegender Angehöriger nur einen von mehreren denkbaren Zwecken zusätzlicher Betreuungsleistungen dar; beispielsweise gehöre auch die Unterstützung bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags dazu (§ 45c Abs 3a Satz 1 SGB XI).
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Der Kläger beantragt, |
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das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 29. Januar 2015 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn von den Kosten der Teilnahme an der Freizeitgruppe vom 8. Januar bis 20. März 2013 in Höhe von 354,48 Euro freizustellen. |
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, |
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die Revision zurückzuweisen. |
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 6.6.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.8.2014 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht einen Anspruch auf Erstattung der Kosten von zusätzlichen Betreuungsleistungen nach §§ 45a und 45b SGB XI wegen der Teilnahme an der Freizeitgruppe des FED in der Zeit vom 8.1. bis zum 20.3.2013 verneint. Der Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen besteht nur insoweit, als sich ein Versicherter im häuslichen Umfeld befindet. Solange sich ein Versicherter - wie hier - in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe (§ 43a SGB XI) aufhält, ist die Pflegekasse nicht leistungspflichtig.
1. Nach § 45b Abs 1 Satz 1 SGB XI in der im Jahr 2013 maßgeblichen Fassung des Pflegeversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes (PflegeWEG) vom 28.5.2008 (BGBl I 874) können Versicherte, die die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllen, je nach Umfang des erheblichen allgemeinen Betreuungsbedarfs zusätzliche Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen. Die Kosten hierfür werden nach § 45b Abs 1 Satz 2 SGB XI ersetzt, höchstens jedoch 100 Euro monatlich (Grundbetrag) oder 200 Euro monatlich (erhöhter Betrag). Im Jahre 2005, als die Beklagte die grundsätzliche Leistungsberechtigung des Klägers nach § 45b SGB XI festgestellt hat (Bescheid vom 7.12.2005), konnten zusätzliche Betreuungsleistungen in Höhe von bis zu 460 Euro je Kalenderjahr in Anspruch genommen werden (§ 45b Abs 1 Satz 2 SGB XI in der Fassung des Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetzes ≪PflEG≫ vom 14.12.2001, BGBl I 3728). Die Umstellung auf monatliche Beträge mit gleichzeitiger Differenzierung zwischen Grundbetrag und erhöhtem Betrag erfolgte durch Art 1 Nr 28 PflegeWEG mit Wirkung ab 1.7.2008. Die Erhöhung des Grundbetrags auf 104 Euro und des erhöhten Betrags auf 208 Euro ist zum 1.1.2015 wirksam geworden (vgl § 45b Abs 1 Satz 2 SGB XI in der Fassung des Fünften SGB XI - Änderungsgesetzes ≪5. SGB XI-ÄndG≫ vom 17.12.2014, BGBl I 2222) und daher auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Hier sind der Grundbetrag von monatlich 100 Euro und der erhöhte Betrag von monatlich 200 Euro maßgeblich, weil es um Leistungen aus dem Jahr 2013 geht. Die Höhe des jeweiligen Anspruchs wird nach § 45b Abs 1 Satz 3 SGB XI von der Pflegekasse auf Empfehlung des MDK im Einzelfall festgelegt und dem Versicherten mitgeteilt. Nach § 45b Abs 1 Satz 5 SGB XI ist der Betrag zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Betreuungsleistungen. Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die dem Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen (1.) der Tages- oder Nachtpflege, (2.) der Kurzzeitpflege, (3.) der zugelassenen Pflegedienste, sofern es sich um besondere Angebote der allgemeinen Anleitung und Betreuung und nicht um Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung handelt oder (4.) der nach Landesrecht anerkannten niedrigschwelligen Betreuungsangebote, die nach § 45c SGB XI gefördert oder förderungsfähig sind (§ 45b Abs 1 Satz 6 idF des PflegeWEG). Auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist die durch das 5. SGB XI-ÄndG zum 1.1.2015 eingeführte Leistungserweiterung um "Entlastungsleistungen". Der Anspruch nach § 45b Abs 1 Satz 1 SGB XI umfasst nunmehr "Betreuungs- und Entlastungsleistungen", und zwar auch im Zusammenhang mit der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 45b Abs 1 Satz 6 Nr 3 und 4 SGB XI).
