Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. November 1990 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin, die niederländische Staatsangehörige ist, wurde 1944 in ihrer von der deutschen Wehrmacht besetzten Heimat durch Bombeneinwirkungen verletzt. Nachdem sie 1955 ins Bundesgebiet umgezogen war, gewährte ihr das Versorgungsamt wegen der Schädigungsfolgen eine Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 vH (Bescheid vom 4. November 1958). Wegen ihrer Rückkehr in ihr Heimatland entzog ihr das Versorgungsamt zunächst den Anspruch auf Versorgungsbezüge gewährte aber Versorgung im Ermessensweg nach § 8 BVG (Bescheid vom 16. November 1984). Nach einer Änderung des niederländischen Versorgungsrechtes entzog das Versorgungsamt die deutsche Versorgung ab 1. Oktober 1985 nach § 48 Abs 1 SGB X (Bescheid vom 17. April 1986, Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 1987). Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid vom 17. April 1986 aufgehoben, soweit die Versorgung für die Zeit vor dem 1. Mai 1986, dem Zeitpunkt, in dem der Verwaltungsakt wirksam geworden sei, eingestellt wurde; die weitergehende, den zukünftigen Anspruch betreffende Klage hat es abgewiesen (Urteil vom 27. Oktober 1989). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 28. November 1990). Ein Versorgungsanspruch der Klägerin für die Zeit ab 1. Mai 1986 wegen Änderung der Verhältnisse gegenüber der Regelung durch den Zugunstenbescheid vom 16. November 1984 (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X) sei ausgeschlossen. 1985 sei die Klägerin als Zivilkriegsopfer iS des niederländischen Kriegsopferrechtes anerkannt und sei ihr rückwirkend ab 1. Juli 1981 nach dem neuen niederländischen Gesetz ein „Zuschlag” in Höhe von 244,95 holländischen Gulden bewilligt worden; diese Leistung solle die nachteiligen Auswirkungen des Zivilkriegsschadens auf die Einkünfte ausgleichen. Sie schließe eine deutsche Kriegsopferleistung nach § 7 Abs 2 BVG aus. Dafür genüge, daß überhaupt ein Versorgungsanspruch gegen den anderen Staat eröffnet worden sei; auf das Ausmaß der Versorgung komme es nicht an, mithin auch nicht darauf, daß der Klägerin eine „periodische Leistung” nach niederländischem Recht versagt worden sei.
Die Klägerin rügt mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision sinngemäß eine Verletzung des § 7 Abs 2 BVG. Nach ihrer Auffassung hat sie keinen Versorgungsanspruch nach niederländischem Recht, der eine Versorgung nach deutschem Recht ausschließt. Das niederländische Versorgungssystem sei völlig anders als das deutsche. Die „periodische Leistung” als Grundleistung, die vom Alter, Familienstand und Einkommen abhängig sei, bleibe ihr versagt, weil sie nicht ihren Ehemann zu versorgen habe. Der auf 10 vH beschränkte Zuschlag, der im übrigen einkommensteuerpflichtig sei, sei von der Grundversorgung abgekoppelt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG und SG zu ändern und den Beklagten unter Änderung der entgegenstehenden Bescheide zu verurteilen, der Klägerin die bewilligte Versorgung auch für die Zeit über den 30. April 1986 hinaus zu gewähren.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein noch die Beschädigtenrente für die Zeit ab Mai 1986. Der Beklagte hat diese Leistung zu Recht verweigert, weil eine wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 SGB X durch die Gewährung der niederländischen Kriegsopferrente eingetreten ist; diese schloß nach § 7 Abs 2 BVG (idF seit dem 1. Neuordnungsgesetz vom 27. Juni 1960 – BGBl I 453 –) die Klägerin von dem nach deutschem Versorgungsrecht gemäß § 8 BVG versorgungsberechtigten Personenkreis aus.
Nach § 7 Abs 2 BVG ist das Gesetz (BVG) auf ein Kriegsopfer wie die Klägerin, die aus derselben Ursache – hier Kampfmitteleinwirkung im Zweiten Weltkrieg (§ 1 Abs 2 Buchstabe a iVm § 5 Abs 1 Buchstabe a BVG) – einen Versorgungsanspruch iS des § 5 SGB Allgemeiner Teil (SGB I) und des BVG gegen einen anderen Staat „besitzt”, überhaupt nicht anzuwenden. Die Klägerin „besitzt” einen solchen Anspruch gegen die Niederlande (Kapitel I Art 2 Nr 1 Buchstabe a des niederländischen Gesetzes vom 10. März 1984 über die Regelungen hinsichtlich der Gewährung von Leistungen und besonderen Maßnahmen an Zivil-Kriegsopfer ≪WUBO≫ – Staatsblatt des Königreichs der Niederlande 1984 laufende Nr 94 –). In einem solchen Fall schließt jeglicher ausländische Kriegsopferversorgungsanspruch den Betroffenen von dem nach § 7 Abs 1 BVG versorgungsberechtigten Personenkreis aus. Das gilt ungeachtet dessen, ob er Deutscher oder deutscher Volkszugehöriger (§ 7 Abs 1 Nrn 1 und 2 BVG) oder ein „anderes Kriegsopfer” (§ 7 Abs 1 Nr 3 BVG) ist (BSG SozR 3100 § 7 Nr 2 S 3). Einen gleichwertigen Anspruch nach ausländischem Recht fordert das Gesetz nicht. Eine abweichende zwischenstaatliche Vereinbarung, die § 7 Abs 2 BVG zuläßt, bestand nicht zugunsten der Klägerin. Damit verbietet sich für die Zeit, um die es hier geht, auch eine Versorgung im Ermessensweg nach § 8 BVG allein deshalb, weil die Klägerin, die weder Deutsche noch deutsche Volkszugehörige ist, aber in den Niederlanden wohnt und deshalb nicht unter § 7 Abs 1 Nr 3 BVG fällt und infolgedessen in Erweiterung dieser Vorschrift an sich Versorgung im Ermessensweg erhalten könnte (Richtlinien des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung ≪BMA≫ über die Regelungen für die Versorgung von Kriegsopfern und gleichgestellten Personen im Ausland – Richtlinien-West 1980, Nr 6.1; 6.1.2; 13.3; 14.1). Die Nichtanwendbarkeit des BVG hängt nicht davon ab, ob und daß das Kriegsopfer von einem anderen Staat eine den deutschen Kriegsopferleistungen nach Art, Umfang und Höhe entsprechende Versorgung beanspruchen kann (Richtlinien-West, Nr 2.6.3). Allein eine Beziehung zu dem Kriegsopferversorgungssystem eines anderen Staates, die irgendeinen Versorgungsanspruch aus derselben Ursache begründet, bewirkt den Ausschluß von dem nach dem BVG versorgungsberechtigten Personenkreis mit der Folge, daß das BVG überhaupt nicht anzuwenden ist.
Anders ist es mit dem Ruhen von einzelnen Versorgungsleistungen des BVG wegen eines auf derselben Ursache beruhenden Anspruchs aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder aus dem Beamtenversorgungsrecht nach § 65 BVG (BSG SozR 3100 § 7 Nr 2 Seite 3). In diesen Fällen bleibt die Voraussetzung, daß der Betroffene zum versorgungsberechtigten Personenkreis nach § 7 Abs 1 oder § 8 BVG gehört und Leistungen nach dem BVG grundsätzlich beanspruchen kann, unberührt, falls die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen, nämlich Schädigungsfolgen (§§ 1 bis 5 BVG), bestehen. Lediglich eine Doppelleistung ist zu vermeiden. Die Leistungsansprüche aus beiden Rechtsbereichen werden vergleichend gegenübergestellt. Der Anspruch auf Leistungen nach dem BVG ruht nur in Höhe der entsprechenden Bezüge aus dem anderen Leistungssystem, die angerechnet werden.
Wenn das Bundessozialgericht (BSG) in einer früheren Entscheidung als Zweck des § 7 Abs 2 BVG ebenfalls die Vermeidung von Doppelleistungen angegeben hat (SozR 3100 § 7 Nr 2 S 2, 3, 4) so ist dies nicht genau genug. Nach § 7 Abs 2 BVG sollen nicht in gleicher Weise wie nach § 65 BVG der Höhe nach Doppelleistungen verhindert werden, sondern sämtliche Ansprüche nach dem BVG dem Grunde nach allein wegen der Zugehörigkeit zum Kriegsopferversorgungssystem eines anderen Staates, die durch irgendeinen Anspruch gegen diesen Staat begründet ist, schlechthin ausgeschlossen bleiben; dh eine doppelte Versorgungsberechtigung dem Grunde nach soll vermieden werden. Das gilt vornehmlich für ausländische Staatsangehörige, die in ihrem Heimatland leben und dort versorgt werden. Ihr Heimatstaat übernimmt – als sachnäherer Träger – die Haftung für Kriegsschäden. Diese Wirkung tritt nur dann nicht ein, wenn der andere Staat aus einem anderen System der sozialen Sicherheit im weiten Sinn, zB ausschließlich Leistungen aus der Rentenversicherung, gewährt (Richtlinien-West Nr 2.1) oder wenn der Anspruch gegen einen anderen Staat durch Flucht aus dessen Herrschaftsgebiet insgesamt verloren gegangen ist (BSG SozR 1500 § 171 Nr 3). So war es hier nicht, wie die noch folgende Kennzeichnung des niederländischen Versorgungsanspruches der Klägerin zeigt. Wenn das Fehlen eines Kriegsopferversorgungsanspruches gegen einen anderen Staat in besonderen, dem § 1 Abs 3 Satz 2 BVG, dem § 44 Abs 2 BVG und dem § 48 BVG entsprechenden Fällen die Ausschlußwirkung des § 7 Abs 2 BVG nicht eintreten läßt (Richtlinien-West, Nr 2.6.1), so bestätigt dies die vorstehende Auslegung dieser Vorschrift. In diesen Fällen geht es um den Grund des Versorgungsanspruches, nicht aber – wie gemäß § 65 BVG – nur um einzelne Leistungen.
Die Klägerin „besitzt” schon mit dem „Zuschlag”, auf den sie nach dem niederländischen Zivilkriegsopferrecht beschränkt ist (Kapitel II § 2, Art 19 WUBO), „einen Anspruch auf Versorgung” gegen die Niederlande iS des § 7 Abs 2 BVG, mag auch diese Leistung der Höhe nach nur 10 vH der „periodischen Leistung” (Art 19 Abs 2 iVm § 1 Art 7, § 2 Art 10 Abs 8 WUBO), darüber hinaus gekürzt um eine Einkommensteuer, und einen Bruchteil der nach deutschem Recht (§ 30 Abs 1 iVm § 31 Abs 1 BVG) ungeachtet der Einkommensverhältnisse zu gewährenden Beschädigtengrundrente entsprechend einer MdE um 70 vH betragen. Dieser „Zuschlag” ist eine selbständige Leistung für zivile Kriegsopfer, die lediglich beim Zusammentreffen mit einer „periodischen Leistung” (Kapitel II § 1 Art 7 WUBO) gemeinsam mit dieser in gekürzter Höhe gewährt wird (§ 2 Art 19 Abs 3). Ebenso wie die „periodische Leistung” setzt der „Zuschlag” zur Verbesserung der Lebensumstände eine schädigungsbedingte Invalidität, die der Minderung der Erwerbsfähigkeit iS des § 30 Abs 1 BVG entspricht (Auskunft des Niederländischen Renten- und Leistungsrates der WUBO), und außerdem eine durch diese verursachte Berufsschädigung voraus, speziell für den „Zuschlag” eine nachteilige Beeinflussung des Vermögens, durch Arbeit Einkommen zu erzielen, falls der Betroffene auf Arbeitseinkommen angewiesen ist. Trotz der geringen Höhe und des Zwecks, die Lebensverhältnisse zu verbessern, ist der „Zuschlag” keine Sozialhilfeleistung, die unabhängig von der Ursache der Gesundheitsschädigung wäre.
§ 7 Abs 2 BVG in dieser Auslegung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 Grundgesetz). Wie dargelegt, werden „andere Kriegsopfer” (§ 7 Abs 2 Nr 3 BVG) wie die Klägerin im Verhältnis zu Deutschen und deutschen Volkszugehörigen (§ 7 Abs 2 Nrn 1 und 2 BVG) nicht unterschiedlich behandelt. Der Ausschluß der Versorgung nach dem BVG beruht für Deutsche und Ausländer auf dem Versorgungsanspruch gegen einen anderen Staat. Das ist sachlich vertretbar. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen kann grundsätzlich jeder Staat frei entscheiden, welche Kriegsopfer er wie entschädigt. Es gibt im internationalen Recht (Art 25 Grundgesetz) keine strenge Rangfolge der Verantwortlichkeit für Kriegsopfer, die etwa Deutschland vor jedem anderen Staat uneingeschränkt und unabwendbar für die Folgen der vom Deutschen Reich geführten Kriege eintreten ließe. Das niederländische Recht verweist eigene Staatsangehörige, solange sie im Heimatland wohnen, nicht auf eine Versorgung durch Deutschland wegen einer vorrangigen Verantwortlichkeit. Eine zusätzliche deutsche Versorgung würde die Klägerin erheblich besser stellen als niederländische Kriegsopfer, die tatsächlich nicht unter den Umständen geschädigt worden sind, die § 7 Abs 1 Nr 3 BVG herausgreift. Diesem außenpolitischen Problem entspricht § 7 Abs 2 BVG in der Weise, daß jeglicher ausländische Versorgungsanspruch einen deutschen ausschließt. Zur Vermeidung einer Störung internationaler Beziehungen kann auch innerhalb des deutschen Systems der KOV allgemein die Entschädigung, deren Grundvoraussetzungen (§§ 1 bis 5 BVG) erfüllt sind, nach verschiedenen anderen Grundsätzen als dem des § 7 Abs 2 BVG eingeschränkt werden (vgl § 7 Abs 1, §§ 64 ff BVG). Schließlich ist der Ausschluß von höheren deutschen Leistungen durch die Zuordnung der Niederländer zu ihrem eigenen nationalen Rechtskreis, vertretbar. Dem steht nicht entgegen, daß die Niederlande mit der für die Klägerin geltenden Regelung – im Unterschied zur deutschen Beschädigtengrundrente – nicht der Empfehlung der Zweiten internationalen Konferenz über die Gesetzgebung für ehemalige Kriegsteilnehmer und Kriegsopfer (BVBl 1962, S 31; dazu Ruh, BVBl 1962, S 62) genügen, und nicht allgemein eine Rente nach dem abgestuften Grad der Invalidität als Beeinträchtigung der Unversehrtheit eingeführt haben. Der deutsche Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 7 Abs 2 BVG in Kauf genommen und nehmen dürfen, daß Kriegsopfer wegen irgendwelcher Ansprüche nach ausländischem Recht, das auf einer andersartigen Auffassung über die Entschädigung von Kriegsopfern beruht, schlechthin keine deutsche Versorgung erhalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen