Entscheidungsstichwort (Thema)
Kriegsopferversorgung. Berufsschadensausgleich. Anspruchsberechtigung
Orientierungssatz
Die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs nach § 30 Abs 3 und 4 BVG ist nicht davon abhängig, daß die Voraussetzungen des § 30 Abs 2 BVG (Höherbewertung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit) erfüllt sind (vgl BSG 1969-03-21 9 RV 730/67 = SozR BVG § 30 Nr 36).
Normenkette
BVG § 30 Abs. 3-4
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 27.10.1967) |
SG Köln (Entscheidung vom 26.05.1967) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 1967 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
Der Kläger bezieht Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v.H. wegen des im Jahre 1917 erlittenen Verlustes des linken Oberschenkels und Nervenknotenbildung. Anläßlich eines Verfahrens auf Neufeststellung der Rente war im Jahre 1952 streitig geworden, ob der Kläger durch die Art seiner Schädigungsfolgen in seinem Beruf besonders betroffen war. Dies hatten die Verwaltung und das damalige Oberversicherungsamt (OVA) (durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 12. März 1953) verneint. Hieran hat die Verwaltung im Jahre 1964 gegenüber einem Antrag auf Erhöhung der Rente festgehalten.
Im Januar 1965 beantragte der Kläger die Gewährung von Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 und 4 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und im April 1966 außerdem die Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG durch Erteilung eines Zugunstenbescheides gemäß § 40 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG). Er habe sich während des ersten Weltkrieges zur Zeugoffizierslaufbahn gemeldet und hätte ohne die Verwundung die Stellung eines Oberstleutnants erreichen können. Durch die Bescheide vom 12. und 13. Mai 1966 lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) die beiden Anträge ab, weil hinsichtlich der Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG keine neuen Tatsachen oder Beweise beigebracht worden seien und deshalb an der bindenden Wirkung der früheren Bescheide festgehalten werde; ein durch Schädigungsfolgen verursachter Einkommensverlust liege nicht vor, wie bereits früher in den Entscheidungen über die Ablehnung des besonderen beruflichen Betroffenseins dargelegt worden sei. Die Widersprüche, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg.
Im Urteil vom 27. Oktober 1967 hat das Landessozialgericht (LSG) ausgeführt, der Kläger sei während des ersten Weltkrieges nach vier Dienstjahren, davon drei Kriegsjahren, in der Zeugoffizierslaufbahn nur vom Unteroffizier zum Zeugfeldwebel befördert worden und hätte es auch ohne die Schädigung in dieser Laufbahn nicht bis zum Oberstleutnant gebracht, vielmehr sei er aufgrund der zu unterstellenden mangelnden Eignung nicht in die Reichswehr übernommen worden. Der Beklagte habe also sein Ermessen nicht fehlerhaft gehandhabt, wenn er hinsichtlich des besonderen beruflichen Betroffenseins im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG an den früheren bindenden bzw. rechtskräftigen Entscheidungen festgehalten habe. Ein besonderes berufliches Betroffensein im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG sei gesetzliche Voraussetzung für die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs im Sinne des § 30 Abs. 3 BVG. Da diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, sei auch der Anspruch auf Berufsschadensausgleich im Ergebnis zu Recht abgelehnt worden. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat Revision eingelegt und beantragt,
das angefochtene Urteil, das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26. Mai 1967 sowie die Bescheide des Beklagten vom 13. Mai und 24. Oktober 1966 aufzuheben und diesen zu verurteilen, dem Kläger vom 1. Januar 1964 an Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 14 des Bundesbesoldungsgesetzes, erhöht um den Ortszuschlag nach Stufe 2 und Ortsklasse A, zu gewähren,
hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Er rügt mit näherer Begründung eine Verletzung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG und ist der Ansicht, dieser Anspruch werde durch die rechtsverbindliche Ablehnung eines besonderen beruflichen Betroffenseins im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG nicht berührt. Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 1967 als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung zumindest im Ergebnis für zutreffend, weil die Schädigungsfolgen nicht für die geltend gemachte Einkommensminderung ursächlich seien.
Der Kläger hat die durch Zulassung statthafte Revision form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sein zulässiges Rechtsmittel muß Erfolg haben.
Im Verwaltungs-, Klage- und Rechtsmittelverfahren ist bisher auch die Rechtmäßigkeit des Bescheides streitig gewesen, durch welchen an der bindenden Wirkung der früheren Bescheide über die Verneinung eines besonderen beruflichen Betroffenseins im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG festgehalten worden ist. Insoweit hat der Kläger keine Revision eingelegt. Vielmehr hat er in der Revisionsschrift ausdrücklich nur eine Verletzung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG gerügt und damit seinen Anspruch aus § 30 Abs. 2 BVG nicht weiter verfolgt. Er hat sein Rechtsmittel auf den zweiten geltend gemachten Anspruch beschränkt. Dies ist zulässig. Streitgegenstand ist in der Revisionsinstanz nur noch die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG. Infolgedessen braucht auf den früher ebenfalls streitigen Bescheid nach § 40 VerwVG hinsichtlich der Berücksichtigung des § 30 Abs. 2 BVG zu Gunsten des Klägers nicht eingegangen zu werden.
§ 30 Abs. 3 BVG in der hier maßgebenden Fassung des 2. Neuordnungsgesetzes (NOG) lautet wie folgt:
Wer als Schwerbeschädigter durch die Schädigungsfolgen beruflich insoweit besonders betroffen ist, als er einen Einkommensverlust von monatlich mindestens 75 Deutsche Mark hat, erhält nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von vier Zehntel des Verlustes, jedoch höchstens 400 Deutsche Mark monatlich.
Das LSG hat - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht geprüft und auch keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Kläger durch die bei ihm anerkannten Schädigungsfolgen beruflich besonders betroffen im Sinne des Abs. 3 aaO ist, sondern hat zu Unrecht die Worte "nach Anwendung des Abs. 2" als eine Voraussetzung für die Anwendung des Abs. 3 und 4 aaO angesehen. Diese Rechtsauffassung ist mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht vereinbar. Insoweit wird auf die zur Veröffentlichung bestimmte Entscheidung des 9. Senats vom 21. März 1969 (9 RV 730/67) verwiesen. Der dort vertretenen Ansicht hat sich der erkennende Senat in den Entscheidungen vom 27. März 1969 (8 RV 611/67, 629/67 und 827/68) angeschlossen. Er folgt auch in der vorliegenden Streitsache den Ausführungen dieser Entscheidung und macht sie sich zu eigen. Unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und ihren sachlichen Gehalt genügt es für den vorliegenden Fall das Ergebnis zu wiederholen, zu welchem der Senat gelangt ist, daß nämlich die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs nach § 30 Abs.3 und 4 BVG nicht von einer Erhöhung der Rente des betreffenden Beschädigten gemäß § 30 Abs. 2 BVG abhängt.
Das LSG hat in der angefochtenen Entscheidung im Rahmen des Verfahrens nach § 40 VerwVG bei der Nachprüfung der Ermessensbildung und Ermessenshandhabung der Verwaltung tatsächliche Feststellungen zur Frage eines beruflichen Betroffenseins im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG getroffen. Dieser Anspruch ist nicht mehr streitig. Die ihn betreffenden Ausführungen über eine mangelnde Eignung des Klägers in der Zeugoffizierslaufbahn beziehen sich weder ausdrücklich noch erkennbar als Hilfserwägungen auf den allein noch streitigen Anspruch auf Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG. Vielmehr hat das Berufungsgericht insoweit keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, sondern den Anspruch ausschließlich mit der vom Senat nicht gebilligten Rechtsauffassung über das Verhältnis des Abs. 2 und Abs. 3 in § 30 BVG für unbegründet erklärt. Infolgedessen kann dem Beklagten nicht gefolgt werden, wenn er in in diesem Teil der angefochtenen Entscheidung die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen für eine sachliche Entscheidung durch den Senat erblicken will.
Vielmehr war gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG - wie geschehen - zu erkennen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits bleibt dem das Verfahren abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen