Leitsatz (amtlich)
Die für die Bemessung des Arbeitslosengeldes nach § 112 Abs 2 AFG maßgebliche tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit erhöht sich auch bei Krankenhausärzten nicht um Zeiten des Bereitschaftsdienstes, der aufgrund der Regelungen in Anlage 2 c zum Bundesangestellten-Tarifvertrag (SR 2 c BAT) zu leisten war (Fortführung von BSG vom 9.11.1983 - 7 RAr 42/82 = SozR 4100 § 112 Nr 22).
Normenkette
AFG § 112 Abs 2 S 1 Fassung: 1981-12-22; BAT §§ 15, 17; BAT Anl 2c Nr 8
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 12.06.1987; Aktenzeichen L 12 Ar 172/85) |
SG Detmold (Entscheidung vom 20.06.1985; Aktenzeichen S 17 Ar 9/84) |
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg).
Die Klägerin war zuletzt in der Zeit vom 1. Januar 1981 bis 30. Juni 1983 als Assistenzärztin bei den Krankenanstalten des Kreises M. beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 29. Dezember 1980 richtete sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Bundes-Angestellten-Tarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen (§ 2). Aufgrund schriftlicher Nebenabrede zum Arbeitsvertrag war die Klägerin verpflichtet, außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit Bereitschaftsdienst iS der Anlage 2c zum BAT (SR 2c BAT) zu leisten. Dem Bereitschaftsdienst wurde nach dem ermittelten Arbeitsanteil die Stufe C zugewiesen. Die Berechnung der Bereitschaftsdienstvergütung erfolgte gemäß Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1a zum BAT vom 23. Februar 1972.
Die Klägerin beendete ihr Arbeitsverhältnis durch Kündigung zum 30. Juni 1983. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) erhielt sie im letzten vor ihrem Ausscheiden abgerechneten Monat (Mai 1983) ein festes Monatsentgelt in Höhe von 3.996,65 DM brutto. Hinzu kam eine im Mai 1983 abgerechnete Bereitschaftsdienstvergütung für den Monat März 1983 in Höhe von 2.807,92 DM. Die Zahl der bezahlten Arbeitsstunden einschließlich der Bereitschaftsdienststunden belief sich im Mai 1983 auf 279,6 Stunden.
Am 24. August 1983 meldete die Klägerin sich arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte nach Ablauf einer achtwöchigen Sperrzeit Alg mit Wirkung ab 26. August 1983. Sie legte der Bemessung das feste Monatsentgelt (3.996,65 DM), 173,33 Normalarbeitsstunden (40 x 13 : 3) und eine tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden zugrunde. Das ergab ein wöchentliches Arbeitsentgelt von gerundet 920,-- DM (3.996,65 DM : 173,33 = 23,06 DM x 40 = 922,40 DM), aus dem sich nach der Tabelle, die der AFG-Leistungsverordnung 1983 als Anlage beigefügt war, für die Leistungsgruppe A ein Leistungssatz von 353,40 DM wöchentlich ableitete. In dieser Höhe gewährte die Beklagte der Klägerin vorläufig Alg. Dabei blieben Bereitschaftsdienst und Bereitschaftsdienstvergütung unberücksichtigt (Bescheid vom 23. September 1983). Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, nach der tariflichen Regelung hätten monatlich mindestens sechs, höchstens acht Bereitschaftsdienste erbracht werden müsen; sie seien als normale Dienstzeiten, nicht als Überstunden anzusehen. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück und setzte das Alg endgültig auf 353,40 DM wöchentlich fest (Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 1983).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage unter Zulassung der Berufung abgewiesen (Urteil vom 20. Juni 1985). Das LSG hat die Beklagte unter Aufhebung der genannten Bescheide verurteilt, das Alg der Klägerin neu zu berechnen und dabei weitere 45 Stunden zu je 23,06 DM monatlich zugrunde zu legen (Urteil vom 12. Juni 1987). In den Entscheidungsgründen heißt es:
Die Beklagte habe bei der Bemessung des Alg den von der Klägerin erbrachten Bereitschaftsdienst zu Unrecht außer acht gelassen. Die von der Klägerin innerhalb des Bereitschaftsdienstes tatsächlich geleistete Arbeitszeit sei als tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit zu beurteilen. Allerdings habe das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 9. November 1983 - 7 RAr 42/82 - (SozR 4100 § 112 Nr 22) entschieden, daß die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit von 40 Stunden nach § 15 Abs 1 BAT durch die Verpflichtung zur Leistung von Bereitschaftsdienst nicht verlängert werde. Diese Entscheidung werde dem vorliegenden Fall indessen nicht gerecht. Die Vorschrift des § 112 Abs 2 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) habe durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG) vom 22. Dezember 1981 eine Änderung in dem Sinne erfahren, daß Mehrarbeitszuschläge nicht mehr zu berücksichtigen seien. Bei Mehrarbeitszuschlägen handele es sich um Zahlungen, die mehr oder weniger unregelmäßig erfolgten, so daß der Arbeitnehmer nicht stets mit ihnen rechnen könne. Gerade dies treffe hier nicht zu. Das Grundgehalt der Klägerin sei verhältnismäßig niedrig, die Bereitschaftsdienstvergütung relativ hoch gewesen. Bereitschaftsdienst und Bereitschaftsdienstvergütung seien vertraglich abgesichert gewesen, weshalb die Klägerin auf die Zahlung der Bereitschaftsdienstvergütung habe vertrauen können. Sehe man Bereitschaftsdienst und Bereitschaftsdienstvergütung als von der Neufassung des § 112 Abs 2 Satz 1 AFG erfaßt an, bleibe rund ein Drittel des der Klägerin monatlich zugeflossenen Arbeitsentgelts bei der Berechnung des Alg außer Ansatz, obwohl es in jedem Krankenhaus erzielt werden könne.
Ein solches Mißverhältnis von Arbeitsentgelt und Alg sei mit dem Zweck des § 112 Abs 2 AFG unvereinbar. Die Länge der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit hänge nicht allein vom einschlägigen Tarifvertrag ab. Zur tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit iS des AFG gehöre auch die Zeit, die auf der Grundlage des maßgebenden Tarifvertrages einzelvertraglich vorgesehen, tatsächlich ausgeführt und allgemein üblich sei. Die Klägerin sei gemäß Anlage 2c zum BAT (SR 2c BAT) zur Leistung von Bereitschaftsdienst verpflichtet gewesen und habe auch tatsächlich regelmäßig Bereitschaftsdienst erbracht. Die Leistung von Bereitschaftsdienst sei, wie die Ermittlungen des Gerichts ergeben hätten, für Assistenzärzte an Krankenhäusern allgemein üblich. Dabei handele es sich nicht um mehr oder weniger zufällig angeordnete Überstunden. Der Bereitschaftsdienst sei vielmehr vom System der Krankenhäuser her notwendig, um eine kontinuierliche ärztliche Betreuung der Patienten zu gewährleisten. Es gehe auch nicht um Mehrarbeit, deren Abbau sozialpolitisch wünschenswert sein möge, sondern um das Arzt-Patienten-Verhältnis, das die Mehrbelastung der Ärzte gerechtfertigt erscheinen lasse. Dieser Gesichtspunkt dürfe bei der Auslegung des BAT nicht vernachlässigt werden. Demgemäß müsse der auf tariflicher Norm und Einzelarbeitsvertrag beruhende Bereitschaftsdienst der Klägerin in die regelmäßige Arbeitszeit einbezogen werden.
Auf der anderen Seite könne nicht die gesamte Zahl der Bereitschaftsdienststunden Berücksichtigung finden. Entscheidend sei die Zahl der im Bemessungszeitraum tatsächlich zurückgelegten Arbeitsstunden. Dabei sei die tatsächliche Arbeitszeit innerhalb des Bereitschaftsdienstes aufgrund von Erfahrungswerten festzulegen. Nach Auskunft des Arbeitgebers der Klägerin habe sich innerhalb des Bereitschaftsdienstes für die Innere Abteilung eine durchschnittlich anfallende Arbeitsleistung von 45 Stunden pro Arzt im Monat herausgestellt. Diese durchschnittlich im Monat tatsächlich anfallende Arbeitszeit sei der sich aufgrund des § 15 Abs 1 BAT ergebenden regelmäßigen tariflichen monatlichen Arbeitszeit von 173,33 Stunden hinzuzurechnen. Die Gesamtzahl dieser Arbeitsstunden sei sodann mit dem Stundenlohn von 23,06 DM zu multiplizieren. Die Höhe des der Klägerin gezahlten Überstundenzuschlags habe außer Betracht zu bleiben; denn nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG idF des AFKG seien Überstundenvergütungen nicht zu veranschlagen. Der Begriff des Mehrarbeitszuschlages sei iS von Überstundenzuschlag zu werten (BSG SozR 4100 § 112 Nr 29).
Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 112 Abs 2 Satz 1 AFG idF des AFKG. Diese Neuregelung, nach der Mehrarbeitszuschläge nicht zu berücksichtigen seien, befasse sich nicht mit dem Faktor Arbeitszeit, sondern mit dem Faktor Stundenlohn. Sie könne deshalb nicht entgegen dem Urteil des BSG in SozR 4100 § 112 Nr 22 dazu führen, die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit außer acht zu lassen bzw weitere Stunden der Alg-Bemessung zugrunde zu legen.
Festlegungen besonderer Arbeitszeiten durch Einzelarbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung seien für die Alg-Bemessung nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nur dann maßgebend, wenn sowohl die Art der Festlegung als auch ihr Umfang tarifvertraglich zulässig sei iS der Bestimmung einer nach dem Tarifvertrag ebenfalls regelmäßigen Arbeitszeit. Es reiche also nicht aus, daß die Vereinbarung längerer Arbeitszeiten nach Tarifvertrag erlaubt sei, wenn der Tarifvertrag die längeren Arbeitszeiten nicht als regelmäßige Arbeitszeit ansehe. Das Urteil des LSG sei insoweit bereits im Ansatz falsch, da es die Arbeitszeit für beachtlich erkläre, die üblich sei. Die übliche Arbeitszeit sei gemäß § 112 Abs 4 Nr 2 AFG nur dann relevant, wenn eine tarifliche Regelung weder für die konkrete noch für eine gleiche oder ähnliche Beschäftigung existiere.
Im vorliegenden Fall habe die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gemäß § 15 Abs 1 BAT 40 Stunden betragen. Diese regelmäßige Arbeitszeit könne zwar nach § 15 Abs 2 bis 4 BAT verlängert werden. Die Voraussetzungen dieser Ausnahmetatbestände seien jedoch nicht erfüllt; weder handele es sich beim Bereitschaftsdienst um Arbeitsbereitschaft, noch habe die Klägerin ausschließlich Bereitschaftsdienst als regelmäßige Arbeitszeit erbracht.
Aus den Sonderregelungen der Anlage 2c zum BAT (SR 2c BAT) könne die Klägerin keine weitergehenden Rechte herleiten. Der Bereitschaftsdienst sei dort unter Nr 8 nicht als ergänzende Regelung zur regelmäßigen Arbeitszeit (§ 15 BAT), sondern zu den Überstunden (§ 17 BAT) aufgeführt. Schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergebe sich, daß der Bereitschaftsdienst über die tariflich vorgesehene regelmäßige Arbeitszeit hinausgehe. Im übrigen werde der Bereitschaftsdienst gemäß Nr 8 Abs 2 SR 2c BAT ausschließlich zum Zwecke der Vergütungsberechnung in Arbeitszeit umgerechnet. Eine Erhöhung der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit durch Bereitschaftsdienst könne folglich nicht angenommen werden.
Schließlich gebe es, wie das BSG betont habe, mehrere Gründe dafür, bei der Bemessung des Alg lediglich die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit zugrunde zu legen. So könne nicht unterstellt werden, daß der Leistungsempfänger, der im Bemessungszeitraum eine besonders hohe Arbeitsleistung erbracht habe, auch in einem künftigen Beschäftigungsverhältnis eine solche Arbeitsleistung erbringe. Überdies gewährleiste die Außerachtlassung einer die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit übersteigenden regelmäßigen Arbeitszeit, daß das Alg nicht an das normale tarifliche Entgelt heranreiche.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten (§ 166 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Aufgrund der bisher vom LSG getroffenen Feststellungen läßt sich die Höhe des der Klägerin ab 26. August 1983 zustehenden Anspruchs auf Alg nicht bestimmen.
Die Höhe des Anspruchs auf Alg richtet sich nach § 111 AFG in der zuletzt durch das AFKG vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) geänderten Fassung. Nach Abs 1 dieser Vorschrift beträgt das Alg 68 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§ 112 AFG). Die AFG-Leistungsverordnung 1983 vom 23. Dezember 1982 (BGBl I 2038), in der für die verschiedenen Arbeitsentgelte (§ 112 AFG) nach Minderung um die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge unter Berücksichtigung der Nettolohnersatzquote von 68 vH die jeweiligen Leistungssätze ausgewiesen sind, sieht in der Leistungsgruppe A, der die Klägerin gemäß § 111 Abs 2 Satz 2 Nr 1 Buchst a AFG angehört (nichtverheiratet, ohne Kinder, Steuerklasse I), für ein (wöchentliches) Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) von 920,-- DM die bewilligten 353,40 DM vor. Höheres Alg könnte die Klägerin somit ua dann beanspruchen, wenn ihr Alg nach einem höheren Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) zu leisten wäre.
Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) in diesem Sinne ist nach § 112 Abs 2 AFG (idF des AFKG) das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (Satz 1). Das dem Alg zugrunde zu legende Bemessungsentgelt ist hiernach das Produkt eines Lohn- und eines Zeitfaktors, die beide aus Lohnbedingungen entwickelt werden, die im Bemessungszeitraum maßgebend waren. Die Bestimmung des Bemessungszeitraumes hat daher jeder weiteren Anwendung des § 112 Abs 2 AFG voranzugehen.
Bemessungszeitraum sind nach § 112 Abs 3 Satz 1 AFG (idF des AFKG) die letzten vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt zwanzig Tage - bzw unter bestimmten, hier nicht gegebenen Voraussetzungen sechzig Tage - mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs. Das LSG hat als letzten Lohnabrechnungszeitraum vor dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Beschäftigungsverhältnis den Monat Mai 1983 angesehen. Dieser Auffassung könnte nur gefolgt werden, wenn für diesen Monat sowohl das feste Monatsentgelt als auch die Bereitschaftsdienstvergütung der Klägerin abgerechnet gewesen wären. Das trifft indessen nach den Feststellungen des LSG nicht zu. Für Mai 1983 war vor dem Ausscheiden der Klägerin nur das Grundgehalt (3.996,65 DM), nicht aber die Bereitschaftsdienstvergütung der Klägerin abgerechnet. Die Bereitschaftsdienstvergütung war erst für den Monat März 1983 abgerechnet (2.807,92 DM). Demgemäß hätte das LSG auf den Monat März 1983 als den zuletzt abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum zurückgreifen müssen. Daß das Grundgehalt für diesen Monat ebenso hoch war wie für den Monat Mai 1983, ist möglich, steht aber nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht fest. Es ist nicht auszuschließen, daß es wegen späterer Gehaltserhöhung oder gar Höhergruppierung der Klägerin unter 3.996,65 DM lag. Schon aus diesem Grund muß die Sache an das LSG zurückverwiesen werden.
Eine Zurückverweisung der Sache ist darüber hinaus deswegen geboten, weil das Berufungsgericht nicht die Höhe des im März 1983 von der Klägerin in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelts ohne Mehrarbeitszuschläge ermittelt hat (Lohnfaktor).
Mehrarbeitszuschläge sind Zuschläge, die vom Arbeitgeber allein deshalb gezahlt worden sind, weil Arbeit über die Arbeitszeit hinaus erbracht worden ist, die die Arbeitsvertragsparteien als die gewöhnliche und regelmäßige ansehen (BSG SozR 4100 § 112 Nr 29). Ausschlaggebend für dieses vom Senat entwickelte Begriffsverständnis ist die Erwägung, daß nicht unterstellt werden kann, der Leistungsempfänger, der im Bemessungszeitraum eine besonders hohe Arbeitsleistung erbracht hat, werde auch in einem künftigen Beschäftigungsverhältnis Gelegenheit haben, diese Arbeitszeitleistung zu erbringen. Diese auf Sinn und Zweck des § 112 Abs 2 Satz 1 AFG (idF des AFKG) gestützte Auslegung steht mit der Begründung in Einklang, die der BT-Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zur Änderung des § 112 Abs 2 Satz 1 AFG geliefert hat. Danach sollten Mehrarbeitszuschläge (und aufgelaufene Arbeitsentgelte) bei der Bemessung des Alg deswegen nicht mehr Berücksichtigung finden, weil diese Entgelte unter besonderen Voraussetzungen gezahlt würden und nicht zu dem gewöhnlichen laufenden Arbeitsentgelt gehörten, mit dem der Arbeitnehmer bei jeder Lohnabrechnung rechnen könne (BT-Drucks 9/966 S 79 zu Art 1 § 1 Nr 22 zu Buchst a). Im vorliegenden Fall sind die Klägerin und ihr Arbeitgeber im Arbeitsvertrag vom 29. Dezember 1980 darin übereingekommen, daß sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des BAT vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen richte (§ 2). Damit haben sie ua auf § 15 Abs 1 Satz 1 BAT Bezug genommen, nach dem die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Pausen seinerzeit durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich betrug. Außerdem hat die Klägerin sich aufgrund schriftlicher Nebenabrede zum Arbeitsvertrag verpflichtet, außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit Bereitschaftsdienst iS der Anlage 2c zum BAT zu leisten. Hiernach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Klägerin und ihr Arbeitgeber die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden als die gewöhnliche und regelmäßige Arbeitszeit und den Bereitschaftsdienst als über diese Arbeitszeit hinausgehende Arbeit angesehen haben. Das bedeutet, daß der von der Klägerin im März 1983 erbrachte Bereitschaftsdienst Mehrarbeit war. Doch ergibt sich hieraus noch nicht zwangsläufig, daß die von der Klägerin für März 1983 bezogenen Bereitschaftsdienstvergütungen in vollem Umfang als für die Alg-Bemessung unbeachtliche Mehrarbeitszuschläge zu qualifizieren sind.
Mehrarbeitszuschläge sind, wie oben aufgezeigt, nur solche Zuschläge, die vom Arbeitgeber allein deshalb gezahlt worden sind, weil Arbeit über die von den Arbeitsvertragsparteien als gewöhnlich und regelmäßig angesehene Arbeitszeitdauer hinaus erbracht worden ist. Das gilt hier mit Sicherheit für einen Teil der von der Klägerin für März 1983 erhaltenen Bereitschaftsdienstvergütungen; denn aus Nr 8 Abs 3 der Anlage 2c zum BAT (SR 2c BAT) geht hervor, daß für die nach Nr 8 Abs 2 SR 2c BAT errechnete Arbeitszeit Überstundenvergütung (vgl dazu § 35 BAT) zu zahlen ist. Indes hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, welcher Teil an Überstundenvergütung in den von der Klägerin für März 1983 bezogenen Bereitschaftsdienstvergütungen enthalten ist. Dies wird es nachzuholen haben. Des weiteren ist zu beachten, daß Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei (§ 3b Abs 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz) und deshalb nicht beitragspflichtig sind; solche in den Bereitschaftsdienstvergütungen der Klägerin steckenden Anteile sind folglich ebenfalls in Abzug zu bringen. Andererseits sind Zuschläge, die für tatsächlich nicht geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gewährt werden, nicht steuerfrei und demzufolge beitragspflichtiges Arbeitsentgelt; sie sind daher dem Arbeitsentgelt hinzuzurechnen und bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen (BSGE 63, 149 = demnächst SozR 4100 § 112 Nr 38). Auch insoweit hat das Berufungsgericht in tatsächlicher Hinsicht noch keine Feststellungen getroffen; dies wird nachzuholen sein. Es erscheint zweckmäßig, daß das LSG sich vom früheren Arbeitgeber der Klägerin eine Aufstellung mit sämtlichen Einzelposten geben läßt, aus denen sich die Bereitschaftsdienstvergütungen der Klägerin für den Monat März 1983 zusammensetzen.
Das so für März 1983 errechnete Arbeitsentgelt ist, um den Stundenlohn der Klägerin zu ermitteln, durch 173,33 (= 40 x 13 : 3) Normalarbeitsstunden zuzüglich der Mehrarbeitsstunden zu teilen. Dabei ist für die Mehrarbeitsstunden, wie der Senat bereits entschieden hat, nicht von der Gesamtheit der Bereitschaftsdienststunden der Klägerin auszugehen; maßgebend sind vielmehr nur die Mehrarbeitsstunden, die erfahrungsgemäß durchschnittlich bei den Bereitschaftsdiensten anfallen, wie sie die Klägerin im Bemessungszeitraum abgeleistet hat (BSG SozR 4100 § 112 Nr 22). Das könnten nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG 45 Stunden monatlich gewesen sein. Doch muß dies nicht so gewesen sein. Das LSG spricht nämlich davon, daß sich innerhalb des Bereitschaftsdienstes für die Innere Abteilung des Krankenhauses der Klägerin eine durchschnittlich anfallende Arbeitsleistung von 45 Stunden pro Arzt im Monat ergeben habe. Die für den einzelnen Arzt im Monat durchschnittlich anfallende Arbeitsleistung braucht nicht notwendig mit der für die Klägerin im Monat durchschnittlich angefallenen Arbeitsleistung identisch zu sein. Auch dieser Frage wird das LSG noch nachzugehen haben.
Schließlich wendet sich die Revision mit Recht gegen den vom Berufungsgericht angenommenen und für die Berechnung des Alg maßgebenden Zeitfaktor. Das LSG hätte, worauf die Revision zutreffend hinweist, in die nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG maßgebliche tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (40 Stunden) nicht weitere 45 monatliche Stunden (= 10,38 Wochenstunden) einbeziehen dürfen.
Daß eine Verpflichtung zu Bereitschaftsdienst die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit nicht aufstockt, hat der Senat schon in Zusammenhang mit den Sonderregelungen für Angestellte im Pflegedienst, niedergelegt in der Anlage 2a zum BAT (SR 2a BAT), entschieden (BSG SozR § 112 Nr 22). Hinsichtlich der Sonderregelungen für Ärzte im Pflegedienst, die in SR 2c BAT festgehalten sind und die mit den Sonderregelungen für Angestellte im Pflegedienst nahezu wörtlich übereinstimmen, greifen keine anderen Grundsätze Platz.
Der Bereitschaftsdienst der Krankenhausärzte ist - ebenso wie der der Angestellten im Pflegedienst (Nr 6 B Abs 1 Satz 1 SR 2a BAT) - "außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit" zu leisten (Nr 8 Abs 1 Satz 1 SR 2c BAT). Er ist - wie der der Angestellten im Pflegebereich - als ergänzende Regelung nicht zur regelmäßigen Arbeitszeit (§ 15 BAT), sondern zu den Überstunden (§ 17 BAT) ergangen. Seine Umwertung in Arbeitszeit erfolgt - wie bei den Angestellten im Pflegedienst (vgl dazu Böhm/Spiertz/Claus/Steinherr, Komm zum BAT, Stand Februar 1989, Nr 6 SR 2a BAT Rz 19) - ausschließlich "zum Zwecke der Vergütungsberechnung" oder zur "Abgeltung von Freizeit" (Nr 8 Abs 2 und 4 SR 2c BAT). Den Ärzten im Krankenhaus ist in Nr 8 SR 2c BAT - wie den Angestellten im Pflegedienst in Nr 6 SR 2a BAT - nicht das Recht eingeräumt, überhaupt oder regelmäßig Bereitschaftsdienst in bestimmtem Umfang zu erbringen; sie können also - wie die Angestellten im Pflegedienst - nicht ohne weiteres damit rechnen, neben den festen Bezügen (Grundvergütung, Ortszuschlag usw) regelmäßig die in SR 2c BAT vorgesehenen Vergütungen zu erlangen. Schließlich muß bei den Krankenhausärzten - wie bei den Angestellten im Pflegedienst (Nr 6 B Abs 4 SR 2a BAT) - die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit von durchschnittlich 40 Wochenstunden trotz des geleisteten Bereitschaftsdienstes nicht notwendig überschritten werden, nämlich dann nicht, wenn die zum Zwecke der Vergütungsberechnung ermittelte Arbeitszeit durch entsprechende Freizeit abgegolten wird (Nr 8 Abs 4 SR 2c BAT). All diese Gemeinsamkeiten zwischen SR 2a BAT auf der einen und SR 2c BAT auf der anderen Seite verdeutlichen, daß die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit der Krankenhausärzte durch die Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst ebensowenig erhöht wird wie die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit der Angestellten im Pflegedienst; eine Notwendigkeit, in bezug auf Krankenhausärzte von der Entscheidung des Senats in SozR 4100 § 112 Nr 22 abzurücken, ist nicht erkennbar. Dies gilt um so mehr, als die durch das AFKG in § 112 Abs 2 Satz 1 AFG eingefügte Nichtberücksichtigung von Mehrarbeitszuschlägen nicht den Faktor Arbeitszeit, sondern - wie dargetan - den Faktor Stundenlohn berührt.
Ist sonach mangels entsprechender Feststellungen zum Bemessungszeitraum und zum Lohnfaktor eine abschließende Entscheidung durch den Senat ausgeschlossen, muß die Sache unter Aufhebung des ergangenen Urteils gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.
Fundstellen