Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiladung des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer bei Streit über deren versicherungsrechtliche Beurteilung
Leitsatz (redaktionell)
Bei Streit zwischen Einzugsstelle und BA über die Auswirkungen einer Befreiung von der Krankenversicherungspflicht nach RVO § 173 auf die Arbeitslosenversicherungspflicht sind die betroffenen Arbeitnehmer sowie deren Arbeitgeber notwendig beizuladen.
Normenkette
RVO § 173 Fassung: 1945-03-17; SGG § 75 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 19.02.1975; Aktenzeichen L 4 Kr 29/73) |
SG Nürnberg (Entscheidung vom 22.05.1973; Aktenzeichen S 9 Kr 53/72 o/b) |
Tenor
Auf die Revisionen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) und 2) wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Februar 1975 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die nicht krankenversicherungspflichtigen Beigeladenen zu 1) und 2) von der Beklagten von der Krankenversicherungspflicht deshalb zu befreien sind, damit sie auch in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei sein konnten.
Die Beigeladenen zu 1) und 2), die seit dem 1. Juli 1972 Beamte im Ruhestand sind, sind seit dem 1. Juli 1972 bei der Haftpflicht- und Unterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands in C (HUK) als Angestellte gegen monatliches Entgelt von 1.917,- DM und 1.920,- DM beschäftigt. Sie beantragten bei der Beklagten, sie von der Krankenversicherungspflicht gemäß § 173 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ab 1. Juli 1972 zu befreien. Sie erstrebten die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht, weil nach ihrer Auffassung aus dieser auch die Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung folgt. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheiden vom 4. und 18. Juli 1972 ab, weil die beiden Beigeladenen, die bereits wegen Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze gemäß § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO in der Krankenversicherung versicherungsfrei seien, nicht mehr von der Krankenversicherungspflicht befreit werden könnten. Die Beklagte gab den Widersprüchen statt, "damit auch die Beitragsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung als Folge der Befreiung von der Krankenversicherung möglich ist" (Widerspruchsbescheide vom 2. November 1972). Auf die Klage der Klägerin hob das Sozialgericht (SG) Nürnberg die Widerspruchsbescheide auf (Urteil vom 22. Mai 1973). Die Berufungen der Beigeladenen zu 1) und 2) hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß auch die Bescheide der Beklagten vom 4. und 18. Juli 1972 aufgehoben werden. Es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 19. Februar 1975).
Die Klägerin und die beiden Beigeladenen haben gegen dieses Urteil Revision eingelegt.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Bayerischen LSG vom 19. Februar 1975 dahin abzuändern, daß die Berufungen der Beigeladenen zu 1) und 2) gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 22. Mai 1973 in vollem Umfang zurückgewiesen werden.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen,
ferner (sinngemäß),
das Urteil des Bayerischen LSG aufzuheben,
hilfsweise,
das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
Die Klägerin beantragt,
die Revisionen der Beigeladenen zu 1) und 2) zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß das Gericht durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) und 2) sind insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.
Während die beiden ehemaligen Beamten, die durch Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung die Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung erreichen wollen, so daß letztlich die Versicherungspflicht und Beitragspflicht streitig sind, zum Verfahren beigeladen worden sind, ist die Beiladung ihres Arbeitgebers, der HUK in Coburg, unterblieben. Bei Streitigkeiten über das Bestehen der Versicherungspflicht sind Arbeitgeber und Versicherte notwendige Streitgenossen. Gegenüber Arbeitgeber und Versichertem kann die Entscheidung nur einheitlich ergehen. Das trifft auch für die Arbeitslosenversicherung zu. Der Arbeitgeber ist daher notwendig beizuladen (vgl. BSG SozR Nrn. 32 und 37 zu § 75 SGG).
Die unterbliebene notwendige Beiladung ist nach § 75 Abs. 2, erste Alternative, SGG ein Verfahrensmangel, der bei einer zulässigen Revision von Amts wegen zu berücksichtigen ist (BSG SozR 1500 § 75 Nr. 1).
Um dem LSG Gelegenheit zu geben, die notwendige Beiladung des Arbeitgebers der beiden Beigeladenen nachzuholen, ist das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Bei seiner neuen Entscheidung wird das LSG das Urteil des 3. Senats des Bundessozialgerichts vom 12. November 1975 - 3 RK 34/74 - (SozR 2200 § 173 Nr. 1) zu beachten haben.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen