Orientierungssatz
Verminderte bergmännische Berufsfähigkeit, Hauptberuf, Lehrhauer, Maschinenwärter.
Normenkette
RKG § 45 Abs. 2
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 30.04.1974; Aktenzeichen L 15 Kn 83/73) |
SG Dortmund (Entscheidung vom 24.08.1973; Aktenzeichen S 22 Kn 66/73) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. April 1974 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) zusteht.
Der Kläger hat in der Zeit vom 18. Januar 1949 bis zum 24. Januar 1955 - zuletzt als Hauer - im französischen Bergbau eine Versicherungszeit von 3 Jahren, 5 Monaten und 9 Tagen zurückgelegt. Er wurde im bundesdeutschen Bergbau als Lehrhauer geführt, erhielt aber das volle Kameradschaftsgedinge ohne den für Lehrhauer vorgesehenen Lohnabzug. Diese Tätigkeit übte er bis zum 7. März 1970 aus. Am 25. Juni 1971 erhielt er den Hauerbrief und verfuhr am 16. August 1971 eine Schicht als Hauer. Die Beklagte gewährte ihm mit Bescheid vom 7. Februar 1972 die Knappschaftsrente auf Zeit wegen der Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 24. Juni 1971 bis zum 31. Juli 1971. Seit dem 16. September 1971 ist der Kläger als Pförtner tätig. Den Rentenantrag des Klägers vom 17. Februar 1972 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. September 1972 ab, weil der Kläger weder vermindert bergmännisch berufsfähig noch berufsunfähig sei. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 24. August 1973 den Bescheid der Beklagten vom 28. September 1972 und die Entscheidung des Widerspruchsausschusses vom 21. Februar 1973 geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Bergmannsrente für die Zeit vom 1. März 1972 an zu zahlen. Das Landessozialgericht (LSG) hat am 30. April 1974 das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Kläger sei nicht vermindert bergmännisch berufsfähig. Entgegen der Ansicht des SG sei nicht von der Hauertätigkeit, sondern von der Tätigkeit eines Lehrhauers auszugehen. Die vergönnungsweise Entlohnung wie ein Hauer habe den Kläger nicht zum Hauer gemacht. Trotz der früheren Tätigkeit als Hauer im französischen Bergbau habe der Kläger die Qualifikation als Hauer im deutschen Bergbau erst durch den Erwerb des Hauerbriefes am 25. Juni 1971 erhalten. Zu dieser Zeit und insbesondere bei Verfahren der ersten und einzigen Schicht als Hauer, die der Kläger im übrigen lediglich zur Erlangung des Anspruchs auf den Jahresurlaub auf Kosten der Gesundheit verfahren habe, sei der Kläger wegen der bei ihm bestehenden Hauterkrankung zur Verrichtung der Hauertätigkeit bereits unfähig gewesen. Auszugehen sei daher von der bis zum 17. März 1970 ausgeübten Lehrhauertätigkeit, die für die Prüfung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit in die Lohngruppe 09 der seit dem 1. Juni 1971 geltenden Lohnordnung einzuordnen sei. Der Kläger könne auf die Tätigkeit eines Maschinenwärters über Tage nach der Lohngruppe 06 (Bedienen einer Generatorenanlage) verwiesen werden, die der Lehrhauertätigkeit sowohl wirtschaftlich als auch qualitativ im wesentlichen gleichwertig sei.
Der Kläger hat dieses Urteil mit der - vom LSG zugelassenen - Revision angefochten. Er ist der Ansicht, bei der Prüfung der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit sei von der Tätigkeit eines Hauers auszugehen. Selbst wenn man die im französischen Bergbau erworbene Qualifikation als Hauer außer acht lasse, müsse man nach dem Werdegang im deutschen Bergbau zu der Überzeugung gelangen, daß ihm der Status eines Hauers zustehe, denn er habe mehrere Jahre als vollwertiger Hauer in der Aus- und Vorrichtung gearbeitet und für seine Tätigkeit den vollen Hauerlohn erhalten. Zwar sei auch der Hauertätigkeit nach der Lohngruppe 10 die Tätigkeit eines Maschinenwärters über Tage nach der Lohngruppe 06 im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig, jedoch handele es sich nicht um eine Tätigkeit von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 24. August 1973 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und ist der Ansicht, die Revision des Klägers sei unbegründet.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das LSG hat mit Recht das der Klage stattgebende Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Bergmannsrente, denn er ist nicht vermindert bergmännisch berufsfähig.
Nach § 45 Abs. 2 RKG ist vermindert bergmännisch berufsfähig ein Versicherter, der weder seine bisher verrichtete knappschaftliche Arbeit noch andere im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertige Arbeiten von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in knappschaftlichen Betrieben verrichten kann. In Übereinstimmung mit dem LSG und der Beklagten ist davon auszugehen, daß "bisher verrichtete knappschaftliche Arbeit" (Hauptberuf) des Klägers nicht die Tätigkeit eines Hauers, sondern die eines Lehrhauers ist. Wenn der Kläger auch im französischen Bergbau als Hauer gearbeitet haben mag, so hat das doch nicht dazu geführt, daß dies der für § 45 Abs. 2 RKG maßgebende Hauptberuf geworden ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die in Art. 38 der EWG-VO Nr. 1408/71 angeordnete Zusammenrechnung der in den EWG-Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten zu einer Berücksichtigung des in Frankreich ausgeübten Berufes für die Frage des Hauptberufes führen kann. Jedenfalls hatte der Kläger bei Aufgabe der französischen Hauertätigkeit noch nicht die Wartezeit für die Bergmannsrente nach dem § 45 Abs. 1 Nr. 1, § 49 Abs. 1 RKG erfüllt. Das ist aber Voraussetzung für die Berücksichtigung eines versicherungsrechtlich geschützten Berufes (vgl. SozR Nr. 17 zu § 45 RKG). Im übrigen hat der Kläger nach Aufgabe der französischen Hauertätigkeit im deutschen Bergbau die Tätigkeit eines Lehrhauers aufgenommen und ausgeübt, ohne gesundheitlich beeinträchtigt zu sein.
Mit Recht hat das LSG dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, daß der Kläger während seiner Tätigkeit als Lehrhauer im deutschen Bergbau das volle Kameradschaftsgedinge ohne den für Lehrhauer vorgesehenen Lohnabzug erhalten hat. Bei dieser - von der Lohnordnung abweichenden - Entlohnung hat es sich nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG um eine vergönnungsweise Bezahlung gehandelt, die an dem beruflichen Status des Klägers nichts änderte. Der Kläger mag zwar als Lehrhauer Tätigkeiten verrichtet haben, wie sie auch von Hauern ausgeübt werden. Bei den im Gedinge vorkommenden Arbeiten läßt sich oft nicht unterscheiden, welche Tätigkeiten von Hauern und welche von Lehrhauern auszuüben sind. Der wesentliche Unterschied liegt nicht so sehr in der Art der verrichteten Tätigkeit als vielmehr darin, daß der Lehrhauer noch nicht die Qualifikation eines Hauers hat und nicht alle Arbeiten im Gedinge verrichten und insbesondere nicht selbständig arbeiten kann. Die Qualifikation eines Hauers hat der Kläger erst mit der Erlangung des Hauerbriefes am 25. Juni 1971 nachgewiesen. Dadurch ist aber die Hauertätigkeit noch nicht zu seinem Hauptberuf geworden, denn trotz vorhandener Qualifikation kann eine Tätigkeit nur dann Hauptberuf sein, wenn sie auch tatsächlich ausgeübt worden ist (vgl. SozR Nr. 20 zu § 45 RKG). Nun hat der Kläger zwar am 16. August 1971 nach Erwerb des Hauerbriefes eine Schicht als Hauer verfahren. Zu dieser Zeit war der Kläger jedoch nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG bereits zur Verrichtung der Hauertätigkeit unfähig. Der erkennende Senat hat bereits entschieden, daß eine Tätigkeit, die der Versicherte von ihrem Beginn an nur auf Kosten seiner Gesundheit verrichten konnte, nicht als seine bisherige Tätigkeit (Hauptberuf) anzusehen ist (BSG 22, 140 = SozR Nr. 24 zu § 35 RKG aF). Entscheidend aber ist im vorliegenden Fall, daß der Kläger die erste und einzige Schicht als Hauer nur deshalb verfahren hat, um einen Anspruch auf den Jahresurlaub zu erlangen. Diese Zwecksetzung in Verbindung mit der bereits bestehenden Unfähigkeit zur Verrichtung der Hauertätigkeit zeigt deutlich, daß der Kläger nicht den Willen hatte und haben konnte, die Hauertätigkeit als auf Dauer gerichtete Tätigkeit zu verrichten. Eine von vornherein schon als vorübergehend geplante Tätigkeit kann nicht Hauptberuf des Versicherten sein.
Geht man aber von der Tätigkeit eines Lehrhauers aus, die der Kläger zuletzt vor Inkrafttreten der Lohnordnung vom 1. Juni 1971 ausgeübt hat, so ist bei der Prüfung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit von der Lohngruppe 09 dieser neuen Lohnordnung auszugehen. (vgl. Urteil des erkennenden Senats in SozR 2600 Nr. 5 zu § 45). Der Senat hat auch bereits entschieden, daß es sich bei der Tätigkeit eines Maschinenwärters über Tage nach der Lohngruppe 06 um eine für einen früheren Lehrhauer im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertige Tätigkeit von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten handelt (vgl. Urteil vom 27. Juni 1974 - 5 RKn 40/72 -). Daran ist jedenfalls für den Fall festzuhalten, daß die Maschinenwärtertätigkeit nicht aus reinen Hilfsfunktionen wie Schmieren und Reinigen, sondern aus höherwertigen Funktionen wie das Bedienen der maschinellen Anlagen - hier der Generatorenanlage - besteht.
Der Senat hat die danach unbegründete Revision des Klägers zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen