Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiung von der Versicherungspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

Gleichstellungsbeschlüsse (AVG § 17 aF) und pauschale Gewährleistungsbescheide (AVG § 11 Abs 3 aF), die vor Inkrafttreten des AnVNG ergangen sind, begründen die Freistellung von der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung über diesen Zeitpunkt hinaus nur bei solchen Angestellten, die vor diesem Zeitpunkt angestellt und damit zugleich von der Versicherungspflicht freigestellt waren (Ergänzung zu BSG 1964-02-18 11/1 RA 370/62 BSGE 20, 202 = SozR Nr 2 zu Art 2 § 2 ArVNG).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. AnVNG Art 2 § 3 (= ArVNG Art 2 § 2) gilt nur für solche Angestellte, die bereits vor Inkrafttreten des AnVNG nach AVG § 17 aF (= RVO § 1242 aF) Versicherungsfrei waren; Angestellte mit Versorgungsansprüchen nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen, die erst nach dem 1957-02-28 in das Beschäftigungsverhältnis eingetreten sind, können auf Antrag des Arbeitgebers lediglich im Rahmen des AVG § 8 (= RVO § 1231) von der Versicherungspflicht befreit werden.

2. Folgt aus einem auch nur hilfsweise gestellten Klageantrag, daß das Revisionsgericht einen Sachverhalt zu würdigen hätte, der der Beurteilung durch den Tatsachenrichter noch nicht unterlag, so liegt insoweit eine nach SGG § 168 im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung vor.

3. Eine Änderung des Klagebegehrens in der Revisionsinstanz darf nicht zur Folge haben, daß das Revisionsgericht einen Sachverhalt zu würdigen hat, der der Beurteilung durch den Tatsachenrichter noch nicht unterlag.

 

Normenkette

RVO § 1231 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 2 Fassung: 1957-02-23, § 3 Fassung: 1957-02-23; AVG § 11 Fassung: 1945-03-17, § 17 Fassung: 1945-03-17, § 8 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1242 Fassung: 1945-03-17

 

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24.Februar 1966 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob nach altem Recht erteilte pauschale Freistellungen von der Versicherungspflicht gemäß Art. 2 § 3 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) auch für die erst nach Rechtsänderung begründeten Arbeitsverhältnisse weitergelten und die klagenden Anstalten demgemäß die für die bei den Anstalten angestellten Beigeladenen zu 3) bis 6) zur Angestelltenversicherung (AV) und Arbeitslosenversicherung (ArblV) geforderten Beiträge zu entrichten haben.

Die Beigeladenen zu 3) bis 6) gehören zu den Angestellten der Anstalten, denen nach dem 28. Februar 1957 bei Einstellung Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gewährleistet wurde. Für diesen Personenkreis hatte auf Antrag der Anstalten der Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten am 18. Oktober 1913 folgenden Bescheid erlassen:

"Nach einer Mitteilung des Herrn Reichskanzlers (Reichsamt des Inneren) hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 17. April 1913 aufgrund des § 14 Nr. 1, 2 des Versicherungsgesetzes für Angestellte beschlossen, daß die §§ 9, 10 Nr. 1, §§ 11 bis 13 des gedachten Gesetzes gelten mit Wirkung vom 1. Januar 1913 ab für die Beamten der Anstalt für Epileptische B, der Westfälischen Diakonissenanstalt S und der Westfälischen Diakonissenanstalt N in B, wenn ihnen mindestens die in § 9 bezeichneten Anwartschaften gewährleistet sind oder sie lediglich für ihren Beruf ausgebildet werden.

Aufgrund des § 9 Abs. 3 aaO und mit Bezug auf den Beschluß der Vorstände der drei Anstalten vom 26. August 1913 erkenne ich hierdurch an, daß den oben gedachten Beamten die im § 9 Abs.1 bezeichneten Anwartschaften gewährleistet sind."

Ein entsprechender Bescheid ist auf Grund des § 171 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF vom 19. Juli 1911 entsprechendem Antrag der Anstalten durch den Minister für Handel und Gewerbe mit Wirkung vom 1. August 1914 für die Krankenversicherung ergangen.

Mit Bescheid vom 15. Februar 1961 stellte die beklagte Betriebskrankenkasse (BKK) auf Veranlassung der Beigeladenen zu 1) Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 3) bis 6) in der AV und ArblV - für die Beigeladene zu 6) auch zur Krankenversicherung - fest und forderte für die Zeit bis zum 31. Januar 1961 von den Anstalten Beiträge in Höhe von insgesamt 9.230,82 DM nach. Sie war der Ansicht, die nach früherem Recht erfolgte Freistellung der Angestellten der Anstalten in der AV gelte nach dem Inkrafttreten des AnVNG nicht für die Beigeladenen zu 3) bis 6). Der Widerspruch der Anstalten blieb erfolglos.

Auf ihre Klage hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 18. Oktober 1963 antragsgemäß die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit mit ihnen Beiträge zur AV und zur ArblV geltend gemacht wurden. Das Landessozialgericht (LSG) hat der Berufung der Beigeladenen zu 1) und 2) durch Urteil vom 24. Februar 1966 stattgegeben. Es vertrat unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Februar 1964 (BSG 20, 202) die Auffassung, die Weitergeltung der für die AV erteilten pauschalen Freistellungen seien auf diejenigen Beschäftigten der Anstalten beschränkt, die noch vor Erlaß des AnVNG versicherungsfrei geworden seien.

Nur insoweit sei eine "Freistellung" nach dem Wortlaut des Art. 2 § 3 AnVNG "erfolgt" und bestehe ein schutzwürdiger Besitzstand, der nach der Übergangsregelung des Art. 2 § 3 AnVNG aufrecht erhalten werden solle. Die Beigeladenen zu 3) bis 6), denen erst nach dem 28. Februar 1957 beamtenrechtliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung zugesichert worden seien, fielen nicht unter diesen Personenkreis. Sie seien daher weder in der AV noch in der ArblV versicherungsfrei.

Gegen dieses Urteil haben die Anstalten die zugelassene Revision eingelegt. Sie machen geltend, der Wortlaut des Art. 2 § 3 AnVNG sei auslegungsbedürftig. Bei dieser Auslegung sei zu berücksichtigen, daß es sich um Freistellungen handele, die im Interesse der Arbeitgeber erfolgt seien und ihnen eine schutzwürdige Rechtsstellung eingeräumt hätten, die erhalten bleiben solle, solange kein Widerruf erfolge. Diese Rechtsposition werde beeinträchtigt, wenn die Freistellung auf die Angestellten begrenzt werde, deren Dienstverhältnisse zur Zeit der Rechtsänderung bereits begründet gewesen seien. Durch eine solche Einschränkung würden zudem die Versorgungseinrichtungen der Anstalten, die auf den Zuzug jüngerer Mitglieder angewiesen seien, für die Zukunft in Frage gestellt. Diese Einrichtungen seien aber erforderlich, um Personal zu bekommen und es den Anstalten zu ermöglichen, den übernommenen Aufgaben der freien Wohlfahrtspflege nachzukommen. Sie dienten öffentlichen Aufgaben. Es sei daher anzunehmen, daß der Gesetzgeber interessiert gewesen sei, die nach altem Recht bestehenden personellen Versorgungsmöglichkeiten zu erhalten. Die Anstalten haben im übrigen auf ein Schreiben des Bundestagsabgeordneten H vom 20.Dezember 1956 verwiesen, Sie sind der Ansicht, hierin komme zum Ausdruck, daß ihren Interessen in Art. 2 § 3 AnVNG Rechnung getragen worden sei.

Die Anstalten haben beantragt,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24. Februar 1966 sowie die Bescheide der Beklagten vom 15. Februar 1961 und vom 14. April 1961, soweit mit ihnen Beiträge zur Angestellten- und Arbeitslosenversicherung für die Beigeladenen zu 3) bis 6) gefordert werden, aufzuheben,

hilfsweise,

festzustellen, daß die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Ziffer 3 oder 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) bei den Beigeladenen zu 3) bis 6) vorliegen.

Die Beigeladene zu 1) hat beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Die Beigeladene zu 2), die Beklagte wie auch die Beigeladene zu 3) bis 6) haben keinen Antrag gestellt.

II

Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat mit Recht die Bescheide der Beklagten, mit denen diese die Anstalten als Arbeitgeberinnen der Beigeladenen zu 3) bis 6) auf Zahlung von Beiträgen zur AV und ArblV in Anspruch nimmt, bestätigt.

Die genannten Beigeladenen wurden während der hier streitigen Zeiten bei den Anstalten als Ärzte und Lehrer im Angestelltenverhältnis beschäftigt und waren unstreitig Angestellte im Sinne des Versicherungsrechts gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 6 AVG in Verbindung mit Gruppe C der Bestimmung von Berufsgruppen der AV vom 8. März 1924 (RGBl I, 274/410) idF der Verordnungen vom 4. Februar und vom 15. Juli 1927 (RGBl I, 58/222). Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 AVG waren sie daher versicherungspflichtig, soweit sie nicht kraft Gesetzes oder einer auf gesetzlicher Grundlage ergangenen Rechtsverordnung oder eines Verwaltungsakts befreit waren. Eine solche Befreiung besteht hier nicht.

Zu Unrecht berufen sich die Anstalten darauf, daß ihre Angestellten, soweit ihnen Versorgungsanwartschaften gewährleistet worden seien, aufgrund eines Gleichstellungsbeschlusses des früheren Bundesrats vom 17. April 1913 in Verbindung mit einem Gewährleistungsbescheid des damaligen Ministers der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten vom 18. Oktober 1913 von der Versicherungspflicht in der AV befreit worden seien und diese Befreiung kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung fortgelte und auch für die Beigeladenen zu 3) bis 6) maßgebend sei. Zwar ist den Anstalten nach altem Recht wirksam Befreiung von der Versicherungspflicht zur AV für ihre derzeitigen und zukünftigen beamtenähnlichen Beschäftigten erteilt worden, zu denen auch die Beigeladenen zu 3) bis 6) aufgrund der gewährleisteten Versorgungsanwartschaften zählen. Diese gehören jedoch nicht zu denjenigen Angestellten der Anstalten, für die die alte Freistellung weiter gilt. Mit Inkrafttreten des AnVNG ist die in § 17 AVG aF vorgesehene Möglichkeit entfallen, die Versicherungsfreiheit auf Antrag des Arbeitgebers auf die in dieser Vorschrift genannten Betriebe und Verwaltungen auszudehnen ("Gleichstellungsbescheid"). Nur in dem verhältnismäßig engen Rahmen des § 8 AVG kann nach geltendem Recht auf Antrag des Arbeitgebers von der Versicherungspflicht befreit werden. Soweit es sich um die Beschäftigung von "Lehrern" oder "Erziehern" handelt, fallen auch die klagenden Anstalten unter die genannte Vorschrift; sie haben bei dem Beigeladenen zu 5) für eine in diesem Verfahren nicht strittige Zeit von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht. Hingegen können frühere Freistellungen von der Versicherungspflicht auf Antrag des Arbeitgebers nur nach Maßgabe des Art. 2 § 3 AnVNG fortwirken.

Die genannte Vorschrift erhält jedoch pauschale Freistellungen nur insoweit aufrecht, als sie vor Rechtsänderung bereits zur Befreiung von der Versicherungspflicht geführt haben. Der 11. Senat des BSG hat hierzu in seinem Urteil vom 18.Februar 1964 (BSG 20, 202) ausgeführt, Art. 2 § 3 AnVNG sei als Übergangsvorschrift eng auszulegen; Sinn und Zweck des AnVNG gingen dahin, die Befreiungsmöglichkeit auf Antrag der Arbeitgeber für die Zukunft einzuschränken. Es sei daher geboten, die Vorschrift des Art. 2 § 3 AnVNG nur auf die Fälle anzuwenden, die ihr Wortlaut decke. Eine "Freistellung" von der Versicherungspflicht nach den früheren Vorschriften sei im Sinne des Art. 2 § 3 AnVNG dann "erfolgt", wenn die Versicherungsfreiheit aufgrund der früheren Vorschriften bereits bestanden habe, d.h. der Vorgang, der nach früherem Recht die Versicherungsfreiheit auf Antrag des Arbeitgebers herbeigeführt habe (Erlaß des Gewährleistungsbescheides der obersten Landesbehörde - § 11 Abs. 3 AVG aF - unter Bezugnahme auf den Gleichstellungsbeschluß des Reichsversicherungsamtes - § 17 aF, § 174 RVO idF vom 17.3.1945 -), vor dem Inkrafttreten des AnVNG bereits abgeschlossen gewesen sei, Nur insoweit, als für einen Angestellten bereits Versicherungsfreiheit bestanden habe, verbleibe es nach Art. 2 § 3 AnVNG dabei; nur insoweit folge das Gesetz dem Gedanken der Besitzstandswahrung. Dagegen biete Art. 2 § 3 AnVNG keine Rechtsgrundlage für "neue" Befreiungen von der Versicherungspflicht in der AV.

Diese Grundsätze gelten nicht nur für den vom 11. Senat entschiedenen Fall, daß ein Gleichstellungsbeschluß vorliegt, ein Gewährleistungsbescheid vor Rechtsänderung jedoch nicht mehr ergangen ist, sondern - wie das LSG zu Recht angenommen hat - auch im vorliegenden Rechtsstreit, in dem neben einem Gleichstellungsbeschluß ein allgemeiner Gewährleistungsbescheid vorlag. Nach dem in der genannten Entscheidung dargelegten Zweck der Übergangsvorschrift gilt diese nur für solche Angestellten, für die bereits vor Inkrafttreten des AnVNG Versicherungsfreiheit bestanden hat. Sowohl Gleichstellungserklärung als auch Gewährleistungsbescheid führten aber noch nicht zu Freistellungen bestimmter Angestellter von der Versicherungspflicht, sondern schufen nur die Voraussetzung dafür, daß mit der Begründung eines entsprechenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zugleich die Freistellung von der Versicherungspflicht erfolgte. Das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses war somit unerläßliche Vorbedingung dafür, daß in Ansehung dieses konkreten Beschäftigungsverhältnisses eine Freistellung von der Versicherungspflicht erfolgen konnte.

Zu Unrecht hält die Revision dieser Deutung des Sinngehalts des Art. 2 § 3 AnVNG entgegen, dessen Charakter als Übergangsvorschrift werde vollauf durch die in ihr vorgesehene Möglichkeit gewahrt, die Freistellung unter bestimmten Voraussetzungen zu widerrufen. Diese Widerrufsmöglichkeit beschränkt sich auf die Fälle, daß die Voraussetzungen der Freistellung nicht mehr gegeben sind, insbesondere die Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 AVG nicht mehr gewährleistet ist. Diese Ermächtigung zur Abhilfe aus Gründen der Gefährdung des freigestellten Versicherten würde aber nichts daran ändern, daß mangels einer solchen Besorgnis immer wieder Beschäftigungsverhältnisse zugleich mit der Wirkung der Freistellung von der Versicherungspflicht neu begründet werden könnten, wenn Art. 2 § 3 AnVNG dahin verstanden werden müßte, daß schon das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen - Gleichstellungsbescheid und Gewährleistungsbescheid - genüge. Diese "Übergangs"-vorschrift erhielte dergestalt die Funktion einer Ausnahmenorm, die zugunsten privilegierter Arbeitgeber einen Sonderstatus für die Dauer des geltenden Rechts begründen würde. Das wäre aber - abgesehen von verfassungsmäßigen Bedenken - weder mit der Zielsetzung des AnVNG noch mit der Systematik der sonstigen Übergangsregelungen in Art. 2 AnVNG in Einklang zu bringen, die entweder stichtagsmäßig begrenzte Gestaltungsrechte regeln oder anderweitig - durch entsprechende Normierung des Sachverhalts - ihre zeitlich beschränkte Wirkung als Übergangsnorm deutlich machen.

Auch die Befürchtung der Klägerinnen, bei einer Beschränkung des Wirkungsbereiches des Art. 2 § 3 AnVNG auf die vor Inkrafttreten des AnVNG von der Versicherungspflicht freigestellten Angestellten würde der Fortbestand ihrer Versorgungseinrichtungen, letztlich sogar die Erfüllung der von ihnen übernommenen öffentlichen Aufgaben gefährdet, vermag eine andere Beurteilung der Rechtslage nicht zu rechtfertigen. Die Beeinträchtigung ihrer Versorgungseinrichtungen durch Entzug neuer Mitglieder trifft die Anstalten in gleicher Weise wie alle Arbeitgeber, denen nach früherem Recht Einzel- oder Pauschalbefreiungen erteilt worden sind und die nach den Bestimmungen des AnVNG nicht mehr zu den begünstigten Arbeitgebern gehören. Die Anstalten haben durch den Gleichstellungs- und Gewährleistungsbescheid auch nicht im Gegensatz zu anderen Arbeitgebern besondere Zusicherungen oder irgendein Recht auf den ungefährdeten Bestand ihrer Einrichtungen erhalten, das zu schützen wäre. Der Bestand ihrer privaten Versorgungseinrichtungen war nicht eine schutzwürdige Folge, sondern Voraussetzung für die Gewährung und die begrenzte Weitergeltung der Freistellung. Daß mit Inkrafttreten des AnVNG neu angestellte Beschäftigte versicherungsrechtlich anders als die früher angestellten behandelt werden, ist ebenfalls ohne Bedeutung. Dieser Umstand wäre nur dann erheblich, wenn er gegen den Gleichheitsgrundsatz verstieße. Das ist, wie der 11. Senat (aaO) ausgeführt hat, wegen der Verschiedenartigkeit der Sachverhalte bei den vor und nach Rechtsänderung eingestellten Beschäftigten nicht der Fall. Für die Beigeladenen zu 3) bis 6) kommt somit eine Befreiung von der Versicherungspflicht zur AV nicht in Betracht.

Die Höhe der geforderten Beitragsleistungen ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Sie läßt einen Berechnungsfehler nicht erkennen. Da nach ausdrücklicher Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Anstalten auf eine etwaige Verjährungseinrede zulässigerweise verzichtet worden ist, kommt eine Kürzung der Forderung infolge Verjährung nicht in Betracht. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht die gegen den Beitragsbescheid der Beklagten zur AV gerichtete Klage abgewiesen.

Der Entscheidung des LSG ist auch insoweit zu folgen, als es eine Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 3) bis 6) zur ArblV angenommen hat. Für die Beigeladenen zu 3) bis 5) folgt diese aus § 56 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG). Diese Beigeladenen waren aufgrund des AVG pflichtversichert und unterlagen der Pflicht zur Krankenversicherung nach § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO nur deshalb nicht, weil sie - wie hier unstreitig ist - die Jahresarbeitsverdienstgrenze von 7.920 DM überschritten hatten. Als Angestellte in Berufen der Erziehung, des Unterrichts und der Krankenpflege wären sie - von ihrem Einkommen abgesehen - auch zur Krankenversicherung versicherungspflichtig gewesen; denn es bestand ebenso wie zur Angestelltenversicherung weder eine unmittelbare gesetzliche Befreiung noch eine Befreiung auf Antrag.

Wie aus dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten hervorgeht, war zwar für die in der AV von der Versicherungspflicht freigestellten Beschäftigten der Anstalten auf ihren Antrag mit Wirkung vom 1. August 1914 nach § 171 RVO aF durch den Minister für Handel und Gewerbe auch für die Krankenversicherung Befreiung erfolgt. Wie dies im einzelnen vorgenommen wurde und ob sie den an eine wirksame Freistellung zu stellenden Anforderungen genügte, steht zwar nicht fest, konnte der Senat jedoch offenlassen. Jedenfalls können sich die Anstalten auf diese Befreiung nicht mehr berufen, nachdem § 171 RVO aF durch Art. 1 Abs. 2 und 3 der 1. Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung vom 17. März 1945 (RGBl I 41) aufgehoben worden ist. Bei den in der Krankenversicherung nach §§ 170, 171 RVO aF erfolgten pauschalen Freistellungen handelte es sich, wie das Reichsversicherungsamt (RVA) (Entsch. Nr. 5187 in AN 1938, 165) ausgesprochen hat und auch von Peters (Handbuch der Krankenversicherung, Stand November 1968, Bd. 2, 22. Nachtrag, § 174 S. 17/183-6) für den heutigen § 174 RVO angenommen wird, um einen "Akt der delegierten Gesetzgebung", eine Rechtsverordnung, bei der abstrakt auf Dauer ein unbestimmter, nur nach Gattungsmerkmalen bezeichneter Personenkreis erfaßt wurde. Diese Rechtsverordnung ist jedoch, da keine gesetzesvertretene Verordnung, wie eine Durchführungsverordnung gesetzesabhängig und deshalb mit dem Außerkrafttreten der Ermächtigungsnorm des § 171 RVO hinfällig geworden (vgl. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, 7. Aufl., 1968, § 27 I b 5 S. 130; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Bd. Allgem. Teil, 9. Aufl., 1966, § 8, S. 144, 145; BGH in DÖV 1955, 639; BVerwG 1, 239, 241).

Die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 6) zur Arbeitslosenversicherung folgt gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 1 AVAVG aus ihrer Versicherungspflicht zur Krankenversicherung, die in dem angefochtenen Bescheid bindend festgestellt worden ist. Der Bescheid ist insoweit ausdrücklich nicht beanstandet worden.

Auch dem in der Revisionsinstanz gestellten Hilfsantrag der Anstalten festzustellen, daß die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs, 1 Ziff. 3 und 4 AVG bei den Beigeladenen zu 3) bis 6) vorliegen, konnte nicht entsprochen werden, denn es handelt sich insoweit um eine Klageänderung (§ 99 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), die im Revisionsverfahren unzulässig ist (§ 168 SGG). Durch den Hilfsantrag wird ein neuer Klagegrund eingeführt, der - da das LSG insoweit keine Feststellungen getroffen hat und auch nicht zu treffen brauche - neue Ermittlungen notwendig machen würde (vgl. BSG 8, 178, 180). Nach § 162 Abs. 2 SGG hat das BSG nur zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung auf der Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung bestimmter gesetzlicher Vorschriften beruht. Eine Änderung des Klagebegehrens in der Revisionsinstanz darf deshalb nicht zur Folge haben, daß das Revisionsgericht einen Sachverhalt zu würdigen hat, der der Beurteilung durch den Tatsachenrichter noch nicht unterlag, weil sich die Rechtskontrolle in einem solchen Fall nicht mehr auf die Entscheidung der Vorinstanz beschränken würde. Dies widerspräche dem Wesen der Revision (BSG 18, 12, 14).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2284741

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?