Leitsatz (redaktionell)

1. Der im 2. Weltkrieg unter dem Kommando der Luftwaffe erfolgte Einsatz eines Strafgefangenen beim Ausgraben von Bombenblindgängern ist als militärähnlicher Dienst iS des BVG § 3 Abs 1 Buchst b versorgungsrechtlich geschützt.

2. Erfüllt eine Tätigkeit die Merkmale des militärähnlichen Dienstes iS des BVG § 3, so ist sie des versorgungsärztlichen Schutzes auch dann teilhaftig, wenn die Tätigkeit schon nach anderen Vorschriften, insbesondere versicherungsrechtlicher Art, geschützt und nicht mit einem wesentlich höheren Risiko verbunden ist.

Für die Anwendung des Buchst b dieser Bestimmung ist es nicht erheblich, welcher Art dieser Dienst gewesen ist, ob er auf Grund eines Arbeitsverhältnisses oder einer Dienstverpflichtung geleistet wurde und ob der Einsatz mit besonderen kriegseigentümlichen Gefahren für die Gesundheit verbunden war. Zu den Voraussetzungen des Buchst b gehört auch nicht die Eingliederung des Dienstleistenden in die militärische Einheit und die Unterordnung unter deren militärische Befehlsgewalt.

 

Normenkette

BVG § 1 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20, § 3 Abs. 1 Buchst. b Fassung: 1950-12-20

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. September 1958 aufgehoben, soweit es den Versorgungsanspruch der Klägerin betrifft; insoweit wird die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts wird jedoch zurückgewiesen, soweit es den Versorgungsanspruch des Klägers W K betrifft.

Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten; im übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten dem abschließenden Urteil vorbehalten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

F W K (K.), der frühere Ehemann der Klägerin zu 1) und Vater des Klägers zu 2) verbüßte während des Zweiten Weltkrieges eine Zuchthausstrafe. Am 28. Dezember 1944 wurde er zusammen mit anderen Strafgefangenen bei dem damals in P stationierten Sprengkommando der Luftwaffe 2/XII außerhalb Pforzheim zum Ausgraben von Bombenblindgängern eingesetzt. Das Sprengkommando holte die Gefangenen mit einem Lastkraftwagen (LKW) ab. Auf der Rückfahrt von dem Einsatz setzte sich K. auf die linke Bordwand des LKW. Dort wurde er von einem entgegenkommenden LKW erfaßt, in das Wageninnere geschleudert und so schwer verletzt (doppelseitiger Beckenbruch), daß er am 30. Dezember 1944 starb. Die Ehe mit der Klägerin war bereits 1942 aus alleinigem Verschulden des Ehemannes geschieden worden.

Die Kläger beantragten im April 1951 Witwen- und Waisenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Das Versorgungsamt (VersorgA) K lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26. November 1951 ab, weil K. verbotswidrig gehandelt und den Unfall selbst verschuldet habe.

Das Sozialgericht (SG) Karlsruhe hob durch Urteil vom 9. Dezember 1954 den angefochtenen Bescheid auf und verurteilte den Beklagten, den Tod als Schädigungsfolge anzuerkennen und Hinterbliebenenrente zu gewähren. Das SG führte aus, K. habe militärähnlichen Dienst im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG geleistet, zu dem auch die Rückfahrt gehört habe. Dem fahrlässigen Verhalten des K. käme keine überragende Bedeutung zu. Im übrigen schließe nur eine absichtlich herbeigeführte Schädigung die Versorgung aus.

Mit der Berufung machte der Beklagte vor allem geltend, daß K. keinen militärähnlichen Dienst im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG geleistet, sondern die Arbeitspflicht eines Strafgefangenen erfüllt und im übrigen durch grob fahrlässiges Verhalten den ursächlichen Zusammenhang unterbrochen habe. Das LSG wies durch Urteil vom 18. September 1958 die Berufung des Beklagten zurück. Es führte aus, K. habe beim Freilegen von Bomben militärähnlichen Dienst im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG geleistet und bei der Rückfahrt Versorgungsschutz nach § 4 Abs. 1 BVG genossen. Die Freilegung von Bomben sei nach § 1 des Luftschutzgesetzes vom 26. Mai 1935 (RGBl I S. 827) eine Aufgabe der Luftwaffe gewesen, die das Sprengkommando als Einheit der Luftwaffe zu erfüllen hatte. K., der dazu durch eine Einheit der Luftwaffe herangezogen wurde, habe bei diesem Einsatz auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers für Zwecke der Wehrmacht Dienst geleistet. Seine Dienstleistung habe nicht auf der ihm als Strafgefangenen obliegenden Arbeitspflicht beruht. Darauf deute hin, daß für so gefährliche Arbeiten, wie die Freilegung von Bomben, nur Strafgefangene zur Verfügung gestellt werden durften, die sich freiwillig meldeten. Zwar habe K. sich fahrlässig verhalten, er habe aber nicht gegen ein ausdrückliches Verbot verstoßen. Der Fahrer des LKW habe es vielmehr geduldet, daß die Gefangenen auf der rechten Bordwand Platz nahmen. Dieser Platz konnte aber bei einer engen Durchfahrt genau so gefährlich sein wie der Platz auf der linken Bordwand, den K. eingenommen hatte, sofern sich die entgegenkommenden Fahrzeuge verkehrsrichtig verhielten und den erforderlichen Seitenabstand einhielten. Auch den Unfall des K. habe der Fahrer des entgegenkommenden Fahrzeugs mitverschuldet, weil er ohne genügenden Abstand und mit zu hoher Geschwindigkeit an dem LKW vorbeifuhr, obwohl die Fahrbahn an der Unglücksstelle verengt war. Bei abwägender Betrachtung aller an der Entstehung des Unfalls beteiligten Umstände komme dem verkehrswidrigen Verhalten des Fahrers des entgegenkommenden LKW mindestens die gleiche Bedeutung zu wie dem Verhalten von K. Beide kämen als Mitursachen in Betracht. Doch sei "die Ursächlichkeit der durch die Dienstausübung gesetzten Erfolgsbedingungen" durch das eigene fahrlässige Verhalten von K. nicht verdrängt worden. Die Revision wurde zugelassen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 6. Oktober 1958 zugestellte Urteil am 3. November 1958 Revision eingelegt. Er beantragt,

das Urteil des LSG Baden-Württemberg und das Urteil des SG Karlsruhe vom 9. Dezember 1954 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

In der nach Verlängerung der Begründungsfrist am 1. Dezember 1958 eingegangenen Revisionsbegründung rügt der Beklagte die unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 BVG i. V. m. § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG. Er ist der Meinung, diese Vorschrift stelle zwar in versorgungsrechtlicher Hinsicht unter bestimmten Voraussetzungen Dienstleistungen von nicht zur Wehrmacht gehörenden Personen dem militärischen Dienst gleich. Dies gelte aber nur, wenn ein der Sozialversicherung fremdes, spezifisch kriegsbedingtes Risiko vorliege, von dem die Versicherungsträger entlastet werden sollten. Der § 3 BVG könne nicht angewandt werden, wenn eine Tätigkeit zwar für Zwecke der Wehrmacht, aber weder in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis zu dieser noch in einem kriegseigentümlichen Gefahrenbereich ausgeübt werde und keine größere Gefährdung entstehe als die, für die schon auf Grund der beruflichen oder sonstigen Tätigkeit ein anderer öffentlich-rechtlicher, insbesondere versicherungsrechtlicher Schutz bestehe. K. habe während der Abstellung zu dem Sprengkommando der Luftwaffe keinen militärähnlichen Dienst geleistet, er sei dieser Einheit nicht organisatorisch und persönlich eingegliedert gewesen und habe nicht der militärischen, sondern der arbeitsrechtlichen Befehlsgewalt unterstanden. Er sei auch nicht als einzelner Arbeiter, sondern mit einer Gruppe von Strafgefangenen dem Sprengkommando zugeteilt worden. Er habe weiterhin Gefangenenkleidung getragen und die Bewachung sei außer von der Wehrmacht auch von der Justizverwaltung durchgeführt worden. Die Arbeitsleistung sei daher ein Teil des Strafvollzugs gewesen, für den die Justizverwaltung verantwortlich sei, und diese habe daher bei Unfällen Versorgung nach den Vorschriften des Strafvollzugs zu gewähren. Der tödliche Unfall sei auch nicht als Schädigung durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung, sondern als Wegunfall während des Strafvollzugs anzusehen. Außerdem sei das eigene schuldhaft-fahrlässige Verhalten von K. eine wesentliche Mitbedingung. Es beständen daher nur Ansprüche gegen die Justizverwaltung, aber keine Versorgungsansprüche nach § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG; denn K. sei zum Bombenräumen nicht durch eine militärische Dienststelle einberufen worden, vielmehr habe sich die Aufforderung des militärischen Befehlshabers, bei der Freilegung von Bombenblindgängern tätig zu werden, nicht an K., sondern an die Justizverwaltung gerichtet, die Gefangene für diesen Zweck freistellen sollte. Dies sei aber im Rahmen des Strafvollzugs geschehen. Im übrigen bestehe die rechtliche Grundlage für die Maßnahme, Strafgefangene für Zwecke der Entfernung von Bombenblindgängern abzustellen, eher in einer Ermächtigung des früheren Reichsjustizministeriums als in der Befugnis des militärischen Befehlshabers, der in den Bereich der Justiz nicht unmittelbar habe eingreifen dürfen. Zur Klärung dieser Frage hätte es einer Anfrage beim Bundesministerium der Justiz und beim Bundesministerium für Verteidigung bedurft. Diese Unterlassung werde als wesentlicher Verfahrensmangel gerügt. Schließlich könne der Führer eines Sprengkommandos nicht als militärischer Befehlshaber im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG angesehen werden; dessen Anforderung sei nur als eine Mitteilung über Art und Ort des Einsatzes, aber nicht als die Veranlassung des Einsatzes selbst aufzufassen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für richtig.

Die Revision ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Sie ist auch teilweise begründet.

Der Anspruch auf Versorgung Hinterbliebener (§ 38 BVG) oder ihnen gleichgestellter Personen (vgl. § 42 BVG) setzt voraus, daß der Beschädigte an den Folgen einer Schädigung gestorben ist. Als Schädigung in diesem Sinne kommt für den vorliegenden Fall eine Schädigung des K. durch eine militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes in Betracht (§§ 1, 3 BVG). Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG war K., der sich seit 1942 in Strafhaft befand, 1944 mit anderen Strafgefangenen bei dem in Pforzheim stationierten Sprengkommando der Luftwaffe 2/XII zum Ausgraben von Bombenblindgängern eingesetzt und ist auf der Rückfahrt von einem solchen Einsatz am 28. Dezember 1944 tödlich verunglückt. Für diese Einsätze sind von dem Führer des Sprengkommandos Strafgefangene angefordert und von der Strafanstalt auf Grund freiwilliger Meldung freigegeben worden. Die unter solchen Voraussetzungen verrichtete Tätigkeit des K. erfüllt die Merkmale eines auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers für Zwecke der Wehrmacht freiwillig geleisteten Dienstes und gilt daher als militärähnlicher Dienst im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG.

Der Auffassung des Beklagten, daß § 3 BVG nur Dienstleistungen mit einem spezifisch kriegsbedingten Risiko erfasse, nicht aber Tätigkeiten, die nach versicherungsrechtlichen oder anderen Vorschriften geschützt seien, auch wenn sie Zwecken der Wehrmacht oder der Kriegsführung dienten, kann nicht gefolgt werden. Mögen für die Auswahl der in den § 3 BVG einbezogenen Dienste auch solche Erwägungen mitbestimmend gewesen sein, so läßt sich daraus doch nicht schließen, daß die in § 3 BVG aufgeführten Dienste dann nicht als militärähnlicher Dienst gelten sollten, wenn der versorgungsrechtliche Schutz wegen anderweitiger Vorsorge entbehrlich erscheint. Im Anschluß an § 1 BVG bestimmt § 3 BVG in erschöpfender Aufzählung, welche Dienstleistungen als militärähnlicher Dienst gelten. Diese Dienstleistungen sind hinsichtlich der Versorgung nach dem BVG dem militärischen Dienst gleichzustellen. Unter den in § 3 BVG beschriebenen Voraussetzungen genießen durch einen militärähnlichen Dienst verursachte Schädigungen versorgungsrechtlich den gleichen Schutz wie Schädigungen durch den militärischen Dienst. Die Frage, ob eine Tätigkeit als militärähnlicher Dienst gilt, ist allein nach den in § 3 BVG bestimmten Voraussetzungen zu beurteilen. Es ist demnach unerheblich, ob sie noch anderweitig geschützt ist oder nicht. Erfüllt eine Tätigkeit die Merkmale des militärähnlichen Dienstes im Sinne des § 3 BVG, so ist sie des versorgungsrechtlichen Schutzes auch dann teilhaftig, wenn die Tätigkeit schon nach anderen Vorschriften, insbesondere versicherungsrechtlicher Art, geschützt und nicht mit einem wesentlich höheren Risiko verbunden ist. Bestätigt wird diese Auffassung durch die Vorschriften, die bestimmen, daß das Recht auf Versorgungsbezüge nach dem BVG ganz oder teilweise ruht, soweit aus dem gleichen Grunde ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge oder der gesetzlichen Unfallfürsorge für Gefangene besteht (vgl. § 65 BVG). Das Gesetz geht also geradezu davon aus, daß versorgungsrechtlich geschützte Tätigkeiten auch anderweitigen Schutz genießen können und hat für diesen Fall eine Regelung getroffen.

Der Beklagte kann sich für seine Auffassung auch nicht auf die Entscheidung des BSG stützen, wonach der Eisenbahndienst, den im 2. Weltkrieg die zu anderen Dienststellen der Reichsbahn abgeordneten Eisenbahner in den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten geleistet haben, weder im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. d Halbs. 1 BVG noch im Sinne des § 3 Abs. 2 als militärähnlicher Dienst anzusehen ist (BSG 4, 272). Das BSG hat die Tätigkeit dieser Eisenbahner deshalb nicht als militärähnlichen Dienst angesehen, weil sie nicht, wie es § 3 Abs. 1 Buchst. d BVG voraussetzt, zur Wehrmacht abgeordnet waren und auch keinen Dienst bei der Wehrmacht auf Grund einer Dienstverpflichtung oder eines Arbeitsvertrags geleistet haben (§ 3 Abs. 2 BVG). Zwar hat das BSG bei der Erörterung der Gründe, die den Gesetzgeber veranlaßt haben, nur die zur Wehrmacht abgeordneten Eisenbahner in die Regelung des § 3 BVG einzubeziehen, auch erwähnt, daß den zu Dienststellen der Reichsbahn außerhalb der damaligen Reichsgrenzen abgeordneten Eisenbahnern eine Versorgung nach der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge oder der gesetzlichen Unfallversicherung gewährleistet war. Aus der für den Gesetzgeber in diesem Falle mitbestimmenden Erwägung dafür, die Tätigkeit dieser Eisenbahner nicht als militärähnlichen Dienst zu kennzeichnen, kann aber nicht geschlossen werden, daß von den in § 3 BVG als militärähnlicher Dienst gekennzeichneten Tätigkeiten diejenigen auszunehmen sind, die des versorgungsrechtlichen Schutzes entbehren könnten. Eine solche Unterscheidung entspräche weder dem Wortlaut noch den Grundgedanken dieser Vorschrift. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang vorbringt, daß aus einer solchen Unterscheidung keine "Nachteile" entstünden, weil der Personenkreis, der wegen anderweitiger Versorgung aus § 3 BVG ausscheide, "bei einem Kriegsrisiko in Form einer unmittelbaren Kriegseinwirkung" nach § 5 BVG Anspruch auf Versorgung habe, trifft seine Ansicht nicht zu, ganz abgesehen davon, daß allgemein der Ausschluß gewisser Personen aus einem versorgungsrechtlich geschützten Personenkreis allein deshalb, weil diese Personen auch nach anderen versorgungsrechtlichen Vorschriften Schutz genießen könnten, nicht gerechtfertigt ist. Der Beklagte verkennt dabei, daß durch die Vorschrift des § 3 BVG über den militärähnlichen Dienst nicht nur "Kriegsrisiken" in die Versorgung einbezogen sind, so daß ein großer Teil der Personen, die nach Ansicht des Beklagten zwar militärähnlichen Dienst geleistet haben, aber wegen anderweitiger Versorgung nicht unter den Personenkreis des § 3 BVG fallen sollen, von der Versorgung nach dem BVG völlig ausgeschlossen wären, wenn das Risiko, dem sie unterlegen sind, zwar dem militärähnlichen Dienst, nicht aber dem "Kriegsrisiko" nach § 5 BVG zuzurechnen ist. Schließlich kann auch der dahingehenden Auffassung des Beklagten nicht gefolgt werden, daß § 3 BVG dann keinen versorgungsrechtlichen Schutz biete, wenn eine Tätigkeit zwar für Zwecke der Wehrmacht, aber weder in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis zu der Wehrmacht noch in einem besonderen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich ausgeübt werde, und wenn das dadurch bedingte Risiko schon durch eine der geleisteten Tätigkeiten entspringende öffentlich-rechtliche, insbesondere versicherungsrechtliche Vorsorge gedeckt sei. Offenbar glaubt der Beklagte wenigstens mit dieser Beschränkung seine vorher erörterte allgemeine Auffassung halten zu können, daß die Anwendung des § 3 BVG stets ausgeschlossen sei, wenn der Beschädigte anderweitig versorgt ist. Insoweit übersieht der Beklagte, daß es bei Dienstleistungen allgemein nach § 3 BVG und auch nach § 3 Abs. 1 Buchst. b insbesondere nicht darauf ankommt, ob ein Arbeitsvertrag mit der Wehrmacht bestanden hat oder der Einsatz mit besonderen kriegseigentümlichen Gefahren für die Gesundheit verbunden war, so daß schon eine nach diesen Gesichtspunkten sich richtende Anwendung des § 3 Abs. 1 Buchst. e als willkürlich angesehen werden müßte.

Nach der für den vorliegenden Fall in Betracht kommenden Vorschrift des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG gilt als militärähnlicher Dienst der "auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers für Zwecke der Wehrmacht geleistete freiwillige oder unfreiwillige Dienst". Es ist also nicht erheblich, welcher Art dieser Dienst gewesen ist, ob er auf Grund eines Arbeitsverhältnisses oder einer Dienstverpflichtung geleistet wurde und ob der Einsatz mit besonderen kriegseigentümlichen Gefahren für die Gesundheit verbunden war. Entscheidend für den vorliegenden Fall ist allein, daß K. die Tätigkeit bei dem Sprengkommando der Luftwaffe, die darin bestanden hat, Blindgänger auszugraben, für Zwecke der Wehrmacht und auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers geleistet hat. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist es während des 2. Weltkrieges Aufgabe der Wehrmacht gewesen, Blindgänger auszugraben, zu entschärfen und aus den Wohngebieten zu entfernen (§ 1 des Luftschutzgesetzes vom 26. Mai 1935 - RGBl I, 827, §§ 1 Buchst. b, 2 der 1. Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz vom 1. September 1939 - RGBl I 1626-). Besorgt wurde diese Aufgabe von Sprengkommandos, die Einheiten der Luftwaffe waren. Mit der Teilnahme an der von einer solchen Einheit durchgeführten Freilegung von Bombenblindgängern hat K. Dienst für Zwecke der Wehrmacht geleistet.

Dies ist auch auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers i. S. des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG geschehen. Nach den Feststellungen des LSG ist die Anforderung von einer Einheit der Luftwaffe - dem Befehlshaber des in Pforzheim stationierten Sprengkommandos 2/XII - ausgegangen. Diese Anforderung ist nicht nur als Mitteilung über Art und Ort des Einsatzes aufzufassen; durch sie wurde vielmehr erst bewirkt, daß Strafgefangene zu den von dem Sprengkommando der Luftwaffe durchzuführenden Arbeiten zur Verfügung gestellt werden. Welchen militärischen Rang der Befehlshaber dieses Kommandos hatte, von dem die Anforderung ausging, ist ohne Belang (Schönleiter, Handbuch der Bundesversorgung (Stand Februar 1962), 1. Band, § 3 Blatt 10).

Soweit der Beklagte gegen die Annahme, K. habe militärähnlichen Dienst im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG geleistet, vorbringt, daß K. organisatorisch und persönlich nicht zu der Einheit der Luftwaffe gehört habe und nicht der militärischen Befehlsgewalt unterstellt gewesen sei, weil er dem Sprengkommando nicht allein, sondern mit anderen Strafgefangenen zur Verfügung gestellt worden sei, und weil er weiterhin Gefangenenkleidung getragen und durch Angehörige der Justizverwaltung bewacht worden sei, entspricht dies Vorbringen entweder nicht den tatsächlichen Feststellungen des LSG oder es enthält Rechtsfolgerungen, die aus den tatsächlichen Feststellungen nicht gezogen werden können. Nach den Feststellungen des LSG unterlag K. mindestens hinsichtlich der von ihm durchzuführenden Arbeiten den Weisungen des Sprengkommandos. Im übrigen gehört die Eingliederung des Dienstleistenden in die militärische Einheit und die Unterordnung unter deren militärische Befehlsgewalt nicht zu den Voraussetzungen des militärähnlichen Dienstes im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG, so daß es ohne Bedeutung ist, daß die Strafgefangenen während des Einsatzes für Zwecke der Wehrmacht die Gefangeneneigenschaft behielten und daß ihre Bewachung auch durch Angehörige der Justizverwaltung durchgeführt wurde. Es liegen auch keine Umstände vor, welche die Auffassung des Beklagten rechtfertigen könnten, die Einheit der Luftwaffe habe zwar die Arbeit für die Gruppe der ihr zugewiesenen Strafgefangenen einteilen, aber bei der Arbeit nicht über den einzelnen Gefangenen verfügen können, deshalb sei die Arbeit ein Teil des Strafvollzugs gewesen, für den die Justizverwaltung zuständig gewesen sei. Dazu hat das LSG ausdrücklich festgestellt, daß K. bei den Arbeiten den Weisungen der Führer und der Angehörigen der Sprengtruppe unterworfen war. Es kann somit dahinstehen, ob dies nicht ohnehin nach Art und Gefährlichkeit dieser Arbeiten anzunehmen gewesen wäre. Ein Teil des Strafvollzugs kann die von den Strafgefangenen für das Sprengkommando geleistete Arbeit auch deshalb nicht gewesen sein, weil - wie das LSG zutreffend ausführt - für die Zuweisung zu solchen Arbeiten andere Voraussetzungen gegolten haben als für die Zuteilung zu Arbeiten, zu denen Strafgefangene im Rahmen des Strafvollzugs verpflichtet waren. Soweit Strafgefangene arbeitspflichtig waren - sie waren es im Kriege in besonderem Maße für Aufgaben der Reichsverteidigung (§ 15 StGB, AVen des RJM vom 7. Juni 1938, Deutsche Justiz S. 887, und vom 10. Mai 1939 Deutsche Justiz S. 918) - bedurfte die Strafanstalt zum Vollzug dieser Arbeitspflicht nicht der Zustimmung der Gefangenen, auch nicht zu Außenarbeiten (Leipziger Kommentar zum StGB, 7. Aufl. Anm. zu § 15). Sie war aber grundsätzlich nicht befugt, von sich aus Einsätze anzuordnen, bei denen die Strafgefangenen- wie hier bei der Freilegung von Bombenblindgängern - erheblichen Gefahren für Leib oder Leben ausgesetzt waren. Deshalb beschränkte sich im vorliegenden Fall die Teilnahme an solchen Arbeiten auf die sich freiwillig meldenden Gefangenen und die Mitwirkung der Strafvollzugsbehörden bestand lediglich darin, die sich freiwillig meldenden Gefangenen für solche Arbeiten freizugeben und dem Sprengkommando zur Verfügung zu stellen.

Unter diesen Umständen kann auch nicht die Rede davon sein, daß der Einsatz der Strafgefangenen bei dem Sprengkommando der Luftwaffe auf eine Ermächtigung des Reichsjustizministeriums und nicht auf die Veranlassung eines militärischen Befehlshabers zurückgehe, der nicht befugt gewesen sei, unmittelbar in den Bereich der Justiz einzugreifen. Die Anforderung stellte keinen Eingriff in den Bereich der Justizverwaltung dar, sondern gab dieser nur den Anlaß, von der vom Reichsjustizminister erteilten Ermächtigung Gebrauch zu machen, Gefangene auf freiwillige Meldung hin, für Tätigkeiten mit erheblichen Gefahren für Leib oder Leben zu Dienstleistungen für Zwecke der Wehrmacht freizugeben.

K. hat somit militärähnlichen Dienst geleistet, soweit er als Strafgefangener unter dem Kommando der Luftwaffe bei der Ausgrabung von Bombenblindgängern eingesetzt war. Ob dieser Einsatz mit der Beendigung der Arbeiten oder erst mit der Rückkehr in die Strafanstalt beendet war, kann dahinstehen. K. befand sich auf jeden Fall auch auf der Rückfahrt von diesem Einsatz, bei der er den tödlichen Unfall erlitten hat, noch in Ausübung militärähnlichen Dienstes, weil nach § 4 Abs. 1 BVG als militärähnlicher Dienst (§ 3) auch der Heimweg nach Beendigung des Dienstes gilt.

Auf diesen militärähnlichen Dienst hat zutreffend das LSG den Tod des K. zurückgeführt. Ihm ist eine Gesetzesverletzung, d. h. eine Verletzung der für das Gebiet der Kriegsopferversorgung geltenden Kausalitätsnorm, wie sie in Rechtslehre und Rechtsprechung entwickelt worden ist, bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs des Todes von K. mit einer Schädigung im Sinne des BVG nicht unterlaufen. Nach dieser Norm ist nicht jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele (Ursache im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne), als ursächlich anzusehen, sondern nur diejenige, die im Verhältnis zu anderen Einzelbedingungen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat (BSG 1, 72, 150, 268). In vorliegendem Falle hat das LSG diese Kausalitätsnorm richtig angewandt. Wenngleich bei Anwendung dieser Norm Erörterungen über die Unterbrechung des Kausalzusammenhangs keinen Platz haben, so hat das LSG doch, wie seine Ausführungen erkennen lassen, der Kausalitätsnorm entsprechend geprüft, welche der hier in Betracht kommenden Einzelbedingungen für den Tod des K. wesentlich gewesen ist. Wenn es als Ergebnis dieser Prüfung angenommen hat, daß nicht das Verhalten des K. und nicht die Gefahren des Gegenverkehrs, sondern die Ausübung des militärähnlichen Dienstes die wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinn für den durch Verletzungen auf der Rückkehr von diesem Einsatz erlittenen Tod gewesen ist, so hat es die Kausalitätsnorm nicht verletzt, sondern in Einklang damit die hier in Betracht kommenden Einzelbedingungen in ihrer Bedeutung für den eingetretenen Erfolg richtig gewürdigt.

Wenngleich somit das LSG richtig entschieden hat, daß der Tod des K. Folge einer Schädigung ist (§ 38 BVG), so mußte das Urteil dennoch aufgehoben werden, soweit es den Versorgungsanspruch der Klägerin betrifft. Das LSG hat das Urteil des SG bestätigt, wonach der Beklagte verurteilt worden ist, den Tod des K. als Schädigungsfolge anzuerkennen und Hinterbliebenenrente zu gewähren. Es hat insoweit aber übersehen, daß die Klägerin als geschiedene Frau des Verstorbenen Anspruch auf Versorgung nach dem BVG nur unter den Voraussetzungen des § 42 BVG hat. Sie kann daher eine Rente nur erhalten, wenn der Verstorbene nach den eherechtlichen Vorschriften Unterhalt zu gewähren gehabt hätte. Für die Beurteilung der Unterhaltspflicht genügt aber nicht die Feststellung des LSG, daß die Ehe aus alleinigem Verschulden des Ehemannes geschieden worden war. Nach den eherechtlichen Vorschriften (§ 58 Abs. 1 des Ehegesetzes) hat nämlich auch der allein für schuldig erklärte Ehemann Unterhalt nur zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer etwaigen Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Das LSG hat die nach § 42 erforderliche Prüfung dieser Voraussetzungen unterlassen. Sein Urteil war daher aufzuheben, soweit es den Versorgungsanspruch der Klägerin betrifft. Hinsichtlich dieses Anspruchs mußte die Sache auch zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen werden.

Anders verhält es sich dagegen, soweit das Urteil des LSG den Versorgungsanspruch des Klägers Waldemar Knobloch betrifft. Zwar hat das LSG nichts darüber gesagt, daß hier die gesetzlichen Vorschriften über die Unfallfürsorge für den Strafgefangenen zu beachten sind, nach denen zwar nicht die geschiedene Ehefrau, wohl aber die Kinder eines tödlich verunglückten Strafgefangenen Rente erhalten können, so daß das Recht auf Versorgungsbezüge nach § 65 Abs. 1 Nr. 3 BVG in Höhe der Bezüge ruhen müßte, die aus dem gleichen Grund nach den Gesetzen über die Unfallfürsorge für Gefangene gewährt werden. Jedoch hindert das - möglicherweise eintretende - Ruhen der Versorgungsbezüge nicht den Erlaß des Grundurteils. Um ein solches handelt es sich aber bei der Verurteilung des Beklagten, der nicht zu Leistungen in bestimmter Höhe, sondern zu Leistungen dem Grunde nach verurteilt worden ist. Die Voraussetzungen für ein Grundurteil sind erfüllt gewesen. Der Kläger hatte mit der Waisenrente eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Dem Erlaß des Grundurteils stand in diesem Fall nicht entgegen, daß das Recht auf Waisenrente möglicherweise ganz oder teilweise ruht, wenn aus dem gleichen Grunde Bezüge nach den Gesetzen über die Unfallfürsorge für Strafgefangene gewährt werden. Beim Ruhen von Versorgungsbezügen bleibt der Stammanspruch unangetastet; nur die jeweils fälligen Zahlungen werden ganz oder teilweise nicht geleistet. Durch das Ruhen erlischt der Anspruch nicht. Es verhindert nur, daß die jeweiligen Leistungen aus diesem Anspruch erbracht werden, soweit und solange der Grund des Ruhens besteht. Fällt dieser weg, so leben die Leistungen ohne weiteres, insbesondere ohne entsprechenden Antrag, in vollem Umfang wieder auf. Es ist somit Sache der Verwaltung, bei der Festsetzung der Höhe der zu gewährenden Leistungen die gesetzlichen Folgen zu beachten, die sich möglicherweise daraus ergeben, daß Tatbestände vorliegen, auf Grund deren das Recht der Versorgungsbezüge gemäß § 65 BVG ganz oder teilweise ruht. Die Revision war daher zurückzuweisen, soweit das Urteil des LSG den Versorgungsanspruch von Waldemar Knobloch betrifft, auch wenn ungeklärt geblieben ist, ob und in welcher Höhe der Versorgungsanspruch dieses Klägers zu ruhen hat.

Für die Zurückweisung der Revision folgt die Kostenentscheidung aus § 193 SGG; im übrigen war sie dem abschließenden Urteil des LSG vorzubehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324499

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