Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 04.05.1990) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. Mai 1990 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Gewährung eines vorzeitigen Altersgeldes aus der landwirtschaftlichen Altershilfe.
Die beklagte Landwirtschaftliche Alterskasse Hessen-Nassau (LAK) hatte dem 1937 geborenen Kläger, der bis zur Abgabe seines landwirtschaftlichen Unternehmens zum 1. April 1982 Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse für insgesamt 213 Kalendermonate entrichtet hatte, vorzeitiges Altersgeld wegen Erwerbsunfähigkeit vom Ablauf des Monats April 1982 an gewährt, nachdem ihm zuvor schon die Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinland-Pfalz Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit vom 11. September 1981 bis 30. September 1983 bewilligt hatte. Mit Bescheid vom 10. Februar 1984 hatte ihm die Beklagte wegen Wegfalls der Erwerbsunfähigkeit das vorzeitige Altersgeld entzogen. Der Bescheid enthielt den Hinweis, daß für einen Anspruch auf das normale Altersgeld die Abgabe einer Weiterentrichtungserklärung gemäß § 27 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) und die Beitragszahlung ab 1. April 1984 unbedingt erforderlich sei. Der Kläger hatte mit seinem Widerspruch erklärt, seine Rente sei von September 1983 an gestrichen und sein Antrag auf Arbeitslosenhilfe abgelehnt worden. Er sehe sich deshalb im Moment nicht in der Lage, eine Beitragszahlung zu entrichten. In dem – bindend gewordenen – Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 1984 hatte die Beklagte ebenfalls auf die Notwendigkeit weiterer Beitragszahlungen für den Erhalt eines späteren Leistungsanspruchs und die Frist für die Abgabe der Erklärung über die Weiterentrichtung der Beiträge (31. März 1986) hingewiesen.
Die Beklagte lehnte mit dem streitigen Bescheid vom 3. Februar 1989 den Antrag des Klägers, dem die LVA wieder Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit gewährt hatte, vom 27. Dezember 1988 auf Gewährung vorzeitigen Altersgeldes wegen Erwerbsunfähigkeit ab, da dieser weder bis zum erneuten Eintritt der Erwerbsunfähigkeit freiwillige Beiträge weiter entrichtet noch fristgemäß die Erklärung über die Weiterentrichtung abgegeben habe.
Klage und Berufung hiergegen sind erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts – SG – Koblenz vom 4. Oktober 1989 und des Landessozialgerichts – LSG – Rheinland-Pfalz vom 4. Mai 1990). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzung des § 2 Abs 2 Buchst b GAL, wonach für die Gewährung eines vorzeitigen Altersgeldes eine ununterbrochene Beitragszahlung des Berechtigten bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder bis zum Beginn der Zahlung eines vorzeitigen Altersgeldes erforderlich sei. Die gesetzliche Regelung sei auch nicht verfassungswidrig. Der Kläger habe des weiteren keinen Herstellungsanspruch auf Nachentrichtung der Beiträge, da die Beklagte aufgrund seiner Mitteilung, er sehe sich im Moment nicht in der Lage, Beiträge zu entrichten, nicht gehalten gewesen sei, sich über die Hinweise im Widerspruchsbescheid hinaus nochmals an den Kläger zu wenden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Verpflichtung, Beiträge ua bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit zu entrichten, verstoße gegen Art 3 des Grundgesetzes (GG), da eine durchgehende Beitragsentrichtung in anderen Bereichen der Rentenversicherung nicht gefordert werde. Er sei zudem wegen der mangelnden Beratung der Beklagten nicht über bestehende Möglichkeiten der Beitragsentrichtung informiert worden.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. Mai 1990 und des Sozialgerichts Koblenz vom 4. Oktober 1989 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Februar 1989 zu verurteilen, ihm vorzeitiges Altersgeld wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Januar 1989 zu gewähren sowie die Rentenleistung vom 1. Januar 1989 an mit 4 vH zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung verstößt die gesetzliche Regelung, nach der eine Beitragszahlung bis zum Leistungsfall gefordert werde, nicht gegen das GG, insbesondere nicht gegen Art 3 GG. Die Altershilfe für Landwirte stelle eine sektorspezifische Sonderregelung dar, aufgrund derer eine besondere Ausgestaltung der beitragsrechtlichen Leistungsvoraussetzungen zulässig sei. Ein Herstellungsanspruch des Klägers bestehe schon deshalb nicht, weil sie, die Beklagte, ihrer Auskunfts- und Beratungspflicht durch konkrete und individuelle Hinweise im Widerspruchsbescheid nachgekommen sei. Es sei Sache des Klägers gewesen, sich bei einer beabsichtigten Weiterversicherung innerhalb der Zwei-Jahresfrist an sie, die Beklagte, zu wenden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß ihm ein Anspruch auf vorzeitiges Altersgeld nicht zusteht.
Gemäß § 2 Abs 2 GAL erhält ein (ehemaliger) landwirtschaftlicher Unternehmer, der erwerbsunfähig ist (Abs 2 Buchst a aaO) und das Unternehmen abgegeben hat (Buchst c aaO) vorzeitiges Altersgeld, wenn er mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit Ausnahme der Zeiten des Bezugs eines vorzeitigen Altersgeldes oder eines Hinterbliebenengeldes und für mindestens 60 Kalendermonate Beiträge als landwirtschaftlicher Unternehmer oder nach § 27 GAL an die landwirtschaftliche Alterskasse gezahlt hat (Buchst b aaO). Das Letztere war beim Kläger nicht der Fall. Er hat nach Beendigung des Bezuges von vorzeitigem Altersgeld zum 31. März 1984 bis zum Eintritt einer erneuten Erwerbsunfähigkeit im Jahre 1989 weder Beiträge als landwirtschaftlicher Unternehmer noch – was hier allein in Betracht kam – nach § 27 GAL an die Beklagte geleistet.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 2 Abs 2 Buchst b GAL mit dem GG vereinbar. Nicht festzustellen ist insbesondere eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG). Es besteht deshalb kein Anlaß, das Verfahren gemäß Art 100 Abs 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG ist Art 3 Abs 1 GG dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl ua BVerfGE 78, 232, 247 = SozR 5850 § 14 Nr 11 S 20; BVerfGE 79, 87, 98 = SozR 2200 § 183 Nr 54 S 156; BVerfGE 79, 106, 121f; jeweils mwN). Dabei hat der Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, deren Grenzen erst dann überschritten werden, wenn eine vom Gesetz vorgenommene unterschiedliche Behandlung sich – sachbereichsbezogen – nicht mehr auf einen vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund zurückführen läßt (BVerfGE 79, 249, 287 mwN). Das aus Art 3 Abs 1 GG herzuleitende und auch den Gesetzgeber bindende Willkürverbot bedeutet, daß bei der Auswahl der Tatbestände, für die eine gesetzliche Regelung getroffen wird, sachgemäß, dh nach Gesichtspunkten, die sich aus der Eigenart des zu regelnden Sachverhaltes ergeben, in diesem Sinne also nicht „willkürlich” zu verfahren ist (BVerfGE 80, 109, 118 mwN).
Die Regelung des § 2 Abs 2 Buchst b GAL, die eine ununterbrochene Beitragsleistung bis zu den bezeichneten Endzeitpunkten verlangt, soweit nicht Ausnahmen zugelassen sind (vgl zur Entstehungsgeschichte der Norm BSG SozR 5850 § 2 Nr 5, S 8), ist durch sachbezogene und einleuchtende Gründe gerechtfertigt und benachteiligt den Kläger nicht im Verhältnis zu anderen Gruppen von Versicherten. Der Gesetzgeber durfte die Voraussetzungen des Bezugs von vorzeitigem Altersgeld wegen Erwerbsunfähigkeit in der Altershilfe für Landwirte anders regeln als die Voraussetzungen für den Bezug von Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw Erwerbsunfähigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten. Diese dient, wie das BVerfG im Vergleich mit der Altershilfe für Landwirte bereits dargelegt hat (BVerfGE 25, 314, 321f = SozR Nr 77 zu Art 3 GG), dem Schutz der abhängig Beschäftigten und ihrer Angehörigen gegen die Risiken der Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes. Die Altershilfe für Landwirte dagegen ist eine Versicherung von selbständigen Unternehmern, die unter Berücksichtigung des Schutzbedürfnisses dieser Versichertengruppe und im Hinblick auf die ihnen offenstehenden Möglichkeiten anderweitiger Absicherung allgemeiner Lebensrisiken als eigenständige Materie ausgestaltet ist, die ihrer eigenen Sachgesetzlichkeit unterliegt. Der Gesetzgeber durfte daher bei der Festsetzung der Leistungen und der Bestimmung der Leistungsvoraussetzungen in der Altershilfe für Landwirte auch berücksichtigen, daß die Geldleistungen der Landwirtschaftlichen Alterskassen zu über 80 % aus Mitteln des Bundes finanziert werden, mithin – im Gegensatz zu den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung – weit überwiegend gerade nicht durch Beiträge der Versicherten aufgebracht werden (zu diesem Gesichtspunkt bei der Prüfung einer Verletzung von Art 3 Abs 1 GG s die Entscheidungen des Senats vom 10. August 1989 – 4 RLw 1/88 = SozR 5850 § 4 Nr 9 – und vom 7. Dezember 1989 – 4 RLw 12/88 = GVLAK Rdschr AH 5/90). Dieser Umstand der weitgehenden Fremdfinanzierung, durch den das System der landwirtschaftlichen Altersversorgung einen stark fürsorgerischen Charakter (BVerfGE aaO) erhält, rechtfertigt es, die Ansprüche der Berechtigten an strengere Voraussetzungen zu binden als die der Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Im übrigen kann es nicht unerwähnt bleiben, daß auch die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung eine gewisse zeitliche Nähe der Leistung von Pflichtbeiträgen zu dem Eintritt des Versicherungsfalles voraussetzen (vgl etwa §§ 1246 Abs 2a, 1247 Abs 2a der Reichsversicherungsordnung – RVO) bzw für die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes die durchgängige Entrichtung freiwilliger Beiträge erfordern (vgl etwa Art 2 § 6 Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes). Eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG liegt somit nicht vor.
Soweit der Kläger die Gewährung vorzeitigen Altersgeldes im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erstrebt, scheitert dieses Begehren bereits daran, daß die erforderliche Leistung freiwilliger Beiträge durch ihn in der Zeit von April 1984 bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit im Jahre 1989 nicht über einen Herstellungsanspruch ersetzt werden kann. Die Leistung dieser Beiträge hat der Kläger im übrigen nicht angeboten. Sofern in seinem Antrag auf Verurteilung zur Altersgeldgewährung auch inzidenter der Antrag auf Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für den genannten Zeitraum enthalten sein sollte, ist darauf hinzuweisen, daß ein derartiger Herstellungsanspruch schon deshalb nicht gegeben ist, weil es an einem Fehlverhalten der Beklagten fehlt, das ihn begründen könnte. Die Beklagte hat den Kläger im Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 1984 nämlich klar und eingehend auf die Notwendigkeit einer Weiterentrichtung von Beiträgen zur Aufrechterhaltung des Ver-sicherungsschutzes sowie auf den Ablauf der Frist zur Abgabe der Weiterentrichtungserklärung hingewiesen. Bei diesem Sachverhalt wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, sofern er Beiträge gemäß § 27 GAL hätte entrichten wollen, sich mit seinem Begehren an die Beklagte zu wenden. Derartiges ist nicht geschehen. Aus seinem Unterlassen kann ein Fehlverhalten der Beklagten nicht hergeleitet werden.
Die Revision des Klägers ist nach allem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen