Entscheidungsstichwort (Thema)

Hebamme. Gebühr. Gebührenverzeichnis. Pauschalgebühr. einzelne Hebamme. mehrere Hebammen. Abrechnungsbestimmung. Einsatzplanung. Vergütungsanspruch. Zinsen

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Vergütungsanspruch einer Hebamme, die vor Beginn des Geburtsvorgangs Leistungen in einem Zeitraum erbringt, der von einer für die Geburtshilfe vorgesehenen Pauschalgebühr abgedeckt wird.

 

Normenkette

HebGV §§ 2, 4 Abs. 3; Hessische Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger § 1; Hessische Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger § 8; SGB V § 134; RVO §§ 195-196, 376a; BGB §§ 288, 291

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 23.03.1995; Aktenzeichen L 14 Kr 203/93)

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.12.1992; Aktenzeichen S 25 Kr 3872/90)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. März 1995 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Dezember 1992 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin wegen der Behandlung der Beigeladenen zu 1) am 13. Juli 1990 86,60 DM zu zahlen. Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin und beider Beigeladenen im Rechtsstreit.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin ein Gebührenanspruch nach der Hebammenhilfe-Gebührenverordnung (HebGV) zusteht.

Die Klägerin und die Beigeladene zu 2) sind freiberufliche Hebammen. Sie haben einen Belegvertrag mit dem Kreiskrankenhaus in S. Für dort stattfindende Entbindungen haben sie aufgrund eines von ihnen erarbeiteten Einsatzplanes abwechselnde Rufbereitschaft für jeweils 24, 48 oder 72 Stunden vereinbart. Nach Ablauf des Zeitraums übernimmt die jeweils andere Hebamme die Betreuung. Die Hebammenleistungen im Kreiskrankenhaus S. werden ausschließlich von freiberuflich tätigen Hebammen erbracht und im Rahmen der HebGV mit dem jeweiligen Kostenträger abgerechnet.

Am 13. Juli 1990 wurde die bei der Beklagten familienversicherte Beigeladene zu 1) wegen beginnender Geburtswehen in das Kreiskrankenhaus S. aufgenommen. In der Zeit von 0.40 Uhr bis 1.20 Uhr und 3.15 Uhr bis 4.00 Uhr leistete die Klägerin Hilfe bei Schwangerschaftsbeschwerden (Kontrolle der kindlichen Herztöne mittels eines Cardiographen und Vaginaluntersuchung) im Rahmen ihres Bereitschaftsdienstes. Um 8.00 Uhr endete ihr Bereitschaftsdienst. Danach übernahm die Beigeladene zu 2) die Betreuung der Versicherten und half bei der um 10.26 Uhr eintretenden Geburt. Die Beigeladene zu 2) rechnete für die von ihr geleistete Geburtshilfe die Pauschalgebühr nach Ziffer 9 des Gebührenverzeichnisses (GebVerz) zur HebGV mit der Beklagten ab. Mit Schreiben vom 27. August 1990 stellte die Klägerin der Beklagten für die von ihr erbrachten Leistungen Gebühren, Auslagen und Wegegeld nach Ziffer 5 des GebVerz zur HebGV in Höhe von 86,60 DM in Rechnung. Die Beklagte lehnte die Bezahlung mit der Begründung ab, die Abrechnungsbestimmung zu den Ziffern 9 bis 11 des GebVerz zur HebGV schließe weitere Gebührenansprüche aus, wenn die Hilfeleistung in einem Zeitraum von 10 Stunden vor der Geburt bis zu 3 Stunden nach der Geburt erfolge. Dies gelte auch dann, wenn zur Leistungserbringung mehrere Hebammen notwendig seien. Auch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vertrete die Auffassung, daß mehrere Hebammen den finanziellen Ausgleich untereinander zu regeln hätten. Die auf Zahlung der Gebühr, einschließlich Auslagen, Wegegeld und Zinsen gerichtete Klage wurde vom Sozialgericht (SG) Frankfurt durch Urteil vom 7. Dezember 1992 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 23. März 1995). Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch nach Ziffer 5 des GebVerz zu § 2 Abs. 1 HebGV nicht zu, weil nach der Abrechnungsbestimmung zu den Ziffern 9 bis 11 die Geltendmachung weiterer Gebühren für einen Zeitraum von 10 Stunden vor bis zu 3 Stunden nach der Geburt ausgeschlossen werde. Die Pauschalgebührenregelung sei auch dann abschließend, wenn mehrere Hebammen im genannten Zeitraum tätig geworden seien. Hier habe der Wechsel der Hebammen zudem in deren eigener Organisationsgewalt gelegen. Insoweit müsse sich die Klägerin auch entgegenhalten lassen, daß sie ursprünglich die Ansicht vertreten habe, daß in diesem Fall kein Gebührenanspruch einer zweiten Hebamme entstehe.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der Vorschriften der HebGV durch das LSG. Grundlage des Leistungsanspruchs der Versicherten sei § 196 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Danach könnten schwangere bzw gebärende Frauen so viele Hebammen zur Behandlung heranziehen, wie sie wollten. Einen Ausschluß oder eine Beschränkung auf einzelne Hebammen kenne weder die RVO noch die HebGV. Nehme die Frau innerhalb der letzten 10 Stunden vor der Geburt die Leistungen von zwei Hebammen in Anspruch, so müsse dies von der Beklagten auch vergütet werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 7. Dezember 1992 und das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. März 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 86,60 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochten Urteil für zutreffend.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist begründet.

Gemäß § 17 a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) hat der Senat nicht mehr über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den SGen zu entscheiden. Da keiner der Beteiligten die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit gerügt hat, war die Entscheidung des SG zum Rechtsweg bereits für die Berufungsinstanz bindend.

Die erhobene reine Leistungsklage ist zulässig. Die beklagte KK war nicht berechtigt, über den Vergütungsanspruch der Klägerin durch Verwaltungsakt zu entscheiden (BSGE 60, 54 = SozR 5595 § 1 Nr. 1).

Der Klägerin steht die von ihr geltend gemachte Vergütung zuzüglich Wegegeld nach § 2 Abs. 1 HebGV (vom 28. Oktober 1986, BGBl I S 1662, geändert durch die VOen vom 6. Juli 1990, BGBl I 1395 und vom 27. Juli 1994, BGBl I 1985) iVm Ziffer 5 des Gebührenverzeichnisses (GebVerz, Anlage zu § 2 HebGV) zu; der Zinsanspruch ist dagegen nicht begründet.

Die Vergütungspflicht der Beklagten setzt voraus, daß der beigeladenen Versicherten (Beigeladene zu 1) ein Sachleistungsanspruch auf Hebammenhilfe zustand. Gemäß § 134 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) richtet sich die Vergütung für Leistungen der freiberuflich tätigen Hebammen und Entbindungshelfer nach der vom Bundesminister für Gesundheit erlassenen Rechtsverordnung, soweit die Leistungen von der Leistungspflicht der Krankenkassen (KKn) umfaßt sind. Die von der Klägerin gegenüber der Beigeladenen zu 1) erbrachte Leistung (nämlich eine Vaginaluntersuchung und die Kontrolle der kindlichen Herztöne), deren Vergütung sie von der Beklagten verlangt, zählt nach den §§ 195 Abs. 1 Nr. 1, 196 Abs. 1 RVO zur Leistungspflicht der Beklagten im Rahmen der Hebammenhilfe. Dies ist unter den Beteiligten nicht streitig. Die Klägerin hat damit die in Ziffer 5 des GebVerz aufgeführte Leistung erbracht. Der Vergütungsanspruch nach dieser Position des GebVerz ist nicht davon abhängig, daß die Leistung in einem Zeitraum bis zu 10 Stunden vor der Geburt anfällt. Wäre der Anwendungsbereich der Ziffer 5 auf den Zeitraum bis zum Beginn der 10. Stunde vor der Geburt beschränkt, dann hätte es der hier streitigen Abrechnungsbestimmung zu den Ziffern 9 bis 11 des GebVerz nicht bedurft. Diese bestätigt vielmehr, daß der Gebührenanspruch zunächst entsteht.

Die Voraussetzungen für den Wegfall des Gebührenanspruchs nach der Abrechnungsbestimmung sind nicht erfüllt. Die Beklagte geht mit den Vorinstanzen zu Unrecht davon aus, dem geltend gemachten Vergütungsanspruch stehe entgegen, daß die von der Klägerin erbrachte Leistung Bestandteil der Pauschalgebühr nach Ziffer 9 des GebVerz sei, die die Beklagte an die Beigeladene zu 2) erbracht hat. Nach der Abrechnungsbestimmung zu den Ziffern 9 bis 11 des GebVerz umfassen die Gebühren nach den Ziffern 9 bis 11 die Hilfe bis zu zehn Stunden vor der Geburt des Kindes und die Hilfe für die Dauer bis zu drei Stunden danach einschließlich aller damit verbundenen Leistungen und Dokumentationen.

Die Klägerin hat zwar innerhalb des für die Pauschalgebühr maßgebenden Zeitraums Hilfe geleistet. Dies schließt ihren Vergütungsanspruch jedoch nicht aus, da nicht sie, sondern die Beigeladene zu 2) bei der Beigeladenen zu 1) die für die Abrechnung der Pauschalgebühr notwendige Hilfeleistung („Hilfe bei der Geburt eines Kindes”) erbracht und mit der Beklagten abgerechnet hat. Das GebVerz enthält für die Rechtsauffassung der Beklagten keine Grundlage. Es sieht insbesondere eine Einbeziehung der von einer anderen freiberuflich tätigen Hebamme erbrachten Hilfeleistung in die eigene Gebührenabrechnung nicht vor. Dies gilt zumindest für eine Abrechnung der Pauschalgebühr nach den Ziffern 9 bis 11 des GebVerz im Verhältnis zu den im Abschnitt A des GebVerz aufgeführten Leistungen der Mutterschaftsvorsorge und Schwangerenbetreuung. Soweit nach der Abrechnungsbestimmung zu den Ziffern 9 bis 11 des GebVerz durch die Pauschale auch Hilfeleistungen abgegolten sind, die von der Hebamme im zeitlichen Zusammenhang mit der Entbindung erbracht werden, bezieht sich dies nur auf die Hilfen, die von derjenigen Hebamme erbracht werden, die bei der Geburt des Kindes Hilfe leistet und damit berechtigt ist, die Pauschale abzurechnen. Dies folgt schon aus einer Wortauslegung der genannten Abrechnungsbestimmung, die – wie die HebGV einschließlich des GebVerz insgesamt – nur die einzelne Hebamme erwähnt und nicht erkennen läßt, daß in Bezug auf den von ihr erfaßten Zeitraum bei einer Geburt auch dann nur die Pauschale in Ansatz gebracht werden können soll, auch wenn die Versicherte vor Beginn des Geburtsvorgangs die Hilfe einer anderen Hebamme in Anspruch genommen hat.

Daß sich die HebGV in ihrer jetzigen Fassung grundsätzlich auf den Vergütungsanspruch der einzelnen Hebamme bezieht, wird auch aus der Entwicklung des Hebammengebührenrechts deutlich. Mit der Fassung der HebGV vom 24. Mai 1984 (BGBl I 729) strebte der VO-Geber eine Umstrukturierung der Pauschalgebühren an, mit der zuvor die Hilfeleistung bei der Entbindung und die in den ersten 10 Tagen vorgeschriebenen täglichen Besuche abgegolten wurden, weil wegen der Verkürzung der Aufenthaltsdauer bei einer Entbindung im Krankenhaus in einer wachsenden Zahl von Fällen mehrere Hebammen die Pauschalgebühr unter sich aufteilen mußten, ohne daß die Gebührenordnung für solche Fälle Regelungen an die Hand gab (BR-Drucks 99/84, S. 6). Durch die Einführung von Einzelgebühren für die Hilfeleistung bei der Entbindung einerseits und für die einzelnen Besuche andererseits sollten leistungsgerechte Vergütungen sichergestellt und eine gerechtere Aufteilung der Gebühren ermöglicht werden (aaO S. 6/7). Die Neufassung der HebGV verzichtete demgemäß auf Vorschriften, die die Hebamme verpflichten, einen Teil der Pauschalgebühr an eine zusätzlich tätig werdende Hebamme weiterzuleiten, wie sie in den früheren Fassungen enthalten waren (§ 3 Abs. 5 HebGV vom 27. Dezember 1960, BAnz vom 30. Dezember 1960 Nr. 252).

Die Gebührenziffern 9 und 10 setzen nach ihrem Wortlaut nur voraus, daß „bei der Geburt” Hilfe geleistet wird. Danach kann eine Hebamme die Pauschale auch dann beanspruchen, wenn sie nur einen Teil der Geburtshilfe leistet oder ihre Hilfeleistung erst nach der Entbindung, aber noch vor Vollendung der Versorgung von Mutter und Kind einsetzt (vgl. Töns, Hebammenhilfe, 7. Aufl 1987, Anm. 4 zu Ziffern 9 und 10 des GebVerz, S. 82). Beendet die Hebamme ihre Hilfeleistung bereits vor der Entbindung, etwa weil aufgrund von Komplikationen eine Hausgeburt nicht durchgeführt oder die Entbindung in einem anderen Krankenhaus abgeschlossen werden muß, so erhält sie eine Pauschalgebühr nach den Ziffern 13 bzw 14 (vgl. Töns, aaO), obgleich auch in diesen Fällen eine nachfolgend innerhalb des maßgebenden Zeitraums tätig werdende Hebamme die volle Pauschalgebühr nach Ziffern 9 bzw 10 beanspruchen kann. Hieraus wird bereits deutlich, daß die Rechtsauffassung der Beklagten, die Pauschalgebühr nach Ziffern 9 bzw 10 decke auch beim Tätigwerden mehrerer Hebammen bei einer Geburt den gesamten in der Abrechnungsbestimmung genannten Zeitraum ab, der Systematik des GebVerz nicht entspricht. Aus dem Verhältnis der Abrechnungsziffern 9/10 zu den Ziffern 13/14 läßt sich der Schluß ziehen, daß die umfassende Pauschalgebühr nach Ziffer 9/10 bei einer Geburt nur einmal abgerechnet werden kann, weil die Ziffern 13/14 die Fälle abschließend regeln, in denen Leistungen einer weiteren Hebamme während des Geburtsvorgangs gesondert mit einer Pauschalgebühr vergütet werden. Auch dies schließt die Vergütung der von einer anderen als der Geburtshebamme vor Beginn des Geburtsvorgangs erbrachten Leistungen, deren Vergütung im Abschnitt A des GebVerz geregelt ist, nicht aus (vgl. Töns, aaO, Anm. 5 zu den Ziffern 9 und 10 des GebVerz S. 82). Hierzu zählt auch die von der Klägerin geltend gemachte Gebühr nach Ziffer 5.

Gegen die von der Beklagten vertretene Auslegung des GebVerz sprechen auch allgemeine Grundsätze des Vergütungsrechts. Die durch die §§ 195, 196 RVO bewirkte Freistellung der Schwangeren bzw Wöchnerin von der Zahlungspflicht gegenüber der Hebamme begründet im Zusammenwirken mit dem in § 134 Abs. 1 SGB V an die Hebamme gerichteten Verbot, die Versicherte in Anspruch zu nehmen, einen Vergütungsanspruch der Hebamme gegen die KK. Die Leistungspflicht der KK entsteht bereits dadurch, daß die Versicherte die Dienste einer Hebamme in Anspruch nimmt. Einer besonderen Zulassung der Hebamme, wie sie vergleichbar für Heil- und Hilfsmittelerbringer vorgesehen ist (§§ 124, 126 SGB V), bedarf es nicht. Hebammen sind vielmehr bei Erfüllung der im Hebammengesetz festgelegten berufsrechtlichen Voraussetzungen, die zur Führung der Berufsbezeichnung Hebamme bzw Entbindungspfleger berechtigen, zur Versorgung der Mitglieder der KKn und ihrer leistungsberechtigten Familienangehörigen berechtigt (vgl. von Maydell in SGB V-Gemeinschaftskommentar, § 134 RdNrn 4 f; Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, 1990, S. 261 ff; Töns, aaO, S. 15). § 134 Abs. 1 SGB V stellt nicht, wie der Senat zu der entsprechenden Vorschrift in § 376 a RVO aF bereits entschieden hat (BSGE 32, 222, 223 = SozR Nr. 2 zu § 376 a RVO), darauf ab, daß die Hebamme im Einzelfall einen durch Dienstvertrag (§§ 611 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches ≪BGB≫) begründeten Vergütungsanspruch gegen die Schwangere bzw Wöchnerin hat, für dessen Erfüllung die KK gleichsam schuldbefreiend eintritt. Der Vergütungsanspruch der Hebamme entsteht vielmehr kraft Gesetzes, wenn sie entsprechend ihrer berufsrechtlichen Pflicht, Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen und Neugeborenen auf (deren) Anfordern, Hilfe zu leisten (§ 1 Abs. 1 der Hessischen Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger vom 27. März 1991, HessGVBl I, 146), in einem Fall Leistungen erbringt, in dem die KK nach den §§ 195, 196 RVO Hebammenhilfe zu gewähren hat (so bereits BSGE 10, 260, 262). Die Inanspruchnahme der Hebammenhilfe durch die Versicherte ist nicht von einer vorherigen vertragsärztlichen Verordnung abhängig. Maßgebend für die Entstehung des Vergütungsanspruchs der Hebamme ist nach alledem allein die Aufforderung zur Hilfeleistung durch eine leistungsberechtigte Versicherte.

Dies gilt auch, wenn die Versicherte die Hilfe mehrerer Hebammen in Anspruch nimmt. Eine Bindung an die einmal in Anspruch genommene Hebamme ist weder den §§ 195, 196 RVO noch dem Hebammengebührenrecht zu entnehmen. Ob das grundsätzlich bestehende Wahlrecht der Versicherten im Hinblick auf die in § 195 Abs. 2 RVO enthaltene Verweisung auf die Vorschriften des SGB V durch den das Krankenversicherungsrecht allgemein beherrschenden Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (§ 12 Abs. 1 SGB V) eingeschränkt wird und als Folge hiervon der Vergütungsanspruch einer Hebamme zumindest dann in Frage zu stellen ist, wenn die Inanspruchnahme mehrerer Hebammen nicht notwendig ist, war nicht zu entscheiden, weil nach den Feststellungen des LSG vorliegend kein Anlaß besteht, die Notwendigkeit der von den beiden Hebammen jeweils erbrachten Hilfeleistungen in Zweifel zu ziehen.

Der Pflicht der Beklagten, die von der Klägerin erbrachten Leistungen gesondert zu vergüten, steht auch nicht entgegen, daß der Wechsel der Hebammen hier in erster Linie auf dem von beiden verabredeten Organisationsplan beruht, der eine kontinuierliche Hebammenversorgung am Kreiskrankenhaus S sicherstellen sollte, und nicht auf dem Wunsch der Versicherten, jeweils eine bestimmte Hebamme in Anspruch zu nehmen. Für die Auffassung des LSG, die Klägerin müsse sich insoweit an der von ihr ursprünglich vertretenen Auffassung festhalten lassen, daß in diesen Fällen ein Anspruch auf gesonderte Vergütung nicht bestehe, gibt es keine Rechtsgrundlage.

Durch die Verabredung von Einsatzzeiten ist zwischen den beiden Hebammen keine Gesellschaft iS der §§ 705 ff BGB entstanden, die als solche verpflichtet gewesen wäre, Hebammenhilfe zu leisten, ohne daß es darauf angekommen wäre, welche Gesellschafterin jeweils die Hilfe erbracht hätte. Etwas anderes käme nur dann in Betracht, wenn das Gebührenrecht erkennen ließe, daß eine Gebühr bei einer Geburt nur einmal anfällt und beim Tätigwerden mehrerer Hebammen unter diesen aufzuteilen ist, wie dies nach der Fassung der HebGV vom 27. Dezember 1960 (aaO, dort § 3 Abs. 5) der Fall war. Dies sollte durch die Neufassung der HebGV vom 24. Mai 1984 (aaO) jedoch, wie dargelegt, gerade geändert werden. Dementsprechend fehlen in der jetzigen Fassung der HebGV Regelungen zur Aufteilung von Pauschalgebühren beim Tätigwerden mehrerer Hebammen.

Die Klägerin und die Beigeladene zu 2) blieben trotz der Einsatzplanung weiterhin selbständig. Die zeitliche Organisation ihres Einsatzes entsprach vorrangig dem sachlichen Erfordernis, daß die verantwortungsvolle Tätigkeit als Hebamme bei häufiger Inanspruchnahme, wie sie in einem Krankenhaus stattfindet, im Interesse der Gesundheit der Schwangeren nur einen zeitlich begrenzten Einsatz zuläßt. Nach § 8 Abs. 2 der hessischen Berufsordnung für Hebammen und Entbindungshelfer (aaO), der vom LSG nicht herangezogen worden ist, sind niedergelassene Hebammen und Entbindungshelfer im übrigen auch ohne konkrete Absprache zur gegenseitigen Vertretung verpflichtet. Schließlich hat auch der VO-Geber die Einsatzplanung mehrerer Hebammen, die ihre Dienstleistungen in einem Krankenhaus erbringen, gesehen und hierdurch entstehende Mehrkosten in Kauf genommen, wie sich aus § 4 Abs. 3 HebGV ergibt. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann die KK die Zahlung des Mehrbetrages an Wegegeld an eine andere als die nächstwohnende Hebamme unter bestimmten Voraussetzungen verweigern. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift jedoch ua. dann nicht, wenn das Wegegeld anfällt, weil mehrere Hebammen die Dienstleistungen in einem Krankenhaus nach einem vereinbarten Einsatzplan ausführen. Hätte der VO-Geber in diesen Fällen eine Aufteilung von Pauschalgebühren beabsichtigt, so hätte eine spezielle Regelung hierzu nahegelegen.

Die Pflicht der Beklagten, die Leistungen beider hier beteiligten Hebammen zu vergüten, setzt zwar, wie dargelegt, nicht voraus, daß zwischen der Versicherten und beiden Hebammen ein Dienstvertrag zustandegekommen ist. Dennoch verdeutlicht das zwischen der Beigeladenen zu 1) und der Klägerin entstandene Rechtsverhältnis zusätzlich, daß die Beklagte auch die von der Klägerin erbrachten Leistungen zu vergüten hat. Mit der Inanspruchnahme von Hilfeleistungen ist zwischen beiden ein Dienstvertrag (BSGE 32, 222, 223; von Maydell, aaO, RdNr. 10, Schmitt, aaO, S. 268) zustandegekommen, der einen gegen die Beigeladene zu 1) gerichteten Vergütungsanspruch begründet hätte, wäre diese nicht krankenversichert gewesen. Wegen des bestehenden Versicherungsschutzes kann die Klägerin zwar nicht von der Beigeladenen zu 1), sondern nur von der Beklagten Vergütung beanspruchen. Dies folgt auch aus dem an Hebammen und Entbindungspfleger gerichteten Verbot, weitergehende Ansprüche an die Versicherte zu stellen (§ 134 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Die gesetzlich angeordnete Schuldübernahme durch die KK kann jedoch, zumindest soweit die Gebührenordnung dies nicht speziell regelt, nicht zum völligen Wegfall einer Vergütungspflicht führen.

Das Ergebnis wird letztlich dadurch bestätigt, daß es für eine Pflicht der Beigeladenen zu 2), die Klägerin an der Pauschalgebühr zu beteiligen, keine Rechtsgrundlage gibt. Der Klägerin steht insbesondere ein Auseinandersetzungs- oder Bereicherungsanspruch gegenüber der Beigeladenen zu 2), wie er offensichtlich der Beklagten vorschwebt, nicht zu. Zwischen mehreren nacheinander tätig werdenden freiberuflichen Hebammen besteht keine Gemeinschaft iS der §§ 741 ff BGB. Auch hat die Beigeladene zu 2) die von der Beklagten gezahlte Pauschalgebühr nicht – zum Teil – ohne Rechtsgrund erhalten. Sie hat vielmehr aufgrund der von ihr erbrachten Hilfeleistung die Voraussetzungen der Pauschalgebühr in vollem Umfang erfüllt. Eine Verpflichtung, hieraus einen Anteil an die Klägerin weiterzugeben, läßt sich weder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen noch aus dem Hebammen-Gebührenrecht ableiten.

Die Revision ist zurückzuweisen, soweit mit ihr weiterhin die Verzinsung des Zahlungsanspruchs geltend gemacht wird. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in ständiger Rechtsprechung die Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften über Verzugs- und Prozeßzinsen (§§ 288, 291 BGB) auf sozialrechtliche Ansprüche verneint, weil deren Verzinsung in §§ 44 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) und 27 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) abschließend geregelt ist. Insoweit besteht keine gesetzgeberische Lücke, sondern eine bewußte Entscheidung des Gesetzgebers (vgl. BSGE 71, 72 ff = SozR 3-7610 § 291 Nr. 1; BSG SozR 4100 § 56 Nr. 21; BSG SozR 1300 § 61 Nr. 1; BSGE 55, 45 = SozR 2200 § 27 Nr. 2; BSGE 49, 227 = SozR 1200 § 44 Nr. 2; BSGE 32, 52 = SozR Nr. 34 zu § 223 RVO). Bei den Gebührenansprüchen der Hebammen gegenüber den KKn handelt es sich nach gleichfalls ständiger Rechtsprechung um sozialrechtliche Ansprüche (vgl. BSGE 10, 260, 262; 32, 222, 223 = SozR Nr. 2 zu § 376 a RVO; BSGE 60, 54; BGHZ 36, 91, 93). Der Senat hat bereits durch Beschluß vom 19. September 1995 (3 BK 6/95) entschieden, daß es für eine abweichende Behandlung der Gebührenforderung der Hebamme keinen Grund gibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. In Anbetracht der Geringfügigkeit des Zinsanspruchs im Verhältnis zur Hauptforderung bestand für eine Einschränkung der Kostentragungspflicht der Beklagten kein Anlaß.

 

Fundstellen

Haufe-Index 954090

Breith. 1997, 393

SozSi 1997, 398

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