Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherung. Abgabepflicht. gemeinnütziger Musikverein. Betrieb eines Laienorchesters und einer Musikschule
Leitsatz (amtlich)
1. Ein gemeinnütziger Musikverein unterlag wegen des Betriebs eines Laienorchesters bis zum 31.12.1996 auch dann der Pflicht zur Abführung der Künstlersozialabgabe, wenn das gemeinsame Musizieren in erster Linie der Freizeitgestaltung und Hobbypflege seiner Mitglieder und nicht der öffentlichen Darbietung musikalischer Werke diente. In der Zeit vom 1.1.1997 bis zum 30.6.2001 gab es in solchen Fällen keine Abgabepflicht. Seit dem 1.7.2001 kann unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 24 Abs 2 KSVG wieder eine Abgabepflicht bestehen.
2. Ein gemeinnütziger Musikverein unterliegt wegen des Betriebs einer Musikschule für Instrumentalmusik auch dann der Pflicht zur Abführung der Künstlersozialabgabe, wenn nur vereinsangehörige Kinder und Jugendliche unterrichtet werden.
Normenkette
KSVG § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1988-12-20, Nr. 2 Fassung: 1996-09-25, Nr. 9, Abs. 2 Fassung: 1996-09-25, Abs. 2 Fassung: 2001-06-13, § 25
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig sind die Abgabepflicht eines gemeinnützigen Musikvereins nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) dem Grunde nach sowie die Höhe der Künstlersozialabgabe (KSA) für die Jahre 1995 bis 1999.
Der 1906 gegründete, ca 500 Mitglieder umfassende klagende Verein unterhält vier Laienorchester (Sinfonisches Blasorchester, Laienstreichensemble Sinfonietta, Vertigo Big Band und Jugendorchester W.). Daneben bietet der Verein Instrumentalunterricht für Vereinsmitglieder an, wobei er nach außen insoweit als "Musikschule" auftritt. Ausgebildet werden ständig ca 150 Jungmusiker an Instrumenten, die in den verschiedenen Orchestern benötigt werden. Die Ausbildung erfolgt vor allem durch Vereinsmitglieder in von der Stadtverwaltung zur Verfügung gestellten Räumen oder bei Bedarf dadurch, dass Unterricht an der örtlichen Musikschule subventioniert wird. Für die Ausbildung wird von den Teilnehmern ein Ausbildungsbeitrag erhoben.
Nach § 2 der Vereinssatzung vom 20.4.1999 verfolgt der Verein mit den Orchestern und der Musikschule ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Es geht um die Bereicherung des kulturellen Lebens in der Stadt W. durch Pflege und Förderung von Musik, Kunst und Kultur. Der Satzungszweck wird insbesondere durch folgende Maßnahmen verwirklicht:
- regelmäßige Übungsabende
- Ausbildung und Förderung von Nachwuchsmusikern
- Durchführung von Konzerten und Konzertreisen
- Mitwirkung bei weltlichen und kirchlichen Veranstaltungen
- Teilnahme an Musikfesten von Dachorganisationen sowie anderer Verbände und Vereine
- Kooperation mit anderen Musik ausübenden Institutionen oder Vereinen
- Teilnahme an Wertungs- und Kritikspielen aller Art.
Die Vereinsmitglieder pflegen die Instrumentalmusik in ihrer Freizeit als Hobby. Sie üben gemeinsam, entfalten aber auch Geselligkeit im Rahmen des Vereins. Die Orchester absolvieren jährlich ein bis zwei öffentliche Auftritte gegen Entgelt. Im Übrigen treten sie im Rahmen von Konzerten bei Stadtfesten, bei Veranstaltungen im Rahmen von kommunalen Partnerschaftsfeiern sowie bei kirchlichen Veranstaltungen an die Öffentlichkeit. Daneben gibt es kleinere Auftritte bei runden Geburtstagen der Mitglieder oder bei Familienfeiern.
Fördernde Mitglieder zahlen einen Vereinsbeitrag; aktive Mitglieder sind davon befreit, jedoch verpflichtet, bei den verschiedenen Veranstaltungen des Vereins mitzuhelfen. Die Mitglieder erhalten für die Auftritte der Orchester keine finanziellen Zuwendungen durch den Verein oder Dritte; eventuelle Erlöse fließen der Jugendarbeit des Vereins zu. Dirigenten, Übungsleiter, bei Bedarf engagierte Aushilfen für Instrumente sowie gelegentlich engagierte Solisten werden aber - in verschiedener Form - für ihre Tätigkeit in den Orchestern bzw der Musikschule bezahlt (Übungsleiterpauschalen, Aufwandsentschädigungen, Honorare, Fahrtkostenersatz).
Mit Bescheid vom 18.1.2000 schätzte die beklagte Künstlersozialkasse die KSA für die Zeit bis 1998 auf 28.147,50 DM, weil der Kläger, dessen Abgabepflicht auf dem Betrieb mehrerer Orchester und einer Ausbildungseinrichtung für künstlerische Tätigkeiten (§ 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und 9 KSVG) beruhe, trotz entsprechender Aufforderung die an selbstständige Künstler gezahlten Entgelte nicht gemeldet habe. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, ein gemeinnütziger und ehrenamtlich geführter Musikverein sei nicht abgabepflichtig. Die Zahlungen an insgesamt 27 Musiker bezifferte er für 1996 auf 102.344 DM, für 1997 auf 114.413 DM, für 1998 auf 123.125 DM und für 1999 auf 122.417 DM. Davon entfielen jeweils 36.886 DM, 44.990 DM, 48.330 DM und 39.772 DM auf Übungsleiterpauschalen. Daraufhin setzte die Beklagte die KSA mit Bescheid vom 3.5.2000 für die Jahre 1995 bis 1999 endgültig auf 8.029,19 DM fest (1995: 0 DM wegen eines KSA-Satzes in diesem Jahr von 0 % im Bereich Musik; 1996: 1.125,78 DM; 1997: 2.974,74 DM; 1998: 1.970 DM; 1999: 1.958,67 DM). Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, der aber insgesamt erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid vom 12.12.2000).
Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht, Schwerpunkt der Vereinsarbeit sei die musikalische Förderung der Jugend sowie der Geselligkeit in den einzelnen Gruppierungen des Vereins. Die Auftritte seien geprägt von der Mitgestaltung örtlicher gesellschaftlicher Ereignisse, wobei die Aufführung künstlerischer Werke und die Darbietung künstlerischer Leistungen gerade nicht den wesentlichen Zweck darstellten.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2005 hat das Sozialgericht (SG) der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 3.5.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2000 aufgehoben. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 25.4.2007). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Betrieb reiner Liebhaber- bzw Laienorchester, die jährlich allenfalls zwei entgeltpflichtige Konzerte gäben, erfülle nicht die Voraussetzungen eines "Unternehmens" nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 KSVG. Es gehe vorrangig um die Ausübung eines Hobbys und nicht um die professionelle Verwertung künstlerischer Leistungen, wie sie für den Katalog abgabepflichtiger Unternehmen (§ 24 Abs 1 Satz 1 KSVG) typisch sei. Der Kläger betreibe auch keine Ausbildungseinrichtung für künstlerische Tätigkeiten nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 KSVG, weil in der Musikschule nur der vereinseigene Musikernachwuchs ausgebildet werde, die Schule also nicht "am allgemeinen Markt" für musikalische Erziehung auftrete, und es sich nicht um eine institutionalisierte Einrichtung handele. Der Auffangtatbestand des § 24 Abs 2 KSVG sei schon deswegen nicht heranzuziehen, weil er nur für Unternehmen gelte, die von ihrem Gegenstand her nicht vom Katalog des § 24 Abs 1 Satz 1 KSVG erfasst werden. Die Verwertung künstlerischer Werke oder Leistungen durch den Betrieb von Orchestern und künstlerischen Ausbildungseinrichtungen werde aber abgaberechtlich in § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und 9 KSVG abschließend geregelt.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§ 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und 9 sowie § 25 KSVG). Bis Ende 1996 habe der schlichte Betrieb eines Orchesters zur Erfüllung des Abgabentatbestandes ausgereicht. Nach der Neufassung des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 KSVG zum 1.1.1997 sei zwar erforderlich, dass der Zweck des Orchesterbetriebs überwiegend darauf gerichtet sei, künstlerische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten. Davon sei aber angesichts der großen Zahl öffentlicher Auftritte der vier Orchester, ihrer "Semiprofessionalität" und der Entgeltzahlungen von jährlich mehr als 100.000 DM auszugehen. Der Kläger betreibe auch eine Ausbildungseinrichtung für künstlerische Tätigkeiten. Er benutze den Begriff "Musikschule" zwar nicht im Vereinsnamen, wohl aber im Rechtsverkehr (Briefpapier, Internetauftritt), bilde wie eine normale Musikschule eine große Zahl junger Menschen ab sechs Jahren in der Instrumentalmusik aus und erhebe dafür einen Ausbildungsbeitrag. Die Einrichtung stehe damit in Konkurrenz zu anderen Musikschulen. Die Beschränkung auf den vereinseigenen Nachwuchs sei unerheblich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 25.4.2007 sowie den Gerichtsbescheid des SG Stuttgart vom 14.10.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet. Dem Grunde nach war der Kläger im fraglichen Zeitraum als Betreiber eines kunstverwertenden Unternehmens nach dem KSVG abgabepflichtig. Die bisher getroffenen Feststellungen lassen jedoch keine abschließende Entscheidung über die Höhe der KSA-Schuld für die Jahre 1996 bis 1999 zu.
A. Streitgegenstand sind sowohl die Abgabepflicht des Klägers dem Grunde nach gemäß § 24 KSVG als auch die Höhe der KSA-Schuld, wie sie von der Beklagten mit Bescheid vom 3.5.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2000 festgesetzt worden ist. Vom LSG zu Recht nicht in die Prüfung einbezogen worden ist der Bescheid der Beklagten vom 18.1.2000, mit dem die für die Jahre 1995 bis 1998 zu entrichtende KSA gemäß § 27 Abs 1 Satz 3 KSVG zunächst geschätzt worden war, weil der Kläger bis dahin trotz Aufforderung keine konkreten Angaben zu den an selbstständige Künstler gezahlten Entgelten gemacht hatte. Dieser Schätzungsbescheid ist durch den auf konkreten Angaben des Klägers beruhenden Abgabebescheid vom 3.5.2000 in vollem Umfang ersetzt worden und dadurch unwirksam geworden (§ 39 Abs 2 SGB X).
B. Abgabepflicht dem Grunde nach
Da die Beklagte die Einbeziehung des Klägers in den Kreis der Unternehmen, die wegen ihres Unternehmenszweckes dem Grunde nach der Abgabepflicht nach dem KSVG unterliegen, nicht vorab in einem gesonderten Erfassungsbescheid festgestellt hatte, wie es sonst regelmäßig geschieht (zur Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit solcher Erfassungsbescheide vgl zuletzt BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 6 sowie Urteil des erkennenden Senats vom 18.9.2008 - B 3 KS 1/08 R -, für SozR vorgesehen) , war der Kläger nicht gehindert, gegenüber dem die Höhe der KSA-Schuld für die Jahre 1995 bis 1999 festsetzenden Abgabebescheid der Beklagten den Einwand der schon dem Grunde nach fehlenden Abgabepflicht zu erheben. Dieser Einwand erweist sich im Ergebnis jedoch für den gesamten hier streitigen Zeitraum als unbegründet. Der Kläger unterlag der Pflicht zur Abführung der KSA dem Grunde nach wegen des Betriebs von Orchestern allerdings nur in den Jahren 1995 und 1996; in den Jahren 1997 bis 1999 bestand insoweit keine Abgabepflicht. Dagegen war der Kläger wegen des Betriebs einer Ausbildungsstätte für künstlerische Tätigkeiten im gesamten hier streitigen Zeitraum abgabepflichtig.
I. Betrieb von Orchestern in den Jahren 1995 und 1996
Rechtsgrundlage der Abgabepflicht dem Grunde nach ist § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 KSVG in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.1988 (BGBl I 2606) , die in der Zeit vom 1.1.1989 bis zum 31.12.1996 galt (KSVG 1989). Danach ist zur Abführung der KSA ein Unternehmer verpflichtet, der ein Orchester betreibt. Hiernach war der Kläger als Betreiber von vier Orchestern bis zum 31.12.1996 dem Grunde nach abgabepflichtig.
1) Gemeinnützige eingetragene Vereine können "Unternehmen" iS des § 24 KSVG sein. Das hat der Senat bereits mehrfach entschieden (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 2, 3, 5, 16 ). Es gilt im KSVG ein sozialversicherungsrechtlicher Unternehmerbegriff, für den es ausreicht, dass öffentlich-rechtliche oder private Institutionen ganz oder teilweise durch Zuschüsse aus öffentlichen Haushalten, durch Mitgliedsbeiträge, Spenden oder sonstige Zuwendungen finanziert werden. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich (Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Aufl 2009, § 24 RdNr 18 - 23). Danach erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für den Betrieb eines Unternehmens iS des § 24 KSVG.
2) Alle natürlichen und juristischen Personen, die vom Katalog der typischerweise kunstverwertenden Unternehmen in § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 KSVG 1989 erfasst werden, unterlagen dem Grunde nach der Abgabepflicht, auch wenn sie im Einzelfall nicht oder kaum als kunstverwertend am Markt auftraten. Demgemäß reichte es bis zum 31.12.1996 aus, dass ein Unternehmen "ein Orchester betrieb". Es gab insoweit keinerlei Einschränkungen; insbesondere war nicht entscheidend, wie häufig ein Orchester öffentlich auftrat. Nur die Zugehörigkeit zur Gattung "Orchester" war maßgebend (vgl BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 9 zum Landwirtschaftsmuseum als Fall der Gattung "Museum"). Dementsprechend war für die Abgabepflicht auch nicht entscheidend, ob ein Liebhaber- bzw Laienorchester oder ein Berufsorchester betrieben wurde.
II. Betrieb von Orchestern in den Jahren 1997 bis 1999
Rechtsgrundlage ist § 24 KSVG in der Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25.9.1996 (BGBl I 1461) . Diese Fassung galt in der Zeit vom 1.1.1997 bis zum 30.6.2001 (KSVG 1997). Danach ist gemäß § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 KSVG 1997 ein Unternehmer als Betreiber eines Orchesters nur noch dann zur Abführung der KSA verpflichtet, wenn der Zweck des Unternehmens überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten. Diese die Abgabepflicht deutlich einschränkende Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht.
1) Der Unternehmenszweck eines Musikvereins ist nur dann "überwiegend" darauf gerichtet, künstlerische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten, wenn der Schwerpunkt der Interessen nach Vereinbarung (Vereinssatzung) und Praxis auf dem öffentlichen Auftreten eines Orchesters (einschließlich der zugehörigen Probenarbeit) liegt und demgegenüber andere - nicht kommerzielle - Zwecke wie zB die Freizeitgestaltung, die Pflege eines Hobbys, die Freude am gemeinsamen Musizieren, der regelmäßige gesellschaftliche Kontakt in der Gruppe sowie die Aufrechterhaltung und Förderung des Vereinslebens nur untergeordneten Charakter haben. Diese Voraussetzungen treffen auf die vom Kläger betriebenen Orchester nicht zu. Die Orchestermitglieder sind nach Feststellung des LSG Laien bzw Amateurmusiker, die ein Hobby pflegen. Sie üben die Instrumentalmusik weder haupt- noch nebenberuflich aus. Die öffentlichen Auftritte der vier Orchester erfolgen zwar mit einer gewissen Regelmäßigkeit, überwiegen aber nicht im Vergleich zur Freizeitgestaltung und Hobbypflege (ähnlich BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 17 zu Laienchören).
Diese Auslegung des Gesetzes wird von den Motiven des Gesetzgebers für die engere Fassung des § 24 KSVG gestützt. Ausgangspunkt waren die Urteile des erkennenden Senats vom 20.3.1997 (3 RK 17/96 - SozR 3-5425 § 24 Nr 16) und 16.4.1998 (B 3 KR 5/97 R - SozR 3-5425 § 24 Nr 17) , wonach auch Karnevalsgesellschaften und Gesangvereine der KSA-Pflicht unterlagen, wenn sie - wie häufig der Fall - jährlich mehr als zwei bis drei Veranstaltungen ausrichteten, bei denen Künstler auftraten und sie deshalb als Unternehmen iS des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG 1989 einzustufen waren (Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen, deren Zweck darauf gerichtet ist, künstlerische Werke aufzuführen oder künstlerische Leistungen darzubieten). In den Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 13/5108 S 17 zu Art 9c) heißt es dazu: "Die Abgabeverpflichtung nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG ist von der Rechtsprechung so extensiv ausgelegt worden, das insbesondere im Interesse von Vereinen, die das heimatliche Brauchtum pflegen, gesetzliche Korrekturen zur Einschränkung der Abgabepflicht geboten sind. Künftig sollen die Nummern 2 und 3 des § 24 Abs 1 Satz 1 KSVG nur die typischen Verwerter künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen erfassen, dh der Hauptzweck muss wie bei Konzertchören die öffentliche Aufführung oder Darbietung sein (Nummer 2) bzw die Organisation von Veranstaltungen mit Künstlern muss zum wesentlichen Geschäftsinhalt gehören (Nummer 3). Gesang-, Musik- und Karnevalsvereine sowie Liebhaberorchester fallen damit regelmäßig nicht mehr unter die Abgabepflicht des § 24 Abs 1 KSVG. Auch die Abgabepflicht nach der Generalklausel des § 24 Abs 2 KSVG soll eingeschränkt werden. Der neue Satz 2 stellt klar, dass die Abgabepflicht mindestens drei Veranstaltungen im Kalenderjahr voraussetzt."
Durch diese Begründung hat der Gesetzgeber zugleich verdeutlicht, dass es sich bei der Neufassung nicht nur um eine Klarstellung zu der schon vor dem 1.1.1997 geltenden Rechtslage handelt, sondern um eine echte Einschränkung der bisher sehr weitgehenden Abgabepflicht ("künftig") ab 1.1.1997.
2) Die Abgabepflicht des Klägers als Betreiber von Orchestern folgt ab 1.1.1997 auch nicht aus § 24 Abs 2 KSVG 1997. Danach sind zur KSA auch Unternehmer verpflichtet, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen, wobei eine nicht nur gelegentliche Erteilung von Aufträgen im Sinne des Satzes 1 nicht bereits dann vorliegt, wenn in einem Kalenderjahr lediglich zwei Veranstaltungen durchgeführt werden, in denen künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen aufgeführt und dargeboten werden. Dieser Auffangtatbestand ist hier schon deshalb nicht anwendbar, weil § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 KSVG 1997 für Orchester als Spezialvorschrift vorrangig war und insoweit abschließenden Charakter hatte (vgl BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 17 zu Laienchören). Dies galt bis zum 30.6.2001. Durch Art 1 Nr 16 des 2. KSVG-Änderungsgesetzes vom 13.6.2001 (BGBl I 1027, KSVG 2001) hat der Gesetzgeber in § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und 3 KSVG jeweils den Halbsatz "Absatz 2 bleibt unberührt" angefügt, den Abs 2 Satz 2 neu gefasst (keine Abgabepflicht bei nicht mehr als drei Veranstaltungen) und dort einen Satz 3 hinzugefügt, wonach Abs 1 Nr 2 Satz 1 nicht für Musikvereine gilt, soweit für sie Chorleiter oder Dirigenten regelmäßig tätig sind. Damit hat der Gesetzgeber verdeutlicht, dass er ab 1.7.2001, also erst nach Ablauf des hier streitigen Zeitraums, den Auffangtatbestand des § 24 Abs 2 KSVG 2001 aus Gründen der Gleichbehandlung mit nicht vom Katalog des § 24 Abs 1 Satz 1 KSVG erfassten kunstverwertenden Unternehmen auch auf die in Abs 1 Satz 1 Nr 2 genannten Chöre und Orchester angewandt wissen will, die Musikvereine als Träger von Laienchören und Laienorchestern aber zugleich privilegieren wollte, indem die Aufträge an selbstständige Chorleiter und Dirigenten für das Tatbestandsmerkmal der "nicht zur gelegentlichen" Auftragserteilung außer Betracht zu bleiben haben (so auch Finke/Brachmann/Nordhausen, aaO, § 24 RdNr 92). Mit dieser Maßgabe könnte der Orchesterbetrieb des Klägers ab 1.7.2001 gemäß § 24 Abs 2 KSVG 2001 wieder der Pflicht zur Abführung der KSA unterliegen. Ob dies der Fall ist, war hier aber nicht zu entscheiden, weil die Zeit nach dem 31.12.1999 nicht zum Streitgegenstand gehört.
III. Betrieb einer Musikschule
Hinsichtlich des Betriebes einer Musikschule war nicht nach Zeiträumen zu differenzieren, weil dieser sowohl nach dem KSVG 1989 als auch nach dem KSVG 1997 unter die Abgabepflicht nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 fällt. Musikschulen, die bis zum 31.12.1988 sogar ausdrücklich in § 24 KSVG genannt waren, sind zum 1.1.1989 im Tatbestand der Nr 9 ("Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten") aufgegangen.
Der Kläger betreibt eine Musikschule iS des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 KSVG, auch wenn dieser Begriff nicht im - nur auf den Orchesterbetrieb hinweisenden - Vereinsnamen auftaucht und die Schüler dem Verein angehören müssen. Entscheidend sind folgende Kriterien:
|
|
|
(1) |
Instrumentalmusikalischer Unterricht fällt auch dann unter den Begriff der "Lehre von Musik" iS des § 2 Satz 1 KSVG, wenn Kinder und Jugendliche unterrichtet werden, um in einem Laienorchester mitzuwirken. Eine Ausbildung zum Berufsmusiker ist nicht erforderlich (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 1, 2 und 10; BSG SozR 3-5425 § 1 Nr 4). |
(2) |
Jedes Kind ab sechs Jahren und jeder Jugendliche, der später in einem der vom Kläger betriebenen Orchester mitwirken möchte, hat ohne Weiteres die Möglichkeit zum Vereinsbeitritt. |
(3) |
Es wird ein strukturierter Unterricht erteilt (Jahrgangsklassen; Klassen-, Gruppen- und Einzelunterricht), der außerhalb der normalen Probenarbeit der Orchester stattfindet. |
(4) |
Es werden ständig ca 150 Schüler ausgebildet. |
(5) |
Der Begriff "Musikschule" wird auf dem Briefpapier und im Internetauftritt verwendet. |
(6) |
Von den Nachwuchsmusikern wird ein Ausbildungsbeitrag erhoben. |
Danach geht es in der Gesamtschau um eine weitgehend verselbstständigte und damit um eine "institutionalisierte" Form der Musikausbildung (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 17). Die Nachwuchsausbildung stellt nicht nur einen bloßen Annex zur Probenarbeit dar. Es besteht eine faktische Konkurrenz zu öffentlichen und anderen privaten Musikschulen, die es rechtfertigt, den Kläger auch wegen des Betriebs einer Musikschule der Abgabepflicht zu unterwerfen.
C. Höhe der Abgabeschuld
Das LSG wird die Höhe der vom Kläger als Betreiber von vier Orchestern (1995 bis 1996) und als Betreiber einer Musikschule (1995 bis 1999) zu zahlenden KSA für die Jahre 1996 bis 1999 zu ermitteln haben. Das Jahr 1995 bleibt außer Betracht, weil der KSA-Satz für den Bereich Musik in jenem Jahr 0 % betrug.
I. Maßgeblich für die Berechnung der KSA-Schuld ist die Regelung des § 25 KSVG. Bemessungsgrundlage der KSA sind gemäß § 25 Abs 1 Satz 1 KSVG die Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen, die ein nach § 24 Abs 1 oder 2 KSVG zur Abgabe Verpflichteter im Rahmen der dort aufgeführten Tätigkeiten im Laufe eines Kalenderjahres an selbstständige Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese selbst nach dem KSVG nicht versicherungspflichtig sind. "Entgelt" ist dabei alles, was der zur Abgabe Verpflichtete aufwendet, um das Werk oder die Leistung zu erhalten oder zu nutzen, jedoch abzüglich der in einer Rechnung oder Gutschrift gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer (§ 25 Abs 2 Satz 1 KSVG). Erfasst werden danach alle Zahlungen an selbstständige Künstler iS der §§ 1 und 2 KSVG, soweit sie für künstlerische Werke oder Leistungen beim Orchesterbetrieb (1996) und beim Betrieb der Musikschule (1996 bis 1999) erfolgt sind, wobei es unerheblich ist, ob die Künstler selbst dem Musikverein angehörten oder nicht. Außer Ansatz bleiben müssen dabei alle Zahlungen an selbstständige Künstler, zB Solisten und Dirigenten, die in den Jahren 1997 bis 1999 für ihre Mitwirkung am Orchesterbetrieb geleistet worden sind, weil - wie ausgeführt - dieser Unternehmenszweck beim Kläger nur bis zum 31.12.1996 die Abgabepflicht nach § 24 KSVG ausgelöst hat.
Orchester und Musikschule sind zwei Unternehmenszwecke eines einheitlichen Unternehmens (Musikverein), die sich sachlich und finanziell unterscheiden und abgrenzen lassen. Soweit die Abgabepflicht dem Grunde nach besteht, unterliegen nicht nur die Entgelte an Dirigenten und andere Musiker der KSA, sondern auch jene Entgelte, die möglicherweise an sonstige selbstständige Künstler oder Publizisten im Zusammenhang mit dem Betrieb der Orchester oder der Musikschule - etwa im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit - gezahlt worden sind. Zu denken ist hierbei zB an eine künstlerische oder publizistische Mitwirkung bei der Gestaltung des Internetauftritts (zB durch Webdesigner, vgl BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 5) oder der Mitgliederzeitschrift.
II. Die KSA ist auf alle von § 25 KSVG erfassten Arten des Entgelts zu entrichten. Dies betrifft nicht nur "Honorare" im engeren Sinne. Auch die von § 3 Nr 26 Einkommensteuergesetz (EStG) erfassten Entgelte, also die sog Übungsleiterpauschalen, sowie die steuerfreien Aufwandsentschädigungen unterlagen im fraglichen Zeitraum der KSA. Beide Entgeltarten sind erst im Jahre 2001 durch § 25 Abs 2 Satz 2 Nr 2 KSVG 2001 aus der Bemessungsgrundlage herausgenommen worden, um insbesondere Laienmusikvereine und Volkshochschulen finanziell zu entlasten (zur Begründung im Einzelnen vgl BT-Drucks 14/5792, S 28 zu Nr 17 sowie Finke/Brachmann/Nordhausen, aaO, § 25 RdNr 59 - 62). Allerdings waren Aufwendungen für nachgewiesene Reisekosten nach Maßgabe des § 3 Nr 16 EStG sowie übliche Aufwendungen für die Bewirtung schon seit dem 1.1.1991 nicht mehr in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen (vgl die Künstlersozialversicherungs-Entgeltverordnung vom 22.1.1991, BGBl I 156, abgedruckt bei Finke/Brachmann/Nordhausen, aaO, Anhang 3) .
D. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen