Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des Kindergeldgesetzes (KGG)

 

Orientierungssatz

Das KGG ist auf Grund der Gesetzgebungskompetenz des Bundes ordnungsgemäß zustandegekommen. Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz, insbesondere in den Beitragsvorschriften, liegen nicht vor (vgl BVerfG 1960-05-10 1 BVR 190/58 = BVerfGE 11, 105 und BSG 1957-12-20 7 RKg 4/56 = BSGE 6, 213).

 

Normenkette

KGG § 11 Fassung: 1954-11-13, § 14 Fassung: 1954-11-13, § 10 Fassung: 1954-11-13; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 74 Nr. 7

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 06.06.1958)

SG Lübeck (Entscheidung vom 27.01.1958)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. Juni 1958 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Rechtsanwalt in I... Er wurde von der beklagten Familienausgleichskasse zu Beiträgen und Vorschüssen nach dem Kindergeldgesetz (KGG) herangezogen. Mit Bescheid vom 6. August 1956 forderte die Beklagte von ihm einen Restbeitrag für das Jahr 1955 in Höhe von 35,-- DM sowie einen Beitragsvorschuß für das Jahr 1956 in Höhe von 200,-- DM.

Dieser Verwaltungsakt wurde mit der Klage angefochten. Während des Sozialgerichtsverfahrens ging dem Kläger überdies ein Auszug der Beklagten aus ihrer Heberolle vom 14. Oktober 1957 zu, wonach sie einen endgültigen Beitrag für 1956 in Höhe von 200,-- DM sowie einen Vorschuß für 1957 in Höhe von ebenfalls 200,-- DM von ihm verlangte. Der Kläger begehrte Aufhebung der Bescheide über seine Heranziehung zu Beiträgen nach dem KGG für die Jahre 1955, 1956 und 1957, sowie Verurteilung der Beklagten, seine weitere Heranziehung zu Beiträgen nach dem KGG zu unterlassen. Diesen Klageanspruch begründete der Kläger mit der Verfassungswidrigkeit des KGG.

Das Sozialgericht (SG) Lübeck wies die Klage ab (Urteil vom 27. Januar 1958). Als Gegenstand des Verfahrens sah es die angefochtenen Bescheide insoweit an, als Beiträge für die Jahre 1955 und 1956 verlangt wurden (§ 96 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Für unbegründet hielt es die vom Kläger vorgetragenen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des KGG. Dieser legte Berufung ein und machte wiederum die Verfassungswidrigkeit des KGG geltend; er beantragte die Aufhebung des SG-Urteils und der angefochtenen Bescheide, soweit mit diesen Beiträge für 1955 und 1956 verlangt wurden. Ferner begehrte er, die Beklagte für verpflichtet zu erklären, Beitragsforderungen an ihn zu unterlassen. Wegen der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit des KGG stellte er darüber hinaus den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens und Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Mit Urteil vom 6. Juni 1958 wies das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurück. Die angefochtenen Verwaltungsakte seien nicht fehlerhaft. Sie seien sowohl von der zuständigen Behörde erlassen worden, als auch nicht mit einem Formmangel behaftet. Insbesondere schade der Mangel der handschriftlichen Unterzeichnung und der Rechtsmittelbelehrung nicht. Der Kläger könne ihre Rechtswidrigkeit auch nicht damit begründen, daß das KGG verfassungswidrig sei. Der Bund habe gemäß Art. 74 GG die Gesetzgebungskompetenz hierfür gehabt. Durch die Errichtung des Gesamtverbandes der Familienausgleichskassen sei keine unzulässige Mischverwaltung begründet worden. Das KGG enthalte ferner keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Sowohl für die Regelung der Aufbringung der Mittel als auch des Ausgleichs unterschiedlicher Belastungen seien sachliche Erwägungen gegeben. Eine Verletzung des Art. 3 GG sei des weiteren nicht darin zu finden, daß der Personenkreis, der von den Erträgnissen seines Vermögens lebt, von der Beitragspflicht nicht erfaßt werde. Schließlich sei auch die Zuteilung des Klägers zu einer Familienausgleichskasse bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft nicht zu beanstanden, da die Zusammenfassung verschiedener Berufe bei dieser Familienausgleichskasse auf der sachlichen Erwägung beruhe, dort alle die Unternehmer zu erfassen, die ihre Ziele in einem büromäßigen Betrieb verfolgen. In der gesetzlich begründeten Mitgliedschaft zur Familienausgleichskasse liege auch kein Verstoß gegen die durch das GG gewährleistete Koalitionsfreiheit. Auf die weitere Rüge, die §§ 34 Abs. 3 und 37 KGG seien wegen Verstoßes gegen Art. 80 GG nichtig, komme es für die Entscheidung des LSG nicht an, da die Beitragspflicht des Klägers hiervon nicht berührt werde. Revision wurde zugelassen.

II. Gegen das am 21. August 1958 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. September 1958 Revision eingelegt und diese an demselben Tage begründet.

Er hält wesentliche Vorschriften des KGG für verfassungswidrig. Insbesondere verstoße § 10 KGG gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG; es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum der Personenkreis, der seinen Lebensunterhalt ausschließlich aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung bestreite, von der Beitragspflicht nach dem KGG befreit werde. Diese Regelung sei willkürlich und daher verfassungswidrig. Ebenso mache die sachwidrige Bevorzugung der Landwirtschaft bei der Aufbringung der Beiträge nach § 11 KGG dieses Gesetz verfassungswidrig, da auch insoweit ein Verstoß gegen Art. 3 GG vorliege. Der Gesetzgeber habe mit der Freistellung der Landwirte von der Aufbringung der Mittel in Höhe von zwei Dritteln gegenüber allen anderen Berufsständen willkürlich gehandelt. Das gelte auch für die die Landwirtschaft bevorzugende Zuschußregelung des § 14 KGG, der somit ebenfalls gegen den Gleich behandlungs- und Gleichheitsgrundsatz verstoße. Das KGG sei weiterhin deshalb nichtig, weil der Bund nicht die Befugnis zur Gesetzgebung über die im KGG geregelte Materie innegehabt habe. Insbesondere lasse sich eine derartige Kompetenz nicht aus Art. 74 Ziff. 12 GG begründen, da es sich diesbezüglich nicht um ein zum Sozialversicherungs- oder Arbeitsrecht gehörendes Sachgebiet handele. Ferner beständen gegen die Regelung der §§ 25, 26 KGG, wonach der Arbeitgeber über den Kindergeldantrag in den positiven Fällen entscheiden könne, verfassungsrechtliche Bedenken, die die Nichtigkeit des gesamten Gesetzes nach sich zögen. Das müsse auch für die in §§ 34 Abs. 3 und 37 KGG ausgesprochenen Ermächtigungen gelten, die gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verstießen. Schließlich sei § 1 KGG verfassungswidrig. Es stelle eine unzulässige Ungleichbehandlung dar, wenn das Kindergeld nach diesem Gesetz erst vom dritten Kind an gezahlt würde, während die Kinderzuschläge der Beamten und Angestellten - im öffentlichen Dienst bereits vom ersten Kind an gewährleistet seien. Wegen aller dieser Bedenken gegen das KGG hätte das LSG das Verfahren gemäß Art. 100 GG aussetzen und die Entscheidung des BVerfG einholen müssen. Die Nichtaussetzung durch das LSG stelle einen Verfahrensmangel dar.

Der Kläger hielt seine Bedenken gegen das KGG auch nach Kenntnisnahme des Urteils des BVerfG vom 10. Mai 1960 aufrecht.

Er beantragte,

die vorinstanzlichen Urteile sowie die Beitragsrechnung der Beklagten vom 6. August 1956 und die Beitragsfestsetzung für 1956 im Heberollenauszug vom 14. Oktober 1957 aufzuheben und die Beklagte für verpflichtet zu erklären, die Heranziehung des Klägers zu Beiträgen und Vorschüssen zu unterlassen.

hilfsweise,

das Verfahren zwecks Herbeiführung einer Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit des KGG auszusetzen.

Die Beklagte beantragte,

die Revision zurückzuweisen.

Sie bezog sich auf die Entscheidungen des 7. Senats des BSG vom 20. Dezember 1957 zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des KGG, die sie auch für den vorliegenden Fall für zutreffend erachtet.

Beide Beteiligten, nämlich die Beklagte im Schriftsatz vom 6. Dezember 1958, der Kläger im Schriftsatz vom 20. September 1958, erklärten sich mit einer Entscheidung über die Revision ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

III. Die Revision ist statthaft (§ 162 Abs. 1 Satz 1 SGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Sie ist daher zulässig.

Die Revision ist nicht begründet.

Der Senat vermochte der Auffassung des Klägers von der Verfassungswidrigkeit des KGG und damit von der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte nicht zu folgen. Es bestand für ihn daher auch kein Anlaß, das anhängige Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Eines solchen Vorgehens bedarf es nämlich nur dann, wenn das Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt (Art. 100 GG i.V.m. § 80 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes - BVerfGG - vom 12. März 1951 - BGBl I 243 -). Aus diesem Grunde ist ebenfalls die Rüge des Klägers unbegründet, das LSG hätte das Verfahren wegen der Bedenken, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des KGG bestünden, aussetzen und die Entscheidung des BVerfG herbeiführen müssen. Bloße Zweifel an der Gültigkeit des KGG hätten auch in der Berufungsinstanz die Einholung der Entscheidung des BVerfG nicht gerechtfertigt; das vorlegende Gericht muß vielmehr die betreffende gesetzliche Regelung für nichtig halten, d.h. von ihrer Nichtigkeit überzeugt sein (vgl. BVerfGE vom 20. März 1952 in NJW 1952, 497; Geiger, Komm. zum BVerfGG Anm. 1 zu § 80; Hamann, Komm. zum GG 2. Aufl. Anm. B 4 zu § 100). Die Begründung des angefochtenen Urteils offenbart indessen die Überzeugung des LSG von der Übereinstimmung des KGG mit dem Grundgesetz. Für eine Aussetzung des Verfahrens gemäß Art. 100 GG i.V.m. § 80 BVerfGG war dann aber kein Raum mehr.

Soweit der Kläger in der die Landwirtschaft begünstigenden Regelung der §§ 11 und 14 KGG einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG erblickt, der die Nichtigkeit des KGG nach sich ziehe, kann er nicht gehört werden. In seinem Urteil vom 10. Mai 1960 hat das BVerfG festgestellt, daß diese Regelung nicht willkürlich ist und Art. 3 GG nicht. verletzt (vgl. BVerfGE 11, 105, 121; NJW 1960, 1099; MDR 1960, 560; JZ 1961, 21). Wenngleich dieser Entscheidung des BVerfG eine Bindungswirkung im Sinne von § 31 Abs. 1 BVerfGG nicht zukommt, da ihr Tenor keinen förmlichen Ausspruch über die Verfassungsmäßigkeit des KGG allgemein oder einzelner seiner Vorschriften enthält, sondern die gegen das KGG gerichteten Verfassungsbeschwerden als unbegründet zurückweist (vgl. Geiger aaO Anm. 2 zu § 31), besteht für den erkennenden Senat kein Anlaß, von der dort bekundeten Auffassung des BVerfG abzuweichen, zumal das BVerfG mit dieser Entscheidung seinerseits wiederum die Rechtsprechung des erkennenden Senats bestätigte, der in seinen beiden Urteilen vom 20. Dezember 1957 (BSG 6, 213, 237, 238 ff) zu dem gleichen Ergebnis gekommen war. Auf die ausführlichen Entscheidungsgründe dieses Urteils wird zur Begründung der Verfassungsmäßigkeit der §§ 11 und 14 KGG auch in diesem Rechtsstreit verwiesen. Es sind auch keine Gesichtspunkte vorgebracht oder sonstwie erkennbar geworden, die nicht bereits sowohl bei dem o.a. Urteil des BVerfG als auch bei den o.a. Entscheidungen des erkennenden Senats Beachtung gefunden hätten, so daß eine andere Beurteilung dieser Frage nicht gerechtfertigt ist.

Unzutreffend ist ferner der Einwand des Klägers, dem Bund habe zum Erlaß des KGG die Gesetzgebungskompetenz gefehlt und es sei daher aus diesem Grunde nichtig. Auch diese Rechtsfrage ist bereits durch die oben zitierten Urteile des BVerfG und des erkennenden Senats mit eingehender Begründung im positiven Sinne beantwortet worden. Der Kläger konnte demgegenüber neue Argumente nicht vorbringen, so daß für den Senat eine Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung nicht veranlaßt war. Hiernach ist festzustellen, daß die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes bezüglich des KGG aus Art. 74 Nr. 7 und Nr. 12 GG begründet ist, da die Kindergeldgesetzgebung einmal zum Aufgabengebiet der öffentlichen Fürsorge im weiteren - verfassungsrechtlichen - Sinne gehört, es sich beim KGG aber zugleich um "Recht der Sozialversicherung" handelt. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die Urteile des erkennenden Senats vom 20. Dezember 1957 (aaO) verwiesen.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt ferner nicht in der Gewährung des Kindergeldes erst für das dritte und jedes weitere Kind (Rechtslage vor Inkrafttreten des Kindergeldkassengesetzes - KGKG - vom 18. Juli 1961), während die Angehörigen des öffentlichen Dienstes einen Kinderzuschlag bereits vom ersten Kind an erhalten. Zu dieser Frage hat der Senat in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 1957 (BSG 6, 213, 232) ebenfalls Stellung genommen und ausgeführt, daß ein Vergleich beider Leistungen deshalb nicht möglich ist, weil der Kinderzuschlag der im öffentlichen Dienst Beschäftigten seit jeher einen Bestandteil des Gehalts oder Entgelts darstellt und als Einkommen versteuert werden muß. Das Kindergeld dagegen besitzt keinen Entgeltcharakter und stellt auch nicht einen Bestandteil des Arbeitsentgelts dar. Es ist deshalb nicht im Tariflohn enthalten, sondern wird als steuerfreie Beihilfe gewährt. Wegen der Einzelheiten wird auf die o.a. Entscheidung des Senats verwiesen. Auch in diesem Punkt sah der Senat sich weder aus den vom Kläger vorgebrachten Gründen noch aus anderen Erwägungen veranlaßt, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen.

Ob ferner die Vorschriften der §§ 25, 26, 34 Abs. 3 und 37 KGG wegen Verstoßes gegen Verfassungsgrundsätze nichtig sind, wie der Kläger behauptet, brauchte der Senat in diesem Rechtsstreit nicht zu entscheiden. Selbst wenn nämlich diese. Frage zu bejahen wäre, zöge dies nicht die Nichtigkeit des § 10 KGG als der für die vom Kläger angefochtenen Bescheide maßgeblichen Rechtsgrundlage nach sich, so daß jene Bescheide gleichwohl rechtens blieben. Die Nichtigkeit einzelner Vorschriften eines Gesetzes bedingt nämlich nicht grundsätzlich die Nichtigkeit auch aller sonstigen Vorschriften dort. Diese Folge ist nur dann anzunehmen, wenn nach dem objektiven Sinn des Gesetzes die übrigen Bestimmungen keine selbständige Bedeutung haben und die verfassungswidrige Norm Teil einer Gesamtregelung ist, die ihren Sinn und ihre Rechtfertigung bei Wegfall eines ihrer Bestandteile verlöre, wenn also die Verflechtung der nichtigen Norm mit den übrigen Bestimmungen dergestalt ist, daß sie eine untrennbare Einheit bilden (vgl. BVerfGE 1, 264, 272; 2, 380, 406; 5, 25, 34; 8, 71, 79; 6, 273, 281; 8, 274, 301). §§ 25, 26 KGG enthalten lediglich Verfahrensregelungen in bezug auf Antragstellung und Bescheiderteilung. § 34 Abs. 3 stellt eine Ermächtigung der Bundesregierung dar, hinsichtlich der durch § 34 Abs. 1 und 2 KGG vom Bezug des Kindergeldes ausgeschlossenen Personengruppen Ausnahmen im Verordnungswege zuzulassen. § 37 KGG ermächtigt die Bundesregierung, einen bestimmten Teil des Verfahrens beim Bezug des Kindergeldes durch Rechtsverordnung zu regeln. Keine der genannten und vom Kläger für nichtig gehaltenen Vorschriften ist für die in § 10 KGG geregelte Beitragspflicht von wesentlicher oder ausschlaggebender Bedeutung. Auch sind sie mit allen übrigen Bestimmungen des KGG nicht so verknüpft, daß sie mit diesen eine untrennbare Einheit bilden und daß deren Bestand ohne die genannten Regelungen undenkbar wäre, jene nach dem objektiven Sinn des Gesetzes also keine selbständige Bedeutung hätten. Gerade im Verhältnis zu dem einen Kernpunkt des KGG bildenden § 10 sind die genannten Vorschriften sogar nur von untergeordneter Bedeutung. Infolgedessen ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, daß es für die Frage der Nichtigkeit des § 10 aaO, damit für die Frage der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide, nicht darauf ankommt, ob die §§ 25, 26, 34 Abs. 3 und 37 KGG verfassungsrechtlich zu halten sind oder nicht. Für § 34 Abs. 3 KGG hat übrigens sowohl das BVerfG (BVerfGE 11, 105, 122) als auch der erkennende Senat (BSG 6, 238, 244) dessen Vereinbarkeit mit Art. 80 GG bereits bejaht.

Unzutreffend ist schließlich auch die Rüge des Klägers, ein die Verfassungswidrigkeit des KGG ergebender Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG liege darin, daß der Personenkreis, der seinen Lebensunterhalt ausschließlich aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung bestreitet, nicht beitragspflichtig, wohl aber kindergeldberechtigt sei (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Ergänzung des Kindergeldgesetzes - KGEG - vom 23. Dezember 1955 - BGBl I 841 -). Dieses Ergebnis beruht auf der Tatsache, daß der Gesetzgeber zwecks Aufbringung der für die Kindergeldleistung erforderlichen Mittel bewußt den Weg der einseitigen Belastung der tätigen Wirtschaft gewählt hat, und zwar in Anknüpfung an die Organisation der Berufsgenossenschaften. Sowohl das BVerfG (BVerfGE 11, 105, 115 ff) als auch der erkennende Senat (BSG 6, 213, 233 ff) haben hierzu festgestellt, daß die Beitragsverpflichtung der auch die Lasten der Unfallversicherung tragenden Unternehmer und Selbständigen (einschließlich der für das Kindergeld geltenden Sonderegelungen) nicht willkürlich gewählt wurde, sondern von sachlichen Erwägungen geleitet ist. Jedenfalls reichen die Bedenken, die gegen eine derartige Belastung eines bestimmten Personenkreises zugunsten aller bestehen, nicht aus, diese Regelung als Verstoß gegen Art. 3 GG anzusehen, selbst wenn - wie das BVerfG (aaO) ausführt - "von der Idee der Gerechtigkeit her bessere Lösungen vorstellbar" sind. Wegen der Einzelheiten wird auf die einschlägigen Gründe der angeführten Entscheidungen verwiesen. Es ist dort zwar nicht zusätzlich auf den vom Kläger herausgegriffenen Kreis der nicht oder nicht mehr im Erwerbsleben stehenden Personen, die vom Kapitalertrag, von Pacht- oder Mieteinnahmen leben, eingegangen. Wenn aber schon ein Grundgesetzverstoß durch die Beschränkung der Beitragspflicht auf die Unternehmerseite im Verhältnis zu der Vielzahl der Arbeitnehmer verneint wird, so muß das gleiche um so mehr im Verhältnis zu dem vom Kläger benannten, demgegenüber jedenfalls verschwindend kleinen Personenkreis berufsloser Selbständiger gelten. Entscheidend ist auch hier, daß die vom Gesetzgeber gefundene Lösung, nämlich Aufbringung der Mittel entsprechend den Prinzipien der gesetzlichen Unfallversicherung, als sozial gerecht und nicht gegen den Grundsatz des Art. 3 GG verstoßend anzusehen ist, wie es sowohl die Rechtsprechung des BVerfG (aaO) als auch die des Senats (aaO) feststellt. Dann liegt aber auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor, wenn neben dem bewußt von der Aufbringung der Mittel entlasteten Personenkreis eine weitere Gruppe vorhanden ist, auf die die Merkmale der Beitragsverpflichtung nicht zutreffen. Es kann dabei dahinstehen, ob der Gesetzgeber jene weiteren Personen absichtlich bei der Mittelaufbringung nicht beteiligen wollte oder ob es sich insoweit allenfalls um eine unbeabsichtigte Lücke im Gesetz handelt. Ausschlaggebend ist vielmehr, daß die getroffene Regelung als solche nicht willkürlich oder sachwidrig ist, sondern trotz der ihr innewohnenden ausschließlichen Belastung einer bestimmten Personeneinheit (Wirtschaftsseite) noch den Grundsätzen des Art. 3 GG entspricht. Das ist aber - wie dargelegt - der Fall. Auch die Nichterfassung berufsloser Selbständiger bei der Beitragspflicht macht demzufolge das KGG nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG schlechterdings unvereinbar und deshalb nichtig.

IV. Da nach alledem keine der vom Kläger in der Revisionsinstanz gegen die verfassungsmäßige Gültigkeit des KGG allgemein und gegen die ihn belastende Beitragspflicht des § 10 KGG erhobenen Rügen und Einwendungen durchgreift, sind die angefochtenen Bescheide der Beklagten unter diesen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Das LSG hat daher die Berufung des Klägers ohne Rechtsirrtum zurückgewiesen; seine Entscheidung ist im Ergebnis zu bestätigen. Die Revision ist zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 SGG).

Da der Kläger ungeachtet der bereits veröffentlichten und im wesentlichen präjudiziellen Urteile des BVerfG (aaO) sowie des erkennenden Senats (aaO) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des KGG auf einer erneuten Entscheidung bestanden hat, waren ihm nach der Erfolglosigkeit seines Rechtsmittels nunmehr die außergerichtlichen Kosten der Beklagten im Revisionsverfahren aufzuerlegen. (§ 192 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2245118

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