Leitsatz (amtlich)
In das landwirtschaftliche Unternehmen, das eine der in § 2 Abs 2 S 2 KVLG bezeichneten Gruppierungen betreibt, können Flächen in jeder Form eingebracht werden, die der Gruppierung die Bewirtschaftung auf eigenes Risiko erlaubt.
Leitsatz (redaktionell)
Versicherungsrechtliche Beurteilung landwirtschaftlicher Mitunternehmer nach § 2 Abs 2 S 2 KVLG:
1. Die in § 2 Abs 2 S 2 KVLG als Voraussetzung für die Versicherungspflicht der dort genannten Personengruppen (hier: Gesellschafter einer GmbH) geforderte "Einbringung von Flächen" in das landwirtschaftliche Unternehmen kann nicht nur durch Sacheinlagen bzw Sachbeiträge gesellschaftsrechtlicher Art, sondern auch durch Verpachtung der wirtschaftlichen Nutzungsfläche (hier: an die GmbH) erfolgen.
2. Wird ein landwirtschaftliches Unternehmen von mehreren Personen gemeinsam (Mitunternehmer), einer Personenhandelsgesellschaft oder einer juristischen Person betrieben, so gelten die Mitunternehmer, die Gesellschafter und die Mitglieder der juristischen Person als landwirtschaftliche Unternehmer, sofern sie hauptberuflich außerhalb eines rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Unternehmen tätig sind oder in das Unternehmen Flächen eingebracht haben, die im Zeitpunkt der Einbringung eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage bildeten und von ihnen bis zu diesem Zeitpunkt mindestens ein Jahr als landwirtschaftliches Unternehmen selbst bewirtschaftet worden sind (§ 2 Abs 2 S 2 KVLG).
Normenkette
KVLG § 2 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1976-05-13; GAL § 1 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1965-09-14
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger nach dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) auch für die Zeit vom 1. Januar 1979 an versichert ist.
Der Kläger ist Beamter auf Lebenszeit. 1974 erbte er die Kräuterfarm P mit einem ideellen halben Anteil an dem von der Farm bewirtschafteten landwirtschaftlichen Grundbesitz von insgesamt 4 ha. Vom 1. August 1978 an wurde er deshalb von der Beklagten nach § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG als versichert angesehen und als Mitglied geführt.
Durch Gesellschaftsvertrag vom 23. August 1978 errichteten der Kläger, seine Ehefrau und seine Schwiegermutter, Frau T, eine am 16. Oktober 1978 ins Handelsregister eingetragene GmbH, die fortan die Kräuterfarm betreiben sollte. Am Stammkapital von 50.000,-- DM ist der Kläger mit 47.500,-- DM beteiligt. Er erbrachte seine Stammeinlage durch Übertragung der Aktiva und Passiva der Kräuterfarm mit Ausnahme des Grundbesitzes. Durch Vertrag vom 5. Februar 1979 verpachtete der Kläger seinen ideellen Anteil an dem von der Kräuterfarm bewirtschafteten Grundbesitz mit Wirkung vom 1. Januar 1979 an die GmbH; in gleicher Weise verfuhr Frau T als Miteigentümerin hinsichtlich der anderen ideellen Hälfte. Der Kläger ist persönlich nicht in dem Unternehmen tätig.
Die Beklagte lehnte eine Löschung des Klägers im Mitgliederverzeichnis ab 1. Januar 1979 ab, weil er gem § 2 Abs 2 Satz 2 KVLG idF des Gesetzes vom 13. Mai 1976 (BGBl I 1187) weiterhin als landwirtschaftlicher Unternehmer gelte; er habe den von ihm selbst bewirtschafteten und eine Existenzgrundlage bildenden Grundbesitz in die GmbH eingebracht. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) ab, das Landessozialgericht (LSG) gab ihr statt. Nach Ansicht des LSG fehlt es an der Einbringung landwirtschaftlicher Nutzflächen in das Unternehmen, so daß es auf die Erfüllung der übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Satz 2 KVLG nicht ankomme. Diese Vorschrift solle die Mitgliedschaft nicht immer schon dann erhalten, wenn eine Gesellschaft landwirtschaftliche Nutzflächen eines Gesellschafters bewirtschafte. Unter Einbringung sei die Überführung von Gegenständen und Nutzungsrechten in das Gesellschaftsvermögen zu verstehen, durch die der einzelne Gesellschafter seine Einlage bzw seinen Beitrag erbringe; nur dann sei er von der Verfügung daran ausgeschlossen. Der Pachtvertrag als Austauschvertrag habe der GmbH nicht die alleinige Verfügung über das Grundstück verschafft; der Kläger könne den Pachtvertrag kündigen, ohne gegen seine Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag zu verstoßen. Es sei zudem ein Widerspruch, eine langfristige Verpachtung im Rahmen des Gesetzes über die Altershilfe für Landwirte (GAL) zugleich als eine Abgabe und als eine Einbringung des Unternehmens anzusehen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 2 Abs 2 Satz 2 KVLG. Für die Einbringung müsse die Überlassung der Nutzung oder des Gebrauchs bisher vom Gesellschafter bewirtschafteter Flächen genügen. Der Begriff dürfe nicht ausschließlich gesellschaftsrechtlich verstanden werden.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
Die Versicherungspflicht des Klägers für die Zeit ab dem 1. Januar 1979 hängt wesentlich davon ab, ob bei ihm der Tatbestand des § 2 Abs 2 Satz 2 KVLG erfüllt ist. Diese 1976 neu eingeführte Vorschrift greift ein, wenn ein landwirtschaftliches Unternehmen von mehreren Personen gemeinsam (Mitunternehmen), einer Personenhandelsgesellschaft oder einer juristischen Person betrieben wird; sie bestimmt, daß dann die Mitunternehmer, die Gesellschafter und die Mitglieder der juristischen Person unter zwei (nicht kumulativen) Voraussetzungen als landwirtschaftliche Unternehmer gelten: sie müssen hauptberuflich außerhalb eines rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Unternehmen tätig sein oder in das Unternehmen Flächen eingebracht haben, die im Zeitpunkt der Einbringung eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage bildeten und von ihnen bis zu diesen Zeitpunkt mindestens ein Jahr als landwirtschaftliches Unternehmen selbst bewirtschaftet worden sind. Der Senat muß hier davon ausgehen, daß die vom Kläger mitbegründete GmbH als juristische Person ab dem 1. Januar 1979 auf den früher vom Kläger bewirtschafteten Grundstücken ein landwirtschaftliches Unternehmen betreibt, ohne daß das LSG für dieses Unternehmen allerdings das Vorhandensein einer Existenzgrundlage iS des § 2 KVLG festgestellt hat. Das LSG hat sich darauf beschränkt, das Tatbestandsmerkmal der Einbringung von Flächen zu verneinen. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
Der Gesetzgeber erläutert in § 2 Abs 2 Satz 2 KVLG (und auch in der entsprechenden Vorschrift des § 1 Abs 3 Satz 2 GAL) nicht, was er unter dem Einbringen vOn Flächen versteht. In den Vorschriften über die in § 2 Abs 2 Satz 2 KVLG bezeichneten Gruppierungen gebraucht er - in § 733 Abs 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bei der Gesellschaft und in §§ 31 Abs 1 Satz 1, 183 Abs 1 Satz 2, 194 Abs 1 Satz 3 Aktiengesetz bei der Aktiengesellschaft - den Begriff der "Einbringung" vereinzelt im Zusammenhang mit Sacheinlagen; so verwenden ihn meist auch die Rechtsprechung und die Lehre zum Gesellschaftsrecht. Hinsichtlich der streitigen Flächen hat der Kläger eine derartige Sacheinlage an die GmbH schon mangels einer entsprechenden Feststellung im Gesellschaftsvertrag nicht erbracht (§ 5 Abs 4 GmbH-Gesetz; BGHZ 45, 338, 345).
Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß in § 2 Abs 2 Satz 2 KVLG das Einbringen von Flächen nicht auf Sacheinlagen und Sachbeiträgen von Gesellschaftern im gesellschaftsrechtlichen Sinne beschränkt werden darf. Gegen eine solche Einengung spricht schon, daß § 2 Abs 2 Satz 2 KVLG Zusammenschlüsse miterfaßt, bei denen eine Sacheinlage (Sachbeitrag) unzulässig ist. Eine juristische Person stellt auch die eingetragene Genossenschaft dar, an der sich die Genossen allein durch Einzahlung von Geschäftsanteilen beteiligen können (§§ 7 Nr 1, 50 Genossenschaftsgesetz)* Daß Genossenschaften, darunter landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (§ 1 Abs 1 Nr 4 Genossenschaftsgesetz), aber von vornherein von einer Anwendung ausgeschlossen sein sollten, kann nicht angenommen werden.
Hinzu kommt aber vor allem, daß § 2 Abs 2 Satz 2 KVLG überhaupt eine Einbringung der Flächen "in das Unternehmen" verlangt. Damit ist dasjenige landwirtschaftliche Unternehmen gemeint, das die Mitunternehmer, die Personenhandelsgesellschaft oder die juristische Person betreiben. Daß dieses Unternehmen nicht mit dem es betreibenden Rechtsgebilde (der es betreibenden Gruppierung) gleichgesetzt werden darf, hat der Senat schon in anderem Zusammenhang - bei der Frage der hauptberuflichen Tätigkeit "im Unternehmen" - entschieden (BSGE 49, 126, 129). Der Unternehmensbegriff des KVLG (und des GAL) ist aber im wesentlichen wirtschaftlich geprägt. Er umfaßt die auf eigenes Risiko (Gewinn und Verlust) - hier die auf das Risiko der in § 2 Abs 2 Satz 2 KVLG bezeichneten Gruppierungen - bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen ungeachtet dessen, ob es sich um Eigen- oder Pachtland handelt (vgl zB SozR 5850 § 41 Nrn 5 und 7, § 42 Nr 3). In dieses Unternehmen können Flächen in jeder Form eingebracht werden, die die Bewirtschaftung auf eigenes Risiko ermöglicht. Entscheidend dafür ist nicht die Form und der Rechtsgrund, sondern allein die wirtschaftliche Zuführung zur künftigen Bewirtschaftung durch die in § 2 Abs 2 Satz 2 KVLG bezeichneten Gruppierungen.
Deshalb kann ein Einbringen von Flächen in das Unternehmen auch durch einen Pachtvertrag oder sonstigen "Austauschvertrag" erfolgen. Dem steht nicht entgegen, daß dem Mitunternehmer, Gesellschafter oder Mitglied der juristischen Person dafür eine besondere Vergütung gewährt wird und daß er diese Zuführung befristen oder durch Kündigung beenden kann. § 2 Abs 2 Satz 2 KVLG verlangt weder für die dort genannten Zusammenschlüsse noch für die Einbringung von Flächen in das von ihnen betriebene landwirtschaftliche Unternehmen eine bestimmte Dauer. Die Vorschrift soll Mitunternehmern, Gesellschaftern und Mitgliedern einer juristischen Person sozialrechtlich die gleiche Rechtsstellung wie landwirtschaftlichen Einzelunternehmern verschaffen (vgl BT-Drucks 7/3918), wenn sie entweder wie solche tätig sind (hauptberufliche Tätigkeit im Unternehmen) oder ein früher von ihnen im Umfang einer Existenzgrundlage bewirtschaftetes Unternehmen nun mit anderen in einer Gruppierung bewirtschaften lassen, die sie weiterhin am Gewinn und Verlust der Bewirtschaftung teilnehmen läßt. Letzteres ist auch bei der Nutzungsüberlassung durch einen Pachtvertrag der Fall; die Pachtvergütung hindert nicht die gleichzeitige weitere Beteiligung am Risiko der Bewirtschaftung durch die nunmehr als Pächter fungierende Gruppierung. Bleibt in diesem Falle im Ergebnis die Unternehmereigenschaft iS des KVLG und des GAL erhalten, dann kann die Verpachtung entgegen der Meinung des LSG auch keine Abgabe des Unternehmens iS des GAL bedeuten.
Der Kläger hat allerdings durch den mit der GmbH geschlossenen Pachtvertrag dieser die früher von ihm bewirtschafteten Grundstücke nicht unmittelbar zur Nutzung überlassen. Der Übergang von der Bewirtschaftung des Klägers in die Bewirtschaftung der GmbH ist hier dadurch erreicht worden, daß der Kläger und seine Schwiegermutter jeweils den ideellen halben Eigentumsanteil an die GmbH verpachtet haben. Gleichwohl erfüllt auch ein derartiger Sachverhalt beim Kläger das Merkmal der Flächeneinbringung. Dafür genügt es, daß die Verpachtung der Eigentumsanteile zwangsläufig zur Nutzungsbefugnis der GmbH geführt und daß der Kläger durch die Verpachtung seines Anteils zu diesem Ergebnis wesentlich beigetragen hat; die Einbringung von Flächen durch den bisherigen Bewirtschafter wird nicht durch die notwendige Mitwirkung eines Dritten ausgeschlossen.
Sonach hat das LSG eine Einbringung zu Unrecht verneint. Da das LSG von weiteren Feststellungen ausdrücklich abgesehen hat und der Senat sie nicht zu treffen vermag, war die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Nachholung der noch fehlenden Feststellungen und zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Fundstellen