Leitsatz (amtlich)
Das "vorgezogene" Übergangsgeld nach RVO § 1241 Abs 1 S 2 hat der für die Gewährung der in dieser Vorschrift aufgeführten Renten zuständige Rentenversicherungsträger auch dann zu zahlen, wenn Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit von einem anderen Rentenversicherungsträger durchgeführt werden.
Normenkette
RVO § 1241 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Auf die Revision der Beigeladenen wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. Oktober 1964 insoweit aufgehoben, als die Beigeladene verurteilt worden ist, dem Kläger Übergangsgeld für die Zeit vom 1. bis 14. April 1957 und vom 15. Mai 1957 bis 6. August 1958 zu gewähren. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Übergangsgeld für die Zeit vom 1. bis 14. April 1957 und vom 15. Mai 1957 bis 6. August 1958 zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist, ob der Kläger von der beigeladenen Landesversicherungsanstalt (LVA) B oder der beklagten LVA Rheinland-Pfalz das sogenannte vorgezogene Übergangsgeld (§ 1241 Abs. 1 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) beanspruchen kann.
Der Kläger, der auch Beiträge zur französischen Rentenversicherung geleistet und am 3. April 1957 einen Rentenantrag gestellt hatte, bezieht von der beklagten LVA Rheinland-Pfalz, die deutsch-französische Verbindungsstelle ist, vom 1. November 1958 an eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit; vorher hatte er ebenfalls von der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit erhalten. Nachdem der Kläger die Rente beantragt, die Beklagte diese aber noch nicht bewilligt hatte, gewährte ihm die LVA B, in deren Bereich er wohnt, zwei Heilverfahren, und zwar vom 15. April bis 14. Mai 1957 und vom 7. August bis 31. Oktober 1958; für die Dauer dieser Heilverfahren zahlte die LVA B dem Kläger Übergangsgeld. In den Vorinstanzen haben die Beteiligten über die Zahlung des vorgezogenen Übergangsgeldes und über den Beginn der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit anstelle der schon gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit gestritten. Das Landessozialgericht (LSG) hat die beigeladene LVA Baden verurteilt, Übergangsgeld auch für die Zeit vom 1. bis 14. April 1957 und vom 15. Mai 1957 bis 6. August 1958 zu zahlen; es hat ferner entschieden, daß die beklagte LVA Rheinland-Pfalz die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erst vom 1. November 1958 an zu gewähren hat. Das LSG hat die Revision zugelassen (Urteil vom 12. Oktober 1964).
Die beigeladene LVA Baden hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt, mit der sie jetzt nur noch Verletzung des § 1241 Abs. 1 Satz 2 RVO rügt, nachdem sie in der mündlichen Verhandlung ihre Verfahrensrügen fallen gelassen hat.
Die beigeladene LVA B beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. Oktober 1964 abzuändern, soweit sie zur Zahlung des vorgezogenen Übergangsgeldes verurteilt worden ist.
Der Kläger und die beklagte LVA Rheinland-Pfalz beantragen,
die Revision der Beigeladenen zurückzuweisen.
II
Die Revision der beigeladenen LVA B ist begründet. Anstelle der vom Berufungsgericht hierzu verurteilten beigeladenen LVA Baden hat die beklagte LVA Rheinland-Pfalz dem Kläger das vorgezogene Übergangsgeld gemäß § 1241 Abs. 1 Satz 2 RVO für die Zeit vom 1. bis 14. April 1957 und vom 15. Mai 1957 bis 6. August 1958 zu zahlen.
Das Berufungsgericht hat bei seiner Entscheidung, daß die beigeladene LVA B dem Kläger für die genannten Zeiten das vorgezogene Übergangsgeld zu gewähren hat, alle von ihm im einzelnen geprüften Voraussetzungen des § 1241 Abs. 1 Satz 2 RVO als erfüllt angesehen. Wenn auch die Begründung des LSG für sich genommen nicht zu beanstanden ist, hat der Vorderrichter jedoch der davor liegenden Frage, welcher der beteiligten beiden Rentenversicherungsträger dafür zuständig ist, das verlangte vorgezogene Übergangsgeld zu gewähren, nicht die gehörige Beachtung geschenkt. Nicht die beigeladene LVA B, sondern die beklagte LVA Rheinland-Pfalz ist zur Leistung des vorgezogenen Übergangsgeldes an den Kläger zuständig und verpflichtet, wie sich aus folgendem ergibt:
Wenn auch der Grundgedanke bei der Gewährung von Übergangsgeld (§ 1241 Abs. 1 Satz 1 RVO), das Rentendenken bis zum Abschluß von Rehabilitationsmaßnahmen auszuschließen, in der Regelung des § 1241 Abs. 1 Satz 2 RVO nicht voll durchgeführt worden ist (vgl. Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 2. Aufl., § 1241 Anm. I 1), liegen jedenfalls Sinn und Zweck der Vorschrift des § 1241 Abs. 1 Satz 2 RVO darin, daß das vorgezogene Übergangsgeld an die Stelle einer an sich zu zahlenden Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder einer erhöhten Rente nach § 1268 Abs. 2 Nr. 2 RVO tritt. Dabei wird der Anspruch auf das vorgezogene Übergangsgeld durch den vor Beginn der Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit vom Betreuten gestellten Antrag auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder auf erhöhte Rente nach § 1268 Abs. 2 Nr. 2 RVO ausgelöst. Wegen der engen Verknüpfung dieser Rentenformen mit dem vorgezogenen Übergangsgeld können die Leistungsverpflichtungen für die genannten Renten und das an ihre Stelle tretende vorgezogene Übergangsgeld nur einheitlich beurteilt und gehandhabt werden. Das hat zur Folge, daß der Rentenversicherungsträger, der auf Antrag hin eine der aufgeführten Renten zu zahlen gehabt hätte, auch das vorgezogene Übergangsgeld zu gewähren hat. Das gilt auch dann, wenn - wie hier - ein anderer Rentenversicherungsträger die Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung durchführt.
Auf den Fall bezogen bedeutet das, daß die beklagte LVA Rheinland-Pfalz, die wegen der Beiträge zur französischen Sozialversicherung als Verbindungsstelle zuständig ist (Art. 3 Abs. 1 der Durchführungsverordnung zur EWG-Verordnung Nr. 4, III b; Bck. des BMA vom 23. Februar 1956 - IV b 6, BArbBl. 1956, 139), vom Zeitpunkt der Antragstellung an jedenfalls dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen gehabt hätte, auch das vorgezogene Übergangsgeld nach § 1241 Abs. 1 Satz 2 RVO zu leisten hatte, und zwar für die Zeiten vor dem ersten Heilverfahren (1. bis 14. April 1957) und zwischen den beiden Heilverfahren (15. Mai 1957 bis 6. August 1958).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen