Leitsatz (amtlich)
Bescheide, durch die Rentenerhöhungsanträge der Beschädigten mangels wesentlicher Änderung der Verhältnisse abgelehnt worden sind, sind keine Feststellungsbescheide iS des BVG § 62 Abs 2; sie müssen daher bei Berechnung der Schutzfrist von zwei Jahren außer Betracht bleiben.
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch wenn ein Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung (Rentenentziehungsbescheid) mit einer kombinierten Aufhebungs- und Leistungsklage angefochten wird, hat das Gericht seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zugrunde zu legen.
2. Bei der Klage, mit welcher der Kläger sowohl die Aufhebung des Rentenentziehungsbescheides als auch die Weitergewährung der ihm entzogenen Rente begehrt, handelt es sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage iS des SGG § 54 Abs 4.
In diesem Falle haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, falls sie den angefochtenen Bescheid bestätigen, auch darüber zu befinden, ob nicht von einem späteren Zeitpunkt an Leistungen zu gewähren sind, weil in der Zeit zwischen der Erteilung des Bescheides und dem Schluß der letzten mündlichen (Tatsachen-) Verhandlung die Voraussetzungen zur Gewährung von Leistungen erfüllt sind. Wenn vom erkennenden Senat in BSGE 12, 127 auch nur über einen Fall entschieden worden ist, in dem sich nach Erlaß des angefochtenen Verwaltungsaktes die Sach- und Rechtslage "zweifelsfrei" verändert hatte, so kann in Fällen, in denen ein hinreichender und ernstlicher Anlaß besteht zu der Annahme, daß nach Erlaß des - nicht rechtswidrigen - Verwaltungsaktes eine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist, nicht anders verfahren werden.
Normenkette
BVG § 62 Abs. 2 Fassung: 1950-12-20; SGG § 54 Abs. 4 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen vom 5. Oktober 1960 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Mit Umanerkennungsbescheid vom 23. Juni 1951 wurde dem Kläger wegen "Lungenstecksplitters links an der Innenseite der Brustwand, geringer Bronchitis, Narben am Körperstamm und linken Oberarm, größere Narbe am rechten Unterschenkel, geringgradiger Dystrophiefolgen, chronischer Mandelentzündung" vom 1. Oktober 1950 an eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v. H. bewilligt. Am 27. Mai 1953 beantragte er die Gewährung einer Badekur und die Neufestsetzung seiner Rente, weil sich seine "Kriegsbeschädigung" verschlimmert habe. Darauf stelle der Internist Dr. L in seinem Gutachten vom 20. Oktober 1953 am gesamten linken Arm des Klägers eine deutliche Umfangsdifferenz fest, verneinte aber eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen; im wesentlichen seien die erhobenen Befunde die gleichen wie früher, der Splitter in der linken Lunge sei völlig reizlos eingeheilt; im übrigen sei beim Kläger eine Tonsillektomie dringend erforderlich. Daraufhin lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) den Neufeststellungsantrag mit Bescheid vom 14. Januar 1954 ab. Der Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 1954 zurückgewiesen.
Der Kläger hat Klage erhoben und zu ihrer Begründung auf von ihm vorgelegte Bescheinigungen des Dr. B vom 13. April 1954 und des Dr. S vom 12. April 1954 Bezug genommen. Das Sozialgericht (SG) hat ein Gutachten der Medizinischen Universitätsklinik Münster (Dr. T, Dr. M) - vom 30. August 1955 - eingeholt, nach dem eine Muskelatrophie nicht festgestellt werden konnte; die Gutachter fanden jedoch Schwielen an beiden Handtellern. Im übrigen haben sie ausgeführt: Die Verwundung und der kleine Stecksplitter in der linken Lunge seien reizlos ab- bzw. eingeheilt. Die Bronchitis sei so gering, daß sie klinisch nicht mehr nachweisbar sei. Die Dystrophie sei anscheinend völlig abgeklungen. Die chronische Mandelentzündung sei durch die Entfernung der Mandeln im Jahre 1954 zur Ausheilung gebracht. Es sei keine Verschlimmerung, dagegen eher eine Besserung festzustellen. Für die geklagten Beschwerden, nämlich Schmerzen im Rücken und in der linken Seite, allgemeine Mattigkeit und Untergewichtigkeit, sei ein objektiver Befund nicht nachzuweisen. Ursache sei vermutlich die asthenische Konstitution. Die Gesamt-MdE betrage 30 v. H., der Wehrdienstbeschädigungs-(WDB) Anteil 20 v. H.
Das VersorgA hat daraufhin dem Kläger mit Bescheid vom 29. Oktober 1955 die Rente (nach einer MdE um 40 v. H.) mit Wirkung vom 1. Januar 1956 an entzogen, weil eine rentenbegründende MdE um 25 v. H. nicht mehr erreicht werde. Als weiter bestehende Schädigungsfolgen hat es dabei "reizlos verheilten Stecksplitter in der linken Lunge, reizlose Narben am Rücken, an der linken Brustseite, am linken Arm und rechten Bein sowie eine leichte Bronchitis" festgestellt.
Im Hinblick auf diesen Bescheid hat der Kläger auf sein ursprüngliches Klagebegehren verzichtet und in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem SG nur noch beantragt,
unter Abänderung des Bescheides vom 29. Oktober 1955 den Beklagten zu verurteilen, ihm Rente nach einer MdE um 40 v. H. über den Zeitpunkt der Entziehung hinaus zu zahlen.
Durch Urteil vom 15. Januar 1957 hat das SG für Recht erkannt:
Unter Abänderung des Bescheides vom 29. Oktober 1955 wird der Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Rente nach einer MdE um 30 v. H. seit dem 1. Januar 1956 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Voraussetzungen des § 62 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) für eine Neufeststellung der Rente seien gegeben, weil die Dystrophie und die chronische Mandelentzündung nicht mehr festgestellt werden könnten; mit Rücksicht auf die Atrophie der Oberarmmuskulatur müsse jedoch die MdE mit 25 v. H. bemessen werden, so daß die Rente nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren sei.
Gegen dieses Urteil haben der Beklagte Berufung, der Kläger Anschlußberufung eingelegt,
der Beklagte mit dem Antrag,
unter Abänderung des Urteils des SG Münster vom 15. Januar 1957 die Klage abzuweisen und die Anschlußberufung zurückzuweisen,
der Kläger mit dem Antrag,
1. die Berufung als unbegründet zurückzuweisen,
2. unter Abänderung des Urteils des SG Münster vom 15. Januar 1957 den Beklagten zu verurteilen, Rente nach einer MdE um 40 v. H. über den Zeitpunkt der Entziehung hinaus zu gewähren.
Das Landessozialgericht (LSG) hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Einholung eines fachchirurgischen Gutachtens (Dr. M) vom 30. September 1959 Beweis erhoben und mit Urteil vom 5. Oktober 1960 auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG abgeändert, die Klage abgewiesen und die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat ausgeführt: Der Auffassung des SG, daß beim Kläger die MdE mit Rücksicht auf die Atrophie der Oberarmmuskulatur mit 25 v. H. zu bemessen sei, sei durch das Gutachten des Dr. M vom 30. September 1959 die Grundlage entzogen worden. Die Feststellungen dieses Gutachters stimmten mit denen der Gutachter der Medizinischen Universitätsklinik in Münster darin überein, daß eine nennenswerte Atrophie der Muskulatur des linken Ober- und Unterarmes nicht vorliege und die auf internistischem Gebiet anzunehmende MdE durch den chirurgischen Befund nicht geändert werde. Durch das Gutachten der Medizinischen Universitätsklinik sei weiterhin nachgewiesen, daß die seinerzeit erhobenen Befunde die Annahme einer durch die anerkannten Schädigungsfolgen bedingten MdE um mehr als 20 v. H. nicht rechtfertigten. Der Rentenentziehungsbescheid vom 29. Oktober 1955 sei demnach im Zeitpunkt seines Erlasses nicht rechtswidrig gewesen. Damit sei die Berufung begründet und die Anschlußberufung unbegründet, soweit Rente bereits vom 1. Januar 1956 an begehrt werde. Die Anschlußberufung sei, so hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt, jedoch auch insoweit unbegründet - und die Berufung dementsprechend begründet -, als in dem Begehren des Klägers auch das auf Wiedergewährung der Rente von einem späteren, nach der Entziehung der Rente liegenden Zeitpunkt an enthalten sei. Vom Kläger im Berufungsverfahren überreichte ärztliche Atteste und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ergäben zwar die Möglichkeit, daß nachträglich - nach dem 1. Januar 1956 - eine zum Wiederbezuge einer Rente berechtigende Verschlimmerung eingetreten sei. Dem LSG sei jedoch eine Entscheidung über eine etwaige derartige Verschlimmerung und damit auch eine entsprechende Sachaufklärung verwehrt, weil der angefochtene Rentenentziehungsbescheid im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig gewesen sei, die Begründetheit der kombinierten Aufhebungs- und Verpflichtungsklage bzw. Aufhebungs- und Leistungsklage, um die es sich hier handele, aber voraussetze, daß der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig sei. Das LSG hat diese von ihm gewonnene Rechtsauffassung noch näher begründet und, weil es von Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen sei, die Revision zugelassen.
Gegen dieses ihm am 23. Januar 1961 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 1. Februar 1961 eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt. Die Revisionsbegründung ist - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 24. April 1961 - am 20. April 1961 eingegangen. Mit ihr rügt der Kläger die Verletzung des § 62 Abs. 2 Satz 1 BVG und der §§ 54, 77, 157 S. 2 SGG. Er trägt dazu vor, der Rentenentziehungsbescheid vom 29. Oktober 1955 könne rechtswirksam nicht auf § 62 Abs. 1 BVG gestützt werden, nachdem die ursprüngliche Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 14. Januar 1954 gegenstandslos geworden und dieser Ablehnungsbescheid damit bindend geworden sei. Wie sich aus der Fassung des Entziehungsbescheides vom 29. Oktober 1955 - Erteilung "im Anschluß an den Bescheid vom 14. Januar 1954" - ergebe, sei letzter Feststellungsbescheid, mit dem die Rente nach einer MdE um 40 v. H. festgestellt worden sei, der vom 14. Januar 1954 gewesen. Die Erteilung eines Rentenentziehungsbescheides habe deshalb nicht vor Ablauf von 2 Jahren erfolgen dürfen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 BVG), so daß schon aus diesem Grunde der Entziehungsbescheid vom 29. Oktober 1955 vom LSG hätte aufgehoben werden müssen; das LSG habe - aus diesem Grunde - die Berufung des Beklagten zurückweisen und der Anschlußberufung (mit dem Antrag, die Rente nach einer MdE um 40 v. H. über den 1. Januar 1956 hinaus weiterzugewähren) stattgeben müssen. Darüber hinaus tritt die Revision der Rechtsauffassung des LSG entgegen, daß es ihm - trotz der zusätzlich erhobenen Leistungsklage - verwehrt sei, bei der Entscheidung über den geltend gemachten Rentenanspruch etwaige nach Erlaß des angefochtenen Rentenentziehungsbescheides vom 29. Oktober 1955 eingetretene Änderungen (zum Wiederbezuge einer Rente berechtigende Verschlimmerungen) zu berücksichtigen. Entgegen dieser Auffassung habe das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung die vom Kläger behauptete und durch Vorlage ärztlicher und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachgewiesene Änderung der Sachlage nach Erlaß des Bescheides vom 29. Oktober 1955 berücksichtigen und insoweit seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zugrunde legen müssen. Das Berufungsgericht habe insbesondere noch tatsächliche Feststellungen unter Berücksichtigung der vom Kläger erst im Berufungsverfahren neu vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel (§ 157 Satz 2 SGG) darüber treffen müssen, ob nach Erlaß des Entziehungsbescheides vom 29. Oktober 1955 eine zum Wiederbezug einer Rente berechtigende Verschlimmerung in den anerkannten Schädigungsfolgen eingetreten sei.
Der Kläger beantragt,
1. das angefochtene Urteil aufzuheben, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Münster vom 15. Januar 1957 zurückzuweisen, auf die Anschlußberufung des Klägers das Urteil des SG abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 29. Oktober 1955 zu verurteilen, dem Kläger Rente nach einer MdE um 40 v. H. über den Zeitpunkt der Entziehung (1. Januar 1956) hinaus zu gewähren,
2. hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist vom Kläger form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 Abs. 1 Satz 1 SGG) und deshalb zulässig.
Die Revision ist auch begründet.
Das LSG ist in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BSG (s. dazu BSG 2, 229, 231 ff) bei seiner Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, daß die Anschließung des Klägers an die Berufung des Beklagten zulässig gewesen ist. Es hat deshalb zu Recht sowohl über die Berufung des Beklagten als auch über die Anschlußberufung des Klägers entschieden.
Die Revision rügt zunächst, das LSG habe gegen § 62 Abs. 2 Satz 1 BVG verstoßen, weil es bei der Entscheidung über den Rentenentziehungsbescheid vom 29. Oktober 1955 die in dieser Vorschrift vorgesehene (Schutz-) Frist von zwei Jahren nicht beachtet habe. Der Entziehungsbescheid hätte, weil rechtswidrig, aus diesem Grunde aufgehoben werden müssen. Damit kann sie keinen Erfolg haben. Nach § 62 Abs. 2 BVG darf die Grundrente eines Beschädigten nicht vor Ablauf von 2 Jahren nach Zustellung des Feststellungsbescheides gemindert oder entzogen werden, es sei denn, daß durch Heilbehandlung eine wesentliche und nachhaltige Steigerung der Erwerbsfähigkeit erreicht worden ist. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist, daß der Versorgungsberechtigte, dem durch Feststellungsbescheid der Verwaltungsbehörde eine Grundrente zugebilligt worden ist, für die Dauer von 2 Jahren grundsätzlich mit dem Bezug dieser Rente rechnen können soll und muß, ehe eine Änderung durch Entziehung oder Minderung erfolgen darf. Feststellungsbescheid in diesem Sinne kann jedoch nur ein Bescheid sein, mit dem - im Wege entweder der Erst- oder der Neufeststellung - materiell-rechtlich der geltend gemachte Anspruch behandelt worden und tatsächlich die Feststellung einer Grundrente in bestimmter Höhe erfolgt ist. Deshalb müssen bei Berechnung der Zweijahresfrist solche Bescheide außer Betracht bleiben, durch die Anträge des Versorgungsberechtigten auf Rentenerhöhung mangels wesentlicher Änderung der Verhältnisse abgelehnt worden sind. Denn als Ausnahme von der Regel des § 62 Abs. 1 BVG, nach dem die Versorgungsbezüge neu festgestellt werden müssen, wenn in den für die Feststellung maßgebend gewesenen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eintritt, bedarf § 62 Abs. 2 Satz 1 BVG einer engen Auslegung (vgl. Wilke, Bundesversorgungsgesetz, Handkommentar, 1960, § 62 An. II; Thannheiser-Wende-Zech, Handbuch des Bundesversorgungsrechts, 3. Aufl., 27. Erg.Lfg., § 62 Erl. S. 6; van Nuis-Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, VI. Teil, § 62 Erl. 2 b u. c). Diese Ausnahmevorschrift darf nicht dazu führen, daß der Empfänger einer Grundrente dadurch, daß er innerhalb der 2-Jahresfrist sachlich unbegründete, aber durch formelle Bescheide abzuweisende Rentenerhöhungsanträge stellt, willkürlich - durch Wiederholungen sogar auf weite Zeit hinaus - eine Verlängerung der Frist herbeizuführen in der Lage ist oder herbeiführt (vgl. zu § 57 des Reichsversorgungsgesetzes - RVG - RVG 7, 127 ff). Dabei bedarf es im vorliegenden Fall keiner Prüfung und Entscheidung, wie gegebenenfalls solche Bescheide zu beurteilen sind, in denen zwar nach einer Richtung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse festgestellt, diese aber durch Änderungen nach anderer Richtung ausgeglichen und deshalb in der Gesamtwirkung auf die Versorgungsbezüge eine Änderung nicht festgestellt wird. Denn im Falle des Klägers ist mit dem Bescheid vom 14. Januar 1954 zweifelsfrei allein der Antrag auf Rentenerhöhung wegen angeblicher Verschlimmerung der als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen (Änderung der Verhältnisse i. S. des § 62 Abs. 1 BVG) abgelehnt worden. Das ergibt sich schon aus der Bescheidbezeichnung "Bescheid über die Ablehnung eines Antrages auf Neufeststellung der Versorgungsbezüge nach § 62 BVG", und daran ändert nichts, daß hierbei - in Verbindung mit der Antragsablehnung - die Höhe der MdE mit 40 v. H. angegeben worden ist; denn diese Angabe ist lediglich noch ein ausdrücklicher Hinweis darauf, daß wegen der fehlenden Voraussetzungen für eine Erhöhung der Versorgungsbezüge die MdE wie schon vorher unverändert 40 v. H. betrage. Deshalb ist auch unerheblich, daß der Bescheid vom 14. Januar 1954 dadurch bindend geworden ist (§ 77 SGG), daß der Kläger schon im Klageverfahren seinen gestellten Sachantrag auf die Abänderung des Rentenentziehungsbescheides vom 29. Oktober 1955 beschränkt und sein ursprüngliches, mit dem Bescheid vom 14. Januar 1954 abgelehntes Begehren auf Erhöhung seiner Versorgungsbezüge wegen angeblicher Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen fallengelassen hat; die Rechtslage wäre nicht anders, wenn der Bescheid vom 14. Januar 1954 mangels Einlegung eines Rechtsbehelfs sogleich bindend geworden wäre. Ebenso unerheblich ist im übrigen der im Rentenentziehungsbescheid vom 29. Oktober 1955 enthaltene Vermerk "im Anschluß an den Bescheid vom 14. Januar 1954". Dieser dem Kläger zuletzt erteilte Bescheid stellt im Hinblick auf die Ablehnung des Rentenerhöhungsantrages gleichzeitig eine Bestätigung des Umanerkennungsbescheides vom 23. Juni 1951 sowohl hinsichtlich der als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen als auch der MdE dar. Die Versorgungsbehörde hat daher mit dem Vermerk lediglich zum Ausdruck gebracht, daß der Bescheid vom 14. Januar 1954 wegen Änderung der Verhältnisse (Wegfall von Schädigungsfolgen, Änderung der Leidensbezeichnungen bei den weiter anerkannten Gesundheitsstörungen und Änderung der MdE von 40 v. H. auf 20 v. H.) keine Gültigkeit mehr haben sollte; der Kläger sollte mit diesem Vermerk allein darauf hingewiesen werden, daß er vom Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides (vom 29. Oktober 1955) an den für ihn in jeder Beziehung günstigeren vom 14. Januar 1954 ebenso wie den mit ihm bestätigten Umanerkennungsbescheid vom 23. Juni 1951 nicht mehr - etwa bei der Inanspruchnahme von Heilbehandlung nach dem BVG oder zur Erlangung steuerlicher Vorteile - verwenden durfte. Ist aber hiernach der die beantragte Rentenerhöhung ablehnende Bescheid vom 14. Januar 1954 kein "Feststellungsbescheid" i. S. des § 62 Abs. 2 Satz 1 BVG, so kann als solchen "Feststellungsbescheid" nur auf den Umanerkennungsbescheid vom 23. Juni 1951 zurückgegriffen werden; denn mit diesem sind die Versorgungsbezüge des Klägers erstmalig nach dem BVG festgestellt worden, ohne daß sie bis zur Erteilung des Rentenentziehungsbescheides vom 29. Oktober 1955 geändert, gemindert oder entzogen worden wären. Damit ist aber die zweijährige Schutzfrist des § 62 Abs. 2 Satz 1 BVG weit überschritten, so daß diese Vorschrift im Oktober 1955 einer Minderung der Entziehung der Versorgungsbezüge durch die Verwaltungsbehörde nicht mehr hindernd im Wege stand. Das LSG hat somit § 62 Abs. 2 Satz 1 SGG nicht verletzt. Da im übrigen ein Verstoß gegen § 62 Abs. 1 BVG nicht gerügt bzw. die zunächst erhobene Rüge nicht aufrechterhalten worden ist, im übrigen insoweit auch die Feststellungen des LSG nicht angegriffen worden sind, hat dieses zutreffend entschieden, daß der Rentenentziehungsbescheid vom 29. Oktober 1955 im Zeitpunkt seines Erlasses nicht rechtswidrig gewesen ist und dem Kläger deshalb ein Anspruch auf Rente schon mit Wirkung vom 1. Januar 1956 an nicht zusteht. Hinsichtlich der Rüge der Verletzung der §§ 54, 157 Satz 2 SGG konnte der Revision der Erfolg jedoch nicht versagt werden. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei der Klage, mit der der Kläger sowohl die Aufhebung des Rentenentziehungsbescheides vom 29. Oktober 1955 als auch die Weitergewährung der ihm mit Wirkung vom 1. Januar 1956 an entzogenen Rente begehrt, um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage i. S. des § 54 Abs. 4 SGG handelt. Es hat ebenso zutreffend ausgeführt, daß das Vorbringen des Klägers während des Berufungsverfahrens nicht nur das Begehren enthalte, die entzogene Rente bereits vom 1. Januar 1956 an weiterzugewähren, sondern auch das weitere, die Rente - wenigstens - von einem späteren, nach dem 1. Januar 1956 liegenden Zeitpunkt an wiederzugewähren; das ergebe sich aus den dem Berufungsgericht vorgelegten ärztlichen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, nach denen auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden könne, daß nachträglich nach dem 1. Januar 1956 eine zum Wiederbezuge einer Rente berechtigende Verschlimmerung der Schädigungsfolgen eingetreten sei. Zu Unrecht - und entgegen der ständigen Rechtsprechung des BSG - hat das Berufungsgericht aber angenommen, daß ihm eine Entscheidung über eine nach dem 1. Januar 1956 eingetretene Verschlimmerung der Schädigungsfolgen des Klägers verwehrt sei, weil - als hier allein entscheidend - der angefochtene Rentenentziehungsbescheid im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig gewesen sei und die Begründetheit der Aufhebungs- und Leistungsklage voraussetze, daß der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig sei. In Fällen wie im vorliegenden, in denen gegen einen Bescheid Klage auf Aufhebung und Verurteilung zur Gewährung von Leistungen erhoben wird, haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, falls sie den angefochtenen Bescheid bestätigen, auch darüber zu befinden, ob nicht von einem späteren Zeitpunkt an Leistungen zu gewähren sind, weil in der Zeit zwischen der Erteilung des Bescheides und dem Schluß der letzten mündlichen (Tatsachen-)Verhandlung die Voraussetzungen zur Gewährung von Leistungen erfüllt sind (vgl. BSG 12, 127, 130). Der erkennende Senat hat zu dieser Frage ausgeführt. (BSG aaO), "Die Sozialgerichtsbarkeit stellt eine richterliche Kontrolle dar, sie hat also zunächst die Aufgabe zu prüfen, ob die Verwaltungsbehörde beim Erlaß eines Verwaltungsaktes rechtmäßig gehandelt hat; daraus ergibt sich, daß maßgebend für die richterliche Prüfung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts zu sein hat (BSG 7, 8, 13). Die Versorgungsbehörden nehmen aber während eines anhängigen Rechtsstreits nicht nur eine reine Parteistellung ein, sondern sie hören auch während des Rechtsstreits - bis zum letzten Rechtszug - nicht auf, sozialfürsorgerisch tätig zu sein; sie haben dabei die Verpflichtung, auch während eines Rechtsstreits ihre Verwaltungsmaßnahmen einer nach Erlaß des angefochtenen Verwaltungsakts zweifelsfrei veränderten Sach- und Rechtslage gegebenenfalls durch Setzen eines neuen Verwaltungsakts anzupassen. Unterlassen sie dies, so verstoßen sie gegen eine Rechtsverpflichtung und unterlassen rechtswidrig einen Verwaltungsakt; damit ist aber dann die Möglichkeit zur Erhebung einer Verpflichtungs- und Leistungsklage gegeben, die entweder wie vorliegend aus dem Sachantrag gefolgert oder durch Ausübung des richterlichen Fragerechts erzielt werden kann. Das gilt insbesondere für Verwaltungsakte ohne Dauerwirkung, die entweder einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung betreffen (z. B. Rentenentziehung) oder den Erlaß eines solchen ablehnen (z. B. Rentenablehnung). In beiden Fällen sind die Verwaltungsakte (ohne Dauerwirkung) für die Zeit des Streitverfahrens als nicht abgeschlossen anzusehen, weil die Bindungswirkung des § 77 SGG fehlt und sowohl die Entziehung der Leistung als auch der Leistungsantrag noch der richterlichen Entscheidung unterworfen sind (BSG 7, 129, 134; vgl. auch BSG im SozR SGG § 54 Bl. Da 6 Nr. 24). Das aber zwingt in diesen Fällen zum Beurteilen des Verwaltungsakts nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des (tatrichterlichen) Urteils (vgl. hierzu auch BSG 6, 136, 141, 142; 7, 129, 133 ff; 12, 58, 60; SozR SGG § 54 Bl. Da 6 Nr. 24; SozR SGG § 162 Bl. Da 12 Nr. 52). Wenn dabei vom erkennenden Senat in BSG 12, 127, 130 auch nur über einen Fall entschieden worden ist, in dem sich nach Erlaß des angefochtenen Verwaltungsaktes die Sach- und Rechtslage "zweifelsfrei" verändert hatte, so kann in Fällen wie dem vorliegenden, in denen ein hinreichender und ernstlicher Anlaß besteht zu der Annahme, daß nach Erlaß des - nicht rechtswidrigen - Verwaltungsaktes eine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist, nicht anders verfahren werden (vgl. BSG 6, 136, 142; SozR SGG § 54 Bl. Da 6 Nr. 25). Gerade im Falle des Klägers bestand aber ein solcher Anlaß zu der Annahme, daß sich nach Erlaß des Rentenentziehungsbescheides vom 29. Oktober 1955 die Sach- und Rechtslage dahingehend geändert haben könnte, daß nach dem 1. Januar 1956 beim Kläger eine zum Wiederbezuge einer Rente berechtigende Verschlimmerung seiner anerkannten Schädigungsfolgen eingetreten sei. Das hat das LSG wie bereits dargelegt selbst festgestellt, wenn es ausgeführt hat, vom Kläger im Laufe des Berufungsverfahrens vorgelegte, sein Leistungsbegehren stützende ärztliche und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ergäben die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage. Das Berufungsgericht hätte deshalb die behauptete, im Berufungsverfahren geltend gemachte und von ihm selbst als möglich angesehene Änderung der Sach- und Rechtslage nach Erlaß des Rentenentziehungsbescheides vom 29. Oktober 1955 berücksichtigen und insoweit seiner Entscheidung die behauptete - und mögliche - Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zugrunde legen müssen. Da es dies nicht getan hat, hat es sowohl gegen § 54 SGG als auch gegen § 157 Abs. 2 SGG verstoßen, nach dem im Berufungsverfahren neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel vom LSG berücksichtigt werden müssen. Das angefochtene Urteil mußte deshalb aufgehoben werden. Dabei war dem erkennenden Senat eine eigene Sachentscheidung nicht möglich, da die für eine solche notwendigen Feststellungen des LSG - dieses hat von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus eine entsprechende Sachaufklärung nicht für erforderlich gehalten - nicht vorliegen und dem Revisionsgericht eigene Tatsachenfeststellungen verwehrt sind. Die Sache war deshalb zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Vordergericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen