Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherter, der nach Abklingen der klinischen Erscheinungen einer Typhuserkrankung noch dauernd ansteckungsfähige Typhuserreger ausscheidet - Typhusbakterien-Dauerausscheider -, leidet an einer Krankheit im Sinne der RVO §§ 1246 und 1247. Ist einem solchen Versicherten die Ausnutzung seiner Arbeitskraft praktisch verwehrt, weil sich keine Arbeitsmöglichkeit für ihn bietet, so wird sein Rentenanspruch nicht dadurch ausgeschlossen, daß seine Arbeitsfähigkeit durch seinen Zustand nicht beeinträchtigt wird.
Normenkette
RVO § 1246 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1247 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. Februar 1959 mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die am 27. Oktober 1908 geborene und seit 1943 verwitwete Klägerin war nach ihrer Schulentlassung zunächst als Hausgehilfin und später als Fabrikarbeiterin tätig. Von 1946 bis 1951 arbeitete sie als Verkaufshilfe in einem Molkereibetrieb. Danach bezog sie Witwenrente aus der Invalidenversicherung ihres Ehemannes und Versorgungsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz, ferner bis zum August 1955 Arbeitslosen- und Arbeitslosenfürsorgeunterstützung. Sie ist Dauerausscheiderin von Typhusbakterien.
Am 22. Februar 1957 beantragte sie die Gewährung von Rente aus ihrer eigenen Invalidenversicherung. Sie hielt sich für invalide und später sogar für erwerbsunfähig.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 31. August 1957 mit der Begründung ab, die bakteriologische Untersuchung habe zwar ergeben, daß die Klägerin im Stuhl und im Urin ständig Typhusbakterien ausscheide, aber dieser Umstand hindere sie angesichts ihres übrigen, nur unwesentlich eingeschränkten Gesundheitszustandes nicht, noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen und Stehen zu verrichten.
Die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage blieb erfolglos. Auch das Sozialgericht (SG.) Schleswig hielt in seinem Urteil vom 14. Mai 1958 die Klägerin noch nicht für berufs- oder erwerbsunfähig, da es noch sehr viele Berufe gebe, in denen sie arbeiten könne.
Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG.) hob das von der Klägerin angefochtene Urteil des SG. auf und verurteilte die Beklagte, einen neuen Bescheid über die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Februar 1957 zu erteilen. Zur Begründung führte es aus, die gerade erst 50-jährige Klägerin befinde sich zwar in einem körperlich recht guten Zustand und die sonst noch vorhandenen Leiden ( Cystopyelitis , Hallur Valgus beiderseits und mäßige Senkspreizfüße) verursachten nur geringe Beschwerden, so daß sie an sich noch alle leichten bis mittelschweren Arbeiten im Sitzen und Stehen fortgesetzt verrichten könne. Da sie indes ständig sowohl im Stuhl als auch im Urin Paratyphusbakterien ausscheide, seien ihr erhebliche Beschränkungen in der Berufsausübung auferlegt. Nach dem Merkblatt des Bundesgesundheitsamtes vom 11. April 1958 (BArbBL. 1958 S. 641) und den ihr vom Gesundheitsamt Heide gemachten Auflagen dürfe sie in der Krankenpflege, im Friseurgewerbe, im Kellnergewerbe, in Bäckereien sowie in Berufen, die sich mit der Betreuung und Erziehung von Kindern befassen, nicht mehr tätig sein, ferner nicht mehr in Molkereien und Milchverkaufsstellen, in Küchen, die nicht nur der Versorgung der eigenen Familie dienen, sowie im gesamten Lebensmittelhandel. Damit könne sie in diesen Berufen, die an sich für sie in erster Linie in Betracht kämen, ohnehin nicht mehr erwerbstätig sein. Aber auch auf dem übrigen Arbeitsfeld sei sie praktisch nicht mehr einsatzfähig bzw. nicht mehr wettbewerbsfähig. Nach dem erwähnten Merkblatt des Bundesgesundheitsamts solle sie z. B. möglichst einen eigenen Abort benutzen, auf jeden Fall aber müssten dort für sie eine Schüssel mit Desinfektionslösung, ein Waschbecken und ein eigenes Handtuch vorhanden sein, außerdem müßten Sitzbrett und Deckel des Aborts, der Türgriff, der Wasserzug oder Spülknopf des Aborts nach jeder Benutzung durch die Klägerin desinfiziert werden. Die Einhaltung dieser Vorschrift mache ihr eine Arbeitsaufnahme unmöglich, da in Betrieben, die für sie als Arbeitsstätte in Betracht kämen, Einrichtungen der erforderten Art nicht vorhanden seien. Nach den Feststellungen der ärztlichen Sachverständigen sei nicht abzusehen, wann die Klägerin aufhören werde, Typhusbakterien auszuscheiden. Damit sei sie nicht nur berufsunfähig, sondern sogar erwerbsunfähig. Im Urteil vom 11. Februar 1959 ist die Revision zugelassen worden.
Gegen das am 13. April 1959 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 9. Mai 1959 Revision eingelegt und diese am 12. Juni 1959 begründet. Gerügt wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Zunächst habe das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht genügend erforscht. So habe es nicht geklärt, welche Tätigkeiten die Klägerin früher als Arbeiterin verrichtet habe, obwohl es hierauf für die Frage der Verweisbarkeit entscheidend ankomme; vor allem sei nicht geprüft worden, inwieweit die Klägerin etwa noch Heimarbeit verrichten könne.
Ferner habe das LSG. die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung überschritten. Die Feststellung, daß die vom Gesundheitsamt aufgestellten hygienischen Vorschriften in Betrieben des allgemeinen Arbeitsfeldes nicht innegehalten werden könnten, sei nicht begründet.
Außerdem sei das sachliche Recht verletzt. Damit, daß die Klägerin in bestimmten Berufen nicht mehr tätig sein dürfe, sei der Kreis der für sie in Betracht kommenden Arbeiten lediglich eingeschränkt, nicht jedoch überhaupt jede Arbeit ausgeschlossen. Die Einhaltung der erforderlichen hygienischen Vorsichtsmaßnahmen sei praktisch überall möglich. Mit Ausnahme der Schüssel mit Desinfektionslösung würden besondere Einrichtungen nicht verlangt. In größeren Betrieben könne die Klägerin möglicherweise sogar eine Toilette zur alleinigen Benutzung zugewiesen erhalten.
Die Beklagte und Revisionsklägerin beantragt,
das Urteil des LSG. vom 11. Februar 1959 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG. Schleswig vom 14. Mai 1958 zurückzuweisen.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Ihrer Ansicht nach ist weder das formelle noch das sachliche Recht verletzt worden.
Entscheidungsgründe
Die fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete sowie nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision mußte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. führen, da bereits die vorgebrachten Verfahrensrügen durchgreifen. Insbesondere rügt die Beklagte mit Recht eine Verletzung der §§ 103, 128 SGG.
Das LSG. geht davon aus, daß die der Klägerin auferlegten hygienischen Vorsichtsmaßnahmen sie daran hinderten, auch außerhalb der ihr ohnehin verbotenen Berufszweige und Tätigkeiten noch eine Arbeit aufzunehmen. Wegen ihres Zustandes als Dauerausscheiderin von Typhusbakterien im Stuhl und im Urin sei ihr das allgemeine Arbeitsfeld verschlossen. In allen Betrieben, die für sie in Betracht kämen, sei es nicht möglich, ihr einen eigenen Abort zur Verfügung zu stellen, mindestens aber eine Schüssel mit Desinfektionslösung, ein Waschbecken und ein eigenes Handtuch. Da sie als Dauerausscheiderin der genannten Art ihre Umgebung erheblich gefährde, sei sie zu nennenswerten Arbeiten nicht mehr fähig.
Diese Feststellungen sind getroffen worden, ohne daß ein Sachverständiger zu diesen Fragen gehört oder eine Auskunft von geeigneten Stellen, z. B. einer Arbeitsbehörde, einer Gesundheitsbehörde oder einem größeren Unternehmen, eingeholt worden wäre. Der Annahme, daß ein Dauerausscheider von ansteckenden Bakterien allgemein und grundsätzlich vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sei, wie das LSG. meint, stehen schon gesetzliche Vorschriften entgegen. Nach § 13 Abs. 1 der Verordnung zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten vom 11. Februar 1938 (RGBl. I S. 1721) können zwar Bazillenausscheider einer besonderen gesundheitlichen Beobachtung, wiederholter ärztlicher Untersuchung, der Verpflichtung zur Desinfektion der die Krankheitskeime enthaltenen Ausscheidungen, Verkehrsbeschränkungen und sonst etwa erforderlichen Verhaltungsmaßnahmen unterworfen werden, dürfen aber nach näheren Anordnungen lediglich bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln nicht in einer Weise tätig sein, welche die Gefahr mit sich bringt, daß Krankheitserreger auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. Hierzu ist in dem Runderlaß des RMdI. vom 12. Dezember 1938 zur Ausführung der Verordnung vom 1. Dezember 1938 (RMinBl. f. d. Inn. Verw. 1938 S. 2158) zu § 13 der Verordnung ausgeführt, daß von dem Gesundheitsamt jeweils unter Berücksichtigung aller Umstände genau zu prüfen ist, ob und in welchem Umfang einem Bazillenausscheider die Tätigkeit bei der Gewinnung und Behandlung von Lebensmitteln zu untersagen sei; die Entscheidung müsse von Fall zu Fall getroffen werden.
Dementsprechend verbieten das Merkblatt des Bundesgesundheitsamtes für Bakterienausscheider von Typhus-, Paratyphus- und Ruhrbakterien sowie von Erregern der bakteriellen Lebensmittelvergiftung sowie das weitere für die Arbeitsvermittlung von solchen Bakterienausscheidern, beide vom 11. April 1958 (BArBl. 1958 S. 641 und 642), nur die Tätigkeit der Betroffenen im gesamten Nahrungsmittelgewerbe, in Küchenbetrieben, in Wasserwerken, im Friseur- oder Kellnergewerbe sowie die Betreuung und Erziehung von Kindern und die Krankenbehandlung und Krankenpflege durch solche Personen; im übrigen aber wird, da die Ausscheider ihre Arbeitsplätze im Interesse der Allgemeinheit in den genannten Betrieben ohne eigenes Verschulden aufgeben müßten und dadurch hart betroffen würden, ihre baldige Vermittlung durch das Arbeitsamt in andere, für sie geeignete Arbeitsstellen als besonders notwendig bezeichnet.
Hiermit ist es nicht zu vereinbaren, wenn das LSG. ohne entsprechende Ermittlungen und Feststellungen die im übrigen im wesentlichen gesunde Klägerin grundsätzlich zu keinen nennenswerten Arbeiten mehr für fähig hält. Seine dahingehende Annahme läuft auf eine bisher nicht bewiesene Unterstellung hinaus, die auch im Widerspruch zu der bisherigen Rechtsprechung steht. So hatte z. B. das frühere Reichsversicherungsamt (RVA.) in der Entscheidung Nr. 1513 (AN. 1910 S. 647) für einen Typhusbakterien-Darmausscheider ebenfalls ausgesprochen, daß ein solcher infolge seines Leidens nicht ohne weiteres vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sei.
In EuM. 44 S. 151 hat das RVA. ferner ausgeführt, daß z. B. offene Lungen-Tbc, nicht schlechthin Invalidität begründe. Die meisten Versicherten mit offener Tuberkulose würden sich nicht damit einverstanden erklären, wenn man sie lediglich wegen der Offenheit ihrer Tbc. (z. B. nach Durchführung von Heilstättenkuren) als erwerbsunfähig entlasse und sie damit vom allgemeinen Arbeitsfeld ausschließe. Die Beschäftigung im Nahrungsmittelgewerbe, im Beruf als Lehrer, Krankenpfleger, Hebamme, Kindermädchen, Friseur, Kellner usw. sei ihnen ohnehin verboten. Es erscheine mit Rücksicht auf die wirtschaftliche und psychische Schädigung dieser Kranken kaum vertretbar, ihnen auch alle übrigen Betätigungen zu untersagen.
In Gr. E. Nr. 2836 vom 9. Dezember 1924 (AN. 1925 S. 35) hat das RVA. sodann darauf hingewiesen, Berufsunfähigkeit bestehe bei einem an einem ansteckenden Leiden erkrankten Arbeitnehmer, der an sich nach seinem körperlichen Zustand noch seinen Beruf ausüben könne, nur dann, wenn er infolge der nach der besonderen Sachlage gerechtfertigten Weigerung der Mitangestellten seine Arbeitskraft nicht mehr verwerten könne.
Erst in einer Entscheidung vom 3. Dezember 1917 (EuM. 9 S. 289) hat das RVA. die Annahme von Invalidität für einen Urin-Typhusbazillen-Dauerausscheider bestätigt, weil der Versicherte infolge seines Leidens eine so große Ansteckungsgefahr für seine Umgebung, insbesondere seine Mitarbeiter bilde, daß er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, namentlich in seinem Beruf als Lederarbeiter in einer größeren Stadt, aber auch auf dem Lande, bei Ziegelarbeiten, auf Bauten usw. keine Verwendung mehr finden könne, da dort vielfach unhygienische Verhältnisse herrschten und Abort und Wasserversorgung die Weiterverbreitung der ausgeschiedenen Bazillen begünstigten. Diese Entscheidung dürfte aber durch die seitherige wesentlich verbesserte Hygiene überholt sein. Wie Bingold im Handbuch der Inneren Medizin, Infektionskrankheiten I 1 S. 1470 mit Recht ausführt, hat man aus den Kriegsseuchen der letzten beiden Kriege viel gelernt, vor allem hinsichtlich der Durchführung von hygienischen Maßnahmen, Anlagen von Kloaken, Brunnen und Wasserversorgungsanlagen. Deshalb ist die Frage nach der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit von Typhusbakterien-Dauerausscheidern stets sehr komplexer Natur und kann nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles und der sich jeweils bietenden Beschäftigungsmöglichkeiten entschieden werden.
Die Revision erweist sich damit bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen als berechtigt, weil das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht (§ 103 SGG) und die Grenzen seines Rechts zur freien Beweiswürdigung überschritten hat (§ 128 SGG). Der erkennende Senat konnte den Streitfall nicht selbst entscheiden, da es an den nach den obigen Ausführungen noch erforderlichen Ermittlungen und tatsächlichen Feststellungen auf Grund einer einwandfreien Beweiswürdigung fehlt. Außerdem ist das Berufsbild der Klägerin nicht genügend geklärt. Im angefochtenen Urteil wird z. B. ausgeführt, daß sie vor dem Kriege viele Jahre Fabrikarbeiterin war. Es ist nicht ermittelt, um welche Art von Betrieben es sich dabei gehandelt hat und welche Arbeiten sie dort verrichtet hat. Möglicherweise waren es Tätigkeiten in anderen als den durch die Anordnungen des Gesundheitsamtes für die Klägerin verbotenen Berufszweigen, so daß es notwendig gewesen wäre, zunächst festzustellen, ob hierbei die im erwähnten Merkblatt des Bundesgesundheitsamtes geforderten hygienischen Maßnahmen hätten durchgeführt werden können. Der Rechtsstreit war daher nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG an das LSG. zurückzuverweisen.
Bei der erneuten Verhandlung wird das LSG. zunächst zu prüfen haben, wann der Versicherungsfall eingetreten ist. War nämlich die Klägerin bereits seit einem vor dem 1. Januar 1957 liegenden Zeitpunkt Typhusbakterien-Dauerausscheiderin, würde nicht eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente nach neuem Recht in Betracht kommen, sondern eine nach altem Recht festzustellende und vom 1. Januar 1957 nach Art. 2 § 31 ff. ArVNG umzustellende "Invalidenrente" alter Art (vgl. Art. 2 § 6 ArVNG sowie BSG. 7 S. 282 (285)), die nach Art. 2 § 38 Abs. 2 ArVNG als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gelten würde.
Im übrigen ist es an sich nicht zu beanstanden, wenn das LSG. im Einklang mit der Rechtsprechung des RVA. - vgl. die Gr. E. Nr. 1513 (AN. 1910 S. 647), EuM. 9 S. 289, Nr. 2836 (AN. 1925 S. 35), Nr. 4713 (AN. 1934 S. 15), Nr. 5037 (AN. 1937 S. 18) - Invalidität, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit auch dann für gegeben hält, wenn der Versicherte zwar zu körperlicher oder geistiger Arbeit noch fähig ist, ihm aber durch ein besonders geartetes, die Arbeitsfähigkeit nicht berührendes Leiden der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen und damit die Möglichkeit zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise versagt ist. Desgleichen hat es weiter mit Recht in Übereinstimmung mit den erwähnten Entscheidungen bei Bazillenträgern, bei denen nach Abklingen der klinischen Erscheinungen lebende Erreger im Körper verbleiben und dauernd ausgeschieden werden, diesen Zustand als ein solches Leiden und damit als eine Krankheit im Sinne der §§ 1246, 1247 RVO angesehen, weil hierunter jeder regelwidrige körperliche oder geistige Zustand zu verstehen ist, der eine Minderung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit zur Folge hat. Denn wenn auch bei der Beurteilung der Invalidität, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich nicht darauf abgestellt werden darf, ob einem durch ein Leiden in seiner Erwerbsfähigkeit beschränkten Versicherten nach der Lage des Arbeitsmarkts ein Arbeitsplatz noch zur Verfügung steht, so kann er doch nicht auf Tätigkeiten verwiesen werden, die ihm wegen der Besonderheiten seiner körperlichen oder geistigen Verfassung praktisch selbst unter günstigsten Umständen nicht zugänglich sind.
Das LSG. wird aber im einzelnen prüfen müssen, inwieweit diese Grundsätze für die Klägerin als Typhusbakterien-Dauerausscheiderin gelten und bereits die Annahme von Invalidität, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit rechtfertigen können. Dabei ist insbesondere nach den obigen Ausführungen der Kreis der Tätigkeiten abzugrenzen, nach denen die Erwerbsfähigkeit der Klägerin zu beurteilen ist. Ausgehend von den im einzelnen noch festzustellenden, tatsächlich verrichteten Arbeiten und den hiernach zumutbaren sonstigen Tätigkeiten werden sodann die Arbeitsvermittlungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der notwendigen hygienischen Maßnahmen durch Befragung von Arbeits- und ggf. auch von Gesundheitsbehörden festzustellen sein. Schließlich ist noch die Frage, ob die Klägerin auf Heimarbeiten oder auf Arbeitsmöglichkeiten außerhalb ihres Wohnortes verwiesen werden kann, zu klären (vgl. RVA. in EuM. 44 S. 151). Erst danach wird eine Entscheidung über den erhobenen Rentenanspruch möglich sein.
Nach diesen Grundsätzen wird daher das LSG. den Streitfall neu zu prüfen und zu entscheiden haben, wobei alsdann auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden ist.
Fundstellen