Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Förderungsausschlusses bei Wiederholung einer Bildungsmaßnahme
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung der Förderungsfähigkeit einer Maßnahme der beruflichen Bildung.
2. Bei einer solchen Klage greift § 144 SGG nur ein, wenn aus der Grundberechtigung nur nicht berufungsfähige Einzelansprüche erwachsen können.
3. Die Bundesanstalt für Arbeit war nach § 39 AFG berechtigt, durch § 5 AFuU 1976 in Konkretisierung des Gebots der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die vollständige Wiederholung einer Bildungsmaßnahme von der Förderung auszuschließen.
Orientierungssatz
Verfassungsmäßigkeit des Förderungsausschlusses bei Wiederholung einer Bildungsmaßnahme:
Durch den Förderungsausschluß bei wiederholten ganzen Maßnahmen wird Art 3 Abs 1 GG selbst insoweit nicht verletzt, als die Maßnahmen die Höchstdauer für die Förderbarkeit wiederholbarer Maßnahmeteile von sechs Monaten nicht überschreiten; insoweit liegen verschiedene Sachverhalte vor, deren unterschiedliche Regelung nicht willkürlich erscheint.
Normenkette
SGG §§ 55, 144; AFG § 39 Fassung: 1969-06-25, § 39 S. 2 Nr. 1 Fassung: 1981-12-22, § 41 Abs. 4 Fassung: 1975-12-18, § 42 Abs. 2; AFuU § 5 Abs. 1 Fassung: 1976-03-23; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Förderung der vollständigen Wiederholung eines Lehrgangs.
Die Klägerin hatte zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung einen Lehrgang vom 16. August 1979 bis zum 15. März 1980 im Teilzeitunterricht besucht und hierfür Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erhalten. Nach nichtbestandener Prüfung nahm sie an einem weiteren Lehrgang im Vollzeitunterricht vom 1. Oktober 1980 bis zum 31. März 1981 teil und wurde nach bestandener Prüfung zur Steuerbevollmächtigten bestellt.
Eine Förderung des zweiten Lehrgangs lehnte die Beklagte ab, da nach § 5 Abs 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (AFuU) die Wiederholung einer gesamten Maßnahme nicht gefördert werden könne (Bescheid vom 27. Oktober 1980; Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 1981). Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 31. März 1982; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- vom 4. Oktober 1983). Das LSG sah die angefochtenen Bescheide als rechtmäßig an, da § 41 Abs 4 AFG nur den hier nicht vorliegenden Fall der Wiederholung eines Teils einer Maßnahme regele, während nach § 5 Abs 1 AFuU die Wiederholung einer gesamten Maßnahme nicht gefördert werde. Um eine solche Wiederholung der gesamten Bildungsmaßnahme handele es sich hier, da beide Kurse auf das gleiche Ziel der Steuerbevollmächtigtenprüfung ausgerichtet gewesen seien; die mit dem Übergang von der Umsatzsteuer zur Mehrwertsteuer verbundene Änderung des Lehrstoffes sei nicht so wesentlich, daß der zweite Lehrgang als eine andersartige Maßnahme gewertet werden könnte. Die Klägerin könne den Anspruch auch nicht durch ihr Angebot begründen, die für den ersten Lehrgang erhaltenen Förderungsleistungen zurückzuzahlen. Bei einer vollständigen Wiederholung des Lehrgangs könne die Wiederholung auch nicht teilweise nach § 41 Abs 4 AFG gefördert werden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 39 Abs 1 Nr 1, 36 Nr 3, 41 Abs 4 AFG und des Art 3 Grundgesetz (GG).
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und der Bescheide der Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Förderungsleistungen für die Teilnahme an dem Vorbereitungslehrgang vom 1. Oktober 1980 bis zum 31. März 1981 für die Prüfung zur Steuerbevollmächtigten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin war zurückzuweisen.
Der Zulässigkeit der von ihr erhobenen Klage und der von ihr gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegten Berufung steht nicht entgegen, daß sie die im einzelnen gewollten Förderungsleistungen weder vor dem SG noch im späteren Verfahren konkretisiert hat; im Verwaltungs- und Sozialgerichtsverfahren geht es ihr vielmehr erst um die Grundfrage, ob die vollständige Wiederholung der Bildungsmaßnahme überhaupt förderungsfähig ist. Ein Rechtsstreit allein hierüber ist aber nach dem SGG bei vorhandenem Rechtsschutzbedürfnis statthaft.
Insoweit hat der 7. Senat in einem Streit um die Grundvoraussetzung der Eignung - allerdings bei einer noch nicht durchgeführten Bildungsmaßnahme - bereits angenommen, der Anspruch auf Förderung einer Umschulung stelle sich als eine Art Stammrecht dar und sei der von der Rechtsprechung zugelassenen Feststellung der Familienhilfeberechtigung nach § 205 der Reichsversicherungsordnung -RVO- (Hinweis auf BSGE 11, 198, 199f; vgl auch Urteil des Senats SozR 5420 § 32 Nr 5) vergleichbar; dem entspreche die Verwaltungspraxis der BA, nach Feststellung der Grundvoraussetzungen für die Förderung zunächst eine Kostenübernahmeerklärung zu erteilen und erst bei Maßnahmebeginn die Einzelleistungen zu bewilligen (Urteil vom 12. Dezember 1984 - 7 RAr 74/83 -). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Demnach ist eine allgemein auf Förderung gerichtete Klage nicht als unbezifferte Leistungsklage aufzufassen, auf die hin Grundurteile iS des § 130 SGG ergehen könnten, sondern als eine Feststellungsklage, welche die Feststellung der vorhandenen gemeinsamen Voraussetzungen für die einzelnen Förderungsleistungen, dh die Feststellung der "Förderungsfähigkeit" der Maßnahme begehrt. Eine solche ist aber, weil sie der Feststellung eines Rechtsverhältnisses nahe kommt, in zumindest entsprechender Anwendung des § 55 SGG nicht nur dann als zulässig anzusehen, wenn die streitige Bildungsmaßnahme bei Rechtshängigkeit der Klage noch nicht durchgeführt ist; entscheidend ist auch bei bereits laufender und sogar bei inzwischen durchgeführter Maßnahme, ob für diese - allgemeine - Klage ein Rechtsschutzbedürfnis iS des § 55 SGG besteht. Das ist dann - so auch hier - zu bejahen, wenn sie zu einer prozeß- und verwaltungsökonomischen baldigen Erledigung des mit dem Förderungsantrag in Gang gesetzten Verfahrens führt (vgl Urteil vom 22. Mai 1985 - 12 RK 30/84 -). Insoweit kann aber angenommen werden, daß bei einem für die Klägerin erfolgreichen Ausgang bei den Einzelleistungen allenfalls nur noch Sonderfragen eine Rolle spielen könnten. Das Rechtsschutzbedürfnis würde allerdings fehlen, wenn bereits feststünde, daß auch bei allgemeiner Förderungsfähigkeit die Klägerin keine Einzelleistung erhalten könnte; ein derartiger Fall ist aber hier nicht gegeben.
Hinsichtlich dieser Feststellungsklage war die Berufung zulässig. Der Berufungsausschließungsgrund des § 144 SGG könnte bei einer solchen Feststellungsklage nur eingreifen, wenn sich aus der Grundberechtigung nur nicht berufungsfähige Einzelansprüche ergeben können. Auch das ist hier nicht der Fall. Da die Maßnahme im Vollzeitunterricht durchgeführt wurde und sechs Monate dauerte, kommt jedenfalls auch ein Anspruch auf Übergangsgeld für eine Zeit von mehr als drei Monaten in Betracht.
In der Sache hat das LSG zu Recht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Bei der streitigen Maßnahme handelt es sich nach den Feststellungen des LSG um die Wiederholung einer bereits geförderten Maßnahme. Die früher geförderte Maßnahme von August 1979 bis März 1980 hatte das gleiche Ziel wie die zweite Maßnahme, nämlich die Vorbereitung auf das Examen für Steuerbevollmächtigte. Der vermittelte Lehrstoff stimmte im wesentlichen überein. Die Feststellung des LSG, daß gewisse Abweichungen hinsichtlich des Umsatzsteuerrechts im Hinblick auf eine Gesetzesänderung auf den Gesamtstoff bezogen unwesentlich seien, bewegt sich auf tatsächlichem Gebiet und ist von der Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Ob bei einem zeitlichen Abstand zwischen dem Ende der ersten Maßnahme und dem Beginn der zweiten Maßnahme von mehr als drei Jahren noch von einer Wiederholung gesprochen werden kann, bedarf keiner Entscheidung, da der Zwischenraum hier weniger als sieben Monate beträgt.
Das Gesetz selbst schließt die Förderung einer vollständigen Wiederholung einer bereits geförderten Maßnahme in keiner Bestimmung aus. Der § 41 Abs 4 AFG betrifft schon nach seinem Wortlaut nur die "notwendige Wiederholung eines Teils einer Maßnahme". Auch nach der Regierungsbegründung regelt die Vorschrift nur, inwieweit die Wiederholung von Teilen einer Bildungsmaßnahme gefördert werden kann (BT-Drucks 7/4127 S 49). Der § 42 Abs 2 AFG regelt die Förderung der stufenweisen Fortbildung bei mehreren erfolgreichen Bildungsmaßnahmen. Für die vollständige Wiederholung einer fehlgeschlagenen Bildungsmaßnahme enthält er keine deutliche Regelung.
Die Förderung einer vollständigen Wiederholung ist jedoch nach dem § 5 Abs 1 der vom Verwaltungsrat der BA aufgrund der Ermächtigung des § 39 AFG erlassenen AFuU vom 23. März 1976 (ANBA S 559), der durch die späteren Änderungen dieser Anordnung bis zur Fassung vom 16. März 1982 (ANBA S 563) nicht geändert wurde, ausgeschlossen, was von der Revision nicht angezweifelt wird.
Die Revision rügt zu Unrecht, die Anordnungsbestimmung sei durch die Ermächtigung in § 39 Satz 1 AFG nicht gedeckt; die Ermächtigung, "das Nähere" durch Anordnung zu regeln, betreffe nur das "Wie" und nicht das "Ob" der Förderung. Die Revision übersieht, daß § 39 AFG die Ermächtigung ausdrücklich nicht nur auf Art und Umfang der Förderung, sondern auch auf deren Voraussetzungen bezieht. Allerdings gilt auch insoweit die Einschränkung, daß nicht das Gesetz in wesentlicher Beziehung ergänzt, sondern nur das "Nähere" geregelt werden darf. Der zulässige Inhalt einer Anordnung ist damit im wesentlichen auf die Konkretisierung unbestimmter Gesetzesbegriffe beschränkt. Die §§ 41 Abs 4 und 42 Abs 2 AFG betreffen, wie ausgeführt, nicht die vollständige Wiederholung einer Maßnahme und enthalten insoweit auch keine allgemeine Regelung, die durch eine Regelung in einer Anordnung konkretisiert werden könnte.
Die Vorschrift ist jedoch eine zulässige Konkretisierung des allgemeinen Gebots der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Daß der Gesetzgeber erst durch die Neufassung des § 39 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz vom 22. Dezember 1981 (AFKG) und damit nach Erlaß der hier streitigen Satzungsbestimmung die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit besonders hervorgehoben hat, besagt nicht, daß dieses für jede Verwaltungstätigkeit geltende Gebot zuvor für die Arbeitsverwaltung nicht gegolten hätte. Das in § 69 Abs 2 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) enthaltene Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bezieht sich zwar nach § 1 Abs 2 SGB IV nicht auf die Arbeitslosenversicherung; auch werden in den §§ 215 ff AFG die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht ausdrücklich erwähnt. Sie gelten gleichwohl auch für das Arbeitsförderungsrecht, insbesondere für die berufliche Förderung. Zur beruflichen Rehabilitation der Rentenversicherung durch Gewährung einer Kraftfahrzeughilfe hat der Senat entschieden, der Rentenversicherungsträger müsse beachten, daß mit den Mitteln der Versichertengemeinschaft sparsam und wirtschaftlich zu verfahren sei, und könne im Rahmen seines Ermessens zumutbare Selbsthilfen der Versicherten erwarten (Urteil vom 16. Dezember 1981 - 11 RA 89/80 - SozSich 1982 Rechtsprechungs-Nr 3676). Auch der 1. Senat hat zur beruflichen Rehabilitation der Rentenversicherung in Anwendung des Gebots der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entschieden, die Förderung einer länger als zwei Jahre dauernden Maßnahme sei nach § 14a des Angestelltenversicherungsgesetzes auch dann ausgeschlossen, wenn zwar eine Umschulung in kürzerer Zeit als zwei Jahre nicht möglich sei, der Behinderte jedoch durch eine andere kürzere - wenngleich länger als zwei Jahre dauernde - Maßnahme zumutbar auf einen anderen Beruf umgeschult werden könne (BSGE 46, 198, 202 = SozR 2200 § 1237a Nr 3). Dem steht die Entscheidung des 7. Senats nicht entgegen, daß der Kostenerstattungsanspruch nach § 45 AFG nicht davon abhänge, ob neben der im übrigen geförderten Maßnahme es andere billigere Maßnahmen gebe; denn dort blieb die Frage, ob ein Teilnehmer bei vergleichbaren Lehrgängen (zumutbar) verpflichtet sein könne, den kostengünstigeren Lehrgang zu besuchen, ausdrücklich offen (SozR 4100 § 45 Nr 12).
Der Gesetzgeber wollte das Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelvergabe durch die Änderung des § 39 Satz 2 Nr 1 AFG durch das AFKG ebenso wie durch die Änderung des § 58 AFG nicht begründen, sondern lediglich für die Bereiche der beruflichen Bildung und der Rehabilitation stärker betonen (BT-Drucks 9/846 auf Seite 31); insbesondere durch die Ergänzung des § 39 AFG sollte die BA veranlaßt werden, in der Anordnung die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu konkretisieren (BT-Drucks aaO auf Seite 37).
In Konkretisierung des Gebots der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit war die BA berechtigt, die vollständige Wiederholung einer Bildungsmaßnahme von der Förderung auszuschließen. Die Auffassung, daß die vollständige Wiederholung einer erfolglosen Bildungsmaßnahme, bei der die durch die erste Maßnahme erworbenen Kenntnisse völlig unberücksichtigt bleiben, unwirtschaftlich sei, ist jedenfalls nicht unvertretbar und hält sich in den Grenzen des Beurteilungsspielraums, der dem Anordnungsgeber nach § 39 AFG zukommt. Dem steht nicht entgegen, daß der 7. Senat in einem Urteil vom 30. September 1975 - 7 RAr 8/74 - (FEVS 24 (1976), 297, 300ff) für Zeiten vor dem Inkrafttreten der AFuU 1976 die Frage der Wirtschaftlichkeit einer vollständigen Wiederholung der Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung (im Vollzeitunterricht von etwa drei Monaten) im Ergebnis anders beurteilt hat. Die Beklagte konnte demgegenüber berücksichtigen, daß der Gesetzgeber dann mit Wirkung vom 1. Januar 1976 durch die Einfügung des § 41 Abs 4 AFG die Wiederholung von Maßnahmeteilen geregelt hat und dieser Regelung offenbar die Tendenz zugrunde liegt, im übrigen keine Wiederholungen zu fördern. Das wird besonders bei Maßnahmen deutlich, die länger als die in § 41 Abs 4 AFG für wiederholbare Maßnahmeteile festgesetzte Höchstzeit von sechs Monaten dauern. Bei ihnen einen möglichen Förderungswillen des Gesetzgebers zu bejahen, müßte als ein deutlicher Widerspruch zu § 41 Abs 4 erscheinen.
Durch den Förderungsausschluß bei wiederholten ganzen Maßnahmen wird Art 3 Abs 1 GG selbst insoweit nicht verletzt, als die Maßnahmen die Höchstdauer für die Förderbarkeit wiederholbarer Maßnahmeteile von sechs Monaten nicht überschreiten; insoweit liegen verschiedene Sachverhalte vor, deren unterschiedliche Regelung nicht willkürlich erscheint.
Die Revision der Klägerin war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Fundstellen