Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 28.04.1993; Aktenzeichen L 3 U 161/93)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. April 1993 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Der Kläger begehrt – weiteres – Konkursausfallgeld (Kaug).

Er ist britischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in seinem Heimatland. Am 26. November 1988 schloß er in Dubrovnik/Jugoslawien mit der C. … F. GmbH, die ihren Firmensitz in der Bundesrepublik Deutschland (E. …) hatte, einen Anstellungsvertrag für die Zeit ab 23. November 1988, der „mit Beendigung der vereinbarten Tätigkeit” enden sollte. Der Kläger sollte als „Special Makeup” bei der Herstellung des Filmes „Twice upon a time” mitarbeiten, der (so die Feststellung des Landessozialgerichts ≪LSG≫) „in Jugoslawien gedreht wurde”. Die Dreharbeiten wurden am 2. Dezember 1988 wegen finanzieller Schwierigkeiten des Arbeitgebers abgebrochen; der am 28. April 1989 über sein Vermögen gestellte Konkursantrag wurde am 2. Juni 1989 mangels Masse abgewiesen.

Auf eine entsprechende Klage verurteilte das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin mit Urteil vom 8. Februar 1989 den Arbeitgeber des Klägers, diesem das bis zum 16. Dezember 1988 zustehende Entgelt in Höhe von 3.125 Pfund zu zahlen; das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin wies die Berufung des Arbeitgebers mit Urteil vom 11. Mai 1989 zurück. In der mündlichen Verhandlung vor dem ArbG hatte der Kläger seine zusätzlich erhobene Klage auf Feststellung, daß ihm sein Arbeitgeber auch die Gage für die Zeit vom 17. Dezember 1988 bis 5. Februar 1989 (dem Tag, an dem die Dreharbeiten nach dem Vortrag des Klägers planmäßig hätten abgeschlossen werden sollen) schulde, zurückgenommen.

Am 30. Mai 1989 beantragte der Kläger Kaug. Er machte rückständiges Arbeitsentgelt für die Zeit vom 17. Dezember 1988 bis 5. Februar 1989 geltend (5.250 Pfund zzgl einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 750 Pfund). Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 14. Dezember 1989 Kaug in Höhe von DM 5.806,29 für das für den Zeitraum 23. November bis 16. Dezember 1988 zustehende Entgelt (3.125 Pfund = DM 9.822,21 abzüglich Steuer in Höhe von DM 4.015,92). Im Widerspruchsverfahren wandte sich der Kläger gegen die Höhe des Steuerabzugs und verwies darauf, daß er Kaug für den Zeitraum vom 17. Dezember 1988 bis 5. Februar 1989, nicht 23. November bis 16. Dezember 1988 beantragt habe. Im Widerspruchsbescheid vom 27. August 1990 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei dem Bescheid vom 14. Dezember 1989 handele es sich um einen fehlerhaften Verwaltungsakt, dessen Rücknahme nicht möglich sei. Dem Kläger stehe von vornherein kein Kaug zu. Er habe nicht im Inland gearbeitet und sei auch kein entsandter Arbeitnehmer gewesen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis habe mit dem 16. Dezember 1988 geendet. Nur für diese Zeit habe der Kläger vor dem ArbG Klage erhoben, damit für die Zeit danach nicht mehr am Beschäftigungsverhältnis festhalten wollen und insoweit Abkehrwillen gezeigt. Das LSG hat mit seinem Urteil vom 28. April 1993 die Berufung wegen eines Verfahrensfehlers iS des § 150 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aF für zulässig gehalten. Das SG habe den Kläger entgegen dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) mit einem Überraschungsurteil überzogen. Es habe sein Urteil auf rechtliche Gesichtspunkte gestützt, auf die einzugehen er weder Veranlassung noch Gelegenheit gehabt habe. In der Sache hatte die Berufung jedoch keinen Erfolg. Dem Anspruch des Klägers stehe die Tatsache entgegen, daß er weder vor noch während des Arbeitsverhältnisses seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe, wie nach § 30 Abs 1 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) erforderlich. Etwas anderes folge weder aus den Bestimmungen der EWG-Verordnung vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (EWGV 1408/71) noch aus Art 3 des fortgeltenden Abkommens vom 20. April 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über Arbeitslosenversicherung, noch aus besonderen Teilen des SGB. Insbesondere habe keine Entsendung nach § 4 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) vorgelegen. Schließlich habe auch der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse des Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses nicht im Inland gelegen. Der Kläger habe vor und nach der hier streitigen Beschäftigung keinerlei „Inlandsbeziehungen” gehabt. Seine Beschäftigung sei auch nicht in die deutsche Sozialversicherung gefallen, was die Aufbringung der Mittel zur Kaug-Versicherung betreffe. Darüber hinaus sei das Gehalt in Pfund zu zahlen, ein Abzug von Steuern und/oder Sozialabgaben hingegen nicht vorgesehen gewesen. Daher komme dem Umstand, daß nach dem Anstellungsvertrag der Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende und der Ergänzungstarifvertrag über Grundgagen vom 1. April 1983 gegolten habe, keine so wesentliche Bedeutung zu, daß allein deshalb der Schwerpunkt der rechtlichen Beziehungen als im Inland liegend anzusehen gewesen wäre.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung des § 4 SGB IV iVm §§ 141a bis m Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Er sei für eine im Ausland liegende Tätigkeit entsandt worden. Er habe verschiedentlich vorgetragen, daß er für seinen Arbeitgeber nicht nur in Jugoslawien bei den Außenaufnahmen, sondern auch bei den Studioaufnahmen in München tätig werden sollte. Dies werde auch im angefochtenen Urteil nicht in Zweifel gezogen und dürfe als beim Tatbestand unterstellt angesehen werden. Für die Frage der Entsendung spiele es keine Rolle, ob der ausländische dem deutschen Beschäftigungsort vorangegangen oder nachgefolgt sei. Da das LSG auch von einem doppelten Beschäftigungsort ausgegangen sei, hätte es entweder in seinem Sinne entscheiden oder diesen Punkt näher aufklären müssen. Ferner seien § 4 SGB IV und die §§ 141a bis m AFG insoweit verletzt, als das LSG angenommen habe, daß der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers nicht im Inland gelegen habe. Die für den Schwerpunkt im Inland sprechenden Kriterien (deutscher Arbeitgeber, deutscher Arbeitsvertrag, deutsches Tarifrecht, deutscher Gerichtsstand) hätten gegenüber dem ausländischen Bezug (ausländischer Arbeitnehmer, Gehaltszahlung in ausländischer Währung) überwogen. Demgegenüber könne nicht besonders berücksichtigt werden, daß er im Ausland versteuert werde; dies ergebe sich aus § 1 Abs 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Dem Vertrag könne nicht entnommen werden, daß Sozialabgaben nicht hätten abgeführt werden sollen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts sowie unter Abänderung des Bescheides vom 14. Dezember 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 1990 die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit bis 5. Februar 1989 Konkursausfallgeld zu gewähren;

hilfsweise,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils das Verfahren zur weiteren Verhandlung an das Bayerische Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Das Gesamtbild des Arbeitsverhältnisses habe unter Berücksichtigung seines bisherigen ortsbezogenen Arbeitslebens nicht demjenigen eines entsandten Arbeitnehmers entsprochen, sondern eher dem einer Ortskraft. Eine Beschäftigung im Inland habe zu keiner Zeit stattgefunden, möge eine solche nach dem Vertrag des Klägers bis zum geplanten Abschluß der Dreharbeiten auch vorgesehen gewesen sein.

 

Entscheidungsgründe

II

Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 SGG).

Die Revision ist zulässig. Einer Sachentscheidung stehen auch keine weiteren Hindernisse entgegen. Insbesondere war die Berufung zulässig, wie vom LSG zu Recht entschieden.

Die Revision des Klägers ist iS einer Zurückverweisung begründet. Anhand der festgestellten Tatsachen kann nicht entschieden werden, ob sein Beschäftigungsverhältnis einen Anspruch auf Kaug begründen konnte (1). Diese Frage kann nicht dahingestellt bleiben. Denn weder kommt der – teilweisen – Bewilligung von Kaug aufgrund jenes Beschäftigungsverhältnisses eine Bindungswirkung zu (2), noch scheitert der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf weiteres Kaug bereits aus anderen Gründen (3).

(zu 1) Der Anspruch des Klägers auf Kaug hängt von der Anwendbarkeit der Vorschriften des § 141a ff AFG auf das zwischen ihm und seinem Arbeitgeber am 26. November 1988 vereinbarte Arbeitsverhältnis ab. Um diese festzustellen, hat das LSG geprüft, ob der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale dieses Arbeitsverhältnisses im Inland lag.

Es hat sich damit der Rechtsprechung des Senats in seinen Urteilen vom 21. September 1983 (SozR 4100 § 141b Nr 28 mit zustimmender Anmerkung Steinmeyer, SGb 1984, 362) und vom 21. Februar 1984 (BSGE 56, 201 = SozR 4100 § 141b Nr 31 mit zustimmender Anmerkung von Hoyningen-Huene, SGb 1985, 209) angeschlossen. In diesen Fällen war jeweils zu entscheiden, ob Beschäftigungen bei inländischen Arbeitgebern im Ausland (eines Mitarbeiters an einem Entwicklungsprojekt in Kolumbien bzw eines Außenhandelsexperten im Rahmen eines Entwicklungshilfeprojekts in Indonesien) unter dem Schutz der Konkursausfall-Versicherung stehen. Hierbei ist der Senat von der Regelung des § 30 Abs 1 SGB I ausgegangen, daß die Vorschriften des SGB für alle Personen gelten, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben, dh in der Bundesrepublik Deutschland.

Hiervon hat er über § 4 SGB IV hinaus, jedoch in Anwendung des hierin geregelten Grundsatzes der Ausstrahlung, eine Ausnahme zugelassen, wenn nicht alle Voraussetzungen der in dieser Vorschrift geregelten „Entsendung” erfüllt sind – etwa, wenn der Arbeitnehmer im Ausland den inländischen Arbeitgeber wechselte, ohne zuvor erneut einen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen. In diesen Fallkonstellationen ist nach der Auffassung des Senats das Kaug-Recht unter der Voraussetzung anzuwenden, daß der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Arbeitsverhältnisses im Inland liegt. Allerdings hat der Senat nicht auf die in § 4 SGB IV geforderte Voraussetzung verzichtet, daß die im Ausland beschäftigte Person – jedenfalls ursprünglich – in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs des AFG entsandt worden war (s dazu zB BSG vom 27. Mai 1986, BSGE 60, 96, 98 = SozR 2100 § 4 Nr 3).

Zu Recht geht das LSG auf dieser Grundlage davon aus, daß dem Kläger für insolvenzbedingte Entgeltausfälle für seine Tätigkeit in Jugoslawien kein Kaug zugesteht. Denn der Kläger war insoweit dem deutschen System der sozialen Sicherheit nicht durch Ausstrahlung – auch nicht im (weiteren) Sinne der oa Rechtsprechung – verbunden. Er war ohne Wohnsitz oder vorherige Beschäftigung in Deutschland unmittelbar im Ausland für seine Tätigkeit im Ausland angestellt worden und entsprach damit dem typischen Bild einer „Ortskraft”. Eine solche steht nicht unter dem Schutz der deutschen Konkursausfall-Versicherung; sie untersteht dem System der sozialen Sicherheit im Beschäftigungs- oder Wohnstaat (vgl auch BSG vom 27. Mai 1986 aaO mwN).

Aus der fehlenden Absicherung des Klägers für den insolvenzbedingten Ausfall des Arbeitsentgelts für in Jugoslawien zu erbringende Arbeitsleistungen folgt jedoch nicht, daß dem Kläger in keiner Hinsicht Kaug zustehen kann.

Das LSG hat bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen, daß das Kaug-Recht auf eine geplante Beschäftigung des Klägers im Inland anwendbar sein könnte. Die Vorschrift des § 4 SGB IV (Ausstrahlung), die der Senat – erweiternd – in den genannten Entscheidungen bei der Prüfung der Kaug-Berechtigung angewandt hat, ist ebenso wie § 5 SGB IV (Einstrahlung) eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 3 Nr 1 SGB IV. Nach dieser Grundnorm aber unterliegen alle diejenigen, die im Inland arbeiten, den inländischen Bestimmungen über die Versicherungspflicht (Beitragsseite), die der Senat auch für die Kaug-Berechtigung (Leistungsseite) für maßgebend hält. Weder Staatsangehörigkeit noch Wohnsitz spielen dabei eine Rolle. Auch Ausländer und Deutsche, die im Ausland wohnen, sind grundsätzlich sozialversicherungspflichtig, wenn sie im Inland arbeiten. Soweit ein Beschäftigungsverhältnis eine Beschäftigung im Inland vorsieht, ist damit grundsätzlich Kaug-Recht anwendbar. Besonderheiten gelten außer für die Fälle der Ein- und Ausstrahlung (§§ 4, 5 SGB IV, s.o.) für Grenzgänger, soweit sie durch Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts erfaßt sind (vgl BSG vom 18. August 1992, SozR 3-4100 § 168 Nr 10). Auf eine weitergehende Prüfung dahingehend, wo der Schwerpunkt dieses Arbeitsverhältnisses liege, kommt es insoweit nicht an.

Der Kaug-Anspruch besteht hiernach auch dann, wenn es infolge insolvenzbedingten Annahmeverzugs des Arbeitgebers nicht zu einem konkreten Einsatz im Inland gekommen ist. Denn gerade gegen derartige Risiken soll die Kaug-Versicherung absichern.

Geht man aber hiervon aus, kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht entschieden werden, ob entsprechend seiner Auffassung aufgrund des Arbeitsvertrages vom 26. November 1988 dem Kläger von vornherein kein Kaug zustehen kann. Denn das LSG hat nicht festgestellt, daß Gegenstand jenes Arbeitsverhältnisses ausschließlich Tätigkeiten im Ausland (Jugoslawien) sein sollten. Das LSG führt zwar im Tatbestand auf, daß der Film, bei dessen Herstellung der Kläger mitwirken sollte, „in Jugoslawien gedreht wurde”. Dies kann im Zusammenhang seiner Darstellung jedoch nur so verstanden werden, daß die Dreharbeiten 10 Tage lang (während der tatsächlichen Beschäftigungszeit des Klägers vom 23. November bis 2. Dezember 1988) in Jugoslawien stattfanden, nicht jedoch, daß sie dort auch ausschließlich (dh für insgesamt 10 Wochen) stattfinden sollten. Auch der vom LSG in seinem Tatbestand in Bezug genommene Arbeitsvertrag sagt über die vorgesehenen Beschäftigungs- bzw Drehorte nichts aus. Es bleibt offen, ob nicht Teil des Arbeitsverhältnisses auch eine Inlandsbeschäftigung sein sollte, hinsichtlich derer der Kläger unter dem Schutz der Konkursausfall-Versicherung stünde. Über seine Behauptung, daß als Drehort für die Außenaufnahmen Dubrovnik und für die Studioaufnahmen München vorgesehen gewesen sei (Klageschrift vom 29. August 1990), haben weder SG noch LSG Beweis erhoben.

Für einen Zeitraum aber, in dem der Kläger nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien in Deutschland arbeiten sollte, steht ihm grundsätzlich Kaug zu. Dem könnte allenfalls die Regelung der Einstrahlung (§ 5 SGB IV) entgegenstehen. Eine dieser Vorschrift entsprechende Fallgestaltung liegt jedoch vermutlich nicht vor. § 5 SGB IV setzt nämlich voraus, daß während der Beschäftigung in Deutschland ein Beschäftigungsverhältnis im Ausland fortbesteht; dann besteht trotz einer Inlandsbeschäftigung keine Sozialversicherungspflicht nach deutschem Recht. Beim Kläger hätte möglicherweise, wenn nach Abschluß der Außenaufnahmen eine Beschäftigung in Deutschland fortgesetzt werden sollte, ohne daß sein Arbeitgeber weiterhin in Jugoslawien tätig geworden wäre, im Ausland kein Beschäftigungsverhältnis fortbestanden; es wäre vielmehr vollständig nach Deutschland verlagert worden. Auch aus den Aus- bzw Einstrahlungstatbeständen des Art 14 Nr 1a EWGV 1408/71 oder Art 6 Abs 1 des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens idF des Änderungs-Abkommens vom 12. Oktober 1968 folgt kein anderes Ergebnis.

Zur Nachholung der entsprechenden tatsächlichen Feststellungen ist der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen. Die bislang fehlenden Erkenntnisse lassen sich möglicherweise bereits ohne Vernehmung von Zeugen bereits durch Auswertung der Akten der Arbeitsgerichtsverfahren nicht nur des Klägers, sondern auch der Parallelverfahren anderer Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber gewinnen.

(zu 2) Das LSG ist der Prüfung der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der §§ 141a ff AFG auf den vorliegenden Sachverhalt nicht schon deshalb enthoben, weil die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 14. Dezember 1989 bereits Kaug für ausgefallenes Arbeitsentgelt aufgrund des hier streitigen Arbeitsverhältnisses gezahlt hat. Hierin liegt keine die Beklagte – oder die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit – bindende Bewilligung „dem Grunde nach”.

Die Bindungswirkung eines Bescheides reicht (nur) so weit, wie über den Anspruch entschieden ist. Bei der Gewährung einer Leistung werden grundsätzlich nur die Entscheidungen über Art, Höhe und ggf Dauer der Leistung bindend, nicht jedoch die Auffassung der Behörde über die Voraussetzungen der bewilligten Leistung (BSG vom 22. März 1989, SozR 1300 § 44 Nr 38 S 109 mwN). Der Bescheid vom 14. Dezember 1989 enthält damit keine bindende Entscheidung dahingehend, daß es sich bei dem streitigen Arbeitsverhältnis des Klägers um ein solches iS des § 141b AFG gehandelt hat.

(zu 3) Schließlich steht auch dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf weiteres Kaug die ihm mit Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 1989 bewilligte Leistung nicht entgegen. Denn wenn er nach dem Arbeitsvertrag – teilweise – in Deutschland tätig werden sollte (s oben zu 1), kann ihm uU noch weiteres Kaug zustehen. Der Senat läßt beim gegenwärtigen Verfahrensstand offen, ob die Anrechnung der für den Zeitraum bis 16. Dezember 1988 (zumindest teilweise) zu Unrecht gewährten Leistung auf Kaug möglich ist, das für einen anderen Zeitraum zusteht.

Sollte sich herausstellen, daß der Kläger in der Tat noch in Deutschland eingesetzt werden sollte, bliebe zu klären, ob sein Arbeitsverhältnis zum 16. Dezember 1988 geendet hat oder danach noch fortbestand. Dies hat das LSG – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – offengelassen; es kann aufgrund der bisher festgestellten Tatsachen vom Senat nicht abschließend beurteilt werden.

Der Kläger hat im übrigen, wenn nicht bereits im Antrag, so doch jedenfalls durch seinen Vortrag im Widerspruchsverfahren, sein Begehren ausdrücklich auf rückständiges Arbeitsentgelt für die Zeit vom 17. Dezember 1988 bis 5. Februar 1989 begrenzt.

Das LSG wird ferner ggfs zu entscheiden haben, inwieweit ein Kaug-Anspruch des Klägers von der Abtretungserklärung vom 14. November 1989 (Bl 4 des Besonderen Teils der Kaug-Akte) beeinflußt wird.

Dem LSG obliegt auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1172657

BB 1994, 2283

ZIP 1994, 895

Breith. 1995, 150

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