Leitsatz (amtlich)
Im Bereich der Kriegsopferversorgung dürfen erschlichene Verwaltungsakte (vergleiche KOV-VfG § 42 Abs 1 Nr 3) nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts auch für die Zeit vor dem 1955-04-01 (Inkrafttreten des KOV-VfG) zurückgenommen werden (Fortführung BSG 1960-12-15 11 RV 892/60 = BSGE 13, 232).
Normenkette
KOVVfG § 42 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1955-05-02
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 15. Oktober 1962 abgeändert; die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 8. Dezember 1958 wird in vollen Umfang zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger, geboren am 20. Februar 1917, beantragte unter dem 28. August 1945 Versorgung. Er gab an, er sei seit August 1942 infolge eines Autounfalls bei Rücknahme seiner Truppe aus der Südostfront Kriegsversehrter; bei diesem Unfall habe er eine Kehlkopf- und Stimmbandzertrümmerung erlitten, Wehrdienstbeschädigung sei durch seine Truppe bejaht worden. Wegen seiner Verletzungen sei er im August 1943 als dienstuntauglich aus dem Wehrdienst entlassen worden; seine Behandlung im Reservelazarett II Königsberg sei bis zur Flucht aus Ostpreußen aber nicht beendet gewesen, die Festsetzung der Versehrtenstufe sei daher noch nicht erfolgt. Zu der Frage, auf welche wehrdienstlichen Schädigungen die Körperschäden zurückgeführt werden, erklärte der Kläger am 11. Dezember 1945, er sei am 23. August 1942 bei Artilleriebeschuß in der Nähe von M. mit einem Kraftfahrzeug verunglückt; ferner gab er an, er habe auf seinen früheren Versorgungsantrag, den er im September 1943 in Königsberg gestellt habe, keinen Bescheid mehr erhalten.
Das Versorgungsamt (VersorgA) Verden erkannte nach fachärztlicher Untersuchung durch Bescheid vom 18. Februar 1946 bei dem Kläger
a) Wunde am Hals mit Luftröhrenkanüle,
b) Tonlosigkeit infolge Vernichtung der Stimme
als Wehrdienstbeschädigung nach dem Einsatzwehrmachtfürsorge- und -versorgungsgesetz (EWFVG) in Verbindung mit dem Wehrmachtfürsorge - und -versorgungsgesetz (WFVG) an und bewilligte dem Kläger vom 1. September 1945 an Versehrtengeld nach Stufe III.
Durch Bescheid vom 16. Dezember 1948 bewilligte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Oldenburg-Bremen, Außenstelle Oldenburg, mit der gleichen Leidensbezeichnung dem Kläger vom 1. August 1947 an Rente nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v. H. Am 15. Juni 1951 erkannte das VersorgA Oldenburg diese Gesundheitsstörungen wiederum mit der gleichen Leidensbezeichnung ab 1. Oktober 1950 als Schädigungsfolge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) an (Umanerkennungsbescheid), es bewilligte weiterhin Rente nach einer MdE um 70 v. H.
Am 21. März 1955 übersandte das Krankenbuchlager Berlin dem VersorgA auf Anforderung eine Krankenkarte über den Kläger. Darin ist als Krankheitsbezeichnung vermerkt: "Zustand nach Halsphlegmone nach Kehlkopfoperation 1938 (Kanülenträger)". Als Ursache ist ein "Kraftwagenunfall 1938 (Zivilleben)" mit dem Vermerk: "WDB: nicht behauptet, nicht anzunehmen" angeführt. Nach den Eintragungen auf der Rückseite ist diese Karte anläßlich einer Untersuchung am 2. Juli 1943 ausgefüllt, bei der der Kläger dahin beurteilt worden ist, daß er als dienstunfähig zu entlassen sei. Dabei ist nochmals vermerkt, daß die Dienstunfähigkeit nicht auf Wehrdienstbeschädigung zurückzuführen ist. Das VersorgA leitete daraufhin mit Verfügung vom 22. April 1955 weitere Ermittlungen ein und stellte die Zahlung der Versorgungsbezüge mit Ablauf des Januar 1956 vorsorglich ein. Ferner erstattete der Leiter des VersorgA Strafanzeige wegen Betrugs. In dem Strafverfahren wurde der Kläger auf Kosten der Staatskasse freigesprochen (rechtskräftig gewordenes Urteil des Schöffengerichts I Delmenhorst vom 17. Januar 1958 - 14 Ms 62/57 -).
