Leitsatz (amtlich)
Die freiwillige Teilnahme an einer Abschlußfeier nach Beendigung von Schanzarbeiten, die durch eine behördliche Maßnahme angeordnet waren, ist versorgungsrechtlich nicht geschützt.
Normenkette
BVG § 3 Abs. 1 Buchst. b Fassung: 1950-12-20, § 5 Abs. 1 Buchst. b Fassung: 1953-08-07
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 1964 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin auch nicht die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die ... 1920 geborene Klägerin, die bis zu ihrer Flucht im Januar 1945 in R (Kreis H) wohnte, beantragte am 1. September 1952 Versorgung. Zur Begründung gab sie dem Versorgungsamt (VersorgA) gegenüber am 5. Januar 1955 an, sie sei im Oktober 1944 zusammen mit anderen Personen durch ihren Bürgermeister zu Schanzarbeiten herangezogen worden, die unter Leitung der Organisation T (OT) ausgeführt worden seien. Am 23. November 1944 habe für die an den Schanzarbeiten beteiligten Personen eine Abschlußfeier in T stattgefunden, nach der sie eine Nieren- und Gallenkolik bekommen sowie Erbrechen gehabt habe. Sie sei schon am nächsten Tag erblindet und ins Krankenhaus gebracht worden. Durch ihre Flucht im Januar 1945 nach Westdeutschland ist dann die ärztliche Behandlung unterbrochen und nach einem Befundbericht des Prof. Dr. F vom 13. Juli 1962 erst am 31. August 1945 wieder aufgenommen worden.
Das VersorgA hat eine Reihe von Auskünften sowie von den Dres. S und B Gutachten eingeholt. Beide Ärzte hielten es in ihren Stellungnahmen vom 11./23. Februar 1955 und 17. Februar 1955 für wahrscheinlich, daß die Klägerin im Anschluß an die Abschlußfeier in T eine Methylalkoholvergiftung durchgemacht habe, die zu einem hochgradigen Sehnervenschwund geführt habe; sie sei praktisch blind. Durch Bescheid vom 4. August 1955 lehnte das VersorgA den Antrag der Klägerin auf Anerkennung der Blindheit als Schädigungsfolge mit der Begründung ab, daß eine Dienstleistung innerhalb der OT nicht vorgelegen habe, weil sie für ihre Arbeitsleistung keine Bezahlung erhalten und somit kein Arbeitsverhältnis zur OT bestanden habe. Dabei könne dahingestellt bleiben, inwieweit die OT mit der Aufsicht über die Schanzarbeiten betraut gewesen sei. Die Teilnahme an der Feier in T am 23. November 1944 sei freiwillig gewesen, was schon daraus hervorgehe, daß die befragten Zeugen, soweit sie Schanzarbeiten verrichtet hätten, nicht an der Feier teilgenommen hätten. Eine Schädigung i. S. des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) liege daher nicht vor. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des LVersorgA Nordrhein vom 15. September 1955). Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf wies die Klage durch Urteil vom 18. Oktober 1957 ab.
Im Berufungsverfahren ist die Klägerin zunächst in der mündlichen Verhandlung am 24. Juli 1959 persönlich gehört worden. Das Landessozialgericht (LSG) hat ferner Ermittlungen über die Durchführung des Stellungsbaues in den Ostgebieten angestellt und von dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg die Mitteilung vom 16. Januar 1961 erhalten, daß nach dem 20. Juli 1944 die Befugnisse der Gauleiter, die schon seit dem 16. November 1942 die Stellung von Reichsverteidigungskommissaren innehatten, erweitert und auf Fragen der militärischen Verteidigung ausgedehnt worden seien. Ihnen und nicht der militärischen Führung sei der Ausbau von Befestigungsanlagen in den Ostprovinzen übertragen worden. Die Schanzarbeiten seien nicht durch eine militärische Dienststelle veranlaßt, sondern durch Hitler der Partei übertragen worden. Neben den von der Partei verpflichteten zivilen Arbeitskräften sei die OT und der Reichsarbeitsdienst beim Stellungsbau eingesetzt gewesen. Inwieweit eine Vermischung zwischen den Arbeitsgruppen der einzelnen Organisationen an den Arbeitsplätzen damals eintrat, könne heute nicht mehr geklärt werden.
Das Berufungsgericht hat weiter ein augenfachärztliches Gutachten des Prof. Dr. C (Akademie-Augenklinik D) vom 28. Juni 1963 eingeholt. Der Sachverständige hat einen beiderseitigen Sehnervenschwund mit hochgradiger Verminderung der Sehkraft festgestellt und ausgeführt, der akute Beginn und das schlagartige Betroffensein beider Augen spreche für eine Vergiftung. Daß diese auf die Einnahme von Speisen und Getränken anläßlich der Feier am 23. November 1944 zurückzuführen sei, könne nicht wahrscheinlich gemacht werden, weil nach den Angaben der Klägerin einige hundert Personen bei dieser Feier gemeinsam verpflegt worden sein sollen. Bei der Abgabe von vergifteten Lebensmitteln oder methylalkoholhaltigen Getränken hätten unbedingt mehrere Personen erkranken müssen. Es sei aber nicht bekannt, daß gleichzeitig auch andere Personen nach dieser Feier erkrankt seien. Der Abbruch weiterer ärztlicher Behandlung etwa zwei Monate nach der möglicherweise aufgetretenen Vergiftung infolge der Flucht vor den Russen habe zu dem jetzigen Zustand nicht beigetragen, weil bei einer Vergiftung die Folgen unmittelbar eintreten und - wenn überhaupt - nur in geringem Umfange im Verlauf der ersten Tage nach der Vergiftung rückgängig gemacht werden können. In einem weiteren nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingeholten Gutachten vom 11. September 1964 hat der Sachverständige Prof. Dr. Sch von der Augenheilanstalt M die Beurteilung abgegeben, daß der ausgeprägte Sehnervenschwund mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine Vergiftung zurückzuführen sei. Daß die Erkrankung nicht auch bei anderen Personen aufgetreten sei, spreche nicht gegen den Zusammenhang zwischen der eingetreten Vergiftung und der Einnahme von Getränken während der Feier am 23. November 1944, weil vielleicht nur eine Flasche Likör mit Methylalkohol vermischt gewesen sei und nach medizinischen Erfahrungen oft nur ein Viertel oder ein Drittel der Beteiligten bei derselben genossenen Menge krank würden. Bei einer Methylalkoholvergiftung sei praktisch schon nach einigen Tagen der Endzustand erreicht, so daß die starke Herabsetzung der Augenfunktion bei der Klägerin schon vor der Flucht bestanden habe, die auf dieses Leiden daher keinen Einfluß mehr ausgeübt habe.
Durch Urteil vom 10. Dezember 1964 hat das LSG Nordrhein-Westfalen die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Das Berufungsgerichts hat auf Grund der eigenen Angaben der Klägerin und der Auskunft des Militärgeschichtlichen Forschungsamts in Freiburg vom 16. Januar 1961 als erwiesen angesehen, daß die Klägerin zur Teilnahme an den Schanzarbeiten durch behördliche Maßnahmen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vorbereitung von Kampfhandlungen i. S. des § 5 Abs. 1 Buchst. b BVG herangezogen worden ist. Es hat ferner festgestellt, daß die praktische Erblindung der Klägerin durch eine Methylalkoholvergiftung anläßlich der Abschlußfeier am 23. November 1944 in T verursacht worden ist, und weiter in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausgeführt, daß nach der insoweit übereinstimmenden Beurteilung der Professoren Dres. C und Sch durch die Flucht der Klägerin am 20. Januar 1945 und die Unterbrechung der ärztlichen Behandlung bis August 1945 keine Verschlimmerung des Leidenszustandes eingetreten sei und daher ein Versorgungsanspruch der Klägerin nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BVG entfalle. Bei der Teilnahme an der Abschlußfeier am 23. November 1944 sei die Klägerin nicht versorgungsrechtlich geschützt gewesen. Zwar sei die Teilnahme eines Soldaten an Kameradschaftsabenden als Dienstverrichtung i. S. des § 1 BVG anzusehen, wenn und soweit der Kameradschaftsabend selbst eine dienstliche Veranstaltung darstelle. Die nach ihren eigenen Angaben freiwillige Teilnahme der Klägerin an der Abschlußfeier würde für sich allein einen versorgungsrechtlichen Schutz nicht ausschließen; die Abschlußfeier der an den Schanzarbeiten beteiligten Zivilpersonen könne jedoch einem soldatischen Kameradschaftsabend nicht gleichgestellt werden, auch wenn die Lebensmittel und Getränke aus Beständen der OT oder der Wehrmacht geliefert worden sind. Es fehle dieser Feier insbesondere daran, daß sie der Verbundenheit von Vorgesetzten und Untergebenen oder der Beteiligten untereinander dienen sollte und konnte. Der einzige Zweck des Einsatzes der Zivilbevölkerung zu Schanzarbeiten ohne Bezahlung sei der Bau von Befestigungsanlagen gewesen.
Gegen dieses am 13. Januar 1965 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 15. Januar 1965, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 19. Januar 1965, Revision eingelegt und beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des LSG Nordrhein-Westfalen in Essen vom 10. Dezember 1964 und der zugrunde liegenden Vorentscheidungen und Verwaltungsbescheide den Beklagten für verpflichtet zu erklären, ab Antragstellung für die praktische Blindheit die Rente einer Erwerbsunfähigen und die Pflegezulage zu gewähren,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 13. April 1965 hat die Klägerin die Revision mit Schriftsatz vom 22. März 1965, auf den Bezug genommen wird, begründet. Sie rügt eine Verletzung der §§ 1, 3 Abs. 1 Buchst. b, 5 Abs. 1 Buchst. b BVG und trägt hierzu vor, daß ihre Teilnahme an den Schanzarbeiten nicht nur nach § 5 Abs. 1 Buchst. b BVG, sondern insbesondere nach § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG versorgungsrechtlich geschützt sei. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG sei der Einsatz der Bewohner der Ostprovinzen zu Schanzarbeiten auf Anordnung des zuständigen Gauleiters in seiner Eigenschaft als "Reichsverteidigungskommissar" erfolgt. Da dessen Kompetenz auf Fragen der militärischen Verteidigung ausgedehnt worden sei, müsse man ihn für die hier in Frage stehende Zeit und den ihm zugewiesenen Bereich als "militärischen Befehlshaber" i. S. des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG ansehen. Die auf seine Veranlassung für Zwecke der Wehrmacht von der Zivilbevölkerung geleisteten Schanzarbeiten seien deshalb militärähnlicher Dienst i. S. des § 1 BVG gewesen. Die Klägerin habe an der Abschlußfeier am 23. November 1944 teilgenommen, weil sie - ebenso wie bei militärischen Kameradschaftsabenden oder betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen rein zivilen Charakters - einer "Gemeinschaft" der eingesetzten Schanzarbeiter angehört habe, die auf Grund hoheitlicher Anordnung durch das gemeinsame ideelle Ziel der Landesverteidigung und die gleiche Arbeitsleistung miteinander verbunden gewesen seien. Der Pflege dieser Verbundenheit bei der Ausübung militärähnlichen Dienstes habe auch die schädigungsbringende Gemeinschaftsveranstaltung gedient, die wohl gleichzeitig als Belohnung für die Schanzarbeiten gedacht gewesen sei.
Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision als unbegründet; er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.
Die Klägerin hat die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet (§§ 164, 166 SGG). Die Revision ist somit zulässig, sie konnte aber keinen Erfolg haben.
Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil als erwiesen angesehen, daß die Klägerin zur Teilnahme an den Schanzarbeiten durch behördliche Maßnahmen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vorbereitung von Kampfhandlungen i. S. des § 5 Abs. 1 Buchst. b BVG herangezogen worden ist. Unter den behördlichen Maßnahmen i. S. dieser Vorschrift sind behördliche Anordnungen zu verstehen, die sich entweder an Einzelpersonen oder an einen Teil der Bevölkerung oder an die gesamte Bevölkerung richten, um diese zu einem bestimmten Verhalten - Handeln oder Unterlassen - zu veranlassen (vgl. BSG 2, 265, 268; 4, 128, 130; 13, 272). Unter den gesetzlichen Begriff einer behördlichen Maßnahme fällt somit ein hoheitliches Handeln der Behörde in Ausübung der öffentlichen Gewalt, ohne daß stets die Merkmale eines im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anfechtbaren Verwaltungsakts vorzuliegen brauche (BSG in SozR BVG § 5 Nr. 22). Das LSG hat auf Grund der eigenen Angaben der Klägerin und der Auskunft des Militärgeschichtlichen Forschungsamts in Freiburg vom 16. Januar 1961 festgestellt, daß der Einsatz der Klägerin zu Schanzarbeiten auf einer Anordnung des zuständigen Gauleiters der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) in seiner Eigenschaft als Reichsverteidigungskommissar beruht. Nach der angeführten Auskunft wurde die Durchführung der Schanzarbeiten, an denen auch die Klägerin beteiligt war, im Juli 1944 von Hitler den Gauleitern übertragen, die bereits seit dem 16. November 1942 die Stellung von Reichsverteidigungskommissaren innehatten und deren Befugnisse auch auf Fragen der militärischen Verteidigung ausgedehnt wurden. Da die Gauleiter nach den damaligen Verhältnissen, jedenfalls soweit sie als Reichsverteidigungskommissare und auf Grund des Hitler-Befehls vom Juli 1944 Anordnungen zum Einsatz der Zivilbevölkerung bei Schanzarbeiten an dem sogenannten Ostwall trafen, in Ausübung öffentlicher Gewalt wie eine Behörde handelten, ist der Rechtsauffassung des LSG zuzustimmen, daß die Klägerin im Oktober/November 1944 durch eine behördliche Maßnahme in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vorbereitung von Kampfhandlungen i. S. des § 5 Abs. 1 Buchst. b BVG zur Teilnahme an den Schanzarbeiten herangezogen worden ist.
Wie das LSG in dem angefochtenen Urteil festgestellt hat, ist der Leidenszustand der Klägerin durch die Flucht nach Westdeutschland am 20. Januar 1945 und die dadurch bedingte Unterbrechung der ärztlichen Behandlung nach den übereinstimmenden Gutachten der Dres. Sch und C nicht verschlimmert worden. Diese Feststellung hat die Klägerin nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen, so daß sie nach § 163 SGG für das BSG bindend ist. Damit entfällt, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, ein Versorgungsanspruch der Klägerin nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BVG.
Das LSG ist ferner zu der Feststellung gelangt, daß die Ursache der praktischen Erblindung der Klägerin mit Sicherheit in einer bei der Abschlußfeier in Thorn am 23. November 1944 erlittenen Methylalkoholvergiftung zu sehen ist. Diese Feststellung ist von den Beteiligten nicht angegriffen worden, und zwar auch nicht vom Beklagten, für den sie nachteilig sein könnte. Er hat insoweit bis zum Schluß der Revisionsverhandlung keine Verfahrensrüge erhoben (vgl. Urteil des BSG vom 24. Mai 1966 - 1 RA 281/64 -), so daß diese Feststellung für den Senat bindend ist. Die Klägerin hätte somit einen Versorgungsanspruch nach § 5 Abs. 1 Buchst. b BVG, wenn sie bei der Abschlußfeier in Thorn am 23. November 1944 versorgungsrechtlich geschützt gewesen ist. Dies hat das LSG im Ergebnis zutreffend verneint. Allerdings kommt es hierbei nicht entscheidend darauf an, ob es sich bei dieser Abschlußfeier von Zivilpersonen, die an Schanzarbeiten teilgenommen haben, um einen Kameradschaftsabend gehandelt hat, der wie bei Soldaten der Verbundenheit von Vorgesetzten und Untergebenen sowie der Untergebenen untereinander gedient hat und der von einem Vorgesetzten geleitet oder zumindest von diesem gebilligt und gefördert worden ist (vgl. BSG 7, 249; 8, 264; SozR BVG § 1 Nr. 32 und 69). Die Gesichtspunkte, die nach der Rechtsprechung des BSG als maßgebend dafür angesehen werden, daß es sich bei einem Kameradschaftsabend um eine dienstliche Veranstaltung handelt, können auf Zusammenkünfte der hier vorliegenden Art keine Anwendung finden, weil es sich bei den Tatbeständen des § 5 BVG nicht um einen militärischen oder militärähnlichen Dienst und dessen besondere Verhältnisse, sondern um unmittelbare Kriegseinwirkungen handelt. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 15. November 1955 (BSG 2, 29) zu § 5 Abs. 1 Buchst. a BVG entschieden hat, setzt eine "unmittelbare" Kriegseinwirkung eine unmittelbare Einwirkung durch die in § 5 Abs. 1 BVG aufgeführten Tatbestände auf den Betroffenen voraus. Der 8. Senat des BSG hat daher auch in seinem Urteil vom 23. Oktober 1958 - 8 RV 439/56 - im Anschluß an das angeführte Urteil des erkennenden Senats entschieden, daß nach der Entstehungsgeschichte, dem Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 BVG und einer sinnvollen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals einer unmittelbaren Kriegseinwirkung nur die unmittelbaren Einwirkungen einer behördlichen Maßnahme i. S. des § 5 Abs. 1 Buchst. b BVG für eine Schädigung i. S. des BVG bedeutsam sein sollen.
Die behördliche Maßnahme erstreckte sich im vorliegenden Fall allein darauf, daß die Klägerin im Oktober/November 1944 Schanzarbeiten auszuführen hatte. Sie ist durch § 5 Abs. 1 Buchst. b BVG daher nur insoweit versorgungsrechtlich geschützt, als ihr unmittelbar durch diese behördliche Maßnahme eine Tätigkeit aufgezwungen wurde, die zu einer Schädigung i. S. des BVG geführt hat. In erster Linie kommt somit eine Schädigung während der Durchführung der Schanzarbeiten und dem Hin- und Rückweg zu dieser Arbeit in Betracht. Es kann dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Falle eine versorgungsrechtlich geschützte behördliche Maßnahme dann vorgelegen hätte, wenn die Klägerin ausdrücklich durch eine dazu befugte und mit öffentlicher Hoheitsgewalt ausgestattete Person gezwungen worden wäre, an der Abschlußfeier am 23. November 1944 teilzunehmen; denn nach der insoweit nicht angegriffenen Feststellung des LSG nahm die Klägerin an der Abschlußfeier freiwillig teil. Soweit das LSG den versorgungsrechtlichen Schutz durch freiwillige Teilnahme an der Abschlußfeier nicht als ausgeschlossen ansieht, hat es somit die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Buchst. b BVG hinsichtlich ihrer Reichweite deswegen verkannt, weil eine "unmittelbare" Einwirkung einer behördlichen Maßnahme nur insoweit vorliegen kann, als durch diese selbst Anordnungen getroffen worden sind. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an das Vorliegen eines versorgungsrechtlich geschützten Kameradschaftsabends können daher für eine unmittelbare Kriegseinwirkung i. S. des § 5 Abs. 1 Buchst. b BVG keine rechtliche Bedeutung haben, weil es insoweit lediglich auf die durch die behördliche Maßnahme unmittelbar getroffene Anordnung ankommt. Wie das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, kann der von der Klägerin geltend gemachte Versorgungsanspruch somit nicht auf § 5 Abs. 1 Buchst. b BVG gestützt werden.
Auch soweit die Klägerin einen Anspruch aus § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG herleiten will, ist ihre Revision nicht begründet. Nach dieser Vorschrift gilt als militärähnlicher Dienst i. S. des § 1 Abs. 1 BVG der auf Grund einer Einberufung durch eine militärische Dienststelle oder auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers für Zwecke der Wehrmacht geleistete freiwillige oder unfreiwillige Dienst. Der Beklagte meint, die Klägerin könne ihren Versorgungsanspruch auf § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG schon deswegen nicht stützen, weil die Abschlußfeier nicht mit kriegseigentümlichen Gefahren für ihre Gesundheit verbunden gewesen sei. Sollte der Beklagte dabei etwa an § 3 Abs. 2 BVG gedacht haben, kann ihm nicht gefolgt werden. Nach dieser Vorschrift gilt als militärähnlicher Dienst nicht der Zivildienst, der auf Grund einer Dienstverpflichtung oder eines Arbeitsvertrags bei der Wehrmacht geleistet worden ist, es sei denn, daß der Einsatz mit besonderen kriegseigentümlichen Gefahren für die Gesundheit verbunden war. Diese Vorschrift kann schon deswegen keine Anwendung finden, weil nach den Feststellungen des LSG weder ein unmittelbares Vertragsverhältnis zur Wehrmacht bestand noch die Klägerin durch das Arbeitsamt zur Wehrmacht dienstverpflichtet war (vgl. VO zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung vom 13. Februar 1939 - RGBl I 206 - und die Dienstpflicht-DurchfVO vom 2. März 1939 - RGBl I 403; vgl. ferner BSG 12, 106). Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 21. September 1962 - 10 RV 1231/58 - entschieden hat, ist es im übrigen unerheblich, ob der militärähnliche Dienst i. S. des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG mit besonderen kriegseigentümlichen Gefahren für die Gesundheit verbunden war. Auch gehört die Eingliederung des Dienstleistenden in die militärische Einheit und die Unterordnung unter deren militärischen Befehlsgewalt nicht unbedingt zu den Voraussetzungen des militärähnlichen Dienstes i. S. des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG, wie der Senat für den Einsatz von Strafgefangenen in einem Sprengkommando auf Veranlassung einer militärischen Dienststelle ausgesprochen hat. Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift ist aber in jedem Falle, daß der Dienst entweder durch eine militärische Dienststelle oder durch einen militärischen Befehlshaber veranlaßt worden ist. Hierbei ist der Begriff der militärischen Dienststelle (Befehlshaber) eng auszulegen, weil in § 3 Abs. 2 BVG zum Ausdruck gebracht ist, daß grundsätzlich der Zivildienst auf Grund eines Arbeitsvertrages oder einer Dienstverpflichtung versorgungsrechtlich nicht geschützt sein soll (Urteil des BSG vom 22. Februar 1961 - 9 RV 392/57 -). Wie das LSG in dem angefochtenen Urteil festgestellt hat, beruhte der Einsatz der Klägerin bei den Schanzarbeiten auf einer Anordnung des zuständigen Gauleiters der NSDAP in seiner Eigenschaft als Reichsverteidigungskommissar. Die Dienststelle des Reichsverteidigungskommissars war jedoch nach der auch vom LSG in dem angefochtenen Urteil gewürdigten Auskunft des Militärgeschichtlichen Forschungsamts in F vom 16. Januar 1961 keine "militärische" Dienststelle, auch wenn sie mit Fragen der militärischen Verteidigung befaßt war. Dasselbe gilt für die Übertragung der Schanzarbeiten auf Parteidienststellen im Juli 1944 durch Hitler. Eine militärische Dienststelle oder ein militärischer Befehlshaber i. S. des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG hätte nur dann den Einsatz der Klägerin bei den Schanzarbeiten veranlaßt, wenn die Dienststelle oder der Befehlshaber der militärischen Führung in irgendeiner Weise unterstellt gewesen wäre und von ihr entsprechende Befehle erhalten hätte. Das war jedoch bei den Gauleitern der NSDAP - auch nicht in ihrer Eigenschaft als Reichsverteidigungskommissare - nach den in der Auskunft des Militärgeschichtlichen Forschungsamts angeführten Dokumentationen nicht der Fall. Da die Klägerin somit bei den Schanzarbeiten keinen militärähnlichen Dienst i. S. des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG geleistet hat, ist die Teilnahme an der Abschlußfeier am 23. November 1944 auch nicht nach dieser Vorschrift versorgungsrechtlich geschützt gewesen. Der Klägerin steht daher aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Versorgungsanspruch zu, so daß ihre Revision als unbegründet zurückgewiesen werden mußte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen