Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorverlegung des Beginns einer Witwenrente aus der Angestelltenversicherung nach dem Kriegsfristen- und Fremdrentengesetz
Orientierungssatz
Der Beginn von Hinterbliebenenrenten, die auf dem Fremdrentengesetz beruhen, kann aufgrund des Kriegsfristengesetzes nur insoweit vorverlegt werden, als der zuständige Versicherungsträger im Bundesgebiet oder im Land Berlin überhaupt zu Leistungen für die Zeit, für die die Rente nachgezahlt werden soll, verpflichtet ist. Für die bereits vor der Verkündung des Fremdrentengesetzes (August 1953) von anderen Versicherungsträgern bindend festgestellten Renten besteht keine solche Verpflichtung (§ 17 Abs 1 und 6 SVFAG). Der Beginn von Hinterbliebenenrenten, die vorher rechtskräftig festgestellt worden sind, darf nicht vorverlegt werden.
Normenkette
KrFrHemmSV/AVG § 2 Fassung: 1952-11-13; SVFAG § 17 Abs. 1 Fassung: 1953-08-07, Abs. 6 Fassung: 1953-08-07
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 26.06.1956) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 03.01.1956) |
Tenor
Die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. Juni 1956 und des Sozialgerichts Hamburg vom 3. Januar 1956 werden aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Ehemann der Klägerin aus erster Ehe - Karl K... - wird seit einem Luftangriff russischer Flugzeuge auf Gotenhafen im März 1945 vermißt. Er wurde am 17. Dezember 1949 mit dem Todestag vom 27. März 1945 für tot erklärt. Die Klägerin beantragte im November 1950 die Witwenrente aus der Rentenversicherung der Angestellten (AV.). Die Landesversicherungsanstalt (LVA.) Schleswig-Holstein, die damals für ihren Bezirk die Aufgaben der AV. mit wahrnahm, gewährte ihr diese Rente vom 1. Dezember 1950 an (Bescheid vom 16. August 1951). Die Rente beruhte nur auf Beiträgen des Versicherten zur Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA.). Der Bescheid wurde bindend. Am 15. September 1951 heiratete die Klägerin wieder und erhielt die Witwenabfindung aus der AV. (Bescheid vom 17. November 1951). Im Mai 1953 beantragte die Klägerin, ihr die Witwenrente aus der Versicherung ihres ersten Mannes auch für die Zeit vom April 1945 bis November 1950 zu gewähren. Sie stützte sich dabei auf § 2 des inzwischen erlassenen "Gesetzes über den Ablauf der durch Kriegsvorschriften gehemmten Fristen in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung" vom 13. November 1952 (KFG). Die LVA. lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 6. Oktober 1953). Das Sozialgericht Hamburg hob diesen Bescheid auf und verurteilte die Beklagte, die nach ihrer Errichtung an die Stelle der LVA. getreten ist, die Witwenrente nachzuzahlen (Urteil vom 3. Januar 1956). Das Landessozialgericht (LSG.) Hamburg bestätigte diese Entscheidung. Es ließ die Revision zu (Urteil vom 26. Juni 1956).
Die Beklagte legte gegen das ihr am 26. Juli 1956 zugestellte Urteil des LSG. am 14. August 1956 Revision ein und begründete sie gleichzeitig. Sie beantragte, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie rügte die unrichtige Anwendung des § 17 des "Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes" vom 7. August 1953 (FremdRG).
Die Klägerin beantragte, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist zulässig und begründet.
Dem Anspruch der Klägerin auf Witwenrente liegen nur Beiträge des Versicherten zur RfA. zugrunde. Diese Anstalt gehört zu den Versicherungsträgern, die bei der Kapitulation 1945 stillgelegt worden sind. Die Beklagte als die neue Trägerin der AV. ist nicht ihre Gesamtrechtsnachfolgerin (BSG. 4 S. 91). Die aus den Beiträgen zur RfA. hergeleiteten Ansprüche fallen, wie der Senat wiederholt entschieden hat (BSG. a.a.O.), unter das FremdRG. Die entgegenstehenden Ausführungen der Vorinstanzen vermögen den Senat - auch nach erneuter Prüfung der Rechtslage - nicht zu überzeugen. Das FremdRG bestimmt "bis zu einer anderen gesetzlichen Regelung" (§ 1 Abs. 1 FremdRG), ob und in welchem Umfang aus solchen Beiträgen Leistungen von einem Versicherungsträger im Bundesgebiet oder im Land Berlin zu gewähren sind. Das FremdRG ist am 1. April 1952 in Kraft getreten (§ 20 Abs. 1 FremdRG). Es sicht Leistungen grundsätzlich erst von diesem Tage an vor, auch wenn der Versicherungsfall schon früher eingetreten ist (§ 17 Abs. 1 FremdRG). Das KFG, auf das sich die Klägerin beruft, regelt dagegen nur den Leistungsbeginn, nicht auch den Leistungsanspruch selbst, so daß der Beginn der Hinterbliebenenrenten, die auf dem FremdRG beruhen, auf Grund des KFG nur insoweit vorverlegt werden kann, als der zuständige Versicherungsträger im Bundesgebiet oder im Land Berlin überhaupt zu Leistungen für die Zeit, für die die Rente nachgezahlt werden soll, verpflichtet ist. Für die Beklagte besteht für die bereits vor der Verkündung des FremdRG (August 1953) von anderen Versicherungsträgern bindend festgestellten Renten keine solche Verpflichtung (§ 17 Abs. 1 und 6 FremdRG). Der Beginn von Hinterbliebenenrenten, die vorher rechtskräftig festgestellt worden sind, darf nicht vorverlegt werden. Diese Auffassung hat der Senat in ständiger Rechtsprechung vertreten (BSG. 4 S. 96).
Die Klägerin erhielt die Witwenrente vom 1. Dezember 1950 an, und zwar auf Grund des unanfechtbar gewordenen Bescheids vom 16. August 1951. Für diese Rente kann kein früherer Beginn festgesetzt werden. Der angefochtene Bescheid vom 6. Oktober 1953 ist also im Ergebnis richtig (§§ 170, 193 SGG).
Fundstellen