Leitsatz (amtlich)

§ 5 der "Versicherungsbedingungen" der Hamburgischen Zimmererkrankenkasse, wonach die Mitgliedschaft ua während des Besuchs einer Fachschule und während der Dauer einer Pflichtversicherung in einer gesetzlichen Krankenkasse ohne Befreiung nach RVO § 517 auf Antrag für eine grundsätzlich auf 2 Jahre begrenzte Zeit ruhen kann, ist rechtsgültig.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Betonbauer, die mit Holzarbeiten beschäftigt werden, können Mitglied der Hamburgischen Zimmererkrankenkasse (Ersatzkasse) werden. Dies gilt auch für Lehrlinge, wenn sie für diesen Beruf ausgebildet werden.

2. Ruht die Mitgliedschaft bei der Ersatzkasse während des Besuches einer Bauschule, so kann sie nach Beendigung der Schulzeit auch dann wieder aufgenommen werden, wenn der nach dem Schulbesuch ausgeübte Beruf (zB Bauzeichner) satzungsmäßig nicht mehr zur Mitgliedschaft bei der Ersatzkassen zugelassen ist.

 

Normenkette

SVAufbauV 12 Art. 2 § 4 Abs. 1 Fassung: 1952-08-13; RVO § 517 Abs. 1 Fassung: 1924-12-15

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 22. Juli 1969 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat dem Beigeladenen zu 1) die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Ersatzkasse (H Zimmererkrankenkasse) den Beigeladenen zu 1) ("S.") zu Unrecht als Mitglied aufgenommen hat.

Der Beigeladene S. war vom 1. April 1962 bis zum 31. März 1965 Betonbauerlehrling. Anschließend war er bis zum 15. September 1965 als Betonbauergeselle in Montagekolonnen bei mehreren Firmen tätig. Dort wurde er als Zimmerer geführt; er verrichtete überwiegend Einschalungsarbeiten und half zeitweise auch beim Aufstellen von Dachstühlen. Danach besuchte er die Bauschule im Tages- und später im Abendunterricht. Vom 17. März 1966 an war er als Bauzeichner beschäftigt.

Zum 1. Mai 1964 war er als Mitglied der Beklagten aufgenommen worden. Im September 1965 beantragte er das Ruhen seiner Mitgliedschaft; die Beklagte entsprach diesem Antrag. Als der Beigeladene seine Beschäftigung als Bauzeichner begann, meldete ihn sein Arbeitgeber bei der Klägerin an. Nachdem der Beigeladene eine Bescheinigung über seine Zugehörigkeit zur Beklagten vorgelegt hatte, wurde er zum 31. Mai 1966 bei der Klägerin wieder abgemeldet. Bis dahin ließ die Beklagte die Mitgliedschaft ruhen.

Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat die Feststellungsklage der Klägerin abgewiesen (Urteil vom 6. November 1968). Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 22. Juli 1969).

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin die unrichtige Anwendung des Art. 2 § 4 der 12. AufbauVO vom 24. Dezember 1935 (idF der 15. AufbauVO vom 1. April 1937) iVm der Satzung der Beklagten. Im besonderen hält sie die Beitrittsberechtigung eines Lehrlings für fraglich, weil sich während der Lehrzeit kaum absehen lasse, ob der Betonbauer später "mit Holzarbeiten beschäftigt" oder nur zum Eisenflechten, Betonschütten oder dergleichen herangezogen werde. Ein während der Lehrlingszeit gestellter Aufnahmeantrag wirke auch nicht in eine spätere Zeit hinein, in der eine Beitrittsberechtigung bestehe; vielmehr bedürfe es zum Erwerb der Mitgliedschaft eines neuen Antrags. Darauf, ob der Beigeladene während seiner Ausbildung zum Bauzeichner vorübergehend nicht versicherungspflichtig gewesen sei, komme es nicht an, weil er auch während dieser Zeit nicht beitrittsberechtigt gewesen sei. Damit erübrige sich auch die Prüfung, ob und inwieweit eine Mitgliedschaft bei der Beklagten im Falle eines Berufswechsels, der Aufgabe der Beschäftigung oder einer weiteren Ausbildungszeit aufrecht erhalten werden könne.

Die Klägerin beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und festzustellen, daß sie selbst für den Beigeladenen zu 1) als Krankenkasse zuständig sei.

Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beigeladene zu 1) ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Beigeladene zu 2) stellt keinen Antrag. Sie ist der Meinung, daß die Satzung der Beklagten mit dem geltenden Recht in Einklang stände.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat die beklagte Ersatzkasse den Beigeladenen S. als Mitglied aufgenommen; seine Mitgliedschaft bei der klagenden Ortskrankenkasse ist zum 31. Mai 1966 erloschen.

Der Beigeladene S. ist der Beklagten zum 1. Mai 1964 - also noch als Betonbauerlehrling - beigetreten. Die einschlägigen "Versicherungsbedingungen" der Beklagten (§ 2: "Mitgliederkreis") führen die Lehrlinge nicht ausdrücklich unter den aufnahmeberechtigten Personengruppen auf. Es spricht viel für die Auffassung des LSG, daß sie dessen ungeachtet aufnahmeberechtigte Angehörige der in der Satzung genannten Berufe sind: Sie sind - wie die entgeltlich Beschäftigten - "Arbeiter" (§ 165 a Nr. 2 RVO) und als solche versicherungspflichtig (§ 165 Abs. 1 und 2 RVO); auf die Versicherungspflicht als wesentlichen Umstand nimmt § 2 Abs. 3 der "Versicherungsbedingungen" ausdrücklich Bezug. Vor allem spricht für die Einbeziehung der Lehrlinge in den aufnahmeberechtigten Personenkreis die Erwägung des LSG, daß es dem Sinn und Zweck von Berufskrankenkassen entspricht, für alle Angehörigen der für sie in Betracht kommenden Berufsgruppen offen zu sein und einen Kassenwechsel nach beendeter Lehrzeit unnötig zu machen.

Der Senat braucht jedoch zu dieser Frage nicht abschließend Stellung zu nehmen, da der Beigeladene S. jedenfalls mit seinem Verbleiben bei der Beklagten nach beendeter Lehrzeit und Aufnahme entgeltlicher Lohnarbeit als Betonbauergeselle seinen Beitrittswillen klar bekundet hat. S. war damals (1. April 1965 und später) in seinem erlernten Beruf zum mindesten überwiegend, wenn nicht sogar ausschließlich mit Holzarbeiten beschäftigt; er wurde in den einschlägigen Unterlagen seines Arbeitgebers sogar als "Zimmerer" geführt. Er war somit als mit Holzarbeiten beschäftigter Betonbauer beitrittsberechtigt (§ 2 Abs. 2 Buchst. a der "Versicherungsbedingungen" der beklagten Ersatzkasse).

Die Einbeziehung dieser Berufsgruppe in den aufnahmeberechtigten Personenkreis stellt keine unzulässige Erweiterung des Mitgliederkreises über den in der am 1. April 1909 gültigen Ursprungssatzung aufgeführten Umfang dar, wie der Senat in seinem Urteil vom gleichen Tage - 3 RK 59/69 - näher dargelegt hat.

S. hat seine rechtmäßig erworbene Mitgliedschaft bei der Beklagten auch nicht später verloren. Von September 1965 bis Mai 1966 hatte sie vereinbarungsgemäß geruht. Die Möglichkeit des Ruhens der Mitgliedschaft für die hier vorliegenden Sachverhalte - während des Besuchs einer Bauschule und während der Dauer einer Pflichtversicherung in einer gesetzlichen Krankenkasse ohne Befreiung nach § 517 RVO - sind neben anderen Fällen in den "Versicherungsbedingungen" der Beklagten (§ 5 Abs. 1 Buchst. b und e) vorgesehen. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 16. März 1972 - 3 RK 11/70 - (SozR Nr. 2 zu § 507 RVO) ausgeführt hat, ist das Ruhen der Mitgliedschaft ein geeignetes Mittel gerade für den Fall, daß sich die Beziehungen zwischen einer Ersatzkasse und einem ihrer Mitglieder in einem latenten Fortbestand der Mitgliedschaft unter Wegfall der einzelnen Rechte und Pflichten erschöpfen sollen. Es ermöglicht dem Versicherten, die Mitgliedschaft für Zeiten einer Übergangssituation bis zum Wiedererwerb einer Vollmitgliedschaft aufrechtzuerhalten. Angesichts der deutlich erkennbaren Linie des Gesetzes (vgl. § 4 Abs. 1 Sätze 2 und 4 der 12. AufbauVO), dem Ersatzkassenmitglied trotz Lösung vom "Satzungsberuf" das Verbleiben in der Ersatzkasse zu ermöglichen, erscheint eine satzungsmäßige Regelung über das Ruhen der Mitgliedschaft jedenfalls in den Fällen rechtlich unbedenklich, in denen eine entsprechende Dispositionsbefugnis des Mitglieds mit seinem mitgliedschaftsrechtlichen Stand vereinbar ist. Das aber ist beim freiwillig Weiterversicherten und beim Doppelversicherten, der den ihm kraft Gesetzes zugedachten Versicherungsschutz über einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung bereits erhält (vgl. die schon zitierte Entscheidung vom 16. März 1972), der Fall. Befürchtungen, daß der mit dem Ruhen der Mitgliedschaft verbundene Schwebezustand über das erträgliche Maß hinaus andauern könnte, tritt die einschlägige Regelung der Beklagten (§ 5 Abs. 3 Satz 2 der "Versicherungsbedingungen") mit einer Begrenzung der Ruhenszeit auf grundsätzlich zwei Jahre sachgemäß entgegen.

S. hatte somit seine Mitgliedschaft bis zu dem Zeitpunkt aufrechterhalten, als er seinem Arbeitgeber die Bescheinigung über seine Zugehörigkeit zur Ersatzkasse vorlegte (vgl. § 517 Abs. 2 RVO). Damit erstarkte die ruhende Mitgliedschaft zur Vollmitgliedschaft. Daß S. zu diesem Zeitpunkt keinen "Satzungsberuf" mehr ausübte und nicht einmal mehr Arbeiter war, stand der Aufrechterhaltung seiner Mitgliedschaft nicht entgegen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 und Satz 4 der 12. AufbauVO idF des § 15 des Gesetzes über die Erhöhung der Einkommensgrenzen in der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung vom 13. August 1952 - BGBl I 437 -; vgl. hierzu Urt. des BSG vom 27. Mai 1971 - 3 RK 17/68 - in SozR Nr. 10 zu § 4 der 12. AufbauVO).

Demnach ist das Feststellungsbegehren der Klägerin unbegründet. Ihre Revision mußte zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670236

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