Leitsatz (amtlich)
Der Erwerb eines Schulheftes als Ersatz für ein vollgeschriebenes Heft steht als Erneuerung eines Arbeitsgeräts iS des RVO § 549 unter Unfallversicherungsschutz, wenn dieses Lernmittel alsbald im Unterricht benötigt wird und der Weg hauptsächlich diesem Zwecke dient.
Normenkette
RVO § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. c Fassung: 1971-03-18, § 549 Fassung: 1963-04-30, § 550 Abs. 1 Fassung: 1974-04-01
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. März 1975 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Unfall der Klägerin am 15. Dezember 1971, als sie sich auf dem Weg von der Schule in den Ort St. B befand, um sich Rechenhefte zu kaufen, ein Arbeitsunfall ist.
Die am 22. April 1956 geborene Klägerin wohnte bei ihren Eltern in T im Ortsteil H. Sie besuchte 1971 die Kaufmännische Berufs- und Berufsfachschule in St. B. Am 15. Dezember 1971 sah der Stundenplan in den ersten beiden Stunden Turnunterricht, anschließend Betriebswirtschaftslehre, Buchhaltung, kaufmännisches Rechnen und Mathematik vor. Da die Klägerin an diesem Tag ihre Menstruation hatte, wurde sie deswegen vom Turnunterricht befreit. Sie wollte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit Billigung der Turnlehrerin diese Pause nützen, um in der Stadt Rechenhefte zu kaufen, die sie für den Mathematikunterricht am Vormittag benötigte.
Als sie in Abkürzung des Weges über eine Wiese ging, stürzte sie und zog sich einen komplizierten Knöchelbruch zu. Nach dem Unfalluntersuchungsbericht vom 10. Mai 1972 gab die Klägerin ausweislich des Protokolls am 9. Mai 1972 an, sie sei auf dem Schulweg infolge Schneeglätte ausgerutscht, was die als Zeugin gehörte Mitschülerin Schmidt, die die Klägerin begleitet hatte, nach dem Protokoll vom gleichen Tag bestätigte. Auf Anfrage des Beklagten teilte die Kaufmännische Berufs- und Berufsfachschule dagegen durch Schreiben vom 10. Juni 1972 mit, der Weg der Klägerin in die Stadt sei ohne Auftrag des Lehrers oder der Schulleitung erfolgt, die Klägerin habe private Besorgungen erledigen wollen.
Daraufhin lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 24. November 1972 die Gewährung einer Entschädigung aus Anlaß des Unfalls ab, weil die Klägerin private Besorgungen während der Freistunden habe erledigen wollen, der Zusammenhang mit der Schule zur Zeit des Unfalls somit durch die Verfolgung eigenwirtschaftlicher Zwecke unterbrochen worden sei.
Das Sozialgericht (SG) Freiburg hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin aus Anlaß des Schulunfalls vom 15. Dezember 1971 die gesetzlichen Leistungen zu gewähren (Urteil vom 31. Juli 1973). Zur Begründung seiner Entscheidung stützte sich das Gericht auf die Aussage der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie habe Rechenhefte für die Mathematikstunde am Ende des Vormittags kaufen wollen.
Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 19. März 1975 die Auffassung vertreten, die von der Klägerin für den Mathematikunterricht benötigten Rechenhefte seien für den Schulbesuch typisches Arbeitsgerät, zumal die Schule, die die Klägerin besucht habe, den Schülern sogar die Beschaffung solchen Unterrichtsmaterials vorschreibe und die in diesen Heften festgehaltenen Notizen in der Regel bei der Nacharbeit zu Hause verwendet würden. Es habe sich auch nicht um die Erstbeschaffung von Schulheften gehandelt, die nicht versichert sei, sondern - da sich der Unfall nicht zu Beginn des Schuljahres ereignet habe - um die Erneuerung eines Arbeitsgeräts. Daneben bestehe ein rechtlich wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Kauf des Schreibmaterials und dem Schulbesuch, weil das zu besorgende Schreibmaterial der unmittelbaren Verwendung im Unterricht und nicht der Vorratshaltung, also keinen eigenwirtschaftlichen Zwecken, dienen sollte. Nach den glaubhaften Angaben der Klägerin vor dem SG, hinsichtlich deren Richtigkeit auch der Beklagte keinerlei Zweifel vorgebracht habe, benötigte die Klägerin die Schulhefte, die sie zu kaufen beabsichtigte, für den Mathematikunterricht am selben Vormittag. Die Schule habe Wert darauf gelegt, daß im Unterricht auch das entsprechende Schreibmaterial verwendet werde. Der Einwand des Beklagten, die Klägerin hätte ihre Notizen auf einem Notizblock festhalten oder sich von einer anderen Schulkameradin ein Schulheft leihen können, führe zu keiner anderen Beurteilung, da es nicht entscheidend auf die objektive Sicht ankomme, sondern darauf, ob die Klägerin von ihrem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, ihre Tätigkeit diene dem Schulbesuch. So gesehen erscheine das Kaufen von Schulheften durch die Klägerin den Interessen des Schulbesuchs dienend, zumal sie sonst entweder ihre auf einem Notizblock festgehaltenen Notizen später in das Schulheft hätte übertragen müssen - also eine doppelte Arbeit gehabt hätte - oder sich erst bei Mitschülerinnen hätte erkundigen müssen, ob jemand ein Schulheft übrig habe.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die zugelassene Revision eingelegt. Er begründet sie wie folgt: Eine geschützte versicherte Tätigkeit i. S. des § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. c der Reichsversicherungsordnung (RVO) könne das Besorgen von Schulheften schon deshalb nicht darstellen, weil sich am Ablauf des Unterrichts nichts geändert hätte, wenn die Klägerin ein Schulheft nicht dabei gehabt hätte. Der Einkauf von Schulheften und sonstigem Lernmaterial gehöre ebenso wie die Verrichtung von Hausaufgaben zum eigenwirtschaftlichen und somit unversicherten Bereich. Werde das Schulgrundstück während einer Freistunde aus eigenwirtschaftlichen Gründen verlassen, so bestehe kein Versicherungsschutz. Auch die Erlangung gewisser Vorteile durch den Kauf des Heftes mache die Besorgungshandlung nicht zu einer versicherten schulischen Tätigkeit, zumal die Beschaffung der Hefte hier weder von der Schule vorgeschrieben worden sei noch sich dafür eine zwingende Notwendigkeit ergeben habe. Bei den Schulheften habe es sich auch nicht um typisches Arbeitsgerät, wie etwa Werkzeug, gehandelt. Das Arbeitsgerät müsse den Keim eines gefahrbringenden Moments in sich tragen. Im übrigen seien die Hefte in der Hauptsache dafür da, um die Hausaufgaben, die im privaten häuslichen Bereich erledigt würden, aufzunehmen. Angesichts der eindeutigen Erklärung der Schule, daß sich die Schüler die Schulhefte privat besorgen müßten, bleibe kein Raum für die Unterstellung, die Klägerin habe mit dem Besorgen der Hefte eine schulische Tätigkeit ausgeübt. Schließlich sei auch der Begriff der "Erneuerung" vom LSG nicht richtig ausgelegt worden. Auch das "alte" Heft werde in der Regel weiterbenutzt, zumindest für die Dauer des laufenden Schuljahres, so daß an dessen Stelle nicht das neue oder erneuerte Heft trete. Mithin stelle das neugekaufte Heft keine Ersatzbeschaffung dar, sondern eine Ergänzung. Das weiterhin vorhandene Heft müsse deshalb als Erstbeschaffung angesehen werden. Dies um so mehr, als die "Abnutzung" und der "Verbrauch" keineswegs allein im schulischen, sondern überwiegend und hauptsächlich im privaten Bereich, z. B. bei der Erledigung der Hausaufgaben, eingetreten sei. Auch könne sich der Versicherungsschutz nur auf den unmittelbaren Beschaffungsvorgang selbst erstrecken, nicht auch auf etwa erforderliche Wege, hier auf die verkehrswidrige Benutzung einer Umgehungsstraße.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. März 1975 sowie das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31. Juli 1973 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt zusätzlich aus: Erforderlich sei, daß das Arbeitsgerät seiner Zweckbestimmung nach hauptsächlich für die Arbeit selbst gebraucht werde, was hier der Fall gewesen sei, da die Hefte gerade für den Schulunterricht benötigt worden seien. Im übrigen seien auch die im häuslichen Bereich angefertigten schriftlichen Hausaufgaben eindeutig auf die Tätigkeit in der Schule bezogen. Der Versicherungsschutz des § 549 RVO beziehe sich nicht nur auf die Fälle, bei denen der Versicherungsfall durch das Arbeitsgerät unmittelbar selbst entstanden sei. Der Versicherungsschutz des Schülers hänge schließlich nicht grundsätzlich davon ab, ob sich der Unfall auf dem Schulgelände oder außerhalb dieses ereignet habe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) einverstanden erklärt; der Beklagte hat jedoch im späteren Schriftsatz vom 9. September 1975 sein Einverständnis widerrufen; auf den sonstigen Inhalt dieses Schriftsatzes wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat hielt eine mündliche Verhandlung für angebracht. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete, durch Zulassung statthafte Revision des Beklagten ist zulässig (§§ 160 Abs. 1, 164, 166 SGG); sie ist jedoch nicht begründet.
Der Unfall der Klägerin vom 15. Dezember 1971 ist ein Arbeitsunfall. Denn die Klägerin stand im Unfallzeitpunkt nach §§ 549 i. V. m. 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. c RVO unter Versicherungsschutz.
Nach § 549 RVO gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall bei einer mit einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Verwahrung, Beförderung, Instandhaltung und Erneuerung des Arbeitsgeräts, auch wenn es vom Versicherten gestellt wird. Wenn die Instandhaltung oder Erneuerung die Zurücklegung eines Weges erfordert, so steht auch dieser grundsätzlich unter Unfallversicherungsschutz. Die Klägerin war als Schülerin einer Kaufmännischen Berufs- und Berufsfachschule nach § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. c RVO idF des Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler usw. vom 18. März 1971 (BGBl I 237) - in Kraft seit 1. April 1971 - bei dem Beklagten unfallversichert. Die Entscheidung über den von ihr geltend gemachten Entschädigungsanspruch hängt davon ab, ob der zum Unfall führende Weg der Klägerin ihrer versicherten Tätigkeit - dem Schulbesuch - zuzurechnen ist oder ob es sich um eine eigenwirtschaftlichen Interessen dienende Betätigung gehandelt hat.
Dabei ist nach den vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen davon auszugehen, daß die Klägerin auf dem Weg von der Schule in den Ort St. B, den sie mit Billigung der Lehrerin angetreten hatte, um Rechenhefte zu kaufen, verunglückt ist. Ob diese tatsächlichen Feststellungen durch die Bekundungen der Klägerin und ihrer Freundin Anita S im Verwaltungsverfahren bzw. durch ihre Erklärung während des Klageverfahrens vor dem SG hinreichend gesichert erscheinen, war vom Senat nicht zu prüfen. Denn die Revisionsbeklagte hat keinerlei Verfahrensrügen erhoben, so daß der erkennende Senat an den vom LSG festgestellten Sachverhalt gebunden ist (§ 163 SGG).
Die Auslegung des § 549 RVO i. V. m. § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. c RVO bei Unfällen auf Wegen zum Kauf von Schulheften, Schulbüchern usw. für den Schulunterricht ist umstritten. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bislang zu dieser Frage noch nicht abschließend Stellung genommen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 14.11.1974 in SozR 2200 § 549 RVO Nr. 1 - Bademützenfall -). Lauterbach (Gesetzliche Unfallversicherung, Bd. I, 3. Aufl., Stand Mai 1975, Anm. 85 zu § 539 RVO), Podzun (Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl., Stand Juli 1975, Kennzahl 300, S. 26), Bereiter-Hahn/Schieke (Unfallversicherung, 4. Aufl., Stand Mai 1975, Anm. 26 zu § 539 RVO) vertreten die Auffassung, die Beschaffung der Lernmittel und sonstigen Unterrichtsmaterials sei dem unversicherten privaten Bereich des Schülers zuzurechnen. Als Begründung beziehen sich die Unfallversicherungsträger (vgl. WzS 1972, 206) auf die Ausführungen Vollmars (vgl. dazu Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten, Sonderdruck der Bundesarbeitsgemeinschaft der gemeindlichen Unfallversicherungsträger, 1971, 6) in der Schrift: "Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten", Heft 75 der Schriftenreihe der Zeitschrift WzS S. 26, der seinerseits auf ein Urteil des Bayerischen LSG vom 21. Januar 1966 (Breithaupt 1966, 474 = Lauterbach-Kartei-Nr. 6135 zu § 539 Abs. 1 RVO Nr. 14) Bezug nimmt. Demgegenüber bejahen Brackmann (Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II, 1. bis 8. Aufl., Stand Februar 1975, S. 474 r), Engelmann (DOK 1971, 220, 221) sowie der RVO-Gesamtkommentar (3. Buch, Stand November 1974, Anm. 2 zu § 549 RVO) den Versicherungsschutz auf einem Weg zur Erneuerung von Schulbüchern, Schreibmaterial usw. für den Schulunterricht. Bücher, Hefte und sonstige Gerätschaften, welche für den Unterricht benötigt würden, seien als Arbeitsgerät des Schülers im Sinne von § 549 RVO anzusehen. Soweit diese Gegenstände beschafft würden, um verbrauchte Gegenstände gleicher Art durch neue zu ersetzen (z. B. Beschaffung eines neuen Zirkels für einen beschädigten alten, Kauf neuer Hefte für vollgeschriebene alte), dürfte § 549 RVO im Sinne der Erneuerung von Arbeitsgeräten eingreifen (vgl. RVO-Gesamtkommentar aaO; vgl. dazu auch das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Unfallversicherung und Krankenversicherung - KV - vom 15.12.1971/1.2.1972 in WzS 1972, 178, 206, wo von seiten der KV die Auffassung vertreten wurde, "die Beschaffung des Lernmaterials stehe in ursächlichem Zusammenhang mit dem Besuch der Schule").
Nach Auffassung des erkennenden Senats wird die letztere Gesetzesauslegung - jedenfalls im Grundsätzlichen - dem Wortlaut und vor allem dem Sinn und Zweck der §§ 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. c i. V. m. § 549 RVO gerecht, der dahin geht, Schüler und Studenten ohne Einschränkung in den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz einzubeziehen, ihnen also generell Versicherungsschutz bei Tätigkeiten zu gewähren, die in wesentlichem inneren Zusammenhang mit dem Schulbesuch stehen (vgl. auch Brackmann aaO S. 474 r).
Wenn die Revision meint, aus der Amtlichen Begründung zu § 1 Nr. 1 a des Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten vom 18. März 1971 (BT-Drucks. VI/1333 S. 4) sei zu entnehmen, daß der Umfang des Versicherungsschutzes als begrenzt angesehen werden müsse, so ist dem nicht zu folgen. Denn aus den oben genannten Materialien ergibt sich nichts für eine restriktive Auslegung. Unter "zu § 1 Nr. 1 Buchst. a" wird lediglich auf den bereits von Praxis und Rechtsprechung für Berufs- und Fachschüler abgegrenzten Umfang des Versicherungsschutzes verwiesen (BT-Drucks. aaO), ohne daß jedoch eine einengende Auslegung der §§ 539 Nr. 14 i. V. m. 549 RVO erörtert wird. Dementsprechend vertritt der erkennende Senat den Standpunkt, daß kein Grund für eine besonders einengende Auslegung der §§ 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. c i. V. m. 549 RVO ersichtlich oder aus der Eigenart der Schülerunfallversicherung geboten ist. Vielmehr will § 549 RVO ganz allgemein seiner Zweckbestimmung nach gerade den Versicherungsschutz auf einen Bereich der sonst dem Versicherungsschutz entzogenen privaten Lebenssphäre des Versicherten erstrecken (BSG 24, 243, 247); das gleiche gilt grundsätzlich auch für die Schüler-Unfallversicherung, da § 549 RVO insoweit keinerlei Einschränkung enthält.
Der Begriff des Arbeitsgeräts ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Er ist daher für die Anwendung des § 549 RVO dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift zu entnehmen. Danach stellt nach der Rechtsprechung des BSG (BSG 24, 243, 246; SozR 2200 § 549 RVO Nr. 1; vgl. auch Brackmann aaO S. 482 f und e mit weiteren Nachweisen) ein Gegenstand nicht schon deshalb ein Arbeitsgerät im Rechtssinne dar, weil er zur Verrichtung einer betrieblichen Arbeit gebraucht werden kann. Vielmehr ist grundsätzlich erforderlich, daß der betreffende Gegenstand "seiner Zweckbestimmung nach hauptsächlich für die Tätigkeit im Unternehmen" (BSG 24, 243) (Schulbesuch) gebraucht wird (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 14.11.1974 in SozR aaO). Entgegen der Auffassung der Revision ist es für den Begriff des Arbeitsgeräts nicht erforderlich, daß dieses den Keim eines gefahrbringenden Moments in sich tragen muß. Diese Ansicht läßt sich auch weder aus dem Wortlaut des § 549 RVO noch aus dessen Sinn und Zweck entnehmen. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, daß der Gegenstand zur Verrichtung versicherter Tätigkeiten gebraucht wird (BSG 24, 243, 246). Das ist aber bei dem Kauf eines Rechenheftes für eine nach dem Stundenplan am selben Tage stattfindende Mathematikstunde der Fall. Ein hauptsächlich von dem Schüler zu diesem Zwecke angetretener Weg in die Stadt steht in rechtlich wesentlichem Zusammenhang mit dem Schulbesuch und ist deshalb als versichert anzusehen. Denn ein Rechenheft, das unmittelbar für den einige Stunden später stattfindenden Mathematikunterricht gekauft werden soll - also keine Vorratsbeschaffung darstellt - dient seiner Zweckbestimmung nach hauptsächlich dem Schulunterricht und wird vom Schüler entsprechend den schulischen Erfordernissen zur "Arbeit" verwendet. Der Schulunterricht baut darauf auf, daß der einzelne Schüler über bestimmte Unterrichtshilfen - z. B. Bücher, Hefte, Schreibmaterial - verfügt, was auch schon daraus ersichtlich ist, daß in einigen Bundesländern die Lernmittel aus Steuermitteln, somit kostenlos, den Schülern zur Verfügung gestellt werden (vgl. WzS 1972, 206), um für alle Schüler einen ordentlichen "Schulablauf" zu gewährleisten. Dem entspricht darüber hinaus auch die Auskunft der Kaufmännischen Berufs- und Berufsfachschule St. Blasien vom 15. September 1973, nach der vom Schüler die Beschaffung von Unterrichtsmaterialien grundsätzlich "verlangt" wird. Daraus ist ersichtlich, daß die Schule selbst den Gebrauch dieser Lernmittel als zur Verrichtung der schulischen Tätigkeit erforderlich ansieht. Ein Rechenheft ist in der Regel dazu da, die im Unterricht anfallenden Probleme und Aufgaben schriftlich zu fixieren und die Hausaufgaben aufzunehmen; es wird also seiner Zweckbestimmung nach hauptsächlich für die Tätigkeit in der Schule gebraucht. Dabei ist es ohne rechtliche Bedeutung, daß ein Teil der in den Heften niedergelegten Arbeiten aus Hausaufgaben besteht, die in der grundsätzlich den Versicherungsschutz entzogenen privaten Lebenssphäre des Schülers gefertigt werden. Denn, wie bereits oben dargelegt, ist es gerade der Zweck des § 549 RVO, den Versicherungsschutz auch auf diesen Bereich auszudehnen, wenn und soweit es sich um einen Unfall bei einer der in dieser Vorschrift aufgezählten Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erneuerung eines Arbeitsgeräts handelt.
Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von dem sogenannten "Badekappenfall" (vgl. SozR 2200 aaO), in dem das Anspruchserfordernis des § 549 RVO der hauptsächlichen schulischen Zweckbestimmung deshalb verneint worden war, weil eine Bademütze nicht nur während des schulischen Schwimmunterrichts, sondern allgemein beim Besuch von Schwimmbädern - auch von Schulkindern - getragen wird bzw. zu tragen ist. Von einem solchen erheblichen außerschulischen Gebrauch kann aber bei einem Rechenheft, das für den anschließenden Mathematikunterricht benötigt wird, nicht gesprochen werden.
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß die von den Unfallversicherungsträgern sowie Vollmar (aaO) als rechtliche Begründung ihrer abweichenden Ansicht in Betracht gezogene Entscheidung des Bayerischen LSG nicht einschlägig ist. Denn diese lange vor Inkrafttreten des Gesetzes über die Schüler-Unfallversicherung vom 18. März 1971 ergangene Entscheidung betrifft ausschließlich die Frage des Unfallversicherungsschutzes bei einem Sturz aus einem Hotelzimmerfenster anläßlich einer Schulreise einer Berufsschulklasse (vgl. Breithaupt 1966, 474), nicht aber den Fall der Lernmittelbeschaffung.
Bei dem Kauf des neuen Rechenheftes handelt es sich auch um eine mit der Tätigkeit der Klägerin in der Schule zusammenhängenden "Erneuerung" eines Arbeitsgeräts. Der ursächliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit - dem Schulbesuch - ist deshalb zu bejahen, weil die Klägerin das Rechenheft erwerben wollte, um es für den alsbald an den Kauf anschließenden Schulunterricht zu verwenden. Der von ihr beabsichtigte Kauf von Rechenheften stellt auch eine Erneuerung des Arbeitsgeräts in dem Sinne dar, daß das neue Heft an die Stelle - quasi als Fortsetzung - des alten Heftes treten sollte. Wenn die Revision demgegenüber meint, ein neu gekauftes Heft stelle keine Ersatzbeschaffung dar, sondern müsse als notwendige Ergänzung zu den weiterhin vorhandenen Heften und damit als Erstbeschaffung angesehen werden, so verkennt sie den Begriff der Erneuerung im Sinne des § 549 RVO. Eine Erneuerung eines Arbeitsgerätes liegt vor, wenn der Versicherte bereits ein gleichartiges Arbeitsgerät hatte, dieses durch die Arbeit im Unternehmen abgenutzt oder verbraucht war und er sich als Ersatz dafür ein neues Gerät gleicher Art für seine Arbeit in diesem Unternehmen beschafft (RVA in EuM 34, 357 zu § 545 b RVO aF; Brackmann aaO S. 482 f II). Zu Unrecht trägt der Beklagte im Schriftsatz vom 9. September 1975 vor, aus dem Sinn des § 545 b RVO aF ergebe sich, daß die Erneuerung des Arbeitsgeräts dem betrieblichen Unternehmen zugute komme und ihm dienen müsse, während es sich bei der Beschaffung von Lernmitteln nicht um eine "arbeitsrechtliche Verpflichtung" handele. Dabei wird nicht hinreichend beachtet, daß für einen Schulunfall denknotwendigerweise nicht die gleichen Maßstäbe wie für einen sonstigen Arbeitsunfall angelegt werden können. Für ersteren ist nicht auf eine arbeitsrechtliche Verpflichtung, sondern auf den inneren Zusammenhang mit dem Schulbesuch abzustellen. Daß aber ein vollgeschriebenes Rechenheft ein für schulische Zwecke "verbrauchtes" Heft darstellt, ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Zweck von Schulheften. Dieser geht in der Regel dahin, während des Unterrichts die erforderlichen Notizen aufzunehmen und die vom Lehrer aufgegebenen Hausaufgaben niederzuschreiben. Daß dieser Zweck von einem "vollgeschriebenen Heft" nicht erfüllt werden kann, bedarf keiner näheren Erörterung. Zwar ist der Revision zuzugestehen, daß ein vollgeschriebenes Schulheft als Dokumentation bereits erbrachter Leistungen von dem Schüler in der Regel aufbewahrt und durch Nachlesen auch manchmal noch "benutzt" werden wird. Dieses ändert jedoch nichts daran, daß das vollgeschriebene Heft durch die Arbeit in der Schule verbraucht ist und der Schüler, um den neuen täglichen Lehrstoff aufnehmen zu können, ein neues Heft benötigt, weshalb sich dessen Erwerb als ein i. S. des § 549 RVO für die Teilnahme am weiteren Unterricht erneuertes "Arbeitsgerät" darstellt.
Mit Rücksicht auf den hier vom LSG festgestellten Sachverhalt brauchte der Senat nicht auf die von der Revision angeschnittene Frage einzugehen, inwieweit Versicherungsschutz von Schülern außerhalb des Schulgeländes besteht, wenn die Voraussetzungen der §§ 549, 550 RVO nicht gegeben sind. Daß die Klägerin im Unfallzeitpunkt "verkehrswidrig" eine Umgehungsstraße benutzt habe, hat das LSG weder festgestellt noch sind insoweit substantiierte Verfahrensrügen erhoben worden.
Damit sieht der Senat nicht jede Erneuerung eines Schulheftes, Radiergummis oder Bleistifts, die etwa anläßlich einer anderen Erledigung - nebenbei - oder zum Vorrat erfolgt, als unfallversichert an. Ist jedoch der Weg - wie hier - zur "unmittelbaren Verwendung" im nachfolgenden Unterricht, d. h. hauptsächlich zur Beschaffung eines unverzüglich oder alsbald tatsächlich benötigten Lernmittels angetreten worden, so steht er nach dem Sinn und Zweck der §§ 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. c i. V. m. § 549 RVO unter Versicherungsschutz. Es handelt sich damit nicht um einen allumfassenden Versicherungsschutz "rund um die Uhr", wie der Beklagte im Schriftsatz vom 9. September 1975 befürchtet, weshalb auch die hieran geknüpften untragbaren "finanziellen Auswirkungen" nicht zu erwarten sind. Im übrigen sind auch die Unfallversicherungsträger (WzS 1972, 206) und Podzun (aaO S. 26) der Auffassung, daß die Beschaffung von Lernmitteln, die zur unmittelbaren Fortsetzung des Unterrichts erforderlich sind, unter Versicherungsschutz steht. Der Senat hält es aber für ausreichend, wenn das Lernmittel "alsbald" im Unterricht benötigt wird (vgl. dazu auch Vollmar Heft 75 aaO S. 26).
Nach alledem war die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen