Leitsatz (amtlich)

1. Aus dem Zweck der Erwerbsunfähigkeitsrente nach der RVO, der Ausgleichsrente nach dem BVG und der Unterhaltshilfe nach dem LAG sowie aus der sich aus den Anrechnungsbestimmungen ergebenden Reihenfolge dieser Leistungen folgt, daß die Erwerbsunfähigkeitsrente trotz der im Versorgungsrecht und im Lastenausgleichsrecht vorgesehenen Anrechnung nur einmal angerechnet werden darf (Anschluß an BSG 1966-03-23 1 RA 191/63 = BSGE 24, 293).

2. Die Anrechnung hat auf die mit der stärkeren Subsidiarität ausgestattete Leistung der Unterhaltshilfe zu erfolgen.

 

Normenkette

BVG § 33 Abs 1 Fassung: 1966-12-28, § 33 DV § 1 Abs 3 Nr 3 Fassung: 1961-01-11, § 33 DV § 2 Abs 1 Nr 4 Fassung: 1961-01-11; LAG § 267 Abs 2 Nr 2 Buchst a, § 270 Abs 1; RVO § 1247 Abs 1 Fassung: 1957-02-23

 

Tatbestand

I

Der 1913 geborene Kläger ist als deutscher Staatsangehöriger im November 1954 nach Brasilien ausgewandert. Vom Versorgungsamt (VersorgA) B. erhielt er vom 1. Januar 1955 an Auslandsversorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um zunächst 50vH und später um 60vH. Neben der Grundrente bezog er ab 1. Oktober 1960 Ausgleichsrente. Der Kläger bezieht außerdem Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden und Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG) vom Ausgleichsamt M..

Aufgrund einer Aufstellung des Konsulats der Bundesrepublik Deutschland in C./Brasilien vom 12. Oktober 1964 über das Vermögen und die Einnahmen des Klägers aus seiner Milchwirtschaft von März 1961 bis Juni 1964 erließ das VersorgA B. den Neufeststellungsbescheid vom 9. März 1965. Es erachtete ab 1. März 1961 die Zahlung einer Ausgleichsrente wegen des Einkommens aus Landwirtschaft und der übrigen Einkünfte für ausgeschlossen und fordert deshalb eine in der Zeit vom 1. Oktober 1960 bis zum 30. April 1965 eingetretene Überzahlung in Höhe von 1.556,-- DM zurück. Den Widerspruch wies das Landes-VersorgA Bremen durch Bescheid vom 24. Februar 1969 mit der Begründung zurück, die während des Widerspruchsverfahrens eingegangene Verhandlungsniederschrift des Konsulats in C. vom 10. November 1967 habe dessen Feststellungen vom 12. Oktober 1964 nicht entkräftet.

Während des sozialgerichtlichen Verfahrens erhielten das VersorgA und das Sozialgericht (SG) Bremen das Gutachten des in Brasilien lebenden Gesundheitsingenieurs und Sachverständigen für biologische Landwirtschaft J. H. S. vom 10. November 1970 über die wirtschaftliche Situation des Klägers. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 25. Mai 1972 abgewiesen, weil der Kläger jedenfalls wegen des anzurechnenden Einkommens keinen Anspruch auf Ausgleichsrente habe. Am gleichen Tage hat das SG auch die auf Gewährung von Berufsschadensausgleich gerichtete Klage (Bescheid vom 1. Dezember 1967, Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1969) abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) Bremen hat die Berufungen des Klägers gegen beide Urteile zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit Urteil vom 13. Dezember 1973 hat es zur Ausgleichsrente das Urteil des SG sowie die zugrundeliegenden Verwaltungsbescheide aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger ab 1. März 1961 die volle Ausgleichsrente zu gewähren; im übrigen hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die Nichtberücksichtigung des vom Kläger vorgelegten Gutachtens vom 10. November 1970 über seine wirtschaftliche Situation stelle einen wesentlichen Mangel im sozialgerichtlichen Verfahren dar, der in jedem Fall zur Zulässigkeit der Berufung führe. Diese sei wegen der Ausgleichsrente auch begründet. Das Einkommen des Klägers aus Landwirtschaft und aus dem Mietwert der eigenen Wohnung sei dem von der Landwirtschaftskammer Westfalen/Lippe und dem Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen überprüften und bestätigten Gutachten vom 10. November 1970, nicht aber der Aufstellung des Konsulats in C. zu entnehmen. Die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers dürfe nicht auf seine Ausgleichsrente angerechnet werden, weil das Ausgleichsamt M. diese Rente bereits auf die Unterhaltshilfe des Klägers nach dem LAG angerechnet habe. Eine Doppelanrechnung entspreche nämlich, wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits ausgesprochen habe (vgl BSG 24, 293) nicht dem Sinn des Gesetzes. Der Kläger habe mithin seit dem 1. März 1961 niemals ein Einkommen gehabt, welches nach den maßgebenden Anrechnungsvorschriften die Zahlung der vollen Ausgleichsrente ausgeschlossen habe. Daraus folge, daß im angefochtenen Bescheid die Ausgleichsrente zu Unrecht zurückgefordert worden sei. Die Berufung sei dagegen unbegründet, soweit der Kläger Berufsschadensausgleich für die Zeit ab 1. Januar 1964 begehre, weil der Nachweis eines schädigungsbedingten Minderverdienstes fehle.

Das LSG hat die Revision zugelassen, soweit der Berufung stattgegeben worden ist.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 1. Februar 1974 zugestellte Urteil am 27. Februar 1974 die Revision eingelegt und sie innerhalb der bis zum 2. Mai 1974 verlängerten Revisionsbegründungsfrist auch begründet. Sie rügt zunächst als Verfahrensverstoß, das LSG sei dem dringenden Verdacht, daß der nur eine landwirtschaftliche Nebenerwerbsstelle betreibende Kläger sich noch einen handwerklichen Erwerb in der Stadt verschaffe, unter Verletzung von § 103 SGG nicht nachgegangen. Materiellrechtlich hält die Beklagte § 33 BVG sowie § 1 Abs 1 und Abs 3 Satz 2 Nr 3 der Verordnung zur Durchführung des § 33 BVG (DVO 33) für verletzt. Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung seien nach § 1 Abs 3 Satz 2 Ziff 3 der DVO 33 auf die Ausgleichsrente anzurechnen. Die Bestimmung dürfe das VersorgA nicht deshalb unbeachtet lassen, weil das Ausgleichsamt die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers bei Festsetzung seiner Kriegsschadenrente (Unterhaltshilfe) bereits als Einkommen berücksichtigt habe. Die DVO 33 enthalte in ihrem § 2 einen umfangreichen und mehrmals ergänzten Katalog unberücksichtigt zu lassender Einkünfte; darin sei jedoch der Fall einer bereits auf die Kriegsschadenrente angerechneten Rente aus der Rentenversicherung nicht erwähnt. Eine Doppelanrechnung sei daher offenbar gewollt. Das folge auch aus der für Elternrenten geschaffenen Regelung des § 270 Abs 1 Satz 3 LAG. Für die Fälle, in denen der Leistungsempfänger infolge der Doppelanrechnung insgesamt ein geringeres Einkommen habe als ohne die doppelt angerechnete Sozialleistung, habe der Gesetzgeber durch Sondervorschriften (wie zB § 44 Abs 5 BVG) die Doppelanrechnung ausgeschlossen bzw Leistungen im Wege des Härteausgleichs vorgesehen. Bei Anrechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente auf die Bezüge nach dem LAG verbleibe dem Leistungsempfänger jedoch trotz der Doppelanrechnung noch eine gewisse Steigerung des Gesamteinkommens; für die wenigen Fälle der Minderung des Gesamteinkommens treffe § 270 Abs 1 Satz 3 LAG Vorsorge. Selbst bei Ausschluß der Doppelanrechnung folge aber aus § 267 LAG einerseits und aus § 2 Abs 1 Ziff 4 DVO 33 andererseits, daß die Kriegsschadenrente gegenüber den Bezügen nach dem BVG subsidiär sei, daß also zuerst die Bezüge nach dem BVG - unter Berücksichtigung der Erwerbsunfähigkeitsrente - und erst dann die Kriegsschadenrente festzustellen seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 13. Dezember 1973 insoweit aufzuheben, als die Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger ab 1. März 1961 die volle Ausgleichsrente nach dem BVG zu gewähren, und auch insoweit die Berufung des Klägers zurückzuweisen,

hilfsweise,

das oa Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 13. Dezember 1973 zurückzuweisen.

Es hält den gerügten Verfahrensmangel nicht für gegeben und das angefochtene Urteil für sachlich richtig.

 

Entscheidungsgründe

II

Die form- und frist*-gerecht eingelegte und begründete Revision ist zulässig (§§ 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - in der bis zum 31. Dezember 1974 geltenden Fassung. Die Einschränkung der Zulassung der Revision "soweit der Berufung stattgegeben worden ist" ist hier unschädlich. Denn der Kläger hatte mit der Berufung drei selbständige Ansprüche - Gewährung der vollen Ausgleichsrente, Aufhebung des Rückforderungsbescheides, Berufsschadensausgleich - verfolgt. Da das Berufungsurteil nur den ersten beiden Ansprüchen stattgegeben hat, bedeutet der die Revisionszulassung einschränkende Satz, daß die Revision nur wegen dieser beiden selbständigen Ansprüche zugelassen wurde. Das ist mit § 162 Abs 1 Nr 1 SGG vereinbar (vgl ua Urteil des erkennenden Senats vom 27. März 1974 - 10 RV 405/73 -). Die Beklagte hat für die Durchführung des Revisionsverfahrens auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Zwar folgt aus der in § 267 Abs 2 LAG vorgesehenen Anrechnung der Bezüge nach dem BVG auf die Unterhaltshilfe nach dem LAG, daß die Belastung der öffentlichen Hand durch diesen Prozeß nicht gemindert wird. Die Träger der Versorgungslast der Kriegsopferversorgung und des Lastenausgleichs sind aber nicht identisch. Denn nach § 1 Abs 1 Nr 8 des Ersten Überleitungsgesetzes vom 28. November 1950 (BGBl I 773) idF vom 28. April 1955 (BGBl I 193) trägt der Bund die Kosten der Kriegsopferversorgung in vollem Umfang, während durch § 6 LAG die Länder in gewisser Weise an der Tragung der für die Durchführung des Lastenausgleichs erforderlichen Kosten beteiligt werden. Daher entspricht der hier zu entscheidende Sachverhalt nicht demjenigen, der den 2. Senat des BSG veranlaßt hatte, in seinem Urteil vom 18. Dezember 1974 - 2/8/2 RU 121/72 - das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen. Auch die Zulässigkeit von Klage und Berufung sind gegeben. Dem Kläger, der wegen der Anrechnungsbestimmung des § 267 Abs 2 Nr 2a LAG durch die Klage gegen die Neufeststellung seine finanzielle Situation insgesamt nicht verbessern kann, ist das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegen die Entziehung der Ausgleichsrente schon deshalb zuzubilligen, weil der Neufeststellungsbescheid in seinen durch bindenden Bescheid festgestellten Versorgungsanspruch eingriff und er damit rechnen mußte, daß das Ausgleichsamt ihm sonst vorgehalten hätte, er habe ohne verständigen Grund die Ausgleichsrente aufgegeben. Wegen des Streits um die Voraussetzung der Neufeststellung des Anspruchs auf Ausgleichsrente ist die Berufung auch nicht nach § 148 Nr 4 SGG ausgeschlossen gewesen (vgl BSG in SozR Nr 33 zu § 148 SGG).

Die Rüge einer Verletzung des § 103 SGG kann schon deshalb keinen Erfolg im Sinne des Hilfsantrags der Revision haben, weil sie nicht hinreichend substantiiert ist (vgl § 164 Abs 2 Satz 2 SGG; BSG in SozR Nr 14 zu § 103 SGG). Die Revision stützt ihre Verfahrensrüge nämlich nur auf den "dringenden Verdacht" einer Erwerbstätigkeit des Klägers außerhalb seiner landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstelle; sie gibt jedoch nicht die Tatsachen und Beweismittel an, welche das LSG zu weiteren Ermittlungen in dieser Richtung hätten drängen müssen.

Sachlich ist auf die Revision der Beklagten nur darüber zu entscheiden, ob der Kläger entgegen der Auffassung des LSG ab 1. März 1961 nicht die volle Ausgleichsrente zu erhalten hat und ob der von der Beklagten erhobene Rückforderungsanspruch daher begründet ist. Letzteres ist nicht, ersteres nur für die Zeit bis zum 30. April 1962 der Fall.

Die Ausgleichsrente des Klägers war bereits durch bindend gewordenen Bescheid vom 1. Juni 1962 für die Zeit vom 1. Oktober 1960 bis 30. April 1962 endgültig festgestellt worden. Die bei Erlaß des Bescheides vom 1. Juni 1962 bestehenden Einkommensverhältnisse für die Zeit vom 1. März 1961 bis zum 30. April 1962 haben sich jedoch nach Erlaß des Bescheides objektiv nicht geändert. Die Beklagte erblickt die im Bescheid vom 9. März 1965 als Grund der Neufeststellung angeführte Änderung der Verhältnisse darin, daß laut Aufstellung des deutschen Konsulats in C. vom 12. Oktober 1964 die einkommensmäßigen Grundlagen, von denen sie bei Erlaß des Bescheides vom 1. Juni 1962 ausgegangen war, unrichtig waren. Eine von Anfang an bestehende tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit reicht aber für die Anwendung des § 62 Abs 1 BVG - und daher auch für § 62 Abs 3 BVG - nicht aus (vgl BSG 7, 8, 12); sie kann nur nach § 41 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) berichtigt werden, was die Beklagte hier nicht getan hat. Da der angefochtene Bescheid mithin den Bescheid vom 1. Juni 1962 nicht aufheben konnte, schließt es die in diesem Bescheid getroffene bindende Regelung aus, dem Kläger für die Zeit vom 1. März 1961 bis zum 30. April 1962 mit dem LSG die volle Ausgleichsrente zuzusprechen. Die Revision der Beklagten ist daher für diesen Zeitraum begründet, soweit sie den Anspruch auf volle Ausgleichsrente betrifft.

Soweit die Revision dagegen diesen Anspruch für die Zeit nach dem 30. April 1962 betrifft, ist sie unbegründet. Die Feststellung des LSG, daß als nach § 33 BVG anzurechnendes Einkommen nur die Einkünfte des Klägers aus seiner Landwirtschaft und der Mietwert des eigenen Hauses in Frage kommen, ist von der Revision aus den oben dargelegten Gründen ohne Erfolg angegriffen worden. Diese Feststellung ist für den Senat gemäß § 163 SGG bindend. Die unter den Beteiligten weiterhin streitige Frage, ob die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers nicht mehr auf seine Ausgleichsrente angerechnet werden darf, weil sie bereits in voller Höhe auf die Unterhaltshilfe nach §§ 265ff LAG angerechnet worden ist, hat das LSG zutreffend bejaht. Die Anrechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente auf die Unterhaltshilfe ist zwar in § 267 Abs 2 LAG ebenso festgelegt wie ihre Anrechnung auf die Ausgleichsrente in § 1 Abs 3 Nr 3 der DVO 33. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß im Falle des Zusammentreffens der Erwerbsunfähigkeitsrente mit Unterhaltshilfe nach dem LAG und Ausgleichsrente nach dem BVG die nur einmal vorhandene Versichertenrente zweimal zur Anrechnung kommen muß. Diese vom Gesetz nicht geregelte Frage muß vielmehr aus dem Zweck der zusammentreffenden Leistungen und aus dem Sinn der Anrechnungsvorschriften beantwortet werden. Danach kann eine Doppelanrechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers auf die Ausgleichsrente und die Unterhaltshilfe nicht gebilligt werden.

Unterhaltshilfe nach dem LAG und Ausgleichsrente nach dem BVG sollen den Lebensbedarf des Berechtigten sicherstellen. Das folgt für die Unterhaltshilfe aus § 265 Abs 1 LAG, weil sie nur im Falle der dort definierten Erwerbsunfähigkeit zusteht, und für die Ausgleichsrente aus § 32 Abs 1 BVG, weil sie nur den dort näher bezeichneten in ihrer Erwerbstätigkeit erheblich eingeschränkten Schwerbeschädigten zusteht. Aber auch die Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist zur Unterhaltssicherung bestimmt, denn auch sie hängt davon ab, daß der Versicherte eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann (vgl § 1247 Abs 2 RVO). Der Zweck der hier zusammentreffenden Leistungen ist demnach der gleiche.

Der Sinn der hier in Betracht kommenden Anrechnungsbestimmungen liegt darin, bei den nicht auf Eigenvorsorge durch Beiträge beruhenden Leistungen nach dem BVG und dem LAG zur Unterhaltssicherung aus Steuermitteln der Allgemeinheit nur insoweit beizutragen, als die zumutbare Eigenvorsorge des Berechtigten hierzu nicht ausreicht. Es wird eine Rangfolge der Leistungen zur Unterhaltssicherung zunächst danach festgelegt, daß die auf Eigenvorsorge beruhende Leistung sowohl der nach dem BVG zu erbringenden als auch der nach dem LAG vorgesehenen Leistung zur Unterhaltsicherung vorzugehen hat; dh der im BVG bzw im LAG abgesicherte Unterhalt wird nach diesen Gesetzen nur geleistet, soweit er nicht schon durch Leistungen gedeckt wird, die auf Eigenvorsorge beruhen. Aus dem Prinzip der vorrangigen Unterhaltsdeckung durch Eigenvorsorge folgt zunächst, daß die Erträge der Eigenvorsorge nur angerechnet werden dürfen, soweit sie tatsächlich vorhanden sind, daß im Rahmen der Unterhaltssicherung durch mehrere Leistungsträger also nur eine Anrechnung erfolgen darf. Denn bei mehrfacher Anrechnung einer bereits für die Unterhaltssicherung eingesetzten Eigenvorsorgeleistung würde der durch die subsidiären Leistungen abgesicherte Mindestbetrag des Gesamtunterhalts unterschritten und damit das Prinzip der subsidiären Mindestunterhaltssicherung entwertet werden. Aus den gleichen Erwägungen hat das BSG im Urteil vom 23. März 1966 - 1 RA 191/63 - (BSG 24, 293) die Doppelanrechnung des - vorrangigen - Unterhaltsanspruchs einer Frau aus ihrer aufgelösten zweiten Ehe sowohl auf die wiederaufgelebte sozialversicherungsrechtliche Witwenrente als auch auf das wiederaufgelebte beamtenrechtliche Witwengeld aus erster Ehe verneint, obwohl sowohl das Sozialversicherungsrecht als auch das Beamtenrecht die Anrechnung vorsahen.

Demgegenüber vermag der Hinweis der Revision nicht zu überzeugen, in § 270 Abs 1 Satz 3 LAG komme zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber eine Doppelanrechnung billige. § 270 Abs 1 Satz 3 LAG dient dazu, bei der Elternrente den hierfür im LAG angebrachten Freibetrag möglichst zu erhalten, verfolgt also ähnliche Zwecke wie etwa § 2 Abs 1 Nr 11 und Nr 20 der DVO zu § 33 BVG. Für die Ausgleichsrente ist dagegen vom LAG ein Freibetrag nicht vorgesehen (vgl § 267 Abs 2 Nr 2a LAG). Deshalb kann aus der Spezialregelung für die Elternrente nichts für die Ausgleichsrente hergeleitet werden.

Unzutreffend ist auch die Auffassung der Revision, wenn schon die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers nur einmal auf die einkommensabhängigen Leistungen nach dem BVG und dem LAG angerechnet werden dürfe, dann müsse sie wegen der Subsidiarität der Unterhaltshilfe gegenüber der Ausgleichsrente auf letztere angerechnet werden. Das Gegenteil ist richtig.

Wie ein Vergleich von § 267 Abs 1 und Abs 2 Nr 2a LAG mit § 2 Abs 1 Nr 3 der DVO 33 zeigt, ist zwar die Ausgleichsrente auf die Unterhaltshilfe anrechenbar, nicht aber umgekehrt die Unterhaltshilfe auf die Ausgleichsrente. Die subsidiäre Leistung ist nach diesem Vergleich mithin die Unterhaltshilfe, während die Ausgleichsrente vorrangig zur Unterhaltsdeckung bestimmt ist. Soll aber in dem hier durch die Anrechnungsvorschriften geschaffenen System nach der als Eigenvorsorgeleistung an erster Stelle zur Unterhaltssicherung bestimmten Erwerbsunfähigkeitsrente an zweiter Stelle - unter Anrechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente - die Ausgleichsrente sowie an dritter Stelle - unter Anrechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente und der Ausgleichsrente - die Unterhaltshilfe herangezogen werden und gestattet dieses System aus den oben dargelegten Gründen die Anrechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente nur einmal, so kann die Anrechnung nur bei der Unterhaltshilfe erfolgen. Denn sie ist in der hier gegebenen Rangfolge der zum rechtlich mehrfach abgesicherten Mindestunterhalt heranzuziehenden Leistungen die gesetzlich mit der stärksten Subsidiarität versehene Leistung. Beide ihr vorgehenden Leistungen müssen hier in erster Linie angerechnet werden. Nur so ist nämlich das vom Gesetzgeber mit den Anrechnungsbestimmungen und den sich daraus ergebenden Subsidiaritäten und Prioritäten verfolgte Ziel zu verwirklichen, den Träger der mit der stärksten Subsidiarität ausgestatteten Leistung möglichst zu entlasten. Nur soweit die gezahlte Erwerbsunfähigkeitsrente durch ihre Anrechnung auf die Unterhaltshilfe nicht verbraucht ist, kann es daher zur Anrechnung des Restes auf die Ausgleichsrente kommen. Das kommt aber nach den von der Revision nicht angegriffenen und somit für das BSG gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen nur für die Monate März bis Mai 1961 in Höhe von je 27,-- DM in Betracht und erlangt für die Entscheidung des Senats deshalb keine Bedeutung, weil es für diese Zeit bei der im bindenden Bescheid vom 1. Juni 1962 getroffenen Regelung zu verbleiben hat, wie oben dargelegt worden ist.

Nach alledem hat das LSG für die Zeit vom 1. März 1961 bis zum 30. April 1962 zu Unrecht auf Zahlung der vollen Ausgleichsrente erkannt; insoweit muß auf die Revision des Beklagten das angefochtene Urteil aufgehoben und die Berufung des Klägers zurückgewiesen werden. Wegen der folgenden Zeit ist die Revision dagegen als unbegründet zurückzuweisen. Das gilt auch für den Rückforderungsanspruch der Beklagten. Denn der Kläger hat in der Zeit vom 1. März 1961 bis zum 30. April 1962 seine Versorgungsbezüge aufgrund des bindenden Bescheides vom 1. Juni 1962 und damit nicht zu Unrecht empfangen (vgl BSG 7, 226, 230 sowie SozR Nr 9 zu § 47 VerwVG); für die Zeit ab 1. Mai 1962 aber steht ihm die Ausgleichsrente ohne Anrechnung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente zu.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649560

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