Leitsatz (redaktionell)

Die Verwaltung muß ihre Willensäußerungen im Bescheid - zB den Vorbehalt des Widerrufs - unmißverständlich zum Ausdruck bringen.

Von den möglichen Auslegungen eines vieldeutigen Verwaltungsaktes muß die Verwaltung diejenige gegen sich gelten lassen, die der Empfänger sich vernünftigerweise zu eigen machen darf, ohne die Unbestimmtheit oder Unvollständigkeit willkürlich zu seinen Gunsten auszunutzen.

 

Normenkette

SGG § 54 Fassung: 1953-09-03; KOVVfG § 22 Abs. 1 Fassung: 1955-05-02

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Februar 1963 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. August 1962 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Nachdem der im Juli 1948 gestellte Rentenantrag abgelehnt worden war, hatte das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 15. August 1956 den Beklagten verurteilt, wegen Hypertonie i. S. der richtunggebenden Verschlimmerung und nachfolgender Apoplexie eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zunächst 50 v. H. und zum Schluß 100 v. H. zu gewähren. Auf die Berufung des Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) nach Beweisaufnahme mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 14. März 1961 die Entscheidung des SG auf und verurteilte den Beklagten, der Klägerin wegen Hypertonie i. S. der Verschlimmerung Rente nach einer MdE um 50 v. H. vom 1. August 1948 an zu gewähren. In den Gründen war u. a. ausgeführt, auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des LSG fest, daß die Apoplexie durch den Einsatz der Klägerin als Krankenschwester weder hervorgerufen noch verschlimmert worden sei.

Während des Berufungsverfahrens hatte das Versorgungsamt (VersorgA) durch "Ausführungs-Benachrichtigung" vom 4. Dezember 1956 die laufende Rente angewiesen und die Klägerin darauf hingewiesen, daß sie verpflichtet sei, die ab 16. August 1956 auf Grund des Urteils zu zahlenden Beträge zurückzuzahlen, wenn die Berufung des Landesversorgungsamts Hessen Erfolg haben sollte. Durch die Ergänzungsbenachrichtigung vom 27. April 1957 war die Berechnung der laufenden Rente berichtigt worden. Am 12. März 1957 beantragte die Klägerin die Gewährung von Pflegezulage. Gestützt auf das versorgungsärztliche Gutachten des Oberregierungs-Medizinalrats Dr. I vom 14. Mai 1957 hatte daraufhin der Beklagte durch Bescheid vom 16. Mai 1957 "auf den Antrag vom 12. März 1957 ... im Anschluß an die Benachrichtigung vom 27. April 1957" gemäß § 62 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ab 1. März 1957 Pflegezulage in Höhe von monatlich 75 DM gewährt und ausgeführt: "Die Prüfung Ihres Antrages hat ergeben, daß bei Ihnen Hilflosigkeit i. S. des § 35 BVG besteht." Im gleichen Bescheid berichtigte er einen Rechenfehler, der in der Ergänzungsbenachrichtigung vom 27. April 1957 hinsichtlich der Höhe der Ausgleichsrente unterlaufen war, und führte noch aus: "Sie werden erneut darauf hingewiesen, daß Sie verpflichtet sind, die ... auf Grund des Urteils zu zahlenden Beträge zurückzuzahlen, wenn die Berufung Erfolg haben sollte."

Nach dem Erlaß des ersten Urteils des Hessischen LSG vom 14. März 1961 berechnete der Beklagte durch die Ausführungs-Benachrichtigung vom 25. April 1961 die während der Berufungsverfahrens zuviel gezahlten Rententeile (einschließlich der Pflegezulage) und forderte diese Beträge zurück. Mit dem Widerspruch verlangte die Klägerin die Weiterzahlung der Pflegezulage. Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Regierungsmedizinalrats Dr. F vom 18. Juli 1961 war die Pflegezulage ausschließlich wegen der Folgen der Apoplexie gewährt worden. Daraufhin führte der Beklagte im Bescheid vom 25. Juli 1961 im Anschluß an die Ausführungs-Benachrichtigung vom 25. April 1961 aus, die Pflegezulage sei gewährt worden, weil durch die Folgen der Apoplexie Hilflosigkeit vorgelegen habe. Da laut Urteil des Hessischen LSG vom 14. März 1961 die Apoplexie nicht Schädigungsfolge sei, seien die Voraussetzungen zur Zahlung der Pflegezulage nicht gegeben. Durch den Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 1961 wurde dem Widerspruch nicht abgeholfen, weil die Ausführungsbenachrichtigung vom 25. April 1961 nach ihrer Ergänzung vom 25. Juli 1961 nicht mehr zu beanstanden sei.

Mit der Klage hat die Klägerin die Gewährung der Pflegezulage rückwirkend ab 1. März 1957 erstrebt. Durch Urteil vom 3. August 1962 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 27. Oktober 1961 und 25. Juli 1961 sowie Abänderung des Bescheides vom 25. April 1961 dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin über den 30. Juni 1961 hinaus die ab 1. März 1957 gewährte Pflegezulage der Stufe I zu zahlen, weil die tatsächlichen Verhältnisse, welche zur Gewährung von Pflegezulage geführt hätten, sich nicht geändert hätten. Der Vorbehalt der Rückforderung von Leistungen habe sich nur auf die in der vorhergehenden Ausführungsbenachrichtigung auf Grund des Urteils zu zahlenden Beträge bezogen.

Der Beklagte hat Berufung eingelegt und den Verwaltungsakt vom 16. Mai 1957, wenn er auch "nicht korrekt als weitere Ausführungsbenachrichtigung ausdrücklich gekennzeichnet" worden sei und eine falsche Rechtsmittelbelehrung enthalten habe, als eine Ausführungsbenachrichtigung auf Grund des Urteils des SG betrachtet. Durch Urteil vom 13. Februar 1963 hat das LSG auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG vom 3. August 1962 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 27. Oktober 1961 abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen. In den Gründen ist ausgeführt, der Bescheid vom 16. Mai 1957 über die Gewährung von Pflegezulage sei zwar ein selbständiger Verwaltungsakt gewesen, doch stelle er eine Ausführung des Urteils des SG vom 15. August 1956 dar. Das habe der Beklagte äußerlich durch die Bezugnahme auf die in Ausführung des Urteils ergangenen Benachrichtigungen vom 4. Dezember 1956 und 27. April 1957 zum Ausdruck gebracht. Dies ergebe sich auch aus dem Hinweis im Bescheid vom 16. Mai 1957, daß die Klägerin verpflichtet sei, die ab 16. August 1956 auf Grund des Urteils zu zahlenden Beträge zurückzuzahlen, wenn die Berufung des Landes Erfolg haben sollte. Dieser Hinweis habe sich nicht nur auf die infolge der Berichtigung der Ergänzungsbenachrichtigung vom 27. April 1957 zu leistende Nachzahlung, sondern auf die gesamten in diesem Bescheid errechneten Beträge, also auch die Pflegezulage, bezogen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und beantragt,

1. das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 3. August 1962 zurückzuweisen;

2. hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Sie rügt mit näherer Begründung eine Verletzung der §§ 77, 154 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); 24, 47 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) sowie der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts. Sie betrachtet den Bescheid vom 16. Mai 1957 nicht als einen Ausführungsbescheid, zumal das SG über die Gewährung von Pflegezulage überhaupt nicht entschieden habe.

Der Beklagte beantragt zu erkennen,

die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts vom 13. Februar 1963 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Klägerin hat die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Das Rechtsmittel ist nach § 164 SGG zulässig und auch begründet.

Das LSG hat die Rückforderung der auf Grund des Bescheides vom 16. Mai 1957 gewährten Pflegezulage für rechtmäßig gehalten, weil dieser Bescheid der Sache nach das Urteil des SG vom 15. August 1956 ausgeführt habe und dies auch für die Klägerin erkennbar gewesen sei. Dies ist nicht frei von Rechtsirrtum.

Wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, war Streitgegenstand des ersten Verfahrens vor dem SG und damit Inhalt des Urteils vom 15. August 1956 der Anspruch auf Gewährung von Versorgung, und zwar die Gewährung von Rente. Die Klägerin hatte den Anspruch im Juli 1948 angemeldet. Damals und zur Zeit der ärztlichen Untersuchung vom 12. August 1949 zur Prüfung ihres Antrags sowie im Zeitpunkt des ablehnenden Bescheides hatte sie noch keinen Schlaganfall erlitten und war nicht hilflos. In dieser Ausgestaltung ist ihr Versorgungsanspruch Gegenstand des nach altem Recht eingeleiteten Berufungsverfahrens gewesen, das nach Einführung der Sozialgerichtsbarkeit als Klage an das SG übergegangen ist. Im Laufe des Verfahrens hat die Klägerin - auch nachdem sie im Jahre 1951 einen Schlaganfall erlitten hatte - ihren Anspruch nicht erweitert, auch nicht ihr tatsächliches Vorbringen so ergänzt, daß die Gewährung von Pflegezulage ebenfalls als Streitgegenstand angesehen werden könnte. Dementsprechend hat das SG durch das Urteil vom 15. August 1956 den Beklagten nur zur Gewährung von Rente in bestimmter Höhe wegen der im einzelnen festgestellten Schädigungsfolgen verurteilt. Die Pflegezulage war - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - nicht Gegenstand des Urteils, ist also zu Recht in die Ausführungs-Benachrichtigung vom 4. Dezember 1956, die auf Grund des § 154 Abs. 2 SGG erlassen ist, nicht aufgenommen worden, ganz abgesehen davon, daß in dieser Zeit die Klägerin noch nicht beantragt hatte, ihr Pflegezulage zu gewähren; dies ist erst am 12. März 1957 geschehen.

Der Anspruch auf Pflegezulage ist somit nicht Gegenstand der Entscheidung des SG gewesen und gehörte also auch nicht in den Ausführungsbescheid nach § 154 Abs. 2 SGG. Er kann auch nicht etwa - nachdem er angemeldet worden war - als wesentlicher, nicht trennbarer Bestandteil der Rente nachträglich noch in den Ausführungsbescheid miteinbezogen werden.

Nach § 9 BVG umfaßt die Versorgung verschiedene, an sich selbständige Ansprüche. Dazu gehört die Heilbehandlung und neben der Beschädigtenrente auch die Pflegezulage (s. dazu BSG 8, 131). Nachdem die Klägerin nach Erlaß des angefochtenen Urteils und des Ausführungsbescheides vom 4. Dezember 1956 die Gewährung von Pflegezulage beantragt hatte, war über diesen Anspruch erstmals zu befinden (s. dazu BSG 3, 273, 274 und 8, 97). Diese Entscheidung war von dem Urteil über die Gewährung von Rente unabhängig. Sie hängt mit ihm nur insoweit zusammen, als das VersorgA bei dem Erlaß seines Verwaltungsakts auch von dem Urteil ausgegangen ist. Hierdurch allein aber kann die Entscheidung über die Pflegezulage nicht als eine Ausführung des Urteils des SG angesehen werden und fällt deshalb nicht unter die Vorschrift des § 154 Abs. 2 SGG.

Wenn das angefochtene Urteil insgesamt gelesen wird, kann angenommen werden, daß das Berufungsgericht sich diesen rechtlichen Erwägungen nicht verschlossen hat. Es hat deshalb weiter ausgeführt, der Hinweis auf die Rückzahlungsverpflichtung in dem Bescheid vom 16. März 1957 sei hinsichtlich der Pflegezulage als Vorbehalt des Widerrufs anzusehen für den Fall, daß die vom Beklagten gegen das Urteil des SG vom 15. August 1956 eingelegte Berufung Erfolg haben sollte. Damit hat das LSG das Handeln des VersorgA so beurteilt, wie es zweckmäßigerweise hätte sein sollen. Es muß aber geprüft werden, ob diese Auslegung des Bescheides vom 16. Mai 1957 die allein mögliche ist. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Bescheid vom 16. Mai 1957 führe das Urteil des SG vom 15. August 1956 aus, gründet sich auf folgende Überlegung:

1. Er hat auf die Benachrichtigung vom 27. April 1957 Bezug genommen, die ihrerseits wieder auf der in Ausführung des Urteils ergangenen Ausführungsbenachrichtigung vom 4. Dezember 1956 beruht und diese ebenfalls mit in Bezug nimmt.

2. Den in gleichem Sinne zu verstehenden Hinweis, wenn die Verwaltung mit ihrer Berufung durchdringe, habe die Klägerin die Beträge zurückzuzahlen, welche sie auf Grund des Urteils des SG vom - wie das LSG festgestellt hat - 16. August 1956 an erhalten habe. Dieser Hinweis habe sich auf die gesamten in diesem Bescheid errechneten Beträge, auch die Pflegezulage, bezogen.

3. Eine andere Auslegung des Bescheides würde dem auch im Verwaltungsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben bei der Auslegung von Willenserklärungen widersprechen.

Eine derartige Auslegung ist - wie sich auch aus den Ausführungen des Beklagten in der Revisionsinstanz ergibt - an sich nicht ausgeschlossen. Es kann zunächst unerörtert bleiben, ob diese Auffassung des LSG rechtsirrtümlich ist. Denn jedenfalls ist auch eine andere Auslegung des Bescheides vom 16. Mai 1957 möglich. Dies ergibt sich nicht nur aus den Darlegungen der Klägerin in der Revisionsinstanz, sondern auch aus folgenden im angeführten Urteil aufgeführten Umständen:

Schon rein äußerlich unterscheidet sich der Bescheid vom 16. Mai 1957 von den vorausgegangenen Verwaltungsakten vom 4. Dezember 1956 und 27. April 1957 dadurch, daß er nicht als "Benachrichtigung" bezeichnet worden ist, sondern als "Bescheid" und "Neufeststellung". Als auslösenden Anlaß bezeichnet er außerdem an erster Stelle den Antrag der Klägerin vom 12. März 1957 auf Gewährung von Pflegezulage. Die Verwaltung hat dann zwar ausgeführt, der Bescheid ergehe "im Anschluß an die Benachrichtigung vom 27. April 1957". Diese Wortfassung aber kann sowohl auf den Inhalt der vorausgegangenen Benachrichtigungen bezogen werden - wie das Berufungsgericht getan hat -, kann aber auch nur rein zeitlich den vorausgegangenen Verwaltungsakt bezeichnen, ohne sich auf seinen Inhalt und seinen besonderen Charakter zu beziehen. Vor allem hat der Bescheid vom 16. Mai 1957 einen doppelten Inhalt. In der Gestaltung des Versorgungsrechtsverhältnisses hat die Verwaltung nur den Antrag der Klägerin vom 12. März 1957, nicht aber auch das Urteil des SG vom 15. August 1956 verwertet. Damit stellt der erste Verfügungssatz dieses Bescheides eine selbständige Gestaltung des Versorgungsrechtsverhältnisses hinsichtlich des Anspruchs auf Pflegezulage dar, die von dem Urteil unabhängig ist.

Weiterhin ist der Beginn der Pflegezulage festgestellt, und sie ist im einzelnen sowohl für die laufenden Bezüge als auch die Nachzahlung rechnerisch festgestellt worden. Damit ist der Bescheid über die in ihm behandelte Pflegezulage in sich verständlich und abgeschlossen. Neben der Pflegezulage enthält er noch einen weiteren Bestandteil. Er berichtigt nämlich die Berechnung der Rente in der Ergänzungsbenachrichtigung vom 27. April 1957. Dieser Teil ist ebenfalls selbständig berechnet worden. Erst bei der Ermittlung der gesamten Nachzahlung sind die beiden Posten zusammengezogen. Damit bleiben sie aber selbständige Beträge, die aus verschiedenen Ursachen zustehen. Schließlich bleibt noch der Hinweis darauf, daß die Klägerin verpflichtet sei, "die ... auf Grund des Urteils zu zahlenden Beträge zurückzuzahlen, wenn die Berufung Erfolg haben sollte". Insoweit ist zu berücksichtigen, daß die Pflegezulage, wie in dem ersten Teil des Bescheides vom 16. Mai 1957 festgestellt worden ist, ab 1. März 1957 zustand, so daß das vom LSG festgestellte Datum für den Beginn einer möglichen Rückzahlungspflicht vom 16. August 1956 nicht auf die Pflegezulage, sondern allein auf die nachzuzahlende Rente hindeutete. Schon die Verschiedenheit der Daten und sodann die Wortfassung "die auf Grund des Urteils zu zahlenden Beträge" lassen die Auslegung zu, der Verwaltungsakt vom 16. Mai 1957 betreffe zwei selbständige, voneinander getrennte und getrennt zu haltende Teile, die Pflegezulage und die nachzuzahlende Rente. Infolgedessen ist die im angefochtenen Urteil vorgenommene Auslegung des Hinweises auf die Rückzahlungspflicht nicht die einzig mögliche.

Demgemäß kann Zweck und Ziel des Bescheides vom 16. Mai 1957, insbesondere der Rückerstattung von Leistungen, in zweierlei Weise ausgelegt werden. Von den möglichen Auslegungen eines derartig vieldeutigen Verwaltungsaktes muß die Versorgungsverwaltung diejenige gegen sich gelten lassen, die der Empfänger sich vernünftigerweise zu eigen machen darf, ohne die Unbestimmtheit oder Unvollständigkeit willkürlich zu seinen Gunsten auszunutzen (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 8. Aufl. S. 229 § 12 e/ dd Abs. 2). Auch mit dieser Einschränkung durfte die Klägerin den Bescheid vom 16. Mai 1957 hinsichtlich der Pflegezulage als einen selbständigen Verwaltungsakt ansehen, der von den bis dahin ergangenen Ausführungsbenachrichtigungen unabhängig war und keine Verpflichtung zur Rückzahlung empfangener Leistungen enthielt. Diese mögliche und der Klägerin zuzubilligende Auslegung führt dazu, daß der Bescheid vom 16. Mai 1957 hinsichtlich der Pflegezulage keinen Vorbehalt des Widerrufs enthält. Die Verwaltung mag dieses Ergebnis nicht gewollt haben. Sie hat dann aber ihre Vorstellungen von der Neugestaltung des Versorgungsrechtsverhältnisses und ihren Wunsch, den Bescheid widerrufen zu können, nicht in einer solchen Weise zum Ausdruck gebracht, daß die Klägerin es unmißverständlich erkennen mußte. Da der Widerruf im Bescheid vom 16. Mai 1957 selbst sonach nicht vorbehalten war, ist seine Ausübung nicht rechtmäßig. Hierbei braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob etwa die Verwaltung ihr Ermessen, von dem Widerruf Gebrauch zu machen, pflichtmäßig angewandt hätte.

Demgemäß ist das Urteil des SG vom 3. August 1962 zutreffend gewesen. Die Berufung des Beklagten hiergegen ist nicht begründet, so daß - wie geschehen - zu erkennen war.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380342

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