Leitsatz (amtlich)
Die völker- und staatsrechtlich nicht zum Ausland gehörenden, sondern nur zur Zeit unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete sind auch nicht Ausland iS der RVO §§ 1318 und 1319.
Halten sich deutsche Staatsangehörige in dem zur Zeit von Polen verwalteten Teil Deutschlands auf, so kann ihr Aufenthalt nicht deshalb als vorübergehender Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs der RVO iS der RVO §§ 1319, 1320 gelten, weil dieses Gebiet nach deutscher Rechtsauffassung nur vorübergehend unter fremder Herrschaft steht.
Normenkette
RVO § 1317 Fassung: 1960-02-25, § 1318 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1960-02-25, § 1319 Abs. 1 Fassung: 1960-02-25, § 1320 S. 1 Fassung: 1960-02-25
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. September 1965 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der im Jahre 1892 geborene Kläger lebt als deutscher Staatsangehöriger in W, Kreis N (Oberschlesien), das zu den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten gehört. Er begehrt die Auszahlung des ihm von der Beklagten bewilligten Altersruhegeldes. Er war in Oberschlesien und im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Auf seinen im August 1963 gestellten Antrag hin gewährte die Beklagte ihm durch Bescheid vom 19.März 1964 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres vom 1. September 1959 an; in dem Bescheid stellte sie fest, daß die Rente nach § 1317 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ruhe, solange er sich außerhalb des Geltungsbereichs der RVO aufhalte; ein Ausnahmefall im Sinne der §§ 1318 ff RVO sei nicht gegeben.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage auf Auszahlung des Altersruhegeldes hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen.
Gegen das Urteil hat der Kläger Revision eingelegt, mit der er Verletzung des § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), vor allem aber unrichtige Anwendung der §§ 1317, 1318, 1319 und 1320 RVO rügt. Die Revision meint, der Begriff "Ausland" im Sinne des § 1318 RVO sei nicht im formalen Rechtssinne, sondern im tatsächlich gegebenen Sinne aufzufassen und dahin auszulegen, daß das von Polen besetzte Gebiet derzeit wie ein Ausland anzusehen sei. Es könne nicht sein, daß ein Deutscher, der bewußt auf seinem Deutschtum bestehe und es ablehne, eine Loyalitätserklärung für Polen abzugeben, schlechter gestellt werde als ein im Ausland lebender Deutscher. Es könne nicht dem Sinne des Gesetzes entsprechen, die heute in den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Gebieten tatsächlich gegebene Lage zum Nachteil eines deutschen Bürgers auszulegen. Zudem müsse der Aufenthalt von Deutschen in den unter fremder Verwaltung stehenden Teilen Deutschlands stets als "vorübergehender Aufenthalt" im Sinne des § 1319 Abs. 1 RVO angesehen werden, weil nach allgemeiner deutscher Auffassung der in den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten bestehende staatsrechtliche Zustand ein nur vorübergehender sei. Die Legalbestimmung des § 1320 Satz 1 RVO, wonach als vorübergehender Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs der RVO ein Aufenthalt bis zur Dauer eines Jahres gelte, habe einen solchen, noch nie gewesenen Zustand nicht absehen können und der Gesetzgeber habe ihn auch bisher nicht in den Kreis seiner Erwägungen gestellt. Der Widerspruch der angefochtenen Entscheidung ergebe sich insbesondere daraus, daß der Kläger vom Versorgungsamt B die Mindestversorgungsrente, ferner die Elternrente für den gefallenen Sohn und sogar den Ehrensold für das ihm im ersten Weltkrieg verliehene Goldene Militärverdienstkreuz ausgezahlt erhalte, obgleich er nicht im Geltungsbereich des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) wohne. Dies habe die Vorinstanz in ihrer Entscheidung nicht gewürdigt, weshalb die Revision insofern auch Verletzung formellen Rechts rügt.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil und das Urteil des SG vom 29. Juni 1965 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 19. März 1964 zu ändern und diese zu verurteilen, an ihn das vom 1. September 1959 an bewilligte Altersruhegeld nachzuzahlen und auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie ist mit dem angefochtenen Urteil der Auffassung, daß die Rente nach § 1317 RVO ruhe und ein Ausnahmetatbestand des § 1319 RVO nicht gegeben sei, daß allerdings die Nichtzahlung der Rente eine unbillige Härte bedeute. Mit Recht weise der Kläger darauf hin, daß ihm auch die Kriegsopferleistungen gewährt würden. Die Beklagte meint jedoch, sie sehe sich angesichts der eindeutigen Rechtslage nicht imstande, hier von Verwaltungswegen abzuhelfen; es sei Sache des Gesetzgebers, diese Härte zu beseitigen.
Die Beklagte hat den Antrag des Klägers, gemäß § 1320 Satz 2 RVO seinen Aufenthalt in dem von Polen verwalteten Gebiet ausnahmsweise als vorübergehenden Aufenthalt im Sinne des § 1320 Satz 1 RVO anzuerkennen, durch Bescheid vom 18. November 1965 abgelehnt. Der Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wurde durch Widerspruchsbescheid vom 25.Februar 1966 zurückgewiesen. Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger Klage nicht erhoben.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers kann nicht für begründet erachtet werden.
Der Entscheidung des LSG, daß dem Kläger ein Anspruch auf Auszahlung des Altersruhegeldes nicht zusteht, muß beigepflichtet werden.
Nach den Vorschriften der §§ 1317 ff RVO i.d.F. des Art. 2 Nr. 5 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes vom 25. Februar 1960 - FANG - (BGBl I 93), das mit Wirkung vom 1. Januar 1959 in Kraft getreten ist (Art.7 § 3 FANG), ist die Auszahlung des dem Kläger vom 1.September 1959 an bewilligten Altersruhegeldes nicht möglich, solange er sich ständig in dem deutschen Gebiet aufhält, das zur Zeit unter polnischer Verwaltung steht.
Gemäß § 1317 RVO ruht die Rente eines Deutschen, solange er sich außerhalb des Geltungsbereichs der RVO aufhält. Da die RVO zur Zeit nur im Gebiete der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin, nicht aber in den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten gilt, hält der Kläger sich außerhalb des Geltungsbereichs der RVO auf, so daß das ihm bewilligte Altersruhegeld nicht an ihn auszuzahlen ist, sondern ruht. Dies hat bereits das LSG zutreffend ausgeführt.
Das LSG hat ebenfalls zu Recht angenommen, daß dem Kläger das Altersruhegeld auch nicht nach § 1318 RVO ausgezahlt werden kann. Nach dieser Vorschrift wird die Rente, soweit sie auf die im Geltungsbereich der RVO zurückgelegten Versicherungsjahre entfällt, auch für Zeiten des Aufenthalts im Ausland gezahlt (§ 1318 Abs. 1 Satz 1 RVO). Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind schon deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger sich nicht im Ausland aufhält. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist das Gebiet von Oberschlesien, das zur Zeit unter polnischer Verwaltung steht, völker- und staatsrechtlich nicht Bestandteil Polens, also kein Ausland im Sinne der RVO, sondern weiterhin deutsches Staatsgebiet (BSG 8, 195; Urteile des Senats vom 12. Dezember 1968 - 12 RJ 76/63 und 12 RJ 462/63 -; Bundesverwaltungsgericht, Zeitschrift für Lastenausgleich 1966, 158). Wegen der heute tatsächlich bestehenden Verhältnisse in den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten den in § 1318 Abs. 1 RVO verwendeten Begriff "Ausland" gemäß der Ansicht der Revision dahin auszulegen, daß das zur Zeit unter polnischer Verwaltung stehende deutsche Staatsgebiet allgemein oder wenigstens im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung als Ausland anzusehen und zu behandeln sei, geht nicht an. Dass in diesem Teile Deutschlands zur Zeit deutsche Staatsgewalt tatsächlich nicht ausgeübt wird, sondern daß dieses Gebiet der polnischen Staatsgewalt unterworfen ist, rechtfertigt die Behandlung dieses Gebietes als Ausland selbst im Sinne der Rentenversicherung nicht, obgleich die dort lebenden Deutschen nicht einem anderen deutschen, sondern dem polnischen Sozialversicherungsrecht unterliegen. Dies gilt auch für den Fall, daß - worauf die Revision sich weiterhin beruft - der Kläger in dem unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiet bewußt auf seinem Deutschtum besteht und es ablehnt, eine Loyalitätserklärung für Polen abzugeben, und wenn er deswegen von dem polnischen Versicherungsträger Rente nicht erhält.
Der Senat hat bereits in seinen Urteilen vom 12. Dezember 1968 - 12 RJ 76/63 und 12 RJ 462/63 - ausführlich dargelegt, daß das Gesetz in den durch das FANG in die RVO mit Wirkung vom 1.Januar 1959 eingefügten Vorschriften der §§ 1315 ff unter der Überschrift "Zahlung von Leistungen bei Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes" bewußt die Begriffe "außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes" und "Ausland" verwendet und unterscheidet und die Rentenbewerber jeweils anders behandelt, wenn sie sich im Ausland oder aber außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes aufhalten. Der Senat hat ausgeführt, daß diese ausdrückliche Unterscheidung eine Folge der Auswirkungen ist, die der Zusammenbruch Deutschlands im Jahre 1945 hinsichtlich der Leistungen der früheren reichsgesetzlichen Sozialversicherung innerhalb des deutschen Staatsgebietes für die dort wohnenden Deutschen mit sich gebracht hat. Nach dem Zusammenbruch hat sich die gesetzliche Rentenversicherung dahin entwickelt, daß die deutschen Versicherungsträger grundsätzlich nur an solche Personen Leistungen gewährten, die sich in ihrem Bereich ständig aufhielten, so daß sich für Ansprüche aus der Sozialversicherung der Wohnsitzgrundsatz als weitere Anspruchsvoraussetzung durchgesetzt hatte. Schon der Gesetzgeber des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) vom 7.August 1953, des Vorläufers des FANG, hatte, wie sich aus der Entstehungsgeschichte des FAG eindeutig ergibt, nicht nur die Gebiete der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und des Sowjetsektors von Berlin (SSB), sondern auch die unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete sozialversicherungsrechtlich bewußt nicht als Ausland behandelt, zugleich aber auch bewußt für die dort ständig wohnenden Deutschen keine Ansprüche auf Leistungen gegen Versicherungsträger im Bundesgebiet und im Land Berlin begründet. Auch die deutschen Staatsangehörigen in den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten waren dem an ihrem Wohnort geltenden, von dem Recht der RVO abweichenden Sozialversicherungsrecht schicksalhaft unterworfen, mag es sich hier auch nicht wie in der SBZ um deutsche Sozialversicherungsträger handeln, und mögen auch Versicherungszeiten, die im Bundesgebiet oder im Land Berlin zurückgelegt sind, nicht berücksichtigt werden. Solange sie sich in diesen deutschen Staatsgebieten ständig aufhielten, unterlagen sie bis zum Inkrafttreten des FANG allein dem System der Sozialversicherung des Staates, der dieses deutsche Staatsgebiet z.Zt. verwaltet. Diesen deutschen Staatsangehörigen standen Ansprüche gegen Versicherungsträger im Bundesgebiet und im Land Berlin erst zu, wenn sie dadurch, daß sie ihren Wohnsitz in diesen Gebieten genommen hatten, von dem hier herrschenden Sozialversicherungsrecht erfaßt wurden. Erst seit dem Inkrafttreten des FANG am 1. Januar 1959 sind für die Deutschen außerhalb des Geltungsbereichs der RVO, also auch für die Deutschen in den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten, Ansprüche auf Leistungen gegen Versicherungsträger im Bundesgebiet und im Land Berlin begründet worden. Soweit derartige Ansprüche bestehen, ruhen sie allerdings, bis der Berechtigte seinen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder im Land Berlin genommen hat.
Ein Anspruch auf Auszahlung von Renten an Berechtigte für Zeiten, in denen sie sich ständig in den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten aufhalten, ist also auch durch die Vorschriften des FANG nicht begründet worden.
In Übereinstimmung mit der Ansicht des LSG läßt sich der Anspruch des Klägers auf Auszahlung des Altersruhegeldes auch nicht aus der Vorschrift des § 1319 Abs. 1 RVO herleiten, die bestimmt, daß für Zeiten des vorübergehenden Aufenthalts außerhalb des Geltungsbereichs der RVO die volle Rente gezahlt wird. Als vorübergehender Aufenthalt im Sinne des § 1319 Abs. 1 RVO gilt gemäß § 1320 Satz 1 RVO ein Aufenthalt bis zur Dauer eines Jahres. Der Versicherungsträger kann in begründeten Fällen Ausnahmen zulassen (§1320 Satz 2 RVO). Diese Vorschriften über die Auszahlung von Renten für Zeiten des vorübergehenden Aufenthalts außerhalb des Geltungsbereichs der RVO haben, wie das BSG bereits entschieden hat, nach ihrem Sinn und Zweck nur Bedeutung für Fälle, in denen ein Berechtigter seinen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich der RVO vorübergehend in Gebiete außerhalb davon verlegt (BSG in SozR Nr. 5 zu § 1317 RVO). Wie der 11. Senat des BSG in diesem Urteil dargelegt hat, ist in § 1319 Abs. 1 RVO eine Ausnahmeregelung von dem allgemein geltenden Grundsatz getroffen, daß die gesetzlichen Rentenversicherungen in der Regel Leistungen nur in ihrem Geltungsbereich vorsehen und erbringen und daß deshalb für die Zahlung von Rente grundsätzlich vorausgesetzt wird, daß sich der Berechtigte im Geltungsbereich der RVO aufhält. Die Ausnahme, daß dennoch für Zeiten des vorübergehenden Aufenthalts außerhalb des Geltungsbereichs der RVO der Berechtigte Anspruch auf Zahlung der vollen Rente haben soll, ist nur dann begründet, wenn er vor diesem Aufenthalt seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich der RVO gehabt hat, wenn er also das Gebiet der Bundesrepublik oder des Landes Berlin nur vorübergehend mit der Absicht der alsbaldigen Rückkehr verlassen hat. Diese Voraussetzungen sind in der Person des Klägers nicht erfüllt; denn nach den Feststellungen des LSG begab er sich nach seiner Entlassung aus der russischen Kriegsgefangenschaft in seine Heimat Waldfurt. Er hält sich dort seit 1946 auf und beabsichtigt auch nicht, seine alte Heimat zu verlassen.
Das LSG hat schon im Hinblick auf diesen Gesichtspunkt ohne Rechtsirrtum die Möglichkeit verneint, § 1319 Abs. 1 RVO in dem Sinne auszulegen, daß als "vorübergehender Aufenthalt" der Aufenthalt von Deutschen in den unter fremder Verwaltung stehenden Gebieten Deutschlands stets anzusehen sei, weil nach dem von der deutschen Regierung und dem deutschen Parlament erklärten Willen diese Gebiete nur vorübergehend unter fremder Herrschaft stehen. Eine solche Auslegung würde auch der oben geschilderten Rechtsentwicklung und der Rechtslage nicht Rechnung tragen, die durch das FANG mit der Einfügung der Vorschriften der §§ 1315 ff in die RVO über die Zahlung von Leistungen bei Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs der RVO bewußt geschaffen worden ist. Wenn seit dem Inkrafttreten des FANG die Deutschen in den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten gegen Versicherungsträger im Gebiete der Bundesrepublik und im Land Berlin nunmehr zwar einen Anspruch auf Rente haben, ihnen aber ein Anspruch auf Auszahlung der Rente weiterhin versagt ist, solange sie sich ständig in diesen Gebieten aufhalten, so sind sie von einer Härte betroffen, die eine Folge des Zusammenbruchs Deutschlands im Jahre 1945 ist und die sie in ähnlicher Weise schicksalhaft zu tragen haben wie die Deutschen in der SBZ und dem SSB, die ebenfalls mit der ungünstigen Entwicklung des gesetzlichen Rentenversicherungsrechts in ihren Gebieten schicksalhaft verbunden bleiben. Wie die Rechtsentwicklung und die Gesetzgebung auf dem Gebiete der gesetzlichen Rentenversicherung seit dem Zusammenbruch Deutschlands im Jahre 1945 deutlich erkennen lassen, hat der Gesetzgeber durch die Regelungen der §§ 1315 ff RVO den z.Zt. im deutschen Staatsgebiet tatsächlich bestehenden Verhältnissen Rechnung getragen, so daß der Auffassung der Revision nicht zugestimmt werden kann, bei der Regelung des §1320 Satz 1 RVO, wonach als vorübergehender Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs der RVO ein Aufenthalt bis zur Dauer eines Jahres gelte, habe das Gesetz den derzeit tatsächlich bestehenden Zustand in den deutschen Ostgebieten nicht absehen können und der Gesetzgeber habe ihn auch bisher nicht in den Kreis seiner Erwägungen gestellt. Die gesetzlichen Bestimmungen lassen erkennen, daß die Auszahlung von Renten durch die Versicherungsträger im Gebiete der Bundesrepublik und im Land Berlin an rentenberechtigte Deutsche in den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Gebieten einer Regelung vorbehalten geblieben ist, die zur Herbeiführung eines billigen Ausgleichs für alle Betroffenen durch zwischenstaatliche Abkommen mit den betreffenden ausländischen Staaten oder durch einen Friedensvertrag unter einer allgemeinen völker- und staatsrechtlichen Neugestaltung zu treffen sein wird.
Es ist richtig, worauf die Revision hinweist, daß Renten aus der Kriegsopferversorgung sowie auch andere Leistungen, z.B. Beamtenversorgungsbezüge und das Kindergeld für Berechtigte, die sich im Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs der jeweils einschlägigen Gesetze, also auch in den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten aufhalten, gezahlt werden dürfen und gezahlt werden. Dies hängt indessen mit der Rechtsnatur dieser Leistungen und den für sie getroffenen Sonderregelungen zusammen. So sieht § 64 Abs. 2 BVG vor, daß der Anspruch auf Versorgung von Kriegsopfern, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich des BVG haben und nicht unter Abs. 1 fallen - also nicht im Ausland leben - ruht, daß ihnen aber mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Versorgung in angemessenem Umfang gewährt werden kann. Ähnlich schreibt § 159 Abs. 1 Nr. 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) vor, daß die Versorgungsbezüge ruhen, solange der Versorgungsberechtigte seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Ausland hat, kann aber nach Abs. 3 dieser Vorschrift, wenn ein Versorgungsberechtigter seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs des BBG hat, die oberste Dienstbehörde die Zahlung der Versorgungsbezüge von der Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten im Geltungsbereich des BBG abhängig machen. Auch nach § 34 Abs. 2 des Kindergeldgesetzes (KGG) besteht Anspruch auf Kindergeld für Kinder, die im Gebiet des deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.Dezember 1937 wohnen, also auch für solche Kinder, die sich in dem von Polen verwalteten deutschen Ostgebiet aufhalten.
Daß diese Regelungen über die unterschiedliche Behandlung der Berechtigten je nachdem, ob sich der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs der Gesetze oder des Gebietes des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 befindet, nicht gegen Normen des Grundgesetzes verstößt, hat das BSG zu § 34 Abs. 2 KGG bereits entschieden (BSG 25, 295).
Im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung fehlen derartige Sonderregelungen. Jedoch kann mit Rücksicht auf die bewußte und ausdrückliche gesetzliche Regelung im gesetzlichen Rentenversicherungsrecht, nach der Deutschen in den deutschen Ostgebieten die Rente nicht auszuzahlen ist, für den Kläger aus der in der Kriegsopferversorgung und in anderen Rechtsgebieten geltenden gesetzlichen Sonderregelung kein Recht auf Auszahlung der Rente hergeleitet werden.
Die Rüge der Revision, das LSG habe formelles Recht verletzt, weil es bei seiner Entscheidung die in anderen Rechtsgebieten getroffenen Regelungen nicht berücksichtigt habe, geht fehl. In Wirklichkeit wird nicht eine Verletzung formellen Rechts gerügt, sondern eine nicht richtige Rechtsanwendung bei Auslegung der §§ 1317 ff RVO.
Das LSG hat demnach in dem angefochtenen Urteil den Anspruch des Klägers auf Auszahlung der Rente mit Recht als nicht begründet angesehen. Die Revision ist deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen