Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung von der Pflichtkrankenkasse. Ersatzkassen-Mitgliedschaft. Ruhen
Orientierungssatz
1. Die aufgrund einer Versicherungsberechtigung begonnene Mitgliedschaft in einer Ersatzkasse endet nicht durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. Vielmehr können versicherungsberechtigte Mitglieder einer Ersatzkasse bei Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung unter Befreiung nach § 517 RVO von der Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse nach § 225 RVO auch dann ihre Versicherungspflicht bei der Ersatzkasse durchführen, wenn die versicherungspflichtige Beschäftigung nicht zum Beitritt zu dieser Ersatzkasse berechtigen würde (Festhaltung BSG vom 1979-08-30 8b RK 2/79 = SozR 2200 § 517 Nr 4).
2. Das Ruhen der Ersatzkassenmitgliedschaft führt nicht zu deren Beendigung und ist der Beendigung auch nicht gleichzustellen. In dem Antrag auf Ruhen der Mitgliedschaft liegt nicht die Erklärung des Austritts aus der Ersatzkasse; vielmehr dient diese Erklärung gerade der Erhaltung der Mitgliedschaft unter geänderten Bedingungen.
Normenkette
RVO § 517 Abs 1 Fassung: 1924-12-15
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 24.06.1981; Aktenzeichen L 8 Kr 1088/80) |
SG Gießen (Entscheidung vom 06.08.1980; Aktenzeichen S 9 Kr 14/79) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene seit dem 1. August 1978 bei der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) oder bei der beklagten Ersatzkasse pflichtversichert ist.
Die Beigeladene, die am 1. August 1967 der beklagten Ersatzkasse als pflichtversicherte Angestellte beigetreten war, gehörte dieser Kasse vom 23. Juni 1974 bis zum 30. September 1976 - unterbrochen durch Pflichtversicherungszeiten - als freiwilliges Mitglied der Klasse 721 (für nicht versicherungspflichtige Personen und Selbständige) an. Mit Rücksicht auf den Familienhilfeanspruch des bei derselben Krankenkasse versicherten Ehemannes der Beigeladenen genehmigte die Beklagte das beitragslose Ruhen der Mitgliedschaft der Beigeladenen für die Zeit vom 1. Oktober 1977 bis zum 30. September 1978. Die Beigeladene setzte jedoch ihre freiwillige Versicherung nach Wegfall des Familienhilfeanspruchs ihres Ehemannes vom 1. Juni 1978 an fort. Am 1. August 1978 nahm sie eine arbeiterrentenversicherungspflichtige Beschäftigung als Zustellerin bei einer Tageszeitung auf. Die Beklagte bescheinigte der Beigeladenen nach § 517 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) die Zugehörigkeit zu dieser Ersatzkasse und führte die Pflichtversicherung durch.
Das Sozialgericht (SG) hat die auf Feststellung der Pflichtmitgliedschaft der Beigeladenen bei der AOK gerichtete Klage mit Urteil vom 6. August 1980 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 24. Juni 1981 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Beigeladene sei Mitglied der Beklagten. Die am 1. August 1967 begründete Mitgliedschaft sei nicht beendet worden, da die Beigeladene weder ausgeschlossen worden noch ausgetreten sei und auch keine Erlöschenstatbestände vorlägen. Daran ändere das zwischenzeitliche zulässige Ruhen der Mitgliedschaft nichts, nach dessen Beendigung die latent fortbestehende Mitgliedschaft wieder zur Vollmitgliedschaft erstarkt sei. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten sei auch nicht durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach § 312 Abs 1 RVO entfallen, denn diese Regelung gelte nicht im Verhältnis zu Ersatzkassen. Das folge insbesondere aus den §§ 507 Abs 3, 517 RVO, die gerade eine Doppel-Pflichtmitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse und einer Ersatzkasse voraussetzten. Ebensowenig stehe der Umstand entgegen, daß die Beigeladene aufgrund der arbeiterrentenversicherungspflichtigen Beschäftigung als Zeitungszustellerin nicht mehr dem satzungsgemäß beitrittsberechtigten Mitgliederkreis der Beklagten angehöre.
Die Klägerin hat dieses Urteil mit der zugelassenen Revision angefochten. Sie ist der Ansicht, die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft bei der AOK lägen nicht vor. Das Recht auf Fortsetzung der Pflichtversicherung bei der Ersatzkasse bestehe nur für solche Pflichtversicherte, die ihre Eigenschaft als Angestellte oder Arbeiter verlieren, nicht aber für freiwillig bei der Ersatzkasse Versicherte, die nicht zum beitrittsberechtigten Personenkreis gehören. Im übrigen komme das beitragsfreie Ruhen ohne Anspruch auf Leistungen praktisch der Beendigung der Mitgliedschaft gleich, da jegliche Verbindung zwischen Versichertem und Ersatzkasse gelöst werde. Es sei daher davon auszugehen, daß die Mitgliedschaft der Beigeladenen zur Beklagten am 30. September 1976 endete. Das bedeute aber, daß die anschließende freiwillige Mitgliedschaft nicht mehr auf einer Pflichtversicherung basierte. Dann könne aber auch das Mitgliedschaftsprivileg nicht mehr in Anspruch genommen werden.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und festzustellen, daß die Beigeladene seit dem 1. August 1978 Pflichtmitglied der Klägerin ist.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet abzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig und ist insbesondere der Ansicht, das Ruhen der Mitgliedschaft ohne Beitragspflicht und Leistungsberechtigung sei zulässig und nicht der Beendigung der Mitgliedschaft gleichzustellen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet, denn das LSG hat mit Recht die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die Beigeladene ist durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung am 1. August 1978 nicht Mitglied der Klägerin geworden.
Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, daß die Beigeladene am 1. August 1967 aufgrund des zum Beitritt berechtigenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses Mitglied der Beklagten geworden ist. Diese Mitgliedschaft ist durch die Aufgabe der versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht beendet worden, denn weder hat die Beigeladene ihren Austritt erklärt noch lag ein sonstiger Beendigungsgrund vor. Die Mitgliedschaft der Beigeladenen bei der Beklagten ist vielmehr berechtigterweise als freiwillige Versicherung fortgesetzt worden. Auch das von der Beklagten für die Zeit vom 1. Oktober 1977 bis zum 30. September 1978 gestattete Ruhen der Mitgliedschaft führte nicht zu dessen Beendigung und ist der Beendigung auch nicht gleichzustellen. In dem Antrag auf Ruhen der Mitgliedschaft lag nicht die Erklärung des Austritts aus der Ersatzkasse; vielmehr diente diese Erklärung gerade der Erhaltung der Mitgliedschaft unter geänderten Bedingungen. Ob das in § 13 der Versicherungsbedingungen der Beklagten vorgesehene Ruhen der Mitgliedschaft ohne Beitragspflicht und Leistungsberechtigung rechtmäßig ist und insbesondere dem § 507 RVO entspricht, kann dahingestellt bleiben (vgl dazu BSG SozR Nr 18 zu § 4 der 12. Aufbau-Verordnung vom 24. Dezember 1935 und BSG SozR 2200 § 507 Nr 3). Eine etwaige Rechtswidrigkeit des Ruhens könnte allenfalls die Beitragspflicht und die Leistungsberechtigung der Beigeladenen zur Folge gehabt haben. Auf die Rechtmäßigkeit einer ruhenden Mitgliedschaft ohne Beitragspflicht und Leistungsberechtigung käme es daher nur dann an, wenn entweder die Beitragspflicht oder die Leistungsberechtigung Streitgegenstand wären. Im vorliegenden Fall ist entscheidend, daß das von der Beklagten - zu Recht oder zu Unrecht - gestattete Ruhen der Mitgliedschaft nicht zu deren Beendigung führte, denn es lag weder eine Austrittserklärung noch ein Ausschluß und auch kein sonstiger Erlöschenstatbestand vor. Das Ruhen der Mitgliedschaft kann auch nicht deshalb ihrer Beendigung gleichgestellt werden, weil es faktisch wie eine Beendigung der Mitgliedschaft wirkt und nur zur Vermeidung einer an sich gebotenen Beendigung eingeführt wäre. Abgesehen davon, daß ein die Beendigung der Mitgliedschaft fordernder Tatbestand nicht vorlag, kann der im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der genehmigten Versicherungsbedingungen der Beklagten gestellte Ruhensantrag der Beigeladenen schon deshalb nicht wie ein Austritt rechtlich behandelt werden, weil die Beigeladene möglicherweise auch die beitragspflichtige freiwillige Mitgliedschaft fortgesetzt hätte, wenn ihr die Unzulässigkeit des beitragslosen Ruhens der Mitgliedschaft bekannt gewesen wäre. Die Beigeladene hat daher im Anschluß an das Ruhen berechtigterweise ihre freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten fortgesetzt. Sie war also bei Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung am 1. August 1978 weiterhin freiwilliges Mitglied der Beklagten.
Der erkennende Senat hat bereits entschieden, daß die aufgrund einer Versicherungsberechtigung begonnene Mitgliedschaft in einer Ersatzkasse nicht durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung endet. Vielmehr können versicherungsberechtigte Mitglieder einer Ersatzkasse bei Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung unter Befreiung nach § 517 RVO von der Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse nach § 225 RVO auch dann ihre Versicherungspflicht bei der Ersatzkasse durchführen, wenn die versicherungspflichtige Beschäftigung nicht zum Beitritt zu dieser Ersatzkasse berechtigen würde (SozR 2200 § 517 Nr 4). An dieser Rechtsprechung wird festgehalten. Sie ist mit dem Urteil des 3. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. Juli 1976 (SozR 2200 § 165 Nr 13) und dem Urteil des erkennenden Senats vom 28. Juni 1983 (8 RK 18/81) deshalb zu vereinbaren, weil zwischen beiden Fallgruppen rechtserhebliche Unterschiede bestehen. Den Urteilen vom 20. Juli 1976 und 28. Juni 1983 lagen Tatbestände zugrunde, die zu einer originären Pflichtmitgliedschaft bei der Ersatzkasse führten, so daß es einer Befreiung von einer Mitgliedschaft bei einer anderen Kasse nicht bedurfte und die Zugehörigkeit zur Ersatzkasse lediglich eine Zuständigkeitsfrage war, die durch Wegfall des die Mitgliedschaft begründenden Tatbestandes beendet wurde. Dagegen ist im vorliegenden Fall die Pflichtmitgliedschaft nicht originär von der Ersatzkasse als der zuständigen Krankenkasse, sondern nur nach Befreiung von der Mitgliedschaft bei der nach § 225 RVO zuständigen Krankenkasse durchgeführt und durch Wegfall des die Pflichtmitgliedschaft begründenden Tatbestandes auch nicht beendet worden. In einem solchen Falle beendet auch die erneute Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht die Mitgliedschaft bei der Ersatzkasse, sondern berechtigt erneut zur Befreiung von der Mitgliedschaft bei der Krankenkasse nach § 225 RVO. Dieses Befreiungsrecht besteht auch dann, wenn die versicherungspflichtige Beschäftigung nicht zum Beitritt bei dieser Ersatzkasse berechtigen würde. Während also die originär von der Ersatzkasse durchgeführte Pflichtversicherung einer Befreiung nach § 517 RVO nicht bedarf und mit dem Wegfall des die Pflichtversicherung begründenden Tatbestandes endet, besteht die unter Befreiung von der Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse nach § 225 RVO begründete Versicherung bei einer Ersatzkasse auch nach Beendigung des die Pflichtversicherung begründenden Tatbestandes fort und macht - um eine Doppelmitgliedschaft zu vermeiden - bei erneuter Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung auch eine erneute Befreiung von der Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse nach § 225 RVO notwendig. Auch wenn die Beitrittsberechtigung zu einer Ersatzkasse nicht mehr besteht, soll das berechtigterweise beigetretene Mitglied bei erneuter Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht gezwungen sein, entweder aus der Ersatzkasse auszutreten oder aber eine Doppelmitgliedschaft in Kauf zu nehmen.
Hatte danach die Beigeladene bei Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung am 1. August 1978 gemäß § 517 Abs 1 RVO das Recht auf Befreiung von der Mitgliedschaft bei der Klägerin, so hatte sie mit der Vorlage der entsprechenden Bescheinigung bei ihrem Arbeitgeber nach § 517 Abs 2 RVO das Recht auf Befreiung von der Mitgliedschaft bei der Klägerin.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen