Leitsatz (amtlich)

Die Voraussetzung der Bedürftigkeit ist bei einem an sich elternrentenberechtigten Elternteil jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn der andere (nicht elternrentenberechtigte) Ehepartner eine Arbeitslosenfürsorgeunterstützung bezieht, die im Monatsbetrag die Einkommensgrenze des BVG § 51 Abs 2 für n Elternpaar übersteigt.

 

Leitsatz (redaktionell)

Verwaltungsvorschriften binden zwar die Gerichte grundsätzlich nicht. Sie sind aber wenn sie mit dem Inhalt des Gesetzes übereinstimmen - doch insoweit beachtlich, als sie in Zweifelsfällen die Zielsetzung des Gesetzgebers verdeutlichen, eine einheitliche Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen fördern und insgesamt die Rechtssicherheit stärken.

 

Normenkette

BVG § 50 Fassung: 1950-12-20, § 51 Abs. 2 Fassung: 1953-08-07

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 4. Juni 1954 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Versorgungsgerichts Berlin vom 13. Juli 1953 zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I Einziges Kind der im Jahre 1885 geborenen Klägerin (Revisionsbeklagten) war der am 19. Januar 1919 von ihr unehelich geborene ledige Manfred B der als Obergefreiter am 21. Juni 1942 im Osten gefallen ist. Vor der Einberufung zum Wehrdienst hatte dieser Sohn im Haushalt der Klägerin und ihres Ehemannes gewohnt und mit seinem Gehalt (300,- RM monatlich) zum gemeinsamen Unterhalt beigetragen.

Verheiratet ist die Klägerin (Revisionsbeklagte) seit November 1919 mit dem (1896 geborenen) Kaufmann Otto B der nicht der leibliche Vater des gefallenen Sohnes war, ihm aber seinen Familiennamen erteilt hatte. Der Ehemann ist Kaufmann und als solcher berufstätig gewesen, bis er 1949 arbeitslos wurde. Er bezieht seit März 1950 Arbeitslosenfürsorgeunterstützung (Alfu), die ihm mit DM 36,10 wöchentlich (DM 157,- monatlich) einschließlich der Zuschläge für die Ehefrau laufend ausgezahlt wird.

Selbständiges Einkommen hat die Klägerin (Revisionsbeklagte) nicht. Die Eheleute B bewohnen in Berlin-Groß-Glienicke ein Haus auf eigenem Grundstück (von angeblich 12.000,- RM Einheitswert).

II Der Antrag der Klägerin (14.8.1950) auf Gewährung von Elternrente wurde durch Beschluß des Versorgungsamts I Berlin (1.11.1951) abgelehnt, weil ihr Unterhalt als gesichert anzusehen und die Bedürftigkeit zu verneinen sei; sie besitze ihrem Ehemann gegenüber einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch und dieser beziehe nach den Sätzen für Verheiratete Arbeitslosenfürsorgeunterstützung. Der Einspruch der Klägerin (Revisionsbeklagten) hiergegen wurde durch Entscheidung des Einspruchsausschusses bei dem Landesversorgungsamt Berlin (2.10.1952) zurückgewiesen, der zusätzlich auch die Ernährereigenschaft des gefallenen Sohnes verneinte. Die von der Klägerin erhobene Klage wurde durch Urteil des Versorgungsgerichts Berlin (13.7.1953) mit der Begründung abgewiesen, daß die Klägerin infolge ihres Unterhaltsanspruchs gegenüber ihrem Ehemann, der imstande sei, ausreichend für sie zu sorgen, nicht als bedürftig im Sinne der Versorgungsgesetze angesehen werden könne.

Auf die Berufung der Klägerin hin verurteilte das Landessozialgericht Berlin unter Abänderung des Urteils des Versorgungsgerichts Berlin die Beklagte (Revisionsklägerin), der Klägerin Elternversorgung zu gewähren.

Das Berufungsgericht begründete sein Urteil (4.6.1954) im wesentlichen damit, daß der Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihren Ehemann die Bedürftigkeit nicht ausschließe, weil dieser als Empfänger von Alfu nicht imstande sei, ausreichend für sie zu sorgen. Die Elternrente des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) habe den familienrechtlichen Anspruch zu ersetzen, der einen Abkömmling zur Gewährung von standesgemäßem Unterhalt verpflichte. Standesgemäß sei ein Unterhalt nur dann, wenn er der Lebensstellung der Mutter bzw. ihres Ehemannes entspräche.

III Gegen dieses Urteil hatte das Landessozialgericht Berlin die Revision zugelassen. Der Beklagte, dem das Urteil am 15.7.1954 zugestellt worden war, hat mit Schriftsatz vom 10.8.1954, eingegangen am 11.8., Revision eingelegt und sie mit Schriftsatz vom 30.8.1954, eingegangen am 4.9., begründet. Der Beklagte (Revisionskläger) führt aus, das Bundesversorgungsgesetz habe im § 51 Abs. 2 Einkommensgrenzen gezogen, bis zu deren Erreichung überhaupt nur Elternrente gewährt werden dürfe. Daraus sei zu schließen, daß der Gesetzgeber Einkommen, die außerhalb dieser Höchstgrenzen fielen, als ausreichend ansehe, um den Unterhalt zu bestreiten. Der Begriff des "standesgemäßen Unterhalts" sei hiernach nicht anwendbar. Die vom Ehemann der Klägerin (Revisionsbeklagten) bezogene Alfu für Verheiratete von monatlich DM 157,- liege über der für ein Elternpaar im Gesetz festgelegten Grenze; deshalb müsse es ihm auch zugemutet werden, ausreichend für die Klägerin zu sorgen. Eine Bedürftigkeit der Klägerin liege wegen dieser Einkommenshöhe nicht vor.

Der Beklagte (Revisionskläger) beantragt daher,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen die Entscheidung des Versorgungsgerichts Berlin vom 13. Juli 1953 zurückzuweisen.

Die Klägerin (Revisionsbeklagte) macht geltend, daß die Bedürftigkeit allein nach § 50 Abs. 2 BVG zu beurteilen und hierfür die Einkommensgrenzen des § 51 Abs. 2 unmaßgeblich seien. Aus dem Einkommen des Ehemannes sei ihr Unterhaltsanspruch nicht zu befriedigen. Die Klägerin erachtet die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch das Landessozialgericht für zutreffend und beantragt daher,

die Revision zurückzuweisen.

Im einzelnen wird auf den Inhalt des Bescheides des Versorgungsamts I Berlin vom 1.11.1951, der Entscheidung des Einspruchsausschusses beim Landesversorgungsamt Berlin vom 2.10.1952, des Urteils des Versorgungsgerichts Berlin vom 13.7.1953 und des Urteils des Landessozialgerichts Berlin vom 4.6.1954 sowie auf den Inhalt der Schriftsätze des Beklagten vom 30.8.1954 und der Klägerin vom 12.1.1955 Bezug genommen.

In prozessualer Hinsicht hat der Beklagte (Revisionskläger) die im Schriftsatz vom 30.8.1954 erhobene Rüge, daß das angefochtene Urteil lediglich von den drei Berufsrichtern, nicht aber auch von den beiden Landessozialrichtern unterschrieben sei, im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.10.1955 fallen gelassen. Dagegen hat der Beklagte in diesem Termin als neue Rüge vorgetragen, daß die Wiedergabe des Tatbestandes in dem angefochtenen Urteil unvollständig sei und sich daraus ein wesentlicher Mangel des Verfahrens ergebe.

Die Klägerin ist der Auffassung, daß der Tatbestand des Berufungsurteils den gesetzlichen Anforderungen genüge.

IV Die Revision ist frist- und formgerecht eingelegt sowie begründet worden. Sie ist statthaft, weil das Landessozialgericht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden und daher die Revision gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassen hat.

Deshalb ist es - jedenfalls was die Zulässigkeit der Revision anbelangt - nicht von entscheidender Bedeutung, ob die Darstellung des Tatbestandes im Urteil des Landessozialgerichts vom 4.6.1954 allenthalben den gesetzlichen Vorschriften entspricht. § 136 Abs. 1 Nr. 5 SGG fordert lediglich eine "gedrängte Darstellung des Tatbestandes" und erklärt dieses Erfordernis dann für erfüllt, wenn das Gericht wenigstens dazu gelangt ist, "die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben" (§ 136 Abs. 2 SGG). Dieser Mindestanforderung aber ist im Urteil des Berufungsgerichts Genüge geleistet. Die unterste Grenze für die Wiedergabe des Tatbestandes erscheint nach der Auffassung des erkennenden Senats gerade noch gewahrt. Alsdann wäre insoweit kein Mangel des Verfahrens vorhanden, der als wesentlich anerkannt werden könnte und auf dem die Entscheidung der Vorinstanz beruhte (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 SGG).

V Materiell-rechtlich ist die Revision begründet.

Das Institut der "Elternrente" hat innerhalb des Abschnitts "Hinterbliebenenrente" des Bundesversorgungsgesetzes in den §§ 49 bis 51 eine eigene und in sich abgeschlossene Regelung gefunden: § 49 bestimmt den Kreis der Anspruchsberechtigten, § 50 legt die Voraussetzungen für Entstehung und Bestand des Anspruchs fest, § 51 umschreibt ihn der Höhe nach.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes steht die Elternversorgung eindeutig unter dem Grundsatz der "Bedürftigkeit" (§ 50 Abs. 1 und 2 SGG). Der Begriff "Bedürftigkeit" ist aber vom Gesetzgeber im § 50 selbst nicht absolut, sondern lediglich in der Weise normiert worden, daß er neben die Bedingungen der Gebrechlichkeit und der Altersgrenze die Bedingung des Unvermögens zur Beschaffung des Lebensunterhalts setzt und hierfür die negativen Tatbestandsmerkmale verwendet, daß der Antragsteller

a) seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann und

b) keinen Unterhaltungsanspruch gegen Dritte hat, die imstande sind, ausreichend für ihn zu sorgen.

Dieser Wortlaut des § 50 Abs. 2 BVG weicht äußerlich von der früheren Definition der "Bedürftigkeit" in § 45 Abs. 2 des Reichsversorgungsgesetzes (RVG) ab. Dort war - zwar in wechselnder Fassung, aber ständig durch alle Novellen hindurch - neben den Bedingungen der Erwerbsunfähigkeit und der Altersgrenzen zusätzlich noch ein ziffernmäßig fixierter Betrag als Einkommensgrenze festgelegt, dessen Überschreitung den Anspruch auf Elternrente regelmäßig ausschloß. Auf diese Einkommensgrenze stellte der folgende § 46 RVG die Höhe der Elternrente (Bemessung) ebenfalls ab. Beide Bestimmungen bildeten also bereits im alten Versorgungsrecht ein sachlich zusammenhängendes Gefüge und waren nicht nur inhaltlich aufeinander abgestimmt, sondern auch in der Anwendung wechselseitig voneinander abhängig. Die Einkommensgrenze hatte hier jeweils zugleich die Funktion der Bedürftigkeitsgrenze.

Da sich nun weder Rechtsgrund noch Zweck und Ziel der Elternversorgung im Verhältnis von RVG zum BVG gewandelt haben, wird - auch wenn die gegenwärtige Fassung des § 50 BVG keine Zahlenangabe (Bezifferung) und § 51 BVG das Wort (Begriff) "Bedürftigkeit" unmittelbar nicht enthält - sachlich wie rechtlich kein Argument erkennbar, um den systematischen Zusammenhang und die innere Abhängigkeit beider Bestimmungen zu übergehen. Daher ist es gerechtfertigt, den unbestimmten Rechtsbegriff der "Bedürftigkeit" in § 50 Abs. 2 BVG durch Heranziehung der vom Gesetzgeber in § 51 Abs. 2 angeführten ziffermäßigen Höchstgrenzen für das monatliche Einkommen dahin auszulegen, daß ein ausreichender Unterhalt gewährleistet erscheint, falls bei einem Elternteil der Monatsbetrag von DM 105,-, bei einem Elternpaar der Monatsbetrag von DM 150,- überstiegen wird (vgl. Schwankhart KOV 1952 S. 36 f.; Wilke KOV 1952 S. 82 f.; von Schuch ZfS 1955 S. 121 f.; LSG. Berlin Urt. v. 27.4.1954 - 5 LSG 4a/54 in KOV 1955 Rspr. Nr. 127). Diese Monatsbeträge sind im BVG vom Gesetzgeber einheitlich für das gesamte Bundesgebiet festgelegt. Sie schließen - insoweit als Höchstgrenzen auch für die Bedürftigkeit - individuelle Abstufungen aus.

Diese aus dem Gesetz selbst abzuleitende Auslegung hat offenbar auch in den Verwaltungsvorschriften (VV) Nr. 5 Abs. 4 Satz 1 zu § 50 BVG ihren Niederschlag gefunden. Verwaltungsvorschriften binden zwar die Gerichte grundsätzlich nicht. Sie sind aber - wenn sie mit dem Inhalt des Gesetzes übereinstimmen - doch insoweit beachtlich, als sie in Zweifelsfällen die Zielsetzung des Gesetzgebers verdeutlichen, eine einheitliche Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen fördern und insgesamt die Rechtssicherheit stärken.

Abs. 2 des § 51 BVG kann daher nicht lediglich der Charakter einer Regelungsvorschrift bezüglich des Ruhens oder des Fortfalls der Elternrente zuerkannt werden, wie das Berufungsgericht angenommen hat. Er enthält vielmehr die Bemessungsgrundlage für § 50 Abs. 2 BVG.

VI Ein Widerspruch zu der vorstehenden Auslegung ergibt sich auch nicht etwa daraus, daß der Abs. 3 des § 51 BVG Elternrenten und Einkommensgrenzen dann erhöht, wenn der Anspruchsberechtigte statt eines Kindes deren mehrere verloren hat. Diese Sonderregelung - die das RVG übrigens noch nicht gekannt hat - beweist indessen, daß das Bundesversorgungsrecht nicht allein dahin zielt, eine "Daseinsvorsorge" zu betreiben, sondern auch den Grundsatz verwirklicht, daß einem besonderen Aufopferungsanspruch auch eine besondere Entschädigung zum Ausgleich der individuellen Nachteile gebührt. Danach ist im Abs. 3 des § 51 BVG die Abstufung eines "sozialen Schmerzensgeldes", nicht dagegen eine "Bedürftigkeitsstaffelung" zu erblicken.

Der Wortlaut des § 50 Abs. 2 BVG selbst schließt es endlich aber auch aus, für die Auslegung oder Erläuterung des Begriffs "Bedürftigkeit" als Voraussetzung des Anspruchs auf Elternrente den Begriff des "standesgemäßen Unterhalts" aus dem Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu übernehmen, weil § 50 für den Unterhaltsanspruch gegenüber Dritten ausdrücklich auf das Tatbestandsmerkmal "ausreichender" Versorgung abstellt. Für die Beurteilung der Unterhaltsfähigkeit des verstorbenen Kindes in Bezug auf dessen "Ernährereigenschaft" (§ 50 Abs. 1 BVG) sind allerdings die Grundsätze des bürgerlichen Rechts anwendbar. Weder früher im RVG noch jetzt im BVG hat der Gesetzgeber aber die Regelung geschaffen, daß die Elternrente den durch Fortfall des unterhaltspflichtigen Abkömmlings entgehenden "standesgemäßen Unterhalt" sicherzustellen hätte. Diesem Gedanken stehen allein schon die im § 51 Abs. 1 BVG festgelegten festen Beträge für die Höhe der Elternrente eindeutig entgegen. Auch bei den Beratungen des (26.) Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen des Deutschen Bundestages über das Bundesversorgungsgesetz war wiederholt zum Ausdruck gekommen (vgl. Protokoll der 33. Sitzung vom 29.9.1950, S. 71 u. 72), daß diese Rente keinen Ausgleich des "standesgemäßen Unterhalts", sondern nur einen Zuschuß zum Lebensunterhalt der Eltern darstellen kann.

VII Sind sonach die Einkommensgrenzen des § 51 Abs. 2 BVG für die Beurteilung der Bedürftigkeit maßgebend, so bleibt zu entscheiden - da die Klägerin (Revisionsbeklagte) über eigenes Einkommen und Vermögen nicht verfügt -, ob die Alfu ihres Ehemannes, der samt Familienzuschlag DM 157,- im Monat bezieht, als sonstiges Einkommen im Sinne des § 51 Abs. 2 BVG zu berücksichtigen und die für ein Eltern paar festgesetzte Einkommensgrenze anzuwenden ist oder ob für die Beurteilung der Bedürftigkeit der Klägerin die für ein Eltern teil vorgesehene Einkommensgrenze Geltung hat.

VIII Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß im vorliegenden Falle - obwohl allein die Klägerin (Revisionsbeklagte) rentenberechtigt ist - das Einkommen des Ehemannes berücksichtigt und die für ein Eltern paar festgelegte Einkommensgrenze angewendet werden muß. Die familienrechtlichen Unterhaltsansprüche und -verpflichtungen der Ehegatten untereinander (§ 1360 BGB) sind bei leiblichen Eltern die gleichen wie zwischen leiblicher Mutter und Stiefvater; deshalb ist es nicht vertretbar, solche Elternpaare in Ansehung der Bedürftigkeitsprüfung unterschiedlich zu behandeln. Die Ehegatten bilden vielmehr insoweit eine wirtschaftliche Einheit (vgl. Wilke KOV 1952 S. 85; von Schuch ZfS 1955 S. 121). Der Wortlaut des § 51 Abs. 2 BVG gibt jedenfalls keinen Anlaß, von den in der Grundsätzlichen Entscheidung des Reichsversorgungsgerichts vom 9. Januar 1926 - M Nr. 5396/25 - hierzu (§ 45 Abs. 2 RVG) entwickelten Gedankengängen (RVGer. Bd. 5 S. 270) abzugehen, denen die Rechtsprechung bislang ganz überwiegend gefolgt ist (vgl. Bayer. LSGer. Urt. v. 27.9.1954 - KB 12392/52 -; LSGer. Berlin Urt. v. 22.3.1955 - 5 LSG 363/54 (GPL 317) -). Die Tatsache, daß es sich bei dem Einkommen des Ehemannes der Klägerin um Arbeitslosenfürsorgeunterstützung handelt, bedingt keine Abweichung. Als "sonstiges Einkommen" gelten alle Einkünfte in Geld und Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Quelle (§ 51 Abs. 2 i. Vbd. m. § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG). Die letztere Gesetzesbestimmung ist zunächst unmittelbar für die "Ausgleichsrente" zuständig. Die VV Nr. 2 Abs. 2 zu § 33 erläutern, daß bei der Ausgleichsrente die Alfu nicht als sonstiges Einkommen gelten soll (Buchst. e). Diese Verwaltungsvorschrift wird zwar durch die VV Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 zu § 51 "sinngemäß" auch bei der Elternrente für den Begriff des "sonstigen Einkommens" anwendbar gemacht. Doch bestimmt Satz 2 hierzu weiter ausdrücklich,

"Ist von den Eltern nur ein Teil rentenberechtigt, so ist jedoch abweichend von Nummer 2 Absatz 2 Buchstabe e zu § 33 die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung des nicht rentenberechtigten Elternteils in voller Höhe als sonstiges Einkommen bei der Beurteilung der Bedürftigkeit (Nummer 5 Absatz 4 zu § 50) zu berücksichtigen."

Diese beiden Verwaltungsvorschriften zu § 33 und § 51 BVG - die, wie oben unter Abschnitt V näher dargelegt, das Gesetz nicht abändern oder ergänzen, sondern lediglich zu seiner Auslegung und Erläuterung dienen können - widersprechen sich nicht. Wesentlich hierfür ist das Merkmal, daß die VV zu § 33 nur "sinngemäß" für die Elternrente zu gelten haben. Sinn und Zweck einer Nichtanrechnung der Alfu bei der Ausgleichsrente (Schwerbeschädigter, Witwe) ist, diese von wechselseitigen Rentenkürzungen bei Überschreitung der jeweiligen Einkommensgrenze freizuhalten und die Freibeträge zu wahren. Das gleiche Ziel besteht dann, wenn Alfu von einem rentenberechtigten Elternteil oder von einem rentenberechtigten Elternpaar zusätzlich bezogen wird. Bei dem nicht rentenberechtigten Elternteil hingegen wird die Alfu infolge des Bezugs von Elternrente des anderen Ehegatten nicht gekürzt. Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, die Alfu des nicht rentenberechtigten Elternteils als sonstiges Einkommen bei der Bedürftigkeitsprüfung des Rentenberechtigten zu berücksichtigen (vgl. Schwankhart a. a. O.; Wilke a. a. O.; von Schuch a. a. O.). Insoweit ist also die VV Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 zu § 51 als Auslegungsregel anzuerkennen, die eine begründete und sinnvolle Ausnahme von der VV Nr. 2 Abs. 2 zu § 33 enthält.

IX Unstreitig bezieht der Ehemann der Klägerin (Revisionsbeklagten) laufend Alfu von DM 157,- monatlich. Dieses Einkommen übersteigt die nach § 51 Abs. 2 BVG für ein Elternpaar auf den Monatsbetrag von DM 150,- festgesetzte Einkommensgrenze um 7,- DM im Monat. Es kann dabei außer Acht gelassen werden, ob und inwieweit der Klägerin oder ihrem Ehemann auch noch aus ihrem Grund- und Hauseigentum Einkommen zufließt. Jedenfalls ist die gesetzliche Voraussetzung der "Bedürftigkeit" im vorliegenden Falle allein schon wegen der Höhe des Alfu-Bezuges des Ehepartners nicht erfüllt. Deswegen ist der von der Klägerin erhobene Anspruch unbegründet, ohne daß noch des weiteren geprüft zu werden brauchte, ob und inwieweit die sonstigen Voraussetzungen des § 50 BVG zutreffen.

X Auf die Revision des Beklagten hin war daher das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und zugleich die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Versorgungsgerichts Berlin vom 13. Juli 1953 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1982606

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