2. Nach § 45a Abs 1 Satz 1 SGB XI betreffen die Leistungen im 5. Abschnitt des 4. Kapitels (§§ 45a bis 45d SGB XI) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege, bei denen neben dem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§§ 14 und 15 SGB XI) ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung besteht. Dies sind nach § 45a Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI Pflegebedürftige der Pflegestufen I, II und III mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, bei denen der MDK im Rahmen der Begutachtung nach § 18 SGB XI als Folge der Krankheit oder Behinderung Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens festgestellt hat, die dauerhaft zu einer Einschränkung der Alltagskompetenz geführt haben. Hier nicht von Interesse sind die nach § 45a Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB XI ebenfalls erfassten Personen, deren Hilfebedarf im Bericht der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung aber noch nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreicht (sog Pflegestufe 0).
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3. Nach § 45a Abs 2 Satz 1 SGB XI sind für die Bewertung, ob die Einschränkung der Alltagskompetenz auf Dauer erheblich ist, folgende Schädigungen und Fähigkeitsstörungen maßgebend: |
1. |
unkontrolliertes Verlassen des Wohnbereichs (Weglauftendenz); |
2. |
Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen; |
3. |
unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potenziell gefährdenden Substanzen; |
4. |
tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation; |
5. |
im situativen Kontext inadäquates Verhalten; |
6. |
Unfähigkeit, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen; |
7. |
Unfähigkeit zu einer erforderlichen Kooperation bei therapeutischen oder schützenden Maßnahmen als Folge einer therapieresistenten Depression oder Angststörung; |
8. |
Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt haben; |
9. |
Störung des Tag-/Nacht-Rhythmus; |
10. |
Unfähigkeit, eigenständig den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren; |
11. |
Verkennen von Alltagssituationen und inadäquates Reagieren in Alltagssituationen; |
12. |
ausgeprägtes labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten; |
13. |
zeitlich überwiegend Niedergeschlagenheit, Verzagtheit, Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit aufgrund einer therapieresistenten Depression. |
Die Alltagskompetenz ist nach § 45a Abs 2 Satz 2 SGB XI (hier anwendbar in der ab 30.10.2012 geltenden Fassung des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes ≪PNG≫ vom 23.10.2012, BGBl I 2246) erheblich eingeschränkt, wenn der Gutachter des MDK oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter bei dem Pflegebedürftigen wenigstens in zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche 1 bis 9, dauerhafte und regelmäßige Schädigungen oder Fähigkeitsstörungen feststellen. Dass beim Kläger eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz gegeben ist, steht aufgrund des MDK-Gutachtens vom 17.11.2005 fest und ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Hier nicht von Interesse ist dementsprechend die - ohnehin erst zum 1.1.2015 eingeführte - Leistungsausweitung nach § 45b Abs 1a SGB XI in der Fassung des 5. SGB XI-ÄndG: "Pflegebedürftige, die nicht die Voraussetzungen des § 45a erfüllen, können ebenfalls zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach Absatz 1 in Anspruch nehmen. Die Kosten hierfür werden bis einem Betrag in Höhe von 104 Euro monatlich übernommen."
4. Gegenstand des Klagebegehrens ist vor diesem Hintergrund nicht etwa ein Sachleistungsanspruch (§ 4 Abs 1 Satz 1 2. Variante SGB XI), sondern ein reiner Kostenerstattungsanspruch (§ 4 Abs 1 Satz 1 4. Variante SGB XI), weil die Pflegekasse die zusätzlichen Betreuungsleistungen nicht durch einen Dritten in Natur zu erbringen hat, sondern nach § 45b Abs 1 Satz 2 SGB XI ("Kosten werden ersetzt") und § 45b Abs 1 Satz 6 SGB XI ("Erstattung von Aufwendungen, die dem Versicherten entstehen") lediglich Kostenerstattung schuldet. Da der Kläger bzw seine Eltern (Mutter und Stiefvater) den Rechnungsbetrag von 354,48 Euro bisher nicht bezahlt haben, kommt eine schlichte Kostenerstattung nicht in Betracht; Streitgegenstand ist vielmehr ein Kostenfreistellungsantrag, wie ihn die Rechtsprechung auch zu § 13 Abs 3 SGB V entwickelt hat, wenn sich der Versicherte eine notwendige medizinische Leistung zwar selbst beschafft, den Rechnungsbetrag aber - in der Regel mit Einverständnis des Leistungserbringers - noch nicht aus eigenen Mitteln beglichen hat (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 17; BSGE 86, 54, 56 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14; Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 50).
5. Für den geltend gemachten Kostenfreistellungsanspruch ist der Kläger als Schuldner des dienstvertraglichen Vergütungsanspruchs (§ 611 BGB) auch aktivlegitimiert. Der Kostenerstattungsanspruch ist nicht gemäß § 398 BGB an die Lebenshilfe S. gGmbH als Leistungserbringerin abgetreten worden (zur Zulässigkeit einer solchen Abtretung vgl § 53 Abs 2 SGB I). Die vom Stiefvater des Klägers unterzeichnete "Abtretungserklärung" vom 16.5.2013 enthält den erläuternden Zusatz: "Wir sind damit einverstanden, dass der Betrag für Leistungen nach § 45b SGB XI direkt mit der Lebenshilfe S. abgerechnet wird." Demgemäß ist diese Erklärung in Verbindung mit der zugleich an die Beklagte gerichteten "Bitte um Kostenübernahme", die am 24.5.2013 nochmals wiederholt worden ist, lediglich als Einziehungsermächtigung (Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl 2016, § 398 RdNr 29) sowie als Bitte an die Beklagte auszulegen, die entstandenen Kosten in Höhe von 354,48 Euro unmittelbar mit der Lebenshilfe S. gGmbH abzurechnen und den Betrag mit befreiender Wirkung dorthin zu überweisen. Dazu ist es nicht gekommen. Damit ist der Kläger unverändert Gläubiger des Kostenfreistellungsanspruchs.
6. Es kann offenbleiben, ob die Aktivitäten der Freizeitgruppe des FED, an denen der Kläger teilgenommen hat, den rechtlichen Anforderungen des § 45b Abs 1 Satz 5 und 6 SGB XI genügen. Danach ist der Betrag zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Betreuungsleistungen (Satz 5). Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die dem Versicherten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von bestimmten, in Satz 6 abschließend aufgeführten Betreuungsangeboten entstehen, wobei hier allein die Ziffer 4 in Betracht kommt, nämlich die Inanspruchnahme von Leistungen "der nach Landesrecht anerkannten niedrigschwelligen Betreuungsangebote, die nach § 45c gefördert oder förderungsfähig sind". Niedrigschwellige Betreuungsangebote sind nach § 45c Abs 1 Satz 1 SGB XI (in der im Jahr 2013 noch maßgebenden Fassung des PflEG vom 14.12.2001, BGBl I 3728) vor allem, aber nicht nur für demenzkranke Pflegebedürftige gedacht. Es handelt sich dabei um Betreuungsangebote, in denen Helfer und Helferinnen unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung von Pflegebedürftigen mit erheblichem Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung in Gruppen oder im häuslichen Bereich übernehmen sowie pflegende Angehörige entlasten und beratend unterstützen (§ 45c Abs 3 Satz 1 SGB XI). Als grundsätzlich förderungsfähige niedrigschwellige Betreuungsangebote kommen nach § 45c Abs 3 Satz 5 SGB XI insbesondere in Betracht Betreuungsgruppen für Demenzkranke, Helferinnenkreise zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger im häuslichen Bereich, die Tagesbetreuung in Kleingruppen oder Einzelbetreuung durch anerkannte Helfer, Agenturen zur Vermittlung von Betreuungsleistungen für Pflegebedürftige iS des § 45a SGB XI sowie Familienentlastende Dienste.
a) Hier geht es um eine Freizeitgruppe, die vom FED der Lebenshilfe S. gGmbH organisiert und getragen wird: Der Zeuge W., Mitarbeiter der Lebenshilfe S., hat dazu in seiner Vernehmung am 29.1.2015 erklärt: "Es nehmen in der Regel 15 bis 20 Personen teil; das sind Heimbewohner, aber auch Interessierte, die von Zuhause aus an diesem Programm teilnehmen. Es handelt sich in der Regel um eine nachmittägliche Betreuung. Angeboten werden ganz verschiedene Freizeitaktivitäten wie Kino, Schwimmen etc.; es geht um die Teilhabe für die betroffenen Menschen am gesellschaftlichen Leben. An einem Treffpunkt ist ein Fahrdienst eingerichtet. Bei dem Kläger war es so, dass dieser nach der Maßnahme wieder in die Einrichtung zurückgebracht worden ist. Die Gruppen werden durch zwei Fachkräfte unserer Abteilung und ehrenamtliche Helfer betreut. Natürlich kommt es dann auch zu Kontakten mit Menschen ohne Behinderung, was gewünscht ist. Denn Ziel der Maßnahme ist die Eingliederung. Es geht um Inklusion."
b) Das SG hat aus dieser Aussage geschlossen, die Aktivitäten der Freizeitgruppe seinen der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII zuzuordnen, weil sie auf die Teilhabe der Betroffenen am gesellschaftlichen Leben, also auf Eingliederung und Inklusion ausgerichtet seien. Die Entlastung pflegender Angehöriger stehe nicht im Mittelpunkt. Daher gehe es von der Zielrichtung her nicht um zusätzliche Betreuungsleistungen iS des § 45b Abs 1 SGB XI. Diese Unterscheidung erscheint zweifelhaft. Die Inklusion als fachübergreifendes Ziel der Betreuung von Menschen mit körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung dürfte die Einstufung eines Betreuungsangebots als zusätzliche Betreuungsleistung iS des § 45b Abs 1 SGB XI nicht hindern, wenn die sonstigen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. Auch die Beklagte hat die Leistungsbewilligung nicht wegen der inhaltlichen Gestaltung und Ausrichtung der Aktivitäten der Freizeitgruppe des FED abgelehnt, sondern (nur) wegen des Ausschlusses des Klägers aus dem berechtigten Personenkreis, der nach § 45 Abs 1 Satz 1 SGB XI auf "Pflegebedürftige in häuslicher Pflege" beschränkt ist. Dem ist zuzustimmen. Das SG hat diesen Aspekt ebenfalls betont und die Abweisung der Klage - als eigenständigen zweiten Teil der Entscheidungsgründe - auch hierauf gestützt.
c) Die Frage, ob die Aktivitäten der FED-Freizeitgruppe inhaltlich den Anforderungen des § 45b Abs 1 Satz 5 und 6 SGB XI genügen, kann an dieser Stelle offen bleiben, weil der Kläger nur dann einen Anspruch auf Erstattung der Kosten (bzw auf Freistellung von den Kosten) hätte haben können, wenn er sich zum Zeitpunkt der Teilnahme an den Aktivitäten der Freizeitgruppe nicht im Wohnheim (§ 43a SGB XI), sondern bei seiner Familie aufgehalten hätte, wie es zB an Wochenenden oder zu Ferienzeiten häufig der Fall war. In dem fraglichen Zeitraum war der Kläger an insgesamt 27 Tagen zu Hause bei seiner Familie (18.-20.1., 1.-3.2., 12.-15.2., 22.-23.2., 8.-10.3., 16.-17.3., 22.-31.3.2013), und er hat hierfür auch Pflegegeld von der Beklagten bezogen (Bescheid vom 14.1.2014). Vor und nach der Teilnahme an den Freizeitaktivitäten des FED hielt sich der Kläger aber ausschließlich im Wohnheim auf; an diesen Tagen war er auch nicht einmal stundenweise zu Hause. Daher ist der geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von den Kosten in Höhe von 354,48 Euro unbegründet.
d) Die zusätzlichen Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung des Pflege-WEG vom 28.5.2008 (BGBl I 874), um die es hier allein geht, stellen sich ebenso wie die durch das 5. SGB XI-ÄndG zum 1.1.2015 eingeführten zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen als reiner Annex zum Leistungsangebot der Pflegekassen für Versicherte in häuslicher Pflege dar, wobei eine vorübergehende Unterbrechung der häuslichen Pflege durch eine Kurzzeitpflege (§ 42 SGB XI) den Anspruch nicht ausschließt, wie sich aus § 45b Abs 1 Satz 6 Nr 2 SGB XI ergibt. Jeder dauerhafte Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung wirkt hingegen anspruchsausschließend. Dabei waren die zusätzlichen Betreuungsleistungen nach der bis zum 31.12.2014 geltenden Rechtslage konzipiert als Maßnahmen "zur Entlastung der pflegenden Angehörigen". Dies ergibt sich für die niedrigschwelligen Betreuungsangebote (§ 45b Abs 1 Satz 6 Nr 4 iVm § 45c Abs 1 Satz 1 SGB XI) unmittelbar aus dem Gesetz (§ 45c Abs 3 Satz 1 SGB XI) und ist ansonsten der Gesetzesbegründung zum PflEG zu entnehmen (BT-Drucks 14/6949, S 17). Das SG hat hierauf zutreffend hingewiesen und eine entlastende Wirkung der Freizeitaktivitäten für die Mutter des Klägers und dessen Stiefvater als pflegende Angehörige zu Recht verneint, weil sich der Kläger vor dem Beginn der Freizeitaktivitäten und nach deren Ende jeweils in dem Wohnheim aufgehalten habe. Die pflegenden Angehörigen seien während der Freizeitaktivitäten auch nicht anwesend gewesen.
7. Der Kläger kann auch nicht mit dem Einwand gehört werden, er lebe dauerhaft in dem Wohnheim, habe keinen anderen Lebensmittelpunkt mehr und werde daher in dem Wohnheim "häuslich gepflegt".
a) Eine Abgrenzung der häuslichen Pflege von der stationären Pflege sieht § 36 Abs 1 Satz 2 SGB XI vor. Danach sind Leistungen der häuslichen Pflege zwar auch zulässig, wenn Pflegebedürftige nicht in ihrem eigenen Haushalt gepflegt werden; sie sind jedoch nicht zulässig, wenn Pflegebedürftige in einer stationären Pflegeeinrichtung (§ 71 Abs 2 SGB XI) oder in einer Einrichtung iS des § 71 Abs 4 SGB XI gepflegt werden. Das Wohnheim der Lebenshilfe S. gGmbH ist keine stationäre Pflegeeinrichtung nach § 71 Abs 2 SGB XI und besitzt demgemäß auch keinen Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen (§ 72 SGB XI). Vielmehr handelt es sich bei dem Wohnheim als vollstationäre Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen (§ 43a SGB XI) um eine Einrichtung iS des § 71 Abs 4 SGB XI. Danach sind stationäre Einrichtungen, in denen die Leistungen zur medizinischen Vorsorge, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker oder behinderter Menschen im Vordergrund des Zwecks der Einrichtung stehen, sowie Krankenhäuser keine Pflegeeinrichtungen iS des § 71 Abs 2 SGB XI. Leistungen der häuslichen Pflege iS der §§ 36 bis 38 SGB XI werden in solchen Einrichtungen nicht erbracht.
b) Für Pflegebedürftige in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszweckes stehen (§ 71 Abs 4 SGB XI), übernimmt jedoch die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen zehn vom Hundert des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes (§ 43a Satz 1 SGB XI). Die Aufwendungen der Pflegekasse dürfen im Einzelfall je Kalendermonat 256 Euro (seit dem 1.1.2015 266 Euro) nicht überschreiten (§ 43a Satz 1 SGB XI). Wird für die Tage, an denen die pflegebedürftigen Behinderten zu Hause gepflegt und betreut werden, anteiliges Pflegegeld beansprucht, gelten die Tage der An- und Abreise als volle Tage der häuslichen Pflege (§ 43a Satz 3 SGB XI). § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XI beschreibt die Leistungspflicht der Träger von vollstationären Pflegeeinrichtungen (§ 71 Abs 2 SGB XI); es geht um die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen zahlen die Pflegekassen nach § 43a SGB XI den genannten Betrag unmittelbar an den Einrichtungsträger, weil es sich der Sache nach um eine die Sachleistung (§ 4 Abs 1 Satz 1 SGB XI) ersetzende pauschale Geldleistung (BSG SozR 3-3300 § 43a Nr 3 S 6; Udsching, SGB XI, 4. Aufl 2015, Vor §§ 28 bis 45 d, RdNr 4) handelt. Die Höhe der Leistung hängt allerdings nicht vom Pflegeaufwand im konkreten Einzelfall und demgemäß auch nicht von der zuerkannten Pflegestufe ab (Udsching, aaO, § 43a RdNr 3 und 4). Diese Regelung ist Ausdruck des rechtlichen Prinzips, dass in den stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe (§ 71 Abs 4 SGB XI) die Träger der Sozialhilfe auch für die erforderlichen Pflegeleistungen aufzukommen haben. Nach § 13 Abs 3 Satz 3 SGB XI bleiben die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem SGB XII unberührt; die notwendige Hilfe in den Einrichtungen nach § 71 Abs 4 SGB XI ist einschließlich der Pflegeleistungen zu gewähren. Die Eingliederungshilfe ist also im Verhältnis zur sozialen Pflegeversicherung nicht nachrangig. Dies hat zur Folge, dass der Sozialhilfeträger in einem solchen Fall den Hilfebedürftigen nicht auf die sonst vorrangigen SGB XI-Leistungen verweisen kann. Die Pflege in Einrichtungen der Behindertenhilfe stellt sich insoweit als integraler Bestandteil der Eingliederungshilfe dar (Luik in jurisPK-SGB XI, § 43a, RdNr 12). Nur wenn der Pflegebedürftige, der in einer vollstationären Einrichtung der Eingliederungshilfe lebt, seinen Aufenthalt in der Einrichtung unterbricht und sich in häusliche Pflege begibt, hat er einen Anspruch auf entsprechende Leistungen (§§ 36 ff SGB XI), was sich nunmehr aus dem durch das PNG zum 30.10.2012 eingeführten § 38 Abs 1 Satz 5 SGB XI ergibt. Danach haben Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen (§ 43a SGB XI) Anspruch auf ungekürztes Pflegegeld anteilig für die Tage, an denen sie sich in häuslicher Pflege befinden. Hieraus wird deutlich, dass in den Einrichtungen nach § 43a SGB XI gerade keine häusliche Pflege erfolgt. Der systematische Zusammenhang mit § 34 Abs 2 SGB XI stützt diese Sicht. Danach ruht der Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege ua auch für die Dauer des stationären Aufenthalts in einer Einrichtung nach § 71 Abs 4 SGB XI, soweit § 39 SGB XI für die Verhinderungspflege nichts Abweichendes bestimmt. Von dieser Ruhensanordnung sind auch die zusätzlichen Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI erfasst; denn sie sind nach § 45a Abs 1 Satz 1 SGB XI der häuslichen Pflege als Annexangebot zugeordnet.
c) Die Argumentation des Klägers zu Sinn und Reichweite der Leistungserweiterung nach den §§ 45a und 87b SGB XI geht fehl. Er meint, § 45a SGB XI stehe im Kontext des Fünften Abschnitts des SGB XI und müsse im Zusammenhang mit § 87b SGB XI gesehen werden. Beide Regelungen sollten ein geschlossenes System der Leistungserweiterung für Menschen mit kognitiven und psychischen Störungen bewirken. Die Auslegung der Beklagten führe im Ergebnis dazu, dass Bewohner von Wohnheimen aus diesem geschlossenen System herausfielen und keinen entsprechenden Leistungsanspruch hätten. Die §§ 45a und 45b SGB XI normieren Leistungen für Versicherte, die sich in häuslicher Pflege befinden; § 87b SGB XI sieht von den Pflegekassen zu tragende Vergütungszuschläge für stationäre Pflegeeinrichtungen vor, wenn den Heimbewohnern zusätzliche Betreuungs- und Aktivierungsmaßnahmen angeboten werden und dafür zusätzliches Personal eingestellt worden ist. Mit der Zahlung des - vertraglich zu vereinbarenden (§ 87b Abs 1 Satz 1 SGB XI) - Vergütungszuschlags von der Pflegekasse an die Pflegeeinrichtung hat die anspruchsberechtigte Person Anspruch auf Erbringung der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung gegenüber der Pflegeeinrichtung (§ 87b Abs 2 Satz 4 SGB XI). Hieraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit den §§ 45a ff SGB XI zusätzliche Betreuungsleistungen (und ab 1.1.2015 auch Entlastungsleistungen) für Versicherte in häuslicher Pflege und mit § 87b SGB XI zusätzliche Betreuungs- und Aktivierungsleistung für Versicherte in vollstationären Pflegeeinrichtungen eingeführt hat. Diese zusätzlichen Leistungen für Versicherte mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen unterscheiden sich also schon inhaltlich und sind dem jeweiligen Umfeld angepasst, in dem die Leistungen zu erbringen sind, nämlich die häusliche Pflege einerseits und die vollstationäre Pflege andererseits. Nicht von diesen Regelungen begünstigt sind Versicherte, die in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen (§ 43a SGB XI) leben.
d) Der Gesetzgeber hat für Einrichtungen nach § 71 Abs 4 SGB XI in § 43a SGB XI bewusst eine abschließende Regelung getroffen, indem der rein pflegerische Anteil an den Leistungen mit einer pauschalen, vom konkreten Pflegeaufwand im Einzelfall unabhängigen Vergütung abgegolten wird. Dieser - vom Gesetzgeber festgelegte und durch ihn ggf anzupassende - Abgeltungsbetrag umfasst daher grundsätzlich auch etwaige zusätzliche Betreuungsleistungen, die im vollstationären Bereich als Annex zur Pflege und zur sozialen Betreuung (§ 43 Abs 2 SGB XI) ausgestattet sind. Eine Regelungslücke ergibt sich allenfalls für den Personenkreis mit einem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, der nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreicht (sog Pflegestufe 0). Versicherte der Pflegestufe 0, denen eine dauerhafte Einschränkung der Alltagskompetenz attestiert worden ist, können zwar die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen bei häuslicher Pflege nach § 45b iVm § 45a Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB XI sowie zusätzliche Betreuungs- und Aktivierungsleistungen bei vollstationärer Pflege nach § 87b iVm § 45a Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB XI in Anspruch nehmen, sind aber bei einem Aufenthalt in einer Einrichtung der Behindertenhilfe nach § 43a SGB XI insofern "benachteiligt", als ihr Pflegeaufwand nicht durch eine Pauschvergütung der Pflegekassen abgegolten wird. Dementsprechend sind auch zusätzliche Betreuungsleistungen für diesen Personenkreis nicht von den Pflegekassen zu finanzieren. Die Pflegekassen haben den Pauschalbetrag für die erbrachten Pflegeleistungen nach derzeitiger Rechtslage nur für "Pflegebedürftige" zu leisten, also für Versicherte der Pflegestufen I, II oder III (§§ 14, 15 SGB XI). Die Frage, ob sich insoweit ein verfassungsrechtliches Problem mit Blick auf das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen (Art 3 Abs 3 Satz 2 GG) oder das allgemeine Gleichbehandlungsgebot (Art 3 Abs 1 GG) stellt, kann an dieser Stelle offenbleiben, weil der Kläger als Pflegebedürftiger der Pflegestufe I nicht zum betroffenen Personenkreis (Pflegestufe 0) gehört.
e) Die §§ 45a, 45b und 87a SGB XI sind nach dem 1996 eingeführten § 43a SGB XI in das Gesetz eingefügt worden, nämlich die §§ 45a und 45b SGB XI durch das PflEG vom 14.12.2001 (BGBl I 3728) und § 87b SGB XI durch das Pflege-WEG vom 28.5.2008 (BGBl I 874). Es ist also davon auszugehen, dass der Gesetzgeber weiter an der Regelung des § 43a SGB XI festhalten wollte. Für Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe gilt aber § 43a SGB XI als abschließend, solange der Aufenthalt nicht unterbrochen wird. Eine solche Unterbrechung durch vorübergehende Rückkehr des Klägers in den elterlichen Haushalt während den Wochenenden oder der Ferienzeit gab es an den fraglichen Tagen nicht.
f) Die ausschließliche Verknüpfung der Leistungen nach den §§ 45a ff SGB XI mit der Entlastung der pflegenden Angehörigen ist erst durch die Neuregelungen des 5. SGB XI-ÄndG mit Wirkung ab 1.1.2015 durchbrochen worden. Die neue Rechtslage ist deshalb auf den vorliegenden Fall im Jahr 2013 nicht anwendbar, hätte an der Abweisung der Klage aber auch nichts geändert, weil die Beschränkung der Leistungen nach den §§ 45a ff SGB XI auf die Pflegebedürftigen in häuslicher Pflege bestehen geblieben ist.
g) Nach § 45a Abs 1 Satz 1 SGB XI sind seit dem 1.1.2015 die Leistungen dieses Abschnitts für Pflegebedürftige in häuslicher Pflege mit erheblichem Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung vorgesehen, "somit nichts anderes bestimmt ist". Dies bezieht sich insbesondere auf die neu eingeführte Bestimmung des § 45b Abs 1a SGB XI, wonach Pflegebedürftige der Pflegestufen 0, I, II oder III (§ 45a Abs 1 Satz 2 SGB XI), die nicht die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllen, also die rein somatisch Pflegebedürftigen (BT-Drucks 18/1798, S 20, 23), ebenfalls die zusätzlichen Betreuungsleistungen und auch die - gleichfalls zum 1.1.2015 neugeschaffenen - zusätzlichen Entlastungsleistungen (§ 45b Abs 1 Satz 1, § 45c Abs 1 Satz 2, § 45c Abs 3 SGB XI) in Anspruch nehmen können, allerdings begrenzt auf 104 Euro monatlich. Dazu heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 18/1798, S 29): "Versicherte mit festgestellter dauerhaft erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz im Sinne von § 45a können ihren Kostenerstattungsanspruch aus § 45b Absatz 1 nunmehr nicht nur wie bisher für zusätzliche Betreuungsleistungen, sondern auch für zusätzliche Entlastungsleistungen nutzen. Zusätzliche Entlastungsleistungen dienen der Deckung des Bedarfs der Versicherten an Unterstützung im Haushalt, insbesondere bei der hauswirtschaftlichen Versorgung, an Unterstützung bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder an Unterstützung bei der eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen oder sie tragen dazu bei, Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende zu entlasten. Zusätzliche Entlastungsleistungen beinhalten die Erbringung von Dienstleistungen, eine die vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten stärkende oder stabilisierende Alltagsbegleitung, organisatorische Hilfestellungen, Unterstützungsleistungen für Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende, insbesondere zur Bewältigung des Pflegealltags, oder andere geeignete Maßnahmen, die der vorgenannten Bedarfsdeckung bzw Entlastung dienen."
Der Hinweis des Klägers auf diese Gesetzesbegründung ist für den vorliegenden Fall schon deshalb nicht von Belang, weil das 5. SGB XI-ÄndG erst zum 1.1.2015 in Kraft getreten ist, auf den Fall aber die Rechtslage des Jahres 2013 anzuwenden ist.
8. Es bedarf keiner Entscheidung, ob dem Kläger ein Kostenfreistellungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger zusteht. Die Beklagte kann insoweit jedenfalls nicht als erstangegangener Leistungsträger nach § 14 SGB IX zur Leistung verpflichtet sein, weil Pflegekassen nicht zu den vom SGB IX erfassten Rehabilitationsträgern gehören (§ 6 Abs 1 SGB IX).
9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 9495556 |
NZS 2016, 705 |
SGb 2016, 339 |
ZfF 2016, 206 |
ZfSH/SGB 2016, 488 |
PflR 2016, 720 |
Breith. 2017, 13 |
GuP 2017, 105 |
SRA 2017, 26 |