Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragshöhe - Grundlohn - Ehegatte, freiwillig Versicherter - Ersatzkasse - Verfassungsrecht - Feststellungslast - informationelle Selbstbestimmung
Leitsatz (amtlich)
1. Ersatzkassen durften aufgrund der 12. Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung vom 24.12.1935 die Beiträge ihrer nichtversicherungspflichtigen Mitglieder ohne Bindung an § 180 Abs 4 RVO regeln und bei Verheirateten das Einkommen des Ehegatten auch dann berücksichtigen, wenn das Mitglied eigenes Einkommen hatte (Fortführung von BSG vom 24.6.1985 - GS 1/84 = BSGE 58, 183 = SozR 2200 § 180 Nr 27).
2. Es war nicht verfassungswidrig, wenn sie das Einkommen des Ehegatten nur bei nichterwerbstätigen Mitgliedern und nur dann berücksichtigten, wenn der Ehegatte nicht selbst gesetzlich krankenversichert war.
3. Es verstieß auch nicht gegen Verfassungsrecht, wenn sie von ihren nichtversicherungspflichtigen Mitgliedern den Nachweis der Gesamtbezüge beider Ehegatten verlangten und die Mitglieder bei fehlendem Nachweis in die jeweils höchste Versicherungsklasse (Beitragsklasse) einstuften.
Orientierungssatz
1. Es verstößt auch nicht gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht (vgl dazu Urteil des BVerfG vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 ua = BVerfGE 65, 1, 41 ff) des Ehemanns eines Mitglieds, wenn das Mitglied die Folgen einer ihrer Lebenssphäre zuzurechnenden Beweislosigkeit zu tragen hat.
2. Die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen (vgl BVerfG 1. Senat 2. Kammer vom 19.4.1994 - 1 BvR 1467/90).
Normenkette
SVAufbauV 12 Art 2 § 4; RVO § 180 Abs 4 Fassung: 1978-07-25; GG Art 2 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; GG Art 3 Abs 2 Fassung: 1949-05-23; GG Art 6 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; GG Art 12 Abs 1 Fassung: 1968-06-24
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 28.09.1988; Aktenzeichen L 8 Kr 684/88) |
SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 30.03.1988; Aktenzeichen S 9 Kr 101/83) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge, die von der freiwillig krankenversicherten Klägerin seit 1983 an die beklagte Ersatzkasse zu entrichten waren.
Die 1940 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit 1973 freiwillig weiterversichert. Ihr Ehemann gehört als Beamter nicht der gesetzlichen Krankenversicherung an. Der 1973 geborene gemeinsame Sohn ist seit Juli 1977 ebenfalls freiwilliges Mitglied der Beklagten. Bis Ende 1982 war die Klägerin in die niedrigste Versicherungsklasse (401) der für nichtversicherungspflichtige Mitglieder geltenden Versicherungsklassen 401 ff eingestuft, weil die Beklagte bis dahin nur ihre eigenen Bezüge (Zinsen aus Sparguthaben zwischen 100 DM und 200 DM jährlich) zugrunde gelegt hatte.
Zum 1. Januar 1983 regelte die Beklagte für nichterwerbstätige Mitglieder, deren Ehegatte nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehörte, die Bemessung der Beiträge neu. Seither war für die Einstufung dieser Mitglieder in die Versicherungsklassen 401 ff grundsätzlich "die Hälfte der eigenen regelmäßigen monatlichen Gesamtbezüge und des nachzuweisenden Bruttoeinkommens des Ehegatten, höchstens jedoch bis 50 vH der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung" maßgebend. Außerdem hatten Mitglieder der Versicherungsklassen 401 ff "auf Verlangen der Kasse die regelmäßigen monatlichen Gesamtbezüge nachzuweisen". Sofern und solange der Nachweis nicht erbracht war, hatte die Kasse "das Recht, solche Mitglieder in die jeweils höchste Versicherungsklasse einzustufen".
Auf Anfrage der Beklagten gab die Klägerin Ende 1982 ihre eigenen jährlichen Bezüge für 1981 mit 202,20 DM (Zinsen aus Sparguthaben) an. Die Frage nach der Höhe des monatlichen Bruttoeinkommens ihres Ehemannes ließ sie unbeantwortet. Mit Bescheid vom 3. Dezember 1982 stufte die Beklagte sie ab 1. Januar 1983 nach einem monatlichen Grundlohn von 1.875 DM (der Hälfte der monatlichen Bemessungsgrenze für 1983) in die Beitragsklasse 461 ein, wodurch sich der Monatsbeitrag von bisher 46 DM auf 219 DM erhöhte. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 1983 zurück. Nachdem die Klägerin gegen diese Bescheide Anfechtungsklage zum Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) erhoben hatte, änderte die Beklagte mit Bescheiden vom 24. März 1986, 21. Mai 1987 und 6. Januar 1988 die Einstufung entsprechend den veränderten Beitragsbemessungsgrenzen und Beitragssätzen; dadurch erhöhte sich der Beitrag bis 1988 auf monatlich 273 DM. Eine zum 1. Juli 1985 in Kraft getretene Beitragsentlastung für freiwillige Mitglieder mit unterhaltsberechtigten Angehörigen ließ die Beklagte bei der Klägerin unberücksichtigt, weil diese weiterhin Angaben zum Einkommen ihres Ehemannes verweigerte. Mit Urteil vom 30. März 1988 wies das SG die Klage ab.
Die Berufung der Klägerin zum Hessischen Landessozialgericht (LSG) blieb erfolglos (Urteil vom 28. September 1988): Die Beklagte habe die Klägerin zum 1. Januar 1983 in eine höhere Beitragsklasse einstufen und die Beiträge in der Folgezeit entsprechend anpassen dürfen, weil mit der Neufassung ihrer Versicherungsbedingungen (VB) eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse iS des § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) eingetreten sei. Die Beitragseinstufung eines freiwillig versicherten Mitglieds unter Mitberücksichtigung des Einkommens des nicht gesetzlich krankenversicherten Ehegatten sei nicht zu beanstanden und enthalte keinen Verstoß gegen Art 3, 6, 33 Abs 5 des Grundgesetzes (GG). Es sei anerkannt, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten auch nach den Einkünften seines Ehegatten bemessen werden könne. Das gelte grundsätzlich auch dann, wenn der freiwillig versicherte, nichterwerbstätige Ehegatte eigene Einnahmen habe. Jedenfalls bei Mitgliedern von Ersatzkassen bestünden insoweit auch keine gesetzlichen Schranken. Soweit die VB in der Fassung, die bis 30. Juni 1985 galt, unterhaltsberechtigte Kinder bei der Beitragsbemessung noch nicht berücksichtigt hätten, sei die seit 1. Juli 1985 geltende Neuregelung auch auf die Vergangenheit zu erstrecken; diese könne aber hier nicht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis führen, weil das Einkommen ihres Ehemannes nicht bekannt sei, die Hälfte der Gesamtbezüge der Ehegatten mithin auch nach Abzug eines Unterhaltsbetrages für den Sohn noch bei 50 vH der Beitragsbemessungsgrenze liegen könne. Die Beklagte habe die Klägerin somit zu Recht nach einem entsprechenden Grundlohn eingestuft.
Die Klägerin begründet ihre vom LSG zugelassene Revision im wesentlichen wie folgt: Die angefochtenen Bescheide hätten die früheren Bescheide der Beklagten geändert, ohne daß die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 SGB X vorlägen. Denn eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse sei wegen Ungültigkeit der die VB zum 1. Januar 1983 ändernden Bestimmungen nicht eingetreten. Die Mitberücksichtigung der halben Bruttobezüge des nichtversicherten Ehegatten bei der Beitragseinstufung des Versicherten stehe mit den unterhaltsrechtlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts nicht im Einklang. Danach wäre nämlich vom Nettoeinkommen des nichtversicherten Ehegatten auszugehen. Andererseits seien die eigenen Einkünfte des freiwillig versicherten Ehegatten nicht nur zur Hälfte, sondern voll in Ansatz zu bringen. Die fragliche Regelung in den VB habe außerdem - jedenfalls in der bis zum 30. Juni 1985 geltenden Fassung - gegen Art 6 Abs 1 GG verstoßen, weil sie die Belastung des Familieneinkommens durch unterhaltsberechtigte Kinder entgegen einer Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. Juni 1985 (BSGE 58, 183 = SozR 2200 § 180 Nr 27) nicht berücksichtigt habe. Die VB verstießen außerdem gegen § 180 Abs 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO), den das LSG hier zu Unrecht für nicht anwendbar gehalten habe. Danach habe die Klägerin Beiträge nur nach einem Mindestgrundlohn und nicht nach einem von der Kasse festgesetzten Grundlohn zu entrichten brauchen. Die VB verstießen überdies gegen Art 3 und 12 GG. So sei die Differenzierung der freiwillig versicherten Mitglieder nach nichterwerbstätigen und erwerbstätigen nicht nachvollziehbar. Da sie vorwiegend Hausfrauen und Mütter benachteilige, verstoße sie auch gegen Art 3 Abs 2 GG. Benachteiligt seien ferner Ehegatten, die in intakter Ehe lebten, gegenüber geschiedenen oder getrennt lebenden; dasselbe gelte im Hinblick auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Darin liege sowohl ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 als auch gegen Art 6 Abs 1 GG. Zu beanstanden sei auch die ungleiche Behandlung der Versicherten je nachdem, ob der Ehegatte der gesetzlichen Krankenversicherung angehöre oder nicht. Art 12 Abs 1 GG sei verletzt, weil die VB den Versicherten in bestimmten Fällen mittelbar zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nötigten. Verfassungswidrig seien schließlich die Bestimmungen der VB insoweit, als der Versicherte (auch) das Bruttoeinkommen seines Ehegatten "nachzuweisen" habe. Denn diese Regelung verstoße gegen dessen Recht auf "informationelle Selbstbestimmung". Als "ehezerstörend" verletzten sie außerdem Art 6 Abs 1 GG.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. September 1988 und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. März 1988 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 1982 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 1983 und die Folgebescheide vom 24. März 1986, 21. Mai 1987 und 6. Januar 1988 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Insbesondere sei § 180 Abs 4 RVO auf sie als Ersatzkasse unanwendbar. Der Entscheidung des Großen Senats des BSG, wonach sie bei der Bestimmung der aus dem Einkommen des Ehegatten abgeleiteten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten den Aufwand für den Unterhalt gemeinsamer Kinder zu berücksichtigen habe, habe sie durch eine Ergänzung ihrer VB (38. Nachtrag) mit Wirkung vom 1. Juli 1985 Rechnung getragen. Im Fall der Klägerin habe sie sich darüber hinaus zu einer entsprechenden Anwendung dieser Regelung auch für den Zeitraum vor dem 1. Juli 1985 verpflichtet. Die Klägerin vereitele aber eine derartige Sachbehandlung, weil sie nicht bereit sei, das Einkommen ihres Ehegatten nachzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß die Klägerin die von der Beklagten für die Zeit ab 1983 geforderten höheren Beiträge zu entrichten hatte. Die Beitragsforderung der Beklagten entsprach den Bestimmungen ihrer VB. Diese verstießen, soweit hier von Belang, entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Vorschriften des GG.
Daß die Beklagte die Klägerin seit 1983 gegenüber der Zeit davor in eine höhere Versicherungsklasse (innerhalb der für sie maßgebenden Klassen 401 ff) einstufte, entsprach den geänderten Bestimmungen ihrer VB (Abschnitt D - Unterabschnitt Beiträge und Einstufung der Nichtversicherungspflichtigen - Ziffer 6 nach der Fassung vom 1. Januar 1983, die bis 1988 nur unwesentlich geändert wurde). Danach war bei nichterwerbstätigen Mitgliedern, deren Ehegatte nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehörte, die Hälfte der eigenen regelmäßigen monatlichen Gesamtbezüge und des nachzuweisenden Bruttoeinkommens des Ehegatten zu berücksichtigen, höchstens jedoch bis 50 vH der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (Satz 1). Dies galt nicht, wenn die regelmäßigen monatlichen Gesamtbezüge des Mitglieds 50 vH der genannten Bemessungsgrenze überschritten oder über dem Bruttoeinkommen des Ehegatten lagen (Satz 2). Die Klägerin war während der streitigen Zeit nicht erwerbstätig; ihr Ehemann gehörte als Beamter nicht der gesetzlichen Krankenversicherung an. Die eigenen Gesamtbezüge der Klägerin aus Kapitalvermögen betrugen 1983 bis 1988 nach ihren Angaben zwischen 20 DM und 125 DM monatlich. Damit überschritten sie weder 50 vH der Beitragsbemessungsgrenze noch das Bruttoeinkommen des Ehemannes. Deshalb waren die Beiträge der Klägerin bei Anwendung der genannten Satzungsregelung nach der Hälfte der Gesamtbezüge beider Ehegatten, dh der Hälfte der eigenen Bezüge der Klägerin und des Bruttoeinkommens des Ehemannes zu bemessen, allerdings höchstens bis zur halben Beitragsbemessungsgrenze. Ob die VB der Beklagten sie auch bis zur vollen Beitragsbemessungsgrenze hätten bemessen können, läßt der Senat offen.
Nach den Sätzen 3 und 4 der Ziffer 6 aaO der VB der Beklagten (Fassung dieser Sätze nach dem Stand vom 1. Januar 1983, die bis 1988 inhaltlich unverändert blieben) hatten Mitglieder der Versicherungsklassen 401 ff auf Verlangen der Kasse die regelmäßigen monatlichen Gesamtbezüge nachzuweisen. Sofern und solange der Nachweis nicht erbracht war, hatte die Kasse das Recht, solche Mitglieder in die jeweils höchste Versicherungsklasse einzustufen. Da die Klägerin einen Nachweis für die Bezüge ihres Mannes nicht erbrachte, berechnete die Beklagte ihre Beiträge seit 1983 nach der jeweils höchsten Versicherungsklasse, unter Anwendung der Begrenzungsbestimmung, mithin nach der jeweils halben Beitragsbemessungsgrenze. Die nach den VB seit 1. Juli 1985 möglicherweise in Betracht gekommene Beitragsminderung - Abzug eines Entlastungsbetrages für den Unterhalt des Sohnes der Klägerin von den Gesamtbezügen beider Ehegatten - scheiterte schon daran, daß die Höhe dieser Gesamtbezüge nicht nachgewiesen und deshalb nicht auszuschließen war, daß selbst nach Abzug eines solchen Betrages die halben Gesamtbezüge noch die halbe Beitragsbemessungsgrenze erreichten. Die Beitragsforderung der Beklagten für die streitige Zeit entsprach somit ihren VB, was von der Klägerin auch nicht bestritten wird.
Die von der Beklagten angewendeten Bestimmungen ihrer VB waren rechtsgültig. Die Beklagte hatte sie aufgrund der seinerzeit noch bestehenden Ermächtigung in Art 2 § 4 Abs 2 der - erst zum 1. Januar 1989 durch Art 79 Abs 6 Nr 7 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen aufgehobenen - Zwölften Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung (Ersatzkassen der Krankenversicherung) vom 24. Dezember 1935 erlassen. Danach galten für die Versicherung der Ersatzkassenmitglieder nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht die Bestimmungen der Satzung der Ersatzkasse. Diese Ermächtigung war auch später nicht aufgehoben oder eingeschränkt worden, insbesondere nicht durch § 180 Abs 4 RVO. Diese Vorschrift betraf nicht die Ersatzkassen, wie der Senat wiederholt entschieden hat (vgl SozR 5428 § 4 Nrn 10 und 12; SozR 2200 § 180 Nr 12; vgl auch Nrn 31 und 32 aa0). Daran ist entgegen der Ansicht der Revision festzuhalten.
Im übrigen waren auch die RVO-Krankenkassen, für die § 180 Abs 4 RVO galt, durch die Vorschrift nicht gehindert, das Bruttoeinkommen des Ehegatten bei der Festsetzung der Beiträge für ein freiwillig versichertes Mitglied mitzuberücksichtigen. Das hatte das BSG schon 1976 zu § 313a Abs 1 RVO für eine nichtverdienende, vermögenslose Ehefrau entschieden (BSGE 42, 49 = SozR 2200 § 313a Nr 3) und 1979 für eine Ehefrau ohne eigenes Einkommen, deren Ehemann nicht selbst Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung war, bestätigt (SozR 2200 § 180 Nr 4). Der Große Senat des BSG hat dies 1985 nur insofern eingeschränkt, als eine durch Kinder entstehende Belastung des Familieneinkommens angemessen zu berücksichtigen sei (BSGE 58, 183 = SozR 2200 § 180 Nr 27); dabei hat er nicht entschieden, ob und wann bei eigenen Einkünften des freiwillig versicherten Mitglieds diesem ein Anteil aus dem Erwerbseinkommen des anderen Ehegatten anzurechnen war (aa0 S 202). Diese Frage braucht der erkennende Senat auch hier für den Anwendungsbereich des § 180 Abs 4 RVO nicht zu entscheiden. Er braucht sich insbesondere nicht mit etwaigen aus den Sätzen 1 und 3 der genannten Vorschrift herzuleitenden Bedenken auseinanderzusetzen. Denn jedenfalls im Ersatzkassenbereich waren die Krankenversicherungsträger nach der genannten Ermächtigungsvorschrift, die die Beitragsgestaltung für nichtversicherungspflichtige Mitglieder weitgehend in ihr Ermessen stellte, nicht gehindert, das Bruttoeinkommen des nicht versicherten Ehegatten bei der Beitragsfestsetzung für den anderen, freiwillig versicherten Ehegatten auch dann mitheranzuziehen, wenn letzterer eigene Einkünfte hatte. Das ergibt sich schon daraus, daß auch in diesem Fall das Einkommen des nicht versicherten Ehegatten das Familieneinkommen und damit zugleich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des versicherten Ehegatten erhöhte. Die in den VB der Beklagten vorgesehene Zusammenrechnung der eigenen Bezüge des freiwillig versicherten Ehegatten mit denen des anderen Ehegatten zu "Gesamtbezügen" der Familie war hiernach rechtlich nicht zu beanstanden. Ob sie nicht darüber hinaus sogar nach dem Gleichheitssatz (Art 3 GG) verfassungsrechtlich geboten war, kann offenbleiben.
Die Berücksichtigung des Bruttoeinkommens des anderen, nicht versicherten Ehegatten - im Höchstfalle bis zur halben Beitragsbemessungsgrenze - war auch nicht deswegen zu beanstanden, weil dadurch uU zusammenlebende Eheleute mit höheren Beiträgen belastet wurden als getrenntlebende oder geschiedene. Die insofern von der Klägerin erhobenen Einwände, die sich vor allem auf Art 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) stützen, hält der Senat für unbegründet. Wenn nämlich ein getrenntlebender oder ein geschiedener Versicherter Unterhaltsleistungen in bar erhält, die geringer sind als der nach dem halben Familieneinkommen bemessene "fiktive Unterhalt", der ihm bei intakter Ehe zuzurechnen wäre, und er demgemäß auch einen niedrigeren Krankenversicherungsbeitrag zu zahlen hat, so entspricht dies seiner, aufs Ganze gesehen, geringeren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dies hat der Senat in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 10. Mai 1990 (12 RK 62/87) näher dargelegt. Ebensowenig liegt insoweit eine gegen Art 6 GG verstoßende Bevorzugung der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vor, für die nach einem weiteren Urteil des Senats vom 10. Mai 1990 (12/3 RK 23/88) andererseits kein Anspruch des Versicherten auf Familienhilfe besteht.
Unbegründet ist auch die Rüge der Klägerin, die von der Beklagten angewendeten Bestimmungen ihrer VB hätten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) verstoßen. Das Einkommen des nicht versicherten Ehegatten wurde allerdings bei nichtversicherungspflichtigen Mitgliedern der Beklagten nur berücksichtigt, wenn sie nicht erwerbstätig waren, vor allem also bei Hausfrauen wie der Klägerin. Unberücksichtigt blieb es dagegen bei erwerbstätigen Mitgliedern, es sei denn, daß sich ihre Erwerbstätigkeit auf eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkte. Eine solche begründete keine Änderung der Personenkreiszugehörigkeit (Ziffer 8 aaO der VB nach dem Stand vom 1. Januar 1983 bzw Ziffer 9 aaO nach dem Stand vom 1. Januar 1986), änderte somit auch nichts an der Zugehörigkeit zum Kreis der "nichterwerbstätigen Mitglieder". Nicht anzurechnen war hiernach das Ehegatteneinkommen bei erwerbstätigen Mitgliedern nur, wenn sie durch ihre Erwerbstätigkeit ein mehr als geringfügiges Einkommen erzielten, gleichwohl aber nicht versicherungspflichtig waren, weil sie entweder als Selbständige nicht der Versicherungspflicht unterlagen oder trotz Ausübung einer abhängigen Beschäftigung versicherungsfrei blieben (zB als Beamte). Waren sie dagegen als Selbständige oder abhängig Beschäftigte versicherungspflichtig, dann wurden ihre Beiträge, wie allgemein bei Pflichtversicherten, allein aus ihrem eigenen Einkommen berechnet. Im übrigen waren nichtversicherungspflichtige Mitglieder der Beklagten, ob sie nun erwerbstätig waren oder nicht, in jedem Fall von der Anrechnung des Ehegatteneinkommens ausgenommen, wenn ihre regelmäßigen monatlichen Gesamtbezüge die halbe Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung überschritten oder über dem Bruttoeinkommen des Ehegatten lagen (Satz 2 der Ziffer 6 aaO der VB). Die Begünstigung der erwerbstätigen Mitglieder, die sich aus Satz 1 der Ziffer 6 aaO ergab, galt somit nur für einen in mehrfacher Hinsicht eingeschränkten Personenkreis, nämlich nur für solche Mitglieder, die trotz einer mehr als geringfügigen selbständigen Tätigkeit oder abhängigen Beschäftigung höchstens ein Einkommen bis zur halben Beitragsbemessungsgrenze und ein geringeres Einkommen als ihr Ehegatte hatten. Daß sie dann durch Nichtanrechnung des Ehegatteneinkommens gegenüber den nichterwerbstätigen Mitgliedern bevorzugt wurden, war nach Ansicht des Senats vertretbar, jedenfalls nicht willkürlich. Denn sie standen wegen ihrer - wenn auch versicherungsfreien - Erwerbstätigkeit den versicherungspflichtigen Erwerbstätigen so nahe, daß die Beklagte sie diesen gleichstellen durfte, ohne gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Der Senat braucht hiernach nicht zu entscheiden, ob die zu ihren Gunsten getroffene Ausnahmeregelung, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu rechtfertigen gewesen wäre, die Gesamtregelung in Ziffer 6 aaO der VB (Anrechnung des Ehegatteneinkommens) ungültig gemacht oder nicht vielmehr lediglich zum Wegfall der Ausnahme geführt hätte.
Für einen von der Klägerin gerügten Verstoß gegen den Gleichberechtigungsgrundsatz (Art 3 Abs 2 GG) fehlt es an einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung gerade der weiblichen verheirateten Versicherten in den angegriffenen Regelungen der Beklagten. Im übrigen kann von einer regelmäßigen Hausfrauenrolle der Ehefrau unter den Verhältnissen der achtziger Jahre in der Bundesrepublik nicht mehr uneingeschränkt ausgegangen werden (vgl BVerfGE 39, 169, 187). Ein Verstoß gegen die Freiheit der Berufswahl (Art 12 Abs 1 Satz 1 GG) liegt insoweit schon deshalb nicht vor, weil die fraglichen Satzungsbestimmungen der Beklagten weder in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes stehen noch eine deutlich erkennbare "berufsregelnde Tendenz" (BVerfGE 52, 42, 54; 70, 191, 214) aufweisen.
Auch soweit die VB der Beklagten in Ziffer 6 aaO bestimmten, daß bei Mitgliedern wie der Klägerin das Bruttoeinkommen des Ehegatten nur zu berücksichtigen war, wenn dieser nicht selbst der gesetzlichen Krankenversicherung angehörte - das Einkommen eines ebenfalls versicherten Ehegatten blieb also unberücksichtigt -, ist ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht zu erkennen. Auch insoweit hatte die Beklagte einen hinreichenden Grund für eine unterschiedliche Beitragsbelastung ihrer nichtversicherungspflichtigen Mitglieder und durfte dabei diejenigen begünstigen, deren Ehegatte selbst gesetzlich krankenversichert war. Diese Mitglieder hätten nämlich ohne ihre eigene freiwillige Versicherung in der Regel einen Familienhilfeanspruch aus der Versicherung des Ehegatten gehabt (vgl dazu Schulin SGb 1978, 180, 185; Behrends, Anm zum Urteil des BSG vom 12. Dezember 1979 - 3 RK 98/78 - in SGb 1980, 487, 489; Kotzur, SGb 1988, 440). Es erscheint deshalb vertretbar, wenn für diese Mitglieder der Gesamtbeitragsaufwand der Familie für den Versicherungsschutz der gesetzlichen Krankenversicherung ermäßigt wurde.
Nicht ersichtlich ist ferner, inwiefern es verfassungswidrig war, daß die Beklagte ein nichtversicherungspflichtiges Mitglied bei fehlendem Nachweis der Gesamtbezüge der Ehegatten in die jeweils höchste Versicherungsklasse einstufen, von ihm also einen Beitrag nach der halben Beitragsbemessungsgrenze fordern durfte (letzter Satz der Ziffer 6 aaO der VB). Das gilt sowohl für einen von der Klägerin behaupteten Verstoß gegen Art 6 GG wegen der angeblich "ehezerstörerischen" Wirkung der genannten Bestimmung als auch für die von ihr behauptete Verletzung des "informationellen Selbstbestimmungsrechts" ihres Ehemanns. Daß ein Versicherter, dessen Beitrag von der Höhe des Einkommens seines Ehegatten abhängt und der allein dessen Höhe nachweisen kann, selbst den Nachteil zu tragen hat, wenn er den geforderten Nachweis nicht führen kann oder will, entspricht allgemeinen Grundsätzen und verletzt insbesondere keine datenschutzrechtlichen Vorschriften. Anderenfalls dürfte etwa auch die Gewährung von Leistungen wie zB der Sozialhilfe oder von Vergünstigungen wie der Prozeßkostenhilfe nicht von der Offenbarung und Feststellung persönlicher Daten, zu denen die Höhe des Einkommens gehört, abhängig gemacht werden. Auch verstößt es nicht gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht (vgl dazu BVerfGE 65, 1, 41 ff) des Ehemanns der Klägerin, wenn die Klägerin die Folgen einer ihrer Lebenssphäre zuzurechnenden Beweislosigkeit zu tragen hat. Daß die fragliche Beweislastregelung das Versicherungsverhältnis der Klägerin in unzulässiger Weise rückwirkend umgestaltet habe, wie die Klägerin meint, kann der Senat nicht erkennen (zur "unechten Rückwirkung" vgl ua BVerfGE 72, 141, 154). Sie hat dazu auch selbst keine näheren Ausführungen gemacht.
Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet es schließlich, wenn die Beklagte den Entlastungsbetrag, der der Klägerin an sich für den Unterhalt ihres Sohnes zustand, bei der Berechnung ihres Beitrages unberücksichtigt ließ, solange die Höhe der Gesamtbezüge der Ehegatten, von denen der Entlastungsbetrag abzuziehen gewesen wäre, nicht feststellbar war. Soweit dieser Entlastungsbetrag nicht bereits seit 1983, sondern erst seit Juli 1985 gewährt wurde, war ein etwaiger Verstoß der VB für die von der Beklagten getroffenen Entscheidung nicht ursächlich; die Beklagte hätte mangels Angaben der Klägerin zum Einkommen ihres Mannes die Beiträge in gleicher Höhe festsetzen müssen, wenn der Entlastungsbetrag bereits für den Zeitraum vom 1. Januar 1983 bis zum 30. Juni 1985 vorgesehen gewesen wäre.
Nach allem war die von der Beklagten für die Zeit ab 1983 vorgenommene Neuberechnung der Beiträge der Klägerin wegen einer wesentlichen Änderung der rechtlichen Verhältnisse (wirksame Neufassungen der VB) rechtmäßig; die Beklagte durfte die durch frühere Bescheide vorgenommene Einstufung der Klägerin (Zahlung von Mindestbeiträgen) insoweit aufheben und durch die angefochtenen Bescheide ersetzen.
Über die Kosten des Rechtsstreits hat der Senat nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes entschieden.
Fundstellen