Leitsatz (amtlich)
Die Vergünstigung der Wartezeiterfüllung nach ArVNG Art 2 § 52 Abs 2 aF gilt auch für Versicherte, die das 65. Lebensjahr vor dem 1957-01-01 vollendet haben.
Normenkette
ArVNG Art. 2 § 52 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 30. April 1963 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Vorschrift des Artikels 2 § 52 Abs. 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) aF, d. h. in der Fassung vor dem Rentenversicherungs-Änderungsgesetz (RVÄndG), auch für Versicherte gilt, die vor dem 1. Januar 1957 das 65. Lebensjahr bereits vollendet hatten.
Der ursprüngliche Kläger des Rechtsstreits ist im Laufe des Revisionsverfahrens gestorben. Seine Ehefrau, die jetzige Klägerin, hat als Bezugsberechtigte nach § 1288 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) das Verfahren fortgesetzt. Der ursprüngliche Kläger war im Oktober 1887 geboren. Er war Vertriebener im Sinne der §§ 1 bis 4 des Bundesvertriebenengesetzes und bis zu seiner Vertreibung aus Ostpreußen selbständiger Landwirt. Binnen zwei Jahren nach der Vertreibung nahm er am 1. August 1945 im Gebiet der Bundesrepublik eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf, der er mit Unterbrechungen durch Krankheit bis zum 30. Juni 1948 in verschiedenen Arbeitsstellen nachging. Vom 1. Juli 1948 bis zum 15. August 1948 war er erneut krank; vom 16. August 1948 bis zum 20. Dezember 1954 bezog er Unterstützung vom Arbeitsamt.
Den im Januar 1960 gestellten Antrag, ihm Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres zu gewähren, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 21. März 1961 ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei; durch versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten seien nur 33 Monate belegt. Die Sondervorschrift des Art. 2 § 52 ArVNG aF sei nicht anzuwenden, weil der frühere Kläger das 65. Lebensjahr bereits im Jahre 1952 vollendet gehabt habe; nach Art. 2 § 5 ArVNG sei das Recht anzuwenden, das im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles gegolten habe; in diesem Zeitpunkt, nämlich dem der Vollendung des 65. Lebensjahres, habe die Bestimmung des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG aF noch nicht gegolten.
Das Sozialgericht (SG) hat die gegen den Bescheid erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 23. Oktober 1961). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem früheren Kläger das Altersruhegeld ab 1. Januar 1957 unter Anwendung des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG aF zu gewähren. Es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 30. April 1963). Seine Entscheidung hat das LSG darauf gestützt, daß die fehlende Wartezeit durch die Vorschrift des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG ersetzt werde.
Gegen das Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt, mit der sie rügt, das LSG habe gegen die Vorschriften der §§ 103, 151, 156 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verstoßen sowie die Bestimmung des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG aF unrichtig angewandt. Zunächst meint sie, das LSG sei zu einer Sachentscheidung nicht befugt gewesen, weil der frühere Kläger gegen das Urteil erster Instanz nicht rechtzeitig Berufung eingelegt oder jedenfalls eine rechtzeitige Berufung noch vor Schluß der mündlichen Verhandlung zurückgenommen habe. Sodann rügt die Revision, das Berufungsurteil beruhe auf einer unzutreffenden Anwendung des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG aF; denn es stütze sich auf diese Vorschrift, obwohl der frühere Kläger am 1. Januar 1957 bereits 65 Jahre alt gewesen sei. Die Beklagte beantragt sinngemäß, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 30. April 1963 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Itzehoe vom 23. Oktober 1961 zurückzuweisen.
Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Mit Recht hat das LSG entschieden, daß die Beklagte dem früheren Kläger auf den Antrag vom Januar 1960 hin das Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres vom 1. Januar 1957 an zu gewähren hat.
Soweit die Revision meint, das LSG sei zu einer sachlichen Entscheidung nicht befugt gewesen, weil der frühere Kläger nicht rechtzeitig Berufung eingelegt oder eine rechtzeitige Berufung jedenfalls vor Schluß der mündlichen Verhandlung zurückgenommen habe, greift ihre Rüge nicht durch.
Am 21. November 1961 ist beim Berufungsgericht folgendes Schreiben des früheren Klägers vom 20. November 1961 eingegangen:
"Gegen den Bescheid vom Sozialgericht Itzehoe A. Z. 55/J 247/61 vom 23.10.61 lege ich Berufung ein. Da mir keine Altersrente zusteht, so bitte ich, mir die von meinem Verdienst abgezogenen Beiträge für die Zeit vom 1.4.45 bis 30.6.1948 zurück zu zahlen.
Hochachtungsvoll
gez. H S"
Die Revision meint, mit diesem Schreiben sei keine Aufhebung des die Klage abweisenden Urteils verlangt worden, sondern vielmehr eine Rückerstattung. Selbst wenn in dem Wort "Berufung" die wirksame Einlegung des Rechtsmittels zu erblicken sei, so wäre sie jedenfalls durch das am 25. Januar 1962 beim Berufungsgericht eingegangene Schreiben des früheren Klägers rückgängig gemacht worden. In diesem Schreiben habe er ausdrücklich mitgeteilt, daß er nur noch eine Rückerstattung seiner Beiträge begehre. Demgegenüber hat das LSG ausgeführt, wenn der frühere Kläger auch in der Berufungsschrift einen weiteren Antrag, nämlich den auf Rückerstattung von Beiträgen, gestellt habe, so sei dem Gesamtinhalt seines Schreibens doch zu entnehmen, daß er mit ihm gegen das sozialgerichtliche Urteil ein Rechtsmittel - die Berufung - eingelegt habe. Dies ergebe sich bereits aus dem in seiner Schrift verwendeten Wort "Berufung". Er habe damit zu erkennen gegeben, daß er mit dem Inhalt des angefochtenen Urteils nicht einverstanden sei und eine Überprüfung durch das übergeordnete Gericht erstrebe. Zur Gewißheit des Gerichts habe sich dies aus der Erklärung ergeben, die der frühere Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. November 1962 abgegeben habe. Sein Schriftsatz vom 20. November 1961 sei dahin zu verstehen, daß er Berufung gegen das Urteil des SG mit dem Begehren eingelegt habe, ihm das Altersruhegeld zuzusprechen, und nur für den Fall, wenn dieses Begehren keinen Erfolg haben sollte, die Rückerstattung der Beitragsleistung erstrebe.
Die Deutung der Revision, mit dem Schreiben des früheren Klägers vom 20. November 1961 sei keine Berufung auf Aufhebung des Urteils des SG erhoben, sondern eine Rückerstattung der Beiträge beantragt, wird dem Inhalt des Schreibens nicht gerecht. Auch kann entgegen der Auffassung der Revision dem Schriftsatz vom 23. Januar 1962 nicht entnommen werden, daß der frühere Kläger die Berufung zurückgenommen hat; auch wenn er hierin mitgeteilt hat, daß er nur um Rückerstattung der von ihm für die Zeit von August 1945 bis 31. Juli 1948 von seinem Lohn abgezogenen Beiträge bitte. Mögen in beiden Schreiben auch Erklärungen abgegeben worden sein, die zueinander in einem gewissen Gegensatz stehen, so kann es doch nicht beanstandet werden, wenn das LSG der Auffassung der Beklagten nicht beigetreten ist, der frühere Kläger habe eine Berufung überhaupt nicht eingelegt oder diese jedenfalls zurückgenommen. Das LSG hat demnach die Vorschriften der §§ 103, 151, 156 SGG nicht verletzt.
Der Revision kann auch darin nicht gefolgt werden, daß das LSG die Bestimmung des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG aF nicht richtig angewandt habe.
Gegenstand des Verfahrens ist der Anspruch auf das im Januar 1960 beantragte Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Nach § 1248 Abs. 1 RVO erhält Altersruhegeld der Versicherte, der das 65. Lebensjahr vollendet hat, wenn die Wartezeit erfüllt ist. Mit Recht hat das LSG angenommen, daß sich der im Januar 1960 geltend gemachte Rentenanspruch nach dem vom 1. Januar 1957 an geltenden neuen Recht richtet und die Voraussetzungen des Art. 2 § 5 ArVNG nicht erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift sind für Rentenansprüche aus Versicherungsfällen vor dem Inkrafttreten des ArVNG die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften maßgebend, soweit in den folgenden Vorschriften, insbesondere in den §§ 31 bis 41 des Art. 2, nichts anderes bestimmt ist. Der mit der Klage verfolgte Anspruch auf Altersruhegeld ist kein Rentenanspruch aus einem Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1957, wie das LSG mit zutreffender Begründung dargelegt hat; denn wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits wiederholt entschieden hat, setzte nach den bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Vorschriften der Versicherungsfall der Altersinvalidenrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres den Antrag des Versicherten voraus (BSG 3, 24; BSG in SozR Nr. 6 zu § 1253 RVO aF; LSG Baden-Württemberg in Breithaupt 1963, 875). Der frühere Kläger hatte bis zum 31. Dezember 1956 einen Antrag auf Gewährung der Altersinvalidenrente nicht gestellt, so daß auch für ihn vor dem 1. Januar 1957 der Versicherungsfall der Altersinvalidenrente nicht eingetreten war. Da der frühere Kläger nur eine Versicherungszeit von 33 Kalendermonaten zurückgelegt und somit die Wartezeit nach altem Recht nicht erfüllt hatte, hat für ihn auch kein Anlaß bestanden, einen derartigen Antrag zu stellen.
Seit dem 1. Januar 1957 konnte - wie das LSG ebenfalls zu Recht ausgeführt hat - auf Grund des im Januar 1960 gestellten Rentenantrages ein Versicherungsfall nach altem Recht auch nicht mehr eintreten, weil dieses vom 1. Januar 1957 an außer Kraft getreten ist (Art. 3 § 2 ArVNG). Der Anspruch auf das Altersruhegeld kann sich deshalb nur auf einen nach dem 31. Dezember 1956 eingetretenen Versicherungsfall des Alters gründen. Da zu dieser Zeit die Neuregelungsgesetze bereits in Geltung waren, beurteilt sich nach der Bestimmung des § 1248 Abs. 1 RVO, ob der Anspruch begründet ist.
Der in dieser Vorschrift geregelte Versicherungsfall des Alters trat, wie das LSG weiterhin zutreffend angenommen hat, bis zum Inkrafttreten des RVÄndG nach der ständigen Rechtsprechung des BSG unabhängig von einem Rentenantrag mit der Vollendung des 65. Lebensjahres ein. Für Versicherte, die das 65. Lebensjahr vor dem 1. Januar 1957 bereits vollendet hatten, muß es so angesehen werden, als ob für sie der Versicherungsfall des Alters wegen Vollendung des 65. Lebensjahres am 1. Januar 1957 eingetreten ist, wie dies auch für den Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit gemäß Art. 2 § 38 ArVNG zu gelten hat (Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 1. Aufl. Art. 2 § 38 ArVNG Anm. b).
Entscheidend ist, ob zu diesem Zeitpunkt auch die Wartezeit erfüllt war. Das LSG hat dies mit Recht bejaht. Gemäß § 1248 Abs. 4 RVO ist die Wartezeit für das Altersruhegeld erfüllt, wenn eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten zurückgelegt ist. Der frühere Kläger hatte zwar nur eine Versicherungszeit von 33 Kalendermonaten zurückgelegt und die Wartezeit insofern nicht erfüllt. Für ihn gilt aber die Sondervorschrift des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG aF. Sie besagt:
Ist bei einem Versicherten im Sinne des Abs. 1, der nach Vollendung des 50. Lebensjahres eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen hat, die Zeit von der Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres voll mit Versicherungs- und Ausfallzeiten belegt und ist die Wartezeit des § 1248 Abs. 4 RVO durch Versicherungszeiten seit der Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erfüllt, so gelten die fehlenden Monate als Versicherungszeit im Sinne der §§ 1249 und 1258 RVO. Die Revision greift die Ausführungen des LSG nicht an, daß in der Person des früheren Klägers die Voraussetzungen dieser Vorschrift an sich erfüllt sind. Sie meint nur, er gehöre deshalb nicht zu den Versicherten im Sinne dieser Vorschrift, weil er schon im Jahre 1952 das 65. Lebensjahr vollendet habe. Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG aF erfasse nur solche Versicherten, die nach dem 31. Dezember 1956 das 65. Lebensjahr vollendet hätten. Mit Recht ist das LSG dieser Auffassung der Beklagten nicht beigetreten.
Es ist richtig, daß für die Fiktion der Wartezeiterfüllung des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG aF nicht auf den Eintritt des Versicherungsfalles, sondern auf den Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres abgestellt ist. Es trifft aber nicht zu, wie die Revision meint, daß die Vollendung des 65. Lebensjahres allein der Zeitpunkt sei, der die Leistung auslöse, weil mit der Vollendung des 65. Lebensjahres die Fiktion der Wartezeiterfüllung zusammenfalle. Diese Auffassung übersieht, daß die Vorschrift des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG aF nicht einen besonderen Leistungsgrund regelt, auch keinen Versicherungsfall besonderer Art, wie schon ihre Stellung im Gesetz unter den Sondervorschriften des Übergangsrechts zeigt, sondern für einen bestimmten Personenkreis eine Sonderregelung nur für eine Anspruchsvoraussetzung trifft, nämlich darüber, unter welchen Umständen abweichend von den allgemeinen Regeln die Wartezeit als erfüllt zu gelten hat. Wie es auch bei den sonst geltenden Vorschriften über die Erfüllung der Wartezeit nicht entscheidend ist, zu welchem Zeitpunkt vor Eintritt des Versicherungsfalles die zur Erfüllung der Wartezeit anrechnungsfähigen Versicherungszeiten zurückgelegt sind, wann die Wartezeit also erfüllt war, so stellt auch die Sondervorschrift des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG aF nicht darauf ab, wann das 65. Lebensjahr vollendet worden ist. Entscheidend ist, daß - wenn die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind - die Zeit von der Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit nach Vollendung des 50. Lebensjahres bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres voll mit Versicherungs- und Ausfallzeiten belegt ist. Ob das 65. Lebensjahr vor oder nach dem 1. Januar 1957 vollendet worden ist, ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht erheblich. Hierfür spricht aber auch der Sinn und Zweck der Vorschrift, den das LSG richtig gekennzeichnet hat. Es handelt sich bei Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG aF um keine versicherungstechnische Vorschrift. Sie erklärt sich vielmehr aus der Zweckbestimmung, die dahin geht, Personen, die durch Vertreibung, Flucht oder Evakuierung betroffen sind - ähnlich wie im Lastenausgleich -, auf besondere Weise zu entschädigen und ihnen den vollen Versicherungsschutz zu verschaffen (BSG in SozR Nr. 7 zu Art. 2 § 52 ArVNG). Entgegen der Auffassung der Revision verlangt - wie das BSG in dem vorstehend bezeichneten Urteil bereits ebenfalls dargelegt hat - das Gesetz für die Fiktion der Erfüllung der Wartezeit keine bestimmte Dauer der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit. Es genügt vielmehr, wenn die in Betracht kommende Zeit zB nur einen Monat umfaßt.
Zu Unrecht beruft die Revision sich auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 24. Juni 1958 (BSG 7, 282 ff). Dort ist zwar ausgeführt, nach allgemein anerkannter Auffassung regele neues Recht grundsätzlich nur diejenigen Ansprüche, die auf Tatbeständen beruhten, die erst nach seinem Inkrafttreten eingetreten seien; Tatbestände dagegen, die bereits vollständig vor dem Inkrafttreten einer Neuregelung vorgelegen hätten, vermöchten an sich nur insoweit Ansprüche zu begründen, als dies nach den zur Zeit ihres Eintritts geltenden gesetzlichen Vorschriften vorgesehen sei. Dieser Entscheidung liegt aber ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Versicherte vor dem 1. Januar 1957 das 65. Lebensjahr vollendet und vor diesem Zeitpunkt den Antrag auf Gewährung der Altersinvalidenrente gestellt hatte, während in dem gegenwärtigen Fall die tatsächlichen Voraussetzungen für die Altersinvalidenrente wegen des fehlenden Rentenantrages am 31. Dezember 1957 nicht erfüllt waren.
Daß das 65. Lebensjahr nicht erst nach dem 31. Dezember 1956 vollendet sein muß, um die Vorschrift des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG aF anwenden zu können, wird auch in der Literatur - soweit ersichtlich - übereinstimmend angenommen (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 672 f II; RVO-Gesamtkommentar, Art. 2 § 52 Anm. 8; Jantz/Zweng aaO Art. 2 § 52 ArVNG Anm. III am Ende). Jantz/Zweng weisen zutreffend darauf hin, daß Abs. 2 nur auf die nach dem 31. Dezember 1956 eingetretenen Versicherungsfälle anzuwenden ist; denn wenn der Versicherungsfall des Alters nach altem Recht eingetreten war, kann sich die Vorschrift nicht mehr auswirken, d. h., wenn die Altersinvalidenrente nach altem Recht beantragt und bewilligt oder abgelehnt worden war; der Versicherte hatte es in der Hand nach altem Recht zu bestimmen, ob er die Altersinvalidenrente beantragen wollte und wann der Versicherungsfall des Alters eingetreten sein sollte; ist ein Versicherungsfall der Altersinvalidenrente nach altem Recht nicht eingetreten, weil kein Antrag gestellt war, so ist bei Vollendung des 65. Lebensjahres vor dem 1. Januar 1957 der Versicherungsfall ein solcher, der im Sinne von Jantz/Zweng nach dem 31. Dezember 1956 eingetreten ist. Die Revision geht demnach zu Unrecht davon aus, Jantz/Zweng hätten in diesem Zusammenhang nicht den Versicherungsfall im technischen Sinne gemeint, sondern allein die Vollendung des 65. Lebensjahres.
Es wäre nicht einzusehen, warum diejenigen in den Genuß des Art. 2 § 55 Abs. 2 ArVNG aF kommen sollten, die nach dem 1. Januar 1957 das 65. Lebensjahr vollendet haben, während diejenigen von der Wohltat dieser Gesetzesvorschrift ausgeschlossen sein sollten, die vor dem 1. Januar 1957 bereits 65 Jahre alt waren. Der Zweck der Vorschrift, den Vertriebenen als eine besondere Art der Entschädigung den vollen Versicherungsschutz dadurch zu verschaffen, daß ihnen die Vergünstigung der Fiktion der Erfüllung der Wartezeit zukommt, erstreckt sich auf alle Personen, die die besonderen Voraussetzungen des Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG aF erfüllen. In diesem Sinne hat sich auch das LSG Baden-Württemberg in dem bereits angeführten Urteil vom 22. März 1963 in Breithaupt 1963, S. 875 ausgesprochen, in dem es entschieden hat, daß für die Wartezeitersatzvorschrift der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge in Art. 2 § 52 Abs. 2 ArVNG aF nicht Voraussetzung ist, daß das 65. Lebensjahr erst nach dem 31. Dezember 1956 vollendet wird.
Das LSG hat auch mit Recht angenommen, daß das dem früheren Kläger zustehende Altersruhegeld vom 1. Januar 1957 an zu zahlen ist, weil zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen der Rente im Sinne des § 1290 Abs. 1 RVO erfüllt waren.
Die Revision der Beklagten muß aus diesen Gründen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Fundstellen