Leitsatz (redaktionell)

Die Übergangsregelung des AFuUÄndAnO 1 Art 2 Abs 2 vom 1973-12-19 zur AFuU 1971 ist nicht durch die Ermächtigungsnorm des AFG § 39 iVm AFG § 191 Abs 3 S 2 gedeckt und daher unwirksam.

 

Normenkette

AFG § 39 Fassung: 1969-06-25, § 191 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1969-06-25; AFuU1971ÄndAnO 1 Art. 2 Abs. 2 Fassung: 1973-12-19; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; AFuU § 12 Abs. 2 Fassung: 1971-09-09; AFuU 1971 § 12 Abs. 2 Fassung: 1971-09-09

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 28.11.1975; Aktenzeichen L 1 Ar 51/75)

SG Kiel (Entscheidung vom 19.06.1975; Aktenzeichen S 5 Ar 1/75)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 28. November 1975 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe von Lehrgangsgebühren, welche die Beklagte dem Kläger im Rahmen der individuellen Förderung der beruflichen Bildung nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu gewähren hat.

Der 1947 geborene Kläger, der seit 1972 als Bauingenieur tätig war, führte in der Zeit vom 1. Oktober 1973 bis 30. September 1974 ein Studium an der Akademie für angewandte Betriebswirtschaft in H durch. Mit Verfügung vom 16. Oktober 1973 bewilligte die Beklagte dem Kläger unter anderem eine einmalige Leistung von 1.430,- DM zur Bestreitung der von der Akademie erhobenen Gebühren. Der Bemessung dieser Leistung legte sie einen Stundensatz von 1,25 DM zugrunde. Mit Schreiben vom 10. Mai 1974 beantragte der Kläger unter Hinweis auf die am 1. April 1974 in Kraft getretene 1. Änderungsanordnung vom 19. Dezember 1973 zur Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (AFuU), auch in seinem Falle den höheren Stundensatz von 2,- DM zugrunde zu legen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 17. Mai 1974; Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 1974).

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 19. Juni 1975 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, dem Kläger einen Bescheid zu erteilen, nach welchem ihm ab dem 10. Mai 1974 2,- DM je Unterrichtsstunde zu erstatten seien. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat den Anspruch des Klägers erst vom 10. Mai 1974 an als begründet angesehen, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt den Antrag auf die höhere Leistung gestellt habe.

Mit Urteil vom 28. November 1975 hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Es hat ausgeführt:

Nach § 12 Abs. 2 AFuU in der Fassung vom 9. September 1971 (AFuU 1971) betrage der Höchstsatz für den von der Beklagten zu leistenden Zuschuß zu den Lehrgangsgebühren 1,25 DM pro Teilnehmer und Unterrichtsstunde. Diese Vorschrift sei anzuwenden. Das folge aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der 1.Änderungsanordnung zur AFuU. Danach gälten für Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen, die vor dem 1. April 1974 begonnen haben, die Vorschriften der AFuU 1971. Diese Übergangsregelung verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Nach § 1 AFG sei die individuelle Förderung der beruflichen Bildung darauf auszurichten, daß ein hoher Beschäftigungsstand erzielt und aufrecht erhalten, die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert und damit das Wachstum der Wirtschaft gefördert werde. Diese Zielsetzung des Gesetzes und das Gebot, die ihr zur Verfügung stehenden Mittel möglichst ökonomisch einzusetzen, stellten die Beklagte vor das Problem, die Förderungsleistungen einerseits sparsam, andererseits attraktiv zu bemessen, damit eine ausreichende Anzahl von Erwerbstätigen zur Teilnahme an Berufsbildungsmaßnahmen motiviert werde. Die Bildungswilligen, die sich aber bereits in Fortbildungsmaßnahmen begeben hätten, bedürften keines weiteren Anreizes mehr, um eine Fortbildung oder Umschulung aufzunehmen.

Die Übergangsregelung verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verbiete, wesentlich gleiches willkürlich ungleich oder wesentlich ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Die in der Übergangsregelung unterschiedlich behandelten Personengruppen unterschieden sich aber durch den zeitlich verschiedenen Beginn der Berufsbildungsmaßnahmen, an denen sie teilnähmen. Dieser Unterschied sei im Hinblick auf den bereits genannten Zweck des Gesetzes wesentlich.

Der Senat hat mit Beschluß vom 11. Mai 1976 die Revision zugelassen.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 39, 191 Abs. 3 AFG, Art. 3 GG und führt hierzu insbesondere aus: Richtig sei, daß Leistungen nach dem AFG gewährt würden, um die in § 1 AFG genannten Ziele zu erreichen. Doch lege das LSG den Schwerpunkt bei der Verfolgung dieses Zieles auf eine Motivation von Erwerbstätigen zur Teilnahme an Berufsbildungsmaßnahmen. Dabei werde verkannt, daß die im Rahmen der individuellen Förderung gewährten Leistungen mit der Hauptzielrichtung erbracht würden, dem Antragsteller bei seiner beruflichen Fortbildung oder beruflichen Umschulung behilflich zu sein.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 19. Juni 1975 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Revision ist zulässig. Sie ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.

Die Zulässigkeit der Berufung hat das LSG zutreffend bejaht. Die Berufung war zwar an sich nach § 147 SGG ausgeschlossen, der auch in Angelegenheiten der beruflichen Bildungsförderung durch die Beklagte Anwendung findet (BSG SozR 1500 § 147 Nr. 3); denn sie betraf die Höhe des vom Kläger erhobenen Anspruchs auf Erstattung von Lehrgangsgebühren. Das SG hat die Berufung jedoch ausdrücklich zugelassen (§ 150 Nr. 1 SGG).

Der Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Zuschusses zu den Lehrgangsgebühren in Höhe von 2,- DM je Unterrichtsstunde ab 1. April 1974 kann sich aus § 12 Abs. 2 AFuU 1971 idF der 1. Änderungsanordnung vom 19. Dezember 1973 ergeben. Diese Bestimmung, die am 1. April 1974 in Kraft getreten ist (Art. 2 Abs. 1 Änderungsanordnung), brachte für die nicht maschinenorientierten Lehrgänge gegenüber dem alten Recht eine Anhebung des von der Beklagten zu übernehmenden Höchstsatzes von 1,25 auf 2,- DM je Stunde. Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) war zum Erlaß der AFuU 1971 wie auch der 1. Änderungsanordnung berechtigt. Die in § 39 AFG ausgesprochene Ermächtigung zum Erlaß von satzungsrechtlichen Anordnungen, die der Ausführung des Gesetzes dienen, ist nicht verfassungswidrig. Dies haben der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 30. Januar 1973 (BSGE 35, 164, 166) und im Anschluß daran der 12. Senat des BSG im Urteil vom 19. Februar 1976 - 12/7 RAr 126/74 - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu Art. 80 GG (vgl. BVerfGE 12, 325; 19, 266 f; 33, 156 f) mit ausführlicher Begründung bereits entschieden. Es besteht für den Senat kein Anlaß, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Der Gesetzgeber hat sich mit den Vorschriften der §§ 39 und 45 AFG seiner Rechtsetzungsbefugnis nicht völlig entäußert. Grundsätzlich trägt die BA die notwendigen Kosten, die durch die Bildungsmaßnahme unmittelbar entstehen, insbesondere Lehrgangskosten. Nur die Festsetzung der Höhe der Erstattung bleibt dem Anordnungsgeber überlassen, der dabei aber an die allgemeinen Zielsetzungen gemäß §§ 2 und 3 AFG gebunden ist. Allerdings sind die Bedenken, die der Kläger gegen die Wirksamkeit des Art. 2 Abs. 2 der Änderungsanordnung vorbringt, begründet.

Nach Art. 2 Abs. 2 der Änderungsanordnung ist die Anordnung auf Antragsteller anzuwenden, die an einer Maßnahme teilnehmen, die vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an oder danach beginnt. Die Maßnahme soll also einheitlich entweder nur nach altem oder nur nach neuem Recht behandelt werden, je nachdem, wann sie begonnen hat (vgl. Urteil des Senats vom 11. März 1976 - 7 RAr 116/74; Urteil des 12. Senats vom 25. März 1976 - 12/7 RAr 145/74).

Der eindeutige Wortlaut dieser Übergangsbestimmung kann nicht dahin verstanden werden, daß das neue Recht jedenfalls insoweit auch für die weitere Förderung bereits begonnener Maßnahmen gelten soll, als Leistungsverbesserungen vorgesehen sind. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Anordnungsgeber die sich für am 1. April 1974 laufende Maßnahmen aus der uneingeschränkten Anordnung der Weitergeltung des alten Rechts ergebenden Folgen nicht gesehen und nicht gewollt hat. Zwar erklärte die Bundesregierung auf eine Anfrage der CDU/CSU, daß die Übergangsregelung die Anwendung der neuen Erstattungssätze auch auf eine laufende Maßnahme dann zulasse, wenn diese in mehrere selbständige Einzelelemente zerlegt sei, wie z.B. bei der Vorbereitung auf die Meisterprüfung, die sich in vier möglicherweise zeitlich auseinanderliegende Abschnitte gliedere. Der nach dem 1. April 1974 beginnende Abschnitt werde dann als Neueintritt in eine Maßnahme behandelt und aufgrund des neuen Rechts gefördert. In diesem Zusammenhang wurde auf die Übergangsregelung des Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) und des AFG vom 14. November 1973 - BGBl I 1637 - hingewiesen, das u.a. auch eine Erhöhung der Freibeträge nach § 23 BAföG vorsah. Gemäß Art. 3 § 3 Abs. 4 des Gesetzes wurde die Neuregelung am 1. August 1973 mit der Maßgabe in Kraft gesetzt, daß die erhöhten Freibeträge der Berechnung der Förderungsleistungen für alle Bewilligungszeiträume zugrunde zu legen seien, die nach dem 31. Juli 1973 beginnen. Die Bundesregierung vertrat die Auffassung, daß die Übergangsregelung des Art. 2 Abs. 2 der Änderungsanordnung zur AFuU mit dieser Entscheidung des Gesetzgebers übereinstimme (Bericht über die 91. Bundestagssitzung am 28. März 1974 - 7. Wahlperiode - S. 6172). Diese Auffassung hat im Wortlaut der Bestimmung jedoch keinen Niederschlag gefunden. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß der Anordnungsgeber den Begriff der Maßnahme in Art. 2 Abs. 2 der Änderungsanordnung vom üblichen Sprachgebrauch und Verständnis abweichend, insbesondere auch im Gegensatz zu § 24 der AFuU 1971, im Sinne von "Maßnahmeabschnitt" verstanden wissen wollte. Wie auch in der Antwort der Bundesregierung angedeutet, liegt der Vorschrift vielmehr offenbar die Erwägung zugrunde, daß bei den nach dem 1. April 1974 mit den Trägern von Bildungsveranstaltungen abgeschlossenen Fortbildungs- und Umschulungsverträgen entsprechend der allgemeinen Kostenentwicklung in der Regel von höheren Lehrgangsgebühren ausgegangen wird als bei früher abgeschlossenen Verträgen, und die Teilnehmer bereits laufender Maßnahmen daher nicht in gleichem Maße schutz- bzw. unterstützungsbedürftig sind.

Die Vorschrift des Art. 2 Abs. 2 der Änderungsanordnung ist indessen unwirksam, weil sie höherrangigem Recht widerspricht.

Zunächst ist festzuhalten, daß die Vorschrift nicht geboten war, um einem allgemein anerkannten verfassungsrechtlichen Grundsatz Geltung zu verschaffen oder eine durch die Besonderheiten des individuellen Förderungsrechts gebotene Lösung zu vollziehen. Insbesondere schließt das Verständnis des Begriffs der Maßnahme es nicht grundsätzlich aus, sie nach Zeitabschnitten getrennt unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen zu unterwerfen. Zwar ist der Begriff der Maßnahme in der Rechtsprechung stets als organisatorische und inhaltliche Einheit definiert worden (vgl. BSGE 36, 296; BSG vom 3. Juni 1975 - 7 RAr 56/73; 7 RAr 141/74). Unter diesem Gesichtspunkt hat der Senat in seiner Entscheidung vom 11. März 1976 - 7 RAr 116/74 - die Beklagte grundsätzlich für verpflichtet erklärt, verschiedene Teile der Gesamtmaßnahme, bei der sie die Voraussetzungen der Förderung bejaht hat, einheitlich zu behandeln und sie nicht dadurch verschiedenen Anordnungen zu unterwerfen, daß über die Kostenerstattung bezüglich eines jeden Abschnitts ("Unterrichtswoche") gesondert entschieden wird. Der Sachverhalt war dort jedoch im wesentlichen anders gelagert. In dem zu entscheidenden Fall ging es um die Frage, ob die Herabsetzung der Leistungen durch die AFuU 1971 auch die unter dem alten - günstigeren - Recht begonnenen Maßnahmen erfaßt. Die Anerkennung des Grundsatzes der Einheit der Maßnahme auch für die Leistungsbemessung entsprach hier dem verfassungsrechtlich garantierten Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, das rückwirkende Eingriffe in Rechte und Rechtslagen des Staatsbürgers verbietet, mit denen dieser nicht rechnen konnte, und die er nicht zu berücksichtigen brauchte. Dieses Gebot gilt auch für Fälle der sog. unechten Rückwirkung (BVerfGE14, 288, 297; 11, 139, 146), d.h., wenn Normen unmittelbar auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirken und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich im Ganzen entwerten. Die Anwendung der gegenüber der AFuU 1969 ungünstigeren Bestimmungen der AFuU 1971 wäre als eine belastende (unechte) Rückwirkung unzulässig gewesen, weil sie für Teilnehmer laufender Maßnahmen, auf die bereits die günstigere AFuU 1969 anwendbar war, einen nicht vorhersehbaren entwertenden Eingriff bedeutet hätte (vgl. hierzu Urteil des 12. Senats vom 25. März 1976 - 12/7 RAr 145/74). Im vorliegenden Fall geht es dem Kläger dagegen nicht um einen Schutz seines Vertrauens.

Art. 2 Abs. 2 der Änderungsanordnung vom 19. Dezember 1973 ist unwirksam, weil die Bestimmung nicht durch die Ermächtigungsnorm des § 39 i.V.m. § 191 Abs. 3 Satz 2 AFG und den Gleichbehandlungsgrundsatz gedeckt ist. Die BA bestimmt nach § 39 AFG das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der Förderung der beruflichen Bildung. Allgemein hat sie die Anordnungen geänderten Verhältnisses alsbald anzupassen (§ 191 Abs. 3 Satz 2 AFG). Daraus allein ergeben sich allerdings mindestens in aller Regel noch keine bestimmten Ansprüche des einzelnen Teilnehmers an einer Bildungsmaßnahme. Wenn die BA aber selbst eine Änderung der Verhältnisse annimmt und ihre Leistungen demgemäß anpaßt, so darf sie für Gruppen von Teilnehmern ohne sachlichen Grund keine unterschiedlichen Höchstsätze festlegen und sie damit ungleich belasten. Die BA verstößt gegen die Pflicht zur Anpassung und zur Gleichbehandlung, wenn sie Teilnehmer von Leistungsverbesserungen ausnimmt, auf die im Regelfall die für die Anpassung maßgeblichen Gründe zutreffen.

Es war nicht sachgerecht, die Höchstsätze für die Erstattung der Lehrgangsgebühren nur für diejenigen Antragsteller anzupassen, deren Maßnahme am 1. April 1974 oder später begann. Für die Benachteiligung der damals laufenden Maßnahmen, die vor dem 1. April 1974 begonnen hatten, gab es keinen einleuchtenden Grund, soweit Teilnehmern notwendige Kosten nach dem 1. April 1974 entstanden sind.

Was den Zweck der Leistungen nach dem AFG betrifft, so kann ihre Anreizfunktion nicht übersehen werden. Diese erschöpft sich jedoch nicht darin - wie das LSG meint -, zum Eintritt in eine Bildungsmaßnahme zu motivieren. Sie sollen dem Bildungswilligen auch ein Anreiz sein, eine Maßnahme bis zum Ende durchzuführen. Gerade bei länger andauernden Maßnahmen hat der Gesetzgeber durchaus die Gefahr der Unterbrechung gesehen, wenn die Leistungen dem durchschnittlichen Bedarf nicht mehr entsprechen. Dies war einer der wesentlichen Gesichtspunkte für die Einführung der Dynamisierung des Unterhaltsgeldes (Uhg) durch das 1. Änderungsgesetz zum AFG, die inzwischen allerdings wieder zurückgenommen wurde (vgl. Begründung zum Entwurf des 1. Änderungsgesetzes, Drucks. VI/58 S. 2). Die Übernahme von Kosten soll wie die Gewährung von Uhg dem anspruchsberechtigten Personenkreis aber nicht nur einen Anreiz bieten, sondern auch die Möglichkeit schaffen, von dem Rechtsanspruch auf Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme ohne wesentliche wirtschaftliche Einbußen Gebrauch zu machen. Der Lebensstandard soll im wesentlichen aufrechterhalten werden können (vgl. auch Begründung zum 1. Änderungsgesetz aaO). Insbesondere zur Sicherstellung dieses Zwecks hat die Beklagte, sofern sie sich für eine begrenzt typisierende Regelung in Form von Höchstbeträgen entschließt, die durchschnittliche Kostengestaltung für Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen und damit den im Regelfall entstehenden durchschnittlichen Bedarf zu ermitteln und zu der allgemeinen Entwicklung der Lebenshaltungskosten in ein Verhältnis zu setzen, um so eine relativ zuverlässige Aussage über die durchschnittliche Belastbarkeit von Bildungswilligen zu gewinnen.

Veränderte Verhältnisse sind also nicht nur Erhöhungen der Lehrgangsgebühren, sondern auch Entwicklungen der allgemeinen Lebenshaltungskosten. Wenn die BA Höchstbeträge für die Lehrgangsgebühren festsetzt, muß sie eine Erhöhung dieser Gebühren und darüber hinaus berücksichtigen, ob die Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen den Unterschied zwischen den tatsächlich zu zahlenden Gebühren und dem Höchstbetrag der Erstattung selbst aus dem Uhg oder sonstigen Mitteln aufbringen können. Die BA darf bei der Anpassung der Höchstbeträge und in der dazugehörenden Übergangsregelung nicht ausschließlich auf die Erhöhung der Lehrgangsgebühren abstellen. Deshalb ist es sachwidrig, den Beginn der Maßnahme zum einzigen Unterschiedsmerkmal zu erheben, etwa, weil zu vermuten sei, daß für Maßnahmen mit Beginn vor dem 1. April 1974 die Lehrgangsgebühren für die ganze Laufzeit des Ausbildungsvertrages ohne Berücksichtigung zukünftiger Kostensteigerungen von vornherein fest vereinbart seien. Die allgemeine Entwicklung der Lebenshaltungskosten bliebe dabei ganz unbeachtet. Diese Entwicklung trifft aber alle Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen in gleicher Weise, ob die Maßnahme nun bis zum 31. März 1974 oder später begonnen hat.

Das Merkmal des Beginns der Maßnahme führt aber auch sonst nicht zu einer sachgerechten Unterscheidung der Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen. Der Beginn der Maßnahme bezeichnet lediglich den Zeitpunkt, von dem an die im Rahmen der beruflichen Bildung vorgesehenen Einzelansprüche dem Grunde nach erworben werden können und bestimmt insoweit den möglichen Anfangstermin. Für die Leistungsbemessung selbst kann ihm nur entscheidende Bedeutung zukommen, wenn sich der zeitliche Unterschied auch wirtschaftlich auswirkt, d.h. wenn er für das Vorliegen oder Nichtvorliegen von bestimmten Faktoren bezeichnend ist, die für die Höhe der festzustellenden Leistung maßgeblich sind.

Soweit bei einer Anpassung von Leistungen die allgemeine Entwicklung der Lebenshaltungskosten und ähnliches zu berücksichtigen sind, sind die Verhältnisse der Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen trotz unterschiedlichen Beginns der Maßnahme sicherlich im allgemeinen als gleich zu bewerten. Eine im Kern gegebene Ungleichheit der Sachverhalte kann sich damit allein auf die Vermutung gründen, daß die entstehenden Kosten für die ab 1. April 1974 beginnenden Maßnahmen im Regelfall höher und die durchschnittliche Eigenbelastung damit größer ist, als für Teilnehmer von Maßnahmen, die bereits zuvor begonnen haben. Dies kann für laufende Maßnahmen aber jedenfalls dann nicht anerkannt werden, wenn sie in Abschnitte gegliedert sind und für einen oder mehrere Abschnitte Kosten nach Inkrafttreten der Neuregelung anfallen. Dabei ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob die Maßnahmekosten gegenüber den zuvor unter der Geltung des alten Rechts entstandenen tatsächlich höher sind oder nicht. Von der Erhöhung der allgemeinen Lebenshaltungskosten für die die erhöhten Leistungen der Beklagten auch insofern einen Ausgleich schaffen als sie den Lehrgangsteilnehmer in stärkerem Maße von der Aufbringung eigener Mittel entlasten, werden ohnehin alle gleichmäßig betroffen, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in Ausbildung befinden. Für die Anwendbarkeit einer generalisierenden Regelung, die sich auf allgemeine Erwägungen aus Erfahrungen und festgestellten Entwicklungen stützt, muß es ausreichen, daß der Anspruch der Höhe nach ihrem zeitlichen Geltungsbereich unterfällt.

Dabei sind verschiedene Möglichkeiten als Anknüpfungspunkte denkbar, etwa die Anknüpfung an den ersten neuen Bewilligungszeitraum oder an die Fälligkeit zu erstattender Leistungen nach dem Inkrafttreten einer neuen Anordnung oder an andere aufgrund des Verwaltungsverfahrens allgemein übliche und angemessene Zeiträume. Welche im Rahmen der Gleichbehandlung möglichen Anknüpfungspunkte für eine Übergangsregelung auch unter Berücksichtigung der Verwaltungspraktikabilität maßgeblich sein sollen, liegt in der Zuständigkeit des Verwaltungsrates der BA. Eine derartige, der Sache nach gebotene Übergangsregelung ist aber - wie ausgeführt - durch die Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 der Änderungsanordnung nicht getroffen worden. Diese Regelung ist jedenfalls unwirksam. Es kann dahinstehen, ob der Senat befugt wäre, die durch die Unwirksamkeit des Art. 2 Abs. 2 der Änderungsanordnung entstandene Lücke in den Übergangsbestimmungen anstelle des für den Erlaß von Anordnungen zuständigen Verwaltungsrates der BA durch eine eigene Regelung zu schließen. Hierzu besteht keine Veranlassung, weil aus der Anordnung selbst - und zwar aus ihrem § 23 - für den vorliegenden Fall die Grundlage für den Anspruch des Klägers entnommen werden kann. Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 AFuU sind Leistungen nach § 12 - also Lehrgangsgebühren - jeweils dann auszuzahlen, wenn dem Berechtigten die Kosten entstehen. Mit dem "Entstehen" der Kosten kann nur der Zeitpunkt bezeichnet sein, in welchem der Berechtigte hinsichtlich der Lehrgangsgebühren verpflichtet ist, diese dem Lehrgangsträger zu zahlen; damit ist die Fälligkeit der Leistungen gemeint. Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze bedeutet dies, daß die durch die Änderungsanordnung erhöhten Sätze für die Lehrgangsgebühren dann und zu dem Zeitpunkt von der BA zu zahlen sind, von dem an die Lehrgangsgebühren erstmals nach dem 1. April 1974 fällig geworden sind. Dem angefochtenen Urteil ist nichts über die Fälligkeit der Lehrgangsgebühren für die Maßnahme, an der der Kläger teilgenommen hat, zu entnehmen. Die insoweit zu treffenden Feststellungen wird das LSG noch nachzuholen haben.

Nach allem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Urteil des LSG vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654046

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