Durch Bescheid vom 3. August 1956, der auf die §§ 41 Abs. 1 und 47 Abs. 3 Nr. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) gestützt wurde, hob das VersorgA mit Zustimmung des Landesversorgungsamts (LVersorgA) Niedersachsen die Bescheide vom 18. Februar 1946, vom 16. Dezember 1948 und vom 15. Juni 1951 auf, lehnte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Versorgung ab und forderte die in der Zeit vom 1. September 1945 bis zum 31. Januar 1956 geleisteten Versorgungsbezüge im Gesamtbetrag von 4. 108,- DM zurück, wobei es die vor der Währungsreform gewährten RM-Bezüge nur im Verhältnis 10 : 1 in Ansatz brachte. Den Widerspruch des Klägers wies das LVersorgA mit Bescheid vom 4. Januar 1957 zurück. Das Sozialgericht (SG) Oldenburg wies die Klage des Klägers durch Urteil vom 8. Dezember 1958 ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen am 15. Oktober 1962 das Urteil des SG sowie die Bescheide vom 4. Januar 1957 und vom 3. August 1956 dahin ab, daß die Rückforderung nur 560,- DM betrage; im übrigen wies es die Berufung zurück. Zur Begründung führte es aus: der Beklagte habe dem Kläger die Rente mit Recht entzogen; die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 VerwVG seien gegeben, es stehe außer Zweifel, daß die Bewilligungsbescheide tatsächlich und rechtlich unrichtig sind; die Versorgungsbehörde sei bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs der in diesen Bescheiden aufgeführten Gesundheitsstörungen mit wehrdienstlichen Einflüssen von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen; der Kläger sei nicht, wie er bei seiner Antragstellung wahrheitswidrig erklärt habe, seit 1942 Kriegsversehrter; die Verletzungen, die als Schädigungsfolgen anerkannt worden seien, seien nicht die Folgen eines Autounfalls an der Südostfront im August 1942, sondern seien auf einen Kraftwagenunfall im Jahre 1938 zurückzuführen; hinsichtlich dieser Unfallfolgen sei bei der Entlassung des Klägers aus dem Wehrdienst sowohl im Jahre 1939 als auch im Jahre 1943 Wehrdienstbeschädigung verneint worden; es sei daher auch ausgeschlossen, daß die zweifellos zu Unrecht als Schädigungsfolgen im Sinne der Entstehung anerkannten Gesundheitsstörungen durch den Wehrdienst verschlimmert worden seien. Die angefochtenen Bescheide seien daher rechtmäßig, soweit durch sie die Anerkennung in vollem Umfang zurückgenommen worden sei. Bei dieser Rechtslage könne es dahingestellt bleiben, ob der Beklagte auch nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG zur Rücknahme berechtigt gewesen wäre. Auch die Voraussetzungen der Rückforderung nach § 47 Abs. 3 Nr. 1 (jetzt Abs. 3 Buchst. a) VerwVG seien gegeben; der Kläger habe Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen sind, wissentlich verschwiegen; der Kläger habe bei der Antragstellung nicht angegeben, daß er bereits 1938 einen Unfall gehabt habe, dessen Folgen nicht als Wehrdienstbeschädigung anerkannt worden seien, er habe den Sachverhalt wahrheitswidrig so dargestellt, als seien die Verletzungen die Folgen eines Unfalls aus dem Jahre 1942. Der Beklagte habe jedoch zu Unrecht die gesamten in der Zeit vom 1. September 1945 bis zum 31. Januar 1956 gewährten Versorgungsbezüge zurückgefordert; dazu sei er nicht berechtigt gewesen, denn die Regelung des § 41 VerwVG gelte nur für den zeitlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes, nur insoweit habe der Beklagte die Folgen der rechtswidrigen Bescheide beseitigen können. Da das VerwVG erst am 1. April 1955 in Kraft getreten sei, habe der Beklagte auch nur die ab 1. April 1955 gewährten Leistungen zurückfordern dürfen. Der Rückforderungsbetrag ermäßigte sich daher von 4. 108,- DM auf 560,- DM.
Das LSG ließ die Revision zu.
Gegen das am 30. November 1962 zugestellte Urteil legte der Beklagte am 29. Dezember 1962 Revision ein und beantragte,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 15. Oktober 1962 abzuändern und die Berufung des Klägers in vollem Umfang zurückzuweisen.
Der Beklagte begründete die Revision - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 28. Februar 1963 - am 27. Februar 1963: das LSG habe zu Unrecht den Rückforderungsanspruch des Beklagten nur für die in der Zeit ab 1. April 1955 gewährten Bezüge bejaht. Zwar reiche die nach § 41 VerwVG ausgesprochene "Berichtigung" durch Bescheid vom 3. August 1956 nicht über den 1. April 1955, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des VerwVG zurück; für die Zeit vorher seien Rechtsgrundlage dieses Bescheides jedoch § 26 der Sozialversicherungsanordnung (SVA) Nr. 11 vom 5. Juli 1947 und die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts. Die Vorschrift des § 26 SVA Nr. 11 stimme im wesentlichen mit § 41 VerwVG überein, sie habe bis zum 31. Dezember 1952 die Rücknahme "rechtskräftiger" Bescheide ermöglicht, wenn sich - wie hier - die Voraussetzungen der Bescheiderteilung als unzutreffend erweisen. Für die Zeit vom 1. Januar 1953 bis zum 31. März 1955 sei die Rücknahme rechtswidriger Bescheide nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts dann möglich, wenn das öffentliche Interesse an der gleichmäßigen Gewährung eines dem Gesetz entsprechenden Zustandes der Interesse des Begünstigten an dem Schutz seines Vertrauens auf den Bestand behördlicher Verfügungen überwiege. Auch diese Voraussetzung sei hier erfüllt; die Leistung öffentlicher Mittel an Personen, die keinen Anspruch darauf haben, beeinträchtige das öffentliche Interesse mehr als das private Interesse am Bezug objektiv nicht zustehender Renten.
Der Kläger beantragte,
die Revision des Beklagten zu verwerfen.
II
Die Revision ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -); sie ist auch begründet.
Angefochten ist der Bescheid des Beklagten vom 3. August 1956 (Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 1957). Durch diesen Bescheid hat der Beklagte die Bescheide vom 18. Februar 1946, 16. Dezember 1948 und 15. Juni 1951 aufgehoben, den Antrag des Klägers auf Versorgung abgelehnt und die aufgrund dieser "Bewilligungsbescheide" in der Zeit vom 1. September 1945 bis zum 31. Januar 1956 (Zeitpunkt der Einstellung der Rente) gezahlten Versorgungsleistungen im Gesamtbetrage von 4. 108,- DM zurückgefordert. Streitig ist die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides nur insoweit, als durch ihn die "Bewilligungsbescheide" zurückgenommen worden sind, die Grundlage des Rentenbezugs in der Zeit vom 1. September 1945 bis zum 31. März 1955 gewesen sind, und die Rückforderung der in dieser Zeit gewährten Leistungen (3.548,- DM); soweit durch den angefochtenen Bescheid vom 3. August 1956 die Rücknahme der "Bewilligungsbescheide" ab 1. April 1955 ausgesprochen und die Rückforderung der von diesem Zeitpunkt an gezahlten Versorgungsbezüge (560,- DM für die Zeit vom 1. April 1955 bis zum 31. Januar 1956) angeordnet worden ist, hat das LSG den Bescheid für rechtmäßig angesehen, insoweit ist nur der Kläger, nicht aber der Beklagte, der allein Revision eingelegt hat, durch das Urteil des LSG beschwert.
Das LSG hat die Frage, ob die Rücknahme der "Bewilligungsbescheide" rechtmäßig ist, nur unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob die Voraussetzungen des § 41 VerwVG vorliegen, der Vorschrift nämlich, auf die der Beklagte den angefochtenen Bescheid gestützt hat. Es hat die Voraussetzungen des § 41 VerwVG bejaht; es hat jedoch angenommen, § 41 VerwVG biete nur eine Rechtsgrundlage für die Rücknahme von "Bewilligungsbescheiden" ab 1. April 1955; dies trifft zu; die Rücknahme eines Bescheides nach § 41 VerwVG wirkt nicht über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des VerwVG (1. April 1955, vgl. § 51 Abs. 1 VerwVG) zurück (vgl. Urteil des BSG vom 26. August 1960, SozR Nr. 9 zu § 41 VerwVG). Das LSG hat jedoch allein aufgrund dieser Prüfung den angefochtenen Bescheid vom 3. August 1956 insoweit, als durch ihn auch die "Bewilligungsbescheide" für die Zeit vor dem 1. April 1955 zurückgenommen worden sind, nicht als rechtswidrig ansehen dürfen; wenn der Beklagte den angefochtenen Bescheid insoweit zu Unrecht auf § 41 VerwVG gestützt hat, so ist das LSG nicht davon entbunden gewesen, von sich aus zu prüfen, ob der Bescheid auch für die Zeit vor dem 1. April 1955 deshalb rechtmäßig ist, weil insoweit eine andere Rechtsgrundlage die Rücknahme ermöglicht hat; das Gericht, das die Rechtmäßigkeit eines Bescheides zu beurteilen hat, muß diesen Bescheid unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten prüfen; der Bescheid ist auch dann rechtmäßig, wenn er zwar keine zutreffende Begründung enthält, aber auf eine andere rechtliche Vorschrift gestützt, eine andere Begründung also "nachgeschoben" werden kann (vgl. BSG 7, 8, 13; 10, 209, 211; 13, 232, 237).
Das LSG hat festgestellt, die Unrichtigkeit der "Bewilligungsbescheide" sei darauf zurückzuführen, daß der Kläger Tatsachen, die für die Entscheidung über seinen Versorgungsantrag von wesentlicher Bedeutung gewesen sind, wissentlich verschwiegen habe; er habe bei der Antragstellung den Kraftwagenunfall "im Zivilleben vom Jahre 1938" verschwiegen und den Sachverhalt wahrheitswidrig so dargestellt, als sei die Verletzung, wegen der er Versorgung begehrt, die Folge eines wehrdienstbedingten Unfalls aus dem Jahre 1942; infolge der unwahren Angaben des Klägers seien die Feststellung von Schädigungsfolgen (Wunde am Hals, Tonlosigkeit) und die Rentenbewilligung von Anfang an unrichtig gewesen; nach der neuen Prüfung des Sachverhalts lägen bei dem Kläger Schädigungsfolgen weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung vor.
Aus diesen - für das Bundessozialgericht (BSG) bindenden - Feststellungen des LSG ergibt sich, daß die Rücknahme der Bewilligungsbescheide auch für die Zeit vor dem 1. April 1955 rechtmäßig ist. Zwar bietet § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG, der bestimmt, daß die Verwaltungsbehörde über den Versorgungsanspruch "erneut zu entscheiden hat", wenn Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen sind, wissentlich falsch angegeben und verschwiegen worden sind, insoweit keine - unmittelbare - Rechtsgrundlage; auch die Rücknahme eines Bescheides nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG wirkt nicht über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des VerwVG (1. April 1955) zurück; eine Rechtsgrundlage bieten aber insoweit - für die Zeit vor dem Inkrafttreten des VerwVG, in der es an einer dem § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG entsprechenden (gesetzlichen) Vorschrift gefehlt hat - die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts (vgl. BSG 13, 232, 238 mit weiteren Hinweisen). Sie sagen u. a., daß die Verwaltungsbehörde einen Bescheid, den der Begünstigte durch unwahre Angaben oder durch Verschweigen von rechtserheblichen Tatsachen erschlichen hat, mit Wirkung in die Vergangenheit (ex tunc) zurücknehmen darf. Das ist in Rechtsprechung und Rechtslehre allgemein anerkannt (vgl. BVerwG, zuletzt Urteil vom 18. Juni 1962, DVBl 1962, 791; BGH, Urteil vom 26. Juni 1957, Verw. Rspr. Bd. 9 - 1957 - S. 795; GE Nr. 5374 des OVA vom 15. Mai 1940, AN 1940, 219; BSG, Urteil vom 15. Dezember 1960, BSG 13, 232, 238; Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 22. März 1961, Sammlung Bd. VII, 173 sowie Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. - 1948 - S. 284; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 8. Aufl. S. 249; Wolff, Verwaltungsrecht I, 4. Aufl. S. 295; Haueisen, NJW 1954, 1427). Die erste Formulierung dieses Grundsatzes ist in § 87 der Badischen Vollzugsverordnung vom 12. Juli 1864 zum Verwaltungsorganisationsgesetz von 1863 enthalten (vgl. Jellinek, DÖV 1953, 625); in der Folgezeit hat dieser Grundsatz in zahlreichen Gesetzesentwürfen und Sondergesetzen seinen Niederschlag gefunden (vgl. Haueisen, Anm. zu dem Urteil des BFH vom 10. August 1961, StRK-Anmerkungen AO § 96 R. 27). Wenn das VerwVG die Rücknahme der von Anfang an von rechtswidrigen Versorgungsbescheiden auch nur für die Zeit nach dem 1. April 1955 regelt, so schließt das die Rücknahme solcher Verwaltungsakte nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts für die Zeit vor dem 1. April 1955 jedenfalls dann nicht aus, wenn die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG vorliegen, d. h., wenn es sich um "erschlichene Verwaltungsakte" handelt. Die Vorschrift des § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG ist lediglich Ausdruck eines ungeschriebenen Grundsatzes des allgemeinen Verwaltungsrechts, sie begründet keine von dem bisherigen Recht abweichende "neue" Ermächtigung der Verwaltungsbehörde zur Rücknahme erschlichener Verwaltungsakte; sie "bestätigt" lediglich den bisherigen Rechtszustand für das Versorgungsrecht, sie modifiziert die Ermächtigung der Verwaltungsbehörde zur Rücknahme erschlichener Verwaltungsakte für die Zeit vom 1. April 1955 an nur insoweit, als sie die Rechtmäßigkeit der Rücknahme davon abhängig macht, daß die Verwaltungsbehörde innerhalb bestimmter Fristen "tätig" wird (§ 43 VerwVG). Die auf den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts beruhende Ermächtigung und Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, erschlichene Verwaltungsakte auch für die Zeit vor dem 1. April 1955 zurückzunehmen, ist durch § 51 Abs. 2 VerwVG nicht berührt worden; die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts gehören insoweit zu dem hier anzuwendenden und zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Bescheids vom 3. August 1956 (Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 1957) geltenden Recht. Es kann dahingestellt bleiben, ob auch die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der "Bewilligungsbescheide" nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts nunmehr davon abhängt, daß die Fristen des § 43 VerwVG gewahrt sind; diese Fristen sind jedenfalls im vorliegenden Fall gewahrt. Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, daß die Versorgungsbehörde alsbald "nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes" - Eingang der Krankenkarte der früheren Kriegsmarine im März 1955, die den Hinweis auf den zivilen Kraftwagenunfall des Klägers enthalten hat - nämlich im April 1955, weitere Ermittlungen angestellt, also die "erneute Prüfung innerhalb von drei Monaten eingeleitet hat" (vgl. § 43 Abs. 1 S. 2 VerwVG aF) und daß diese erneute Prüfung auch jedenfalls nicht nach Ablauf von fünf Jahren vom Tage der letzten Entscheidung an (Bescheid nach dem BVG - Umanerkennung - vom 15. Juni 1951) erfolgt ist. Der Bescheid vom 3. August 1956 (Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 1957) ist daher entgegen der Ansicht des LSG auch insoweit rechtmäßig, als er die Rücknahme der Bewilligungsbescheide ausgesprochen hat, die Rechtsgrundlage für die Rentengewährung in der Zeit vom 1. September 1945 bis zum 31. März 1955 gewesen sind; die Revision ist somit insoweit begründet.
Die Revision ist auch insoweit begründet, als das LSG die Rückforderung der in der Zeit vom 1. September 1945 bis 31. März 1955 gewährten Versorgungsbezüge (3. 548,- DM) für rechtswidrig gehalten hat, auch insoweit ist der angefochtene Bescheid vom 3. August 1956 rechtmäßig. Das LSG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides hinsichtlich der Rückforderung der Bezüge die für die Zeit vor dem 1. April 1955 gewährt worden sind, deshalb verneint, weil es der - rechtsirrigen - Ansicht gewesen ist, die Rücknahme der "Bewilligungsbescheide" wirke nicht über den 1. April 1955 zurück; für die Zeit vom 1. April 1955 bis zum 31. Januar 1956, für die das LSG die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der "Bewilligungsbescheide" bejaht hat, hat es auch die Rückforderung für rechtmäßig gehalten. Das LSG ist zu dem Ergebnis gekommen, die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 Buchst. a VerwVG lägen vor; es hat festgestellt, der Kläger habe Tatsachen, die für die Entscheidung über seinen Antrag von wesentlicher Bedeutung gewesen sind, wissentlich verschwiegen. Diese Feststellung, die für das BSG bindend ist (§ 163 SGG), rechtfertigt auch die Rückforderung der in der Zeit vor dem 1. April 1955 gewährten Versorgungsbezüge. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 3. August 1956 (Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 1957), soweit er die Rück forderung für die Zeit vom 1. September 1945 bis zum 31. März 1955 betrifft, ebenfalls nach § 47 Abs. 3 Buchst. a VerwVG zu beurteilen ist, oder ob, da hier für die Rück nahme in diesem Zeitraum nicht die §§ 41, 42 VerwVG, auf die in § 47 Abs. 3 VerwVG abgestellt ist, sondern die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts maßgebend sind, auch allein die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts Anwendung finden; denn im vorliegenden Fall ist die Rückforderung sowohl nach dem VerwVG als auch nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts rechtmäßig. Nach § 47 Abs. 3 Buchst. a VerwVG ist der Empfänger zur Rückerstattung verpflichtet, wenn die Unrichtigkeit des "Bewilligungsbescheids" darauf beruht hat, daß der Empfänger Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen sind, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen hat. Da das LSG bindend festgestellt hat, die Verletzungen des Klägers, für die er Versorgung begehrt, seien Folgen eines Unfalls im Jahre 1938, diese Verletzungen seien weder 1939 noch 1943 von der Truppe als Wehrdienstbeschädigung anerkannt worden, der Kläger habe in seinem Antrag vom 28. August 1945 den Unfall im Jahre 1938 nicht angegeben, er habe den Sachverhalt wahrheitswidrig so dargestellt, als ob diese Verletzungen auf einen Unfall im Jahre 1942 an der Südostfront zurückzuführen seien, ist der Tatbestand des § 47 Abs. 3 Buchst. a VerwVG erfüllt. Diese Feststellungen begründen auch nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts den Rückforderungsanspruch des Beklagten für die in der Zeit vom 1. September 1945 bis zum 31. März 1955 gewährten Rentenleistungen. Ebenso wie bei der Entscheidung über die Rück nahme in diesem Fall für den Rechtsgedanken des Vertrauensschutzes kein Platz ist, weil der Kläger durch sein unlauteres Verhalten nicht schutzwürdig ist, ist auch bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rück forderung für derartige Erwägungen kein Raum. Wer, wie der Kläger, durch bewußt wahrheitswidrige Angaben bewirkt hat, daß ihm Leistungen aus öffentlich-rechtlichen Mitteln gewährt werden, die ihm nach der Rechtsordnung nicht zustehen, verdient keinen Vertrauensschutz; er ist verpflichtet, die - nach Rücknahme der Bewilligungsbescheide ex tune - zu Unrecht empfangenen Leistungen zu erstatten.
Der Bescheid vom 3. August 1956 (Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 1957) ist somit - wie das SG im Ergebnis zutreffend erkannt hat - auch insoweit rechtmäßig, als durch ihn die "Bewilligungsbescheide" für die Zeit vom 1. September 1945 bis zum 31. März 1955 zurückgenommen und die für diesen Zeitraum gewährten Rentenbezüge zurückgefordert worden sind. Das LSG hat zu Unrecht auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG insoweit aufgehoben; das Urteil des LSG ist daher abzuändern, die Berufung des Klägers ist in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen