Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristgerechte Geltendmachung des Ersatzanspruchs des Sozialhilfeträgers. Leistungsfeststellung. Auslegung einer Willenserklärung. Verwirkung des Ersatzanspruchs
Orientierungssatz
1. Die Geltendmachung eines Ersatzanspruches nach § 1531 RVO kann sich auf künftige, zur Zeit der Anmeldung noch ungewisse Unterstützungsleistungen beziehen; der Ersatzanspruch ist auch dann nach § 1539 RVO fristgerecht geltend gemacht, wenn er schon während des Unterstützungsbezuges angemeldet wird (vgl BSG 1964-06-25 4 RJ 89/62 = BSGE 21, 157).
2. Auch im öffentlichen Recht gilt der Grundsatz, daß bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Allerdings kommt es nur auf den erklärten Willen, mithin darauf an, was als Wille für den Erklärungsgegner erkennbar geworden ist und wie dieser die Erklärung nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung verstehen mußte.
3. Verlangt ein Sozialhilfeträger während einer laufenden Unterstützungsgewährung, daß die Krankenkasse die Leistung übernimmt und die bisherigen Aufwendungen ersetzt, so wird der Zusammenhang dieser Forderungen in der Regel nur den Schluß zulassen, daß sich die Ersatzforderung auf die Zeit bis zur Übernahme der Leistung durch die Krankenkasse erstreckt. Der Ersatzanspruch nach § 1531 RVO ist dann nicht auf die Unterstützungszeit bis zur Stellung des Feststellungsantrages nach § 1538 RVO beschränkt, vielmehr bezieht er sich auf die Zeit bis zur Übernahme der Leistung durch die Krankenkasse. Der ersatzberechtigte Sozialhilfeträger kann sowohl von der Möglichkeit des § 1531 RVO als auch von der Möglichkeit des § 1538 RVO aber auch von beiden Möglichkeiten Gebrauch machen (vgl BSG 1961-12-15 4 RJ 43/61 = BSGE 16, 44, 46f).
4. Die Verwirkung, ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung, setzt voraus, daß der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während einer längeren Zeit unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts als einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) erscheinen lassen (vgl BSG 1978-11-30 12 RK 6/76 = BSGE 47, 194, 196). Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, daß dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut und sich darauf eingerichtet hat (vgl BSG 1978-11-30 12 RK 6/76 aaO). Maßgeblich für die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme ist das tatsächliche Vertrauen.
Normenkette
RVO §§ 1531, 1538-1539, 184; BGB §§ 133, 242
Verfahrensgang
Tatbestand
Umstritten ist ein Ersatzanspruch nach §§ 1531 ff der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Die als Rentnerin bei der beklagten Krankenkasse versichert gewesene Maria B. (B.) war wegen einer Schizophrenie von 1965 bis zu ihrem Tode am 2. Oktober 1976 im Rheinischen Landeskrankenhaus B.-H. (B.-H.) untergebracht. Außerdem litt sie an einem Diabetes mellitus. Wegen einer im März 1976 festgestellten Krebserkrankung befand sie sich zur Uterusexstirpation vorübergehend vom 12. bis 30. April 1976 im St. A.-Hospital in K.. Die Kosten dieser stationären Behandlung trug die Beklagte, die Kosten der Unterbringung im Landeskrankenhaus der Sozialhilfeträger. Mit Schreiben vom 14. April 1976 teilte der örtliche Träger der Sozialhilfe der Beklagten mit, daß (auch) während des Aufenthaltes von Frau B. im Landeskrankenhaus B.-H. Krankenhausbehandlung erforderlich (gewesen) sei. Er bat deshalb die Beklagte für den Fall, daß sich die Patientin noch im Krankenhaus befinde, dieser ab sofort die Kostenübernahme zuzusichern. Wegen seiner bisher gewährten Leistungen machte er Ersatzanspruch geltend. Noch am Tage des Antragseingangs am 21. April 1976 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme unter Hinweis auf § 216 Abs 1 Nr 4 RVO und mit der Begründung ab, Frau B. sei im Landeskrankenhaus B.-H. dauernd zur Pflege untergebracht, eine Krankenhauspflegebedürftigkeit iS des § 184 RVO sei zu verneinen.
Am 13. Dezember 1979 hat der Kläger, der überörtliche Träger der Sozialhilfe, mit dem Begehren Klage erhoben, die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der stationären Behandlung von Frau B. in der Zeit vom 1. Januar 1975 bis zum 2. Oktober 1976 im gesetzlichen Rahmen zu erstatten. Er hat darauf hingewiesen, daß nach der jüngsten Rechtsprechung, insbesondere nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Oktober 1978 - 3 RK 81/77 - und dem Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) vom 22. Februar 1979 - L 16 Kr 134/76 - eine Eintrittspflicht der Krankenkasse nach § 184 RVO nur dann nicht bestehe, wenn der Versicherte ausschließlich zur Gewährung der sogenannten Grundpflege untergebracht sei; bei Frau B. sei aber, wie sich aus den ärztlichen Befunden ergebe, eine stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig gewesen. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, weil nach den vom Kläger eingereichten ärztlichen Bescheinigungen eine Krankenhausbehandlung nicht erforderlich gewesen sei.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger auf Vorhalt des Gerichts die späte Klageerhebung damit gerechtfertigt, daß angesichts der Vielzahl der nach Inkrafttreten des Leistungsverbesserungsgesetzes (KLVG) vom 19. Dezember 1973 (BGBl I, 1925) am 1. Januar 1974 zu überprüfenden Einzelfälle (ca. 9000) weder er noch die örtlichen Sozialhilfeträger in der Lage gewesen seien, jeden Einzelfall kurzfristig an die zuständige Kasse heranzutragen und im Falle der Ablehnung entsprechende gerichtliche Schritte einzuleiten; hinzu komme, daß auch das Präsidium des SG darum gebeten habe, wegen Überlastung der zuständigen Kammer Klagen nur in denjenigen Fällen zu erheben, in denen der Eintritt der Verjährung drohe. Die Beklagte hat eingewandt, daß nach § 1539 RVO der erhobene Ersatzanspruch für alle Leistungen verwirkt sei, die der Kläger vor dem 21. Oktober 1975 (6 Monate vor der ersten Geltendmachung am 21. April 1976) erbracht habe. Eine Anfrage des Gerichts beantwortete sie dahingehend, daß ihr nicht bekannt sei, warum der Kläger die Forderung erst 3 Jahre nach dem Tode der Versicherten (gerichtlich) geltend gemacht habe.
Das LSG hat die Berufung des Klägers aus folgenden Gründen zurückgewiesen: Der mit Schreiben vom 14./21. April 1976 geltend gemachte Ersatzanspruch sei ausdrücklich auf die "bisher vom überörtlichen Träger der Sozialhilfe gewährten Leistungen" bezogen. Für den nach Zugang der ablehnenden Entscheidung der Beklagten beginnenden zweiten Unterbringungszeitraum fehle es daher an einer Geltendmachung des Ersatzanspruchs innerhalb der Frist des § 1539 RVO. Einem Ersatzanspruch für diese Zeit stehe im übrigen entgegen, daß der Kläger mit seinem Schreiben vom 14. April 1976 für die Versicherte nach § 1538 RVO den Leistungsantrag gestellt, die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 21. April 1976 jedoch nicht angefochten habe. Hinsichtlich der dieser Entscheidung vorausgegangenen Unterbringungszeit sei der Ersatzanspruch verwirkt. Wegen der vollständigen Untätigkeit des Klägers bis zur Klageerhebung, auch nach dem Tode der Versicherten, habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, daß sie in diesem Falle vom Kläger nicht mehr in Anspruch genommen werde.
Dagegen hat der Kläger Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung der §§ 1531, 1538, 1539 RVO und der §§ 43, 45 des Sozialgesetzbuches -Allgemeiner Teil- (SGB I) sowie eine unrichtige Anwendung des Rechtsinstituts der Verwirkung: Das angefochtene Urteil gehe zu Unrecht davon aus, daß er auch die Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten nach § 1538 RVO beantragt habe. Das LSG habe insoweit den Antrag vom 14. April 1976 willkürlich ausgelegt. Allen Beteiligten sei klar gewesen, daß der Kläger die Kosten der Unterbringung habe vorlegen müssen und er insoweit Kostenersatz begehre (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-). Soweit das LSG eine Verwirkung des Ersatzanspruches annehme, berücksichtige es nicht die besonderen Verhältnisse zwischen den Beteiligten. Das KLVG habe in vielen (Unterbringungs-)Fällen die Leistungspflicht der Krankenkassen neu begründet. Die Sozialhilfeträger seien zu einer raschen Abwicklung der ihnen dadurch zugewachsenen Ersatzansprüche nicht in der Lage gewesen. Diese Situation, die eine umstrittene Auslegung des § 216 RVO noch schwieriger gemacht habe, sei den Krankenkassen bekannt gewesen. Zur Vermeidung von Klagen habe der Kläger mit den Krankenkassen des Rheinlands Verhandlungen geführt, um diese zu veranlassen, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Die Kassen seien sich also wohl darüber klar gewesen, daß alle geltend gemachten Ersatzansprüche aufrechterhalten blieben und - vorbehaltlich einer anderen Regelung, etwa der einer Vereinbarung - innerhalb der Verjährungsfrist von 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres weiterverfolgt würden. Den Kassen dürfte auch die Bitte des Präsidiums des SG bekannt gewesen sein. Entgegen der dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Auffassung ergebe sich aus den Materialien zu § 45 SGB I, daß im Interesse der Überschaubarkeit öffentlicher Haushalte die Geltendmachung von Leistungen innerhalb der 4-Jahresfrist ausreiche. Innerhalb der Verjährungsfrist könne somit regelmäßig eine Verwirkung nicht eintreten (vgl Grüner, Komm zum SGB, Anm 5 zu § 45 SGB I).
Der Kläger beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Oktober 1981 und des Sozialgerichts Köln vom 13. April 1981 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger für die stationäre Behandlung von Frau B. in der Zeit vom 1. Januar 1975 bis zum 2. Oktober 1976 entstandenen Kosten im gesetzlichen Rahmen zu erstatten, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf das Berufungsurteil und schließt sich der Auffassung des LSG an.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung der Streitsache an die Vorinstanz. Soweit das angefochtene Urteil auf der Annahme beruht, der mit der Klage erhobene Ersatzanspruch sei erst nach Ablauf der in §§1539 RVO gesetzten Ausschlußfrist, also verspätet geltend gemacht worden (für die Unterstützungszeit ab Mai 1976), entspricht es nicht der Sach- und Rechtslage. Soweit im übrigen der Ersatzanspruch als verwirkt angesehen wird, reichen die Tatsachenfeststellungen für eine abschließende Beurteilung nicht aus.
Entgegen der Auffassung des LSG ist davon auszugehen, daß der Kläger mit dem am 21. April 1976 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 14. April 1976 nicht nur Ersatz seiner Aufwendungen für die Unterbringung von Frau B. bis zu diesem Zeitpunkt beanspruchte, sondern auch Ersatz seiner Aufwendungen für die weitere Unterbringungszeit. Die Geltendmachung eines Ersatzanspruches nach § 1531 RVO kann sich auf künftige, zur Zeit der Anmeldung noch ungewisse, Unterstützungsleistungen beziehen; der Ersatzanspruch ist auch dann nach § 1539 RVO fristgerecht geltend gemacht, wenn er schon während des Unterstützungsbezuges angemeldet wird (BSGE 21, 157; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: 15. Juni 1982, Seite 972d unter VI.1.). Zwar hat das LSG den Antrag vom 14. April 1976 in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dahin ausgelegt, daß der Kläger für die zukünftige Zeit die Feststellung der Kassenleistungen nach § 1538 RVO betreiben wollte. Die Bitte des Klägers, der von ihm unterstützten Patientin ab sofort die Kostenübernahme zuzusichern, war auf Anerkennung des Anspruchs auf Krankenhauspflege gerichtet. Daraus ergibt sich jedoch nicht, daß sich der ebenfalls erhobene Ersatzanspruch auf die abgelaufene Zeit beschränken sollte. Die vom LSG in diesem eingeschränkten Sinne vorgenommene Auslegung wird nicht den bei der Auslegung von Willenserklärungen zu beachtenden Rechtsgrundsätzen gerecht.
Auch im öffentlichen Recht hielt der Grundsatz, daß bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist (§ 133 BGB; vgl Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl, Seite 173). Allerdings kommt es nur auf den erklärten Willen, mithin darauf an, was als Wille für den Erklärungsgegner erkennbar geworden ist und wie dieser die Erklärung nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung verstehen mußte (Palandt, BGB, Komm, 41. Aufl, Anm 4 zu § 133). Entscheidend ist, wie die Erklärung unter Berücksichtigung aller Begleitumstände, insbesondere des Gesamtverhaltens der Parteien und der von ihnen verfolgten Zwecke redlicherweise zu verstehen ist (Palandt aaO Anm 5 zu § 133). Der Kläger verwandte für seinen Antrag einen Vordruck, in den jeweils die persönlichen Angaben über die betreffende unterstützte Person einzufügen waren. Im vorliegenden Fall wurde eingetragen, Frau B. "befindet sich seit 10.9.1965" im Landeskrankenhaus. Die Beklagte mußte danach erkennen, daß es sich um einen laufenden Unterstützungsfall handelte. Etwas anderes ergab sich auch nicht daraus, daß sich Frau B. vorübergehend zur Uterusexstirpation im St. A.-Hospital in K. aufhielt. Die über 10 Jahre fortwährende Unterbringung im Landeskrankenhaus erfuhr durch die operative Behandlung nur eine kurze Unterbrechung. Die Beklagte mußte sich darüber hinaus im klaren sein, daß der Kläger, solange sie selbst ihre Leistungsverpflichtung verneinte, weiterhin die Kosten der Unterbringung zu tragen hatte. Dann aber sprachen alle Umstände dafür, daß sich der erhobene Ersatzanspruch auch auf diese Unterstützungszeit erstrecken sollte. Es ist kein Grund ersichtlich, der den Kläger hätte veranlassen können, seinen Ersatzanspruch auf die im Zeitpunkt der Geltendmachung abgelaufene Zeit zu beschränken. Das Berufungsgericht mißt dem vorgedruckten Text in dem vom Kläger verwendeten Formblatt (Ersatzanspruch ..."wegen der bisher ... gewährten Leistungen") eine Bedeutung zu, die ihm in Anbetracht der Gegebenheiten des besonderen Falles nicht zukommt. Verlangt ein Sozialhilfeträger während einer laufenden Unterstützungsgewährung, daß die Krankenkasse die Leistung übernimmt und die bisherigen Aufwendungen ersetzt, so wird der Zusammenhang dieser Forderungen in der Regel nur den Schluß zulassen, daß sich die Ersatzforderung auf die Zeit bis zur Übernahme der Leistung durch die Krankenkasse erstreckt. Der Ersatzanspruch nach § 1531 RVO ist dann nicht auf die Unterstützungszeit bis zur Stellung des Feststellungsantrages nach § 1538 RVO beschränkt, vielmehr bezieht er sich auf die Zeit bis zur Übernahme der Leistung durch die Krankenkasse. Der ersatzberechtigte Sozialhilfeträger kann sowohl von der Möglichkeit des § 1531 RVO als auch von der Möglichkeit des § 1538 RVO, aber auch, wie im vorliegenden Fall, von beiden Möglichkeiten Gebrauch machen (BSGE 16, 44, 46 f; SozR Nr 1 zu § 56 SGG; Brackmann aaO Seite 972k, i).
Die fristgerechte Geltendmachung des Ersatzanspruchs erfuhr auch nicht dadurch eine Begrenzung auf die bis dahin bereits abgelaufene Unterstützungszeit, daß die Beklagte dem (örtlichen) Sozialhilfeträger gegenüber mit Schreiben vom 21. April 1976 die Übernahme der Kosten für den Aufenthalt im Landeskrankenhaus B.-H. ablehnte. Soweit damit die Ersatzforderung des Sozialhilfeträgers nach § 1531 RVO zurückgewiesen wird, handelt es sich lediglich um eine Mitteilung, die die Rechte des Klägers aus der fristgerechten Anmeldung des Ersatzanspruches nicht beeinträchtigt. Soweit das Schreiben eine ablehnende Entscheidung im Feststellungsverfahren nach § 1538 RVO enthält, beschränkt sich die unmittelbare Bindungswirkung auf die Ablehnung der beantragten Versicherungsleistung, hier also auf die Ablehnung der Krankenhauspflege nach § 184 RVO (vgl BSGE 24, 155; SozR Nr 24 und Nr 26 zu § 1531 RVO). Die Entscheidung nach § 1538 RVO kann zwar, worauf das LSG ua abstellt, für den Ersatzanspruch nach § 1531 RVO insofern von Bedeutung sein, als sie die wesentliche Vorfrage des Ersatzanspruches, ob dem Versicherten ein Anspruch auf die Versicherungsleistung zusteht, zum Gegenstand hat (vgl Brackmann aaO Seite 972m). Ein Anspruch des Versicherten kann aber bei Prüfung des Ersatzanspruches nach § 1531 RVO nur dann aufgrund einer Entscheidung im Feststellungsverfahren als ausgeschlossen angesehen werden, wenn diese Entscheidung sowohl gegenüber dem Sozialhilfeträger als auch gegenüber dem Versicherten rechtsverbindlich geworden ist. Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, denn weder dem Berufungsurteil noch den Aktenunterlagen der Beteiligten ist zu entnehmen, daß auch Frau B. bzw ihr gesetzlicher Vertreter am Feststellungsverfahren beteiligt war und die ablehnende Entscheidung erhalten hat.
Der umstrittene Ersatzanspruch kann jedoch deshalb ausgeschlossen sein, weil er erst mit der Klage vom 13. Oktober 1979 weiterverfolgt worden ist. Zwischen den Beteiligten bestehen keine Meinungsverschiedenheiten darüber, daß eine Verjährung noch nicht eingetreten war (vgl Urteil des Senats vom 19. Dezember 1978 - 3 RK 10/78 - KVRS 2130/12; § 45 Abs 1, Art II §§ 17, 23 SGB I; § 223 Abs 1 RVO idF vor Inkrafttreten des SGB I am 1. Januar 1976; für die Zeit ab 1. Juli 1983 § 113 SGB X). Eine Verwirkung des Anspruchs, die das LSG angenommen hat, muß allerdings in Anbetracht der besonderen Umstände des vorliegenden Falles in Erwägung gezogen werden.
Die Verwirkung, ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung, setzt voraus, daß der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während einer längeren Zeit unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts als einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) erscheinen lassen (BSGE 7, 199; 34, 211; 41, 275, 278; 47, 194, 196; 50, 227, 230; BVerwGE 44, 339, 343; BGHZ 67, 56, 68). Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, daß dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut und sich darauf eingerichtet hat (BSGE 47, 194, 196 mwN; BGHZ 67, 56, 68; Palandt aaO Anm 9d zu § 242). Maßgeblich für die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme ist das tatsächliche Vertrauen (Roth in Münchener Komm zum BGB, 1979, RdNr 340 zu § 242).
Soweit das LSG eine Verwirkung des vom Kläger erhobenen Ersatzanspruchs angenommen hat, stützt es seine Entscheidung im wesentlichen darauf, daß der Kläger nach Erlaß der ablehnenden Mitteilung der Beklagten vom 21. April 1976 untätig geblieben ist und erst 3 Jahre und 2 Monate nach dem Tode der Versicherten den Ersatzanspruch gerichtlich geltend gemacht hat. Dieses außergewöhnliche Verhalten ist sicher ein Umstand, der an eine Verwirkung des Anspruchs denken läßt. Die Möglichkeit einer Verwirkung scheidet auch nicht deshalb aus, weil der erhobene Ersatzanspruch nach § 1531 RVO gemäß § 1539 RVO innerhalb einer relativ kurzen Ausschlußfrist von 6 Monaten anzumelden war (vgl hierzu Soergel, Komm zum BGB, Bd 2, 10. Aufl, RdNr 290 zu § 242; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl, § 36 IIIe Seite 266). Diese Ausschlußfrist bezieht sich nur auf ein Geltendmachen des Ersatzanspruches im Sinn von Vorbringen, Anführen und Behaupten (BSGE 21, 157, 159). § 1539 RVO zwingt also nicht dazu, den Ersatzanspruch auch innerhalb dieser kurzen Frist weiterzuverfolgen. Es kann sich so auch nach fristgerechter Anmeldung des Ersatzanspruches die Möglichkeit ergeben, daß erst die Untätigkeit des Berechtigten während einer längeren Zeit unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände die Inanspruchnahme des Verpflichteten unzumutbar macht. Ferner schließen auch die im vorliegenden Fall in Betracht kommenden Verjährungsregelungen eine Verwirkung vor Ablauf der Verjährungsfrist nicht aus (vgl Wolff/Bachof aaO).
Das LSG hat jedoch bei seiner Entscheidung nicht alle Umstände berücksichtigt, die im vorliegenden Fall für die Frage, ob der erhobene Ersatzanspruch verwirkt ist, von Bedeutung sein können. Der Kläger hat bereits im Berufungsverfahren vorgebracht, daß angesichts der Vielzahl der nach Inkrafttreten des KLVG zu überprüfenden Einzelfälle die zuständigen Sozialhilfeträger nicht in der Lage gewesen seien, alle Ersatzansprüche kurzfristig gerichtlich geltend zu machen und daß auch das Präsidium des im vorliegenden Fall zuständigen SG darum gebeten habe, nicht in allen Fällen sofort Klage zu erheben. Außerdem sollen zwischen dem Kläger und den Krankenkassen des Rheinlandes Verhandlungen mit dem Ziel geführt worden sein, einen Verzicht auf die Verjährungseinrede zu erreichen. Schließlich hat sich der Kläger auf die Entscheidungen des Senats vom 10. Oktober 1978 - 3 RK 81/77 - und des Berufungsgerichts vom 22. Februar 1979 - L 16 Kr 134/76 - berufen, die erst eine Klärung der umstrittenen Rechtsfragen gebracht hätten. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß der Beklagten die Schwierigkeiten des Klägers, die Ersatzansprüche zeitgerecht gerichtlich geltend zu machen, bekannt waren und deshalb vor Ablauf der Verjährungsfrist noch mit einer Inanspruchnahme rechnen mußte. Die