Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 31.05.1989) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Mai 1989 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Anrechnung einer Ausfallzeit auf ein Altersruhegeld.
Der Kläger war bis April 1984 als Elektroingenieur versicherungspflichtig beschäftigt und bezog vom 1. Mai 1984 bis 28. Oktober 1985 Arbeitslosengeld (Alg). Seit dem Jahr 1967 bis zur Löschung im Dezember 1985 war er mit einem Elektro-und Radiofachgeschäft in der Handwerksrolle der Handwerkskammer Mittelfranken eingetragen. In den Jahren 1984/85 übte der Kläger eine selbständige Erwerbstätigkeit nicht aus, noch erzielte er Einkünfte aus dem eingetragenen Handwerksbetrieb.
Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gewährte dem Kläger Altersruhegeld ab 1. November 1985, rechnete aber die Zeit des Alg-Bezuges vom 1. Mai 1984 bis 31. Oktober 1985 im Hinblick auf seine Eintragung in die Handwerksrolle nicht an; denn nach § 3 Abs 1 des Handwerkerversicherungsgesetzes (HwVG) liege eine Arbeitslosigkeit iS des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) nur vor, wenn und solange der Handwerker in der Handwerksrolle gelöscht sei (Bescheid vom 30. Dezember 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 1986).
Das Sozialgericht (SG) Nürnberg, während dessen Verfahren der Neufeststellungsbescheid der Beklagten vom 1. September 1987 ergangen ist, hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. November 1987). Auf die Berufung des Klägers hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Zeit vom 1. Mai 1984 bis 31. Oktober 1985 als Ausfallzeit anzurechnen (Urteil vom 31. Mai 1989). Die Voraussetzungen einer Ausfallzeit nach § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG seien erfüllt. Einer Anrechnung stehe auch nicht § 3 Abs 1 HwVG entgegen. Schon dem Wortlaut dieser Vorschrift nach werde die Ausfallzeit nach § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG nicht erfaßt. Diese Ausfallzeitregelung stehe auch in Kontinuität zu den vor Einführung der Ausfallzeit nach Nr 3a aaO geltenden Regelungen, aufgrund derer die Zeit des Alg-Bezuges als Beitragszeit zu berücksichtigen gewesen sei. Die Privilegierung der Ausfallzeit nach Nr 3a aaO im Verhältnis zu dem Ausfallzeittatbestand des Abs 1 Satz 1 Nr 3 aaO sei gerechtfertigt; denn aufgrund ihrer größeren Sachnähe könne die Arbeitsverwaltung besser beurteilen, ob die Voraussetzungen des Alg-Bezuges erfüllt seien. Die Fiktion des § 3 Abs 1 HwVG, die im Rahmen des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG dem Rentenversicherungsträger die Entscheidung erleichtern solle, ob eine selbständige Erwerbstätigkeit noch ausgeübt werde, sei deshalb bei der Regelung der Nr 3a aaO entbehrlich.
Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung materiellen Rechts. Nach § 3 Abs 1 HwVG liege ua Arbeitslosigkeit iS des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG nur vor, wenn und solange der Handwerker in der Handwerksrolle gelöscht sei. Der Gesetzgeber habe durch die Vorschrift klarstellen wollen, daß für einen in der Handwerksrolle eingetragenen Handwerker Arbeitslosigkeit iS des § 101 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) nicht in Betracht kommen könne. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts (Hinweis auf BSGE 23, 163; 29, 176) handele es sich bei der Einschränkung durch § 3 Abs 1 HwVG um eine unwiderlegbare Vermutung. Obwohl der Gesetzgeber die Regelung des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG nicht ausdrücklich in die Sonderregelung des § 3 Abs 1 HwVG aufgenommen habe, könne die Zeit der Zahlung von Alg (oder Arbeitslosenhilfe – Alhi) durch die Bundesanstalt für Arbeit bei Selbständigen nur dann eine Ausfallzeit nach § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG darstellen, wenn die besonderen Voraussetzungen des § 3 Abs 1 HwVG (Löschung der Eintragung in der Handwerksrolle) bzw des § 36 Abs 1 Satz 5 AVG (Aufgabe der selbständigen Tätigkeit) erfüllt seien. § 3 Abs 1 HwVG finde auch auf § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG Anwendung, weil der Gesetzgeber mit der Neuregelung beabsichtigt habe, an die vor dem 1. Juli 1978 bestehende Rechtslage anzuknüpfen (vgl BR-Drucks 452/82, S 101 und 103), nach der den selbständigen Handwerkern die Zeit der Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug prinzipiell nur dann als Ausfallzeit hätte anerkannt werden können, wenn sie in der Handwerksrolle gelöscht gewesen seien. Die Absicht des Gesetzgebers und auch das Gebot, einen im Gesetz wiederkehrenden Begriff – hier den der Arbeitslosigkeit – für denselben Kreis von Anspruchsberechtigten in einem einheitlichen Sinne zu verstehen, führten dazu, den Anwendungsbereich des § 3 Abs 1 HwVG und des § 36 Abs 1 Satz 5 AVG auch auf den Ausfallzeittatbestand der Arbeitslosigkeit iS des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG auszudehnen. Hieraus folge, daß bei einem Handwerker Zeiten des Bezugs von Alg (Alhi) ohne Löschung in der Handwerksrolle keine Ausfallzeit iS des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG begründen könne. Diese Auffassung werde auch vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung geteilt. Nach seiner Stellungnahme wollte der Gesetzgeber bei selbständigen Handwerkern die Zeit der Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug prinzipiell nur dann als Ausfallzeit anerkannt wissen, wenn diese in der Handwerksrolle gelöscht seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Mai 1989 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24. November 1987 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, daß dem Kläger die Zeit vom 1. Mai 1984 bis 31. Oktober 1985 bei dem Altersruhegeld als Ausfallzeit anzurechnen ist.
Für die Höhe des dem Kläger ab 1. November 1985 gewährten Altersruhegeldes sind neben anderem die anrechnungsfähigen Versicherungsjahre (§ 35 AVG) maßgebend, zu denen die Ausfallzeiten (§ 36 AVG) gehören. Die Zeit des Alg-Bezuges des Klägers vom 1. Mai 1984 bis 31. Oktober 1985 ist eine Ausfallzeit iS des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG, eingefügt mit Wirkung vom 1. Januar 1983 durch Art 20 Nr 9 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I S 1857). Ihrer Anrechnung stehen andere Vorschriften nicht entgegen.
Der Kläger erfüllte in dem genannten Zeitraum, in dem er arbeitslos war und Alg bezog, tatbestandlich sowohl die Voraussetzungen des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und der Nr 3a AVG; denn es handelte sich zunächst um Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch eine mindestens einen Kalendermonat andauernde Arbeitslosigkeit unterbrochen worden war und in der der Kläger als bei einem deutschen Arbeitsamt als arbeitsuchend gemeldeter Arbeitsloser versicherungsmäßiges Alg bezogen hat. Die Zeit lag auch nicht in dem Zeitraum vom 1. Juli 1978 bis 31. Dezember 1982 (§ 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG). Zugleich liegen auch die Voraussetzungen der Nr 3a aaO vor – Zeiten des Bezugs von Alg nach dem 31. Dezember 1982 –, da auch von der Bundesanstalt für Arbeit keine Beiträge an eine Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder ein Versicherungsunternehmen oder an den Kläger selbst gezahlt worden sind.
Beide Rechtssätze – Nr 3 und Nr 3a aaO – erfassen, da auch die engeren Voraussetzungen der Nr 3 vorliegen, denselben Sachverhalt und ordnen unmittelbar dieselbe Rechtsfolge, nämlich das Vorliegen einer Ausfallzeit, an. Dennoch kann nicht dahingestellt bleiben, ob eine Ausfallzeit nach Nr 3 oder Nr 3a gegeben ist, weil weitere – mittelbare – Folgen, die an eine Ausfallzeit nach Nr 3 oder nach Nr 3a anknüpfen, durchaus unterschiedlich sind, wie noch zu zeigen sein wird. Die Konkurrenz der beiden Rechtssätze, die nur bei Sachverhalten, die vom 1. Januar 1983 an verwirklicht worden sind, eintreten kann, ist dahingehend aufzulösen, daß die Ausfallzeit nach Nr 3a diejenige nach Nr 3 verdrängt. Der Vorrang der Regelung nach Nr 3a bei ab 1. Januar 1983 zurückgelegten Zeiten des Alg- (und Alhi-)Bezuges ergibt sich bereits aufgrund des – gewohnheitsrechtlich anerkannten (BVerwGE 85, 289, 292) – Rechtssatzes, daß das später erlassene Gesetz, das den gleichen Sachverhalt regelt, das früher erlassene verdrängt, ggf außer Kraft setzt, ohne daß es dazu einer ausdrücklichen Aufhebung bedarf (zur Geltung der sog lex posterior derogat legi priori-Regel s auch BAG AP Nr 9 zu § 1 TVG – Tarifverträge – Einzelhandel; BFHE 150, 184, 191). Das ist hier, wie aufgezeigt, hinsichtlich des Verhältnisses der Nr 3a zu Nr 3 insoweit der Fall, als in beiden Normen der Bezug von Alg (und Alhi) erfaßt wird.
Der nach der genannten Kollisionsregel bezüglich eines Teilregelungsbereiches bestehende Vorrang des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG gegenüber Nr 3 aaO wird auch durch die Intention der gesetzlichen Neuregelung bestätigt, wonach der Ausfallzeittatbestand nach Nr 3a im Verhältnis zu dem nach Nr 3 inhaltlich der speziellere ist. Die Ausfallzeit gemäß Nr 3a setzt neben dem Alg-Bezug und fehlender Beitragsleistung iS der Nr 3a letzter Halbsatz im Gegensatz zu Nr 3 aaO weder die Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung noch eine Arbeitslosigkeit von mindestens einem Kalendermonat voraus. Diese Besserstellung der Zeiten des Alg-Bezuges nach Nr 3a entspricht entgegen der Auffassung der Beklagten Sinn und Zweck der Regelung; denn wenn etwas anderes gewollt gewesen wäre, hätte es einer erneuten Regelung des Alg-Bezuges in Nr 3a gerade nicht bedurft.
Die genannte Vorschrift steht – worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat – auch in sachlicher Kontinuität zu dem Rechtszustand, wie er bis zum 31. Dezember 1982 bestand. Sie trat an die Stelle des vom 1. Juli 1978 bis zum 31. Dezember 1982 geltenden § 2 Abs 1 Nr 12 AVG (= § 1227 Abs 1 Nr 10 RVO), der hinsichtlich der Berücksichtigung eines Alg-Bezuges die Ausfallzeit des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG ablöste. § 2 Abs 1 Nr 12 AVG bestimmte ua, daß Alg-Bezieher während des Bezuges dieser Sozialleistung in der Angestellten-Versicherung versicherungspflichtig waren. Die Bundesanstalt für Arbeit hatte während dieser Zeit die Pflichtbeiträge für die Alg-Bezieher zu tragen (§ 112 Abs 4 Buchst i AVG, § 1385 Abs 4 Buchst h RVO, jeweils in der bis zum 31. Dezember 1982 gültig gewesenen Fassung). Für das Eintreten der Pflichtversicherung stellte das Gesetz auf den Bezug von Alg, hingegen nicht auf die Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bzw eine Mindestdauer des Alg-Bezuges ab. Die rechtliche Neubewertung der Zeit des Alg-Bezuges als Ausfallzeit durch das HBegleitG 1983 brachte hinsichtlich der genannten Voraussetzungen keine Änderung. Insoweit läuft die Argumentation der Beklagten, wonach § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG an die vor dem 1. Juli 1978 bestehende Rechtslage anknüpfe, zum Teil ins Leere. Die Neuregelung durch das HBegleitG 1983 führte zwar den Ausfallzeittatbestand des Alg-Bezuges wieder ein, stellte aber hierfür zum Teil gerade andere, weniger enge Voraussetzungen als die Regelung der Nr 3 aaO auf.
Auch der Anlaß der Neuregelung belegt, daß der Gesetzgeber eine Änderung in der Sache im Verhältnis zum zuvor bestehenden Rechtszustand nicht beabsichtigt. Die Aufhebung des Versicherungspflichttatbestandes „Alg-Bezug” beruhte nämlich ausschließlich auf finanziellen Erwägungen. Die von der Bundesanstalt für Arbeit an die Rentenversicherung zu zahlenden Beiträge sollten sich nicht mehr wie bis dahin nach den jeweiligen entgangenen Arbeitsentgelten, sondern nur nach den – niedrigeren – Lohnersatzleistungen bemessen. Wären diese Zeiten den Versicherten als Pflichtbeitragszeiten mit niedrigen Beiträgen angerechnet worden, hätte das erhebliche Benachteiligungen der Versicherten im Verhältnis zum früheren Recht bedeutet. Dieses Ergebnis sollte durch die Einführung der – neuen – Ausfallzeiten nach Nr 3a verhindert werden (vgl dazu Begründung des RegEntW zum HBegleitG 1983, BT-Drucks 9/2074, zu Nr 23, S 101 iVm der Begründung zu Nr 29, S 103). Die Versicherten sollten mithin hinsichtlich der Berücksichtigung einer Ausfallzeit nach Nr 3a gegenüber dem bis zum 31. Dezember 1982 geltenden Recht nicht schlechter gestellt werden. Das wäre aber der Fall gewesen, wenn bei gleichzeitiger Erfüllung der Voraussetzungen des Ausfallzeittatbestandes der Nr 3 dieser bei der Rentenberechnung maßgebend gewesen wäre. Da der Ausfallzeittatbestand der Nr 3a den nach Nr 3 verdrängt, ist insoweit eine Schlechterstellung der Versicherten durch die Einführung der Ausfallzeit gemäß Nr 3a im Verhältnis zum vorher geltenden Recht ausgeschlossen.
Bei der vom Kläger im streitigen Zeitraum zurückgelegten Zeit des Alg-Bezuges handelt es sich nach allem um eine Ausfallzeit iS des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG. Ihrer Anrechnung steht nicht entgegen, daß der Kläger während dieser Zeit noch in die Handwerksrolle eingetragen war. Zwar bestimmt § 3 Abs 1 HwVG, daß Arbeitslosigkeit ua iS des § 1259 Abs 1 Nr 3 RVO (= § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG) nur vorliegt, wenn und solange der Handwerker in der Handwerksrolle gelöscht ist. Diese Regelung ist aber nicht auf die Ausfallzeit nach § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG anzuwenden (im Ergebnis ebenso Niesel in KassKomm, § 1259 Rdnr 46; aA Verbandskommentar, § 1259 Rdnr 28).
§ 3 Abs 1 HwVG ist eine auf die Besonderheiten der Handwerkerversicherung zugeschnittene Ausprägung des für die Angestelltenversicherung – wenn auch erst später – in § 36 Abs 1 Satz 5 AVG (= § 1259 Abs 1 Satz 5 RVO) niedergelegten Rechtssatzes, nach dem eine Arbeitslosigkeit iS des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG nicht besteht, solange noch eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Im Gegensatz zu den sonstigen Bereichen selbständiger Erwerbstätigkeit, bei denen die tatsächliche Aufgabe der Tätigkeit sie regelmäßig auch im rechtlichen Sinne beendet, verlangt § 3 Abs 1 HwVG aus Gründen einer zulässigen Vereinfachung und Typisierung die Löschung des Handwerkers in der Handwerksrolle. Umgekehrt löst nämlich die Eintragung in die Handwerksrolle – unabhängig von einer tatsächlichen Aufnahme der Tätigkeit – gemäß § 1 Abs 1 HwVG die Versicherungspflicht in der Handwerkerversicherung aus (vgl dazu BSGE 29, 176, 178 = SozR Nr 49 zu § 1248 RVO). Damit entspricht die auf die Handwerkerversicherung zugeschnittene Vorschrift des § 3 Abs 1 HwVG den Regelungen der §§ 36 Abs 1 Satz 5 AVG, 1259 Abs 1 Satz 5 RVO für die übrigen selbständigen Erwerbstätigen, ohne daß sie inhaltlich eine weitergehende Wirkung enthält.
Zu der Vorschrift des § 1259 Abs 1 Satz 5 RVO hat der 5. Senat des BSG entschieden, daß sie auf die Ausfallzeit des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 3a RVO nicht anwendbar ist (Urteil vom 27. Juni 1990 – 5 RJ 49/89 = SozR 3 – 2200 § 1259 Nr 2). Er hat zur Begründung darauf hingewiesen, daß neben dem Wortlaut des Abs 1 Satz 5 aaO auch Entstehungsgeschichte und Zweck der Regelung in Nr 3a einer unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des Abs 1 Satz 5 entgegenstehen. Bei der Einfügung der Ausfallzeit nach Nr 3a durch das HBegleitG 1983 seien zugleich in § 1259 Abs 1 Satz 2 RVO (= § 36 Abs 1 Satz 2 AVG) die Worte „und 3” durch die Worte „bis 3a” ersetzt worden. Abs 1 Satz 5 aaO sei hingegen nicht geändert worden. Hieraus müsse geschlossen werden, daß diese Regelung sich nicht auf den neu aufgenommen Ausfallzeittatbestand der Nr 3a erstrecken solle. Die Eigenständigkeit dieser Regelung entspreche dem mit ihr verfolgten Zweck, die bis dahin bestehende Pflichtversicherung des Alg-Bezuges durch die Einführung eines Ausfallzeittatbestandes abzulösen.
In Fortführung der Entscheidung des 5. Senats geht der erkennende Senat davon aus, daß auch die Regelung des § 3 Abs 1 HwVG der Anrechnung einer Ausfallzeit nach § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG nicht entgegensteht. Dies ergibt sich neben den aufgezeigten aus den folgenden weiteren Gründen: Die Aufhebung der Versicherungspflicht wegen Alg-Bezuges und die Neuregelung dieser Zeit als Ausfallzeit sollte – wie bereits im einzelnen dargelegt – nicht zu einer Schlechterstellung des betreffenden Personenkreises führen. Das gilt auch für die Berücksichtigung von Ausfallzeiten neben einer selbständigen Erwerbstätigkeit. Für die Pflichtversicherung wegen Alg-Bezuges war eine – kurzzeitige – selbständige Erwerbstätigkeit nicht schädlich. Alg kann nämlich auch der kurzzeitig selbständige Erwerbstätige beziehen.
Gemäß § 100 Abs 1 AFG hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Arbeitslos ist gemäß § 101 Abs 1 ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt (Satz 1 aaO). Nicht arbeitslos ist jedoch ein Arbeitnehmer, wenn er ua eine Tätigkeit als Selbständiger ausübt, die die Grenze des § 102 AFG überschreitet (Satz 2 Nr 1 aaO). Kurzzeitig und damit unschädlich ist gemäß § 102 Abs 1 AFG eine Beschäftigung, die nunmehr auf weniger als 18 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus oder durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist. Auch eine kurzzeitige Beschäftigung als selbständig Erwerbstätiger hinderte mithin einen Anspruch auf Alg nicht (vgl dazu etwa BSG SozR 4100 § 102 Nr 7). An dieser Rechtslage hat sich auch nach der Einführung des Ausfallzeittatbestandes gemäß § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG zum 1. Januar 1983 nichts geändert. Es ist nicht einsichtig, weshalb eine selbständige Tätigkeit, die zur Zeit der Pflichtversicherung wegen Alg-Bezuges unbeachtlich war, nunmehr die Nichtanrechnung einer Ausfallzeit wegen Alg-Bezuges nach sich ziehen soll. Würde man der Auffassung der Beklagten, die sich hierfür auch nicht auf den – gerade nicht übereinstimmenden – Wortlaut der Nrn 3 und 3a aaO berufen kann, folgen, würde einem Versicherten rentenrechtlich das zum Nachteil gereichen, was im Arbeitsförderungsrecht nicht nur unschädlich ist, sondern als sozialverträgliches Verhalten sogar im Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten steht; denn gemäß § 115 Abs 2 iVm Abs 1 AFG mindert das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit das Alg eines Versicherten. Bei Anwendung der von der Beklagten vertretenen Auffassung bestünde dagegen ein Wertungswiderspruch zwischen den aufgezeigten Regelungen des Arbeitsförderungsrechts einerseits und der Berücksichtigung der Zeit des Alg-Bezuges bei der Ausfallzeitenregelung des § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG andererseits, der nach den hier dargelegten Grundsätzen nicht auftreten kann.
Nach der zur Zeit geltenden Rechtslage werden Zeiten der Arbeitslosigkeit neben einer – kurzzeitigen – selbständigen Erwerbstätigkeit rentenrechtlich teilweise unterschiedlich behandelt. Lag die Zeit eines Alg-Bezuges vor dem 1. Juli 1978, steht der Anerkennung als Ausfallzeit § 36 Abs 1 Satz 5 AVG bzw § 3 Abs 1 HwVG entgegen. Entsprechendes gilt für Zeiten der Arbeitslosigkeit ab 1. Januar 1983, wenn zB kein Anspruch auf Alhi besteht, da insoweit nur eine Ausfallzeit nach § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AVG vorgelegen haben könnte. Diese unterschiedlichen Regelungen finden ihre sachliche Berechtigung darin, daß die Rentenversicherungsträger für die Zeiten des Alg- und Alhi-Bezuges nach dem 1. Januar 1983 von der Bundesanstalt für Arbeit Beiträge gezahlt bekommen, was die Privilegierung dieser Zeiten im Verhältnis zu den Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Beitragsleistung vertretbar erscheinen läßt.
Der aufgezeigten Rechtslage, nach der § 3 Abs 1 HwVG nicht auf die Ausfallzeit gemäß § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 3a AVG anzuwenden ist, entspricht – im Sinne einer beabsichtigten Klarstellung – der Entwurf der Bundesregierung über das Gesetz über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1991 vom 18. Januar 1991 (BR-Drucks 2/91). Er sieht vor, §§ 1259 Abs 1 Satz 5 RVO, 36 Abs 1 Satz 5 AVG zu streichen bzw § 3 Abs 1 HwVG zu ändern mit der Folge, daß danach eine selbständige Tätigkeit (als Handwerker) einer Ausfallzeit nicht mehr entgegenstehen muß (Art 3, 4 und 7 des Gesetzentwurfes).
Nach allem war die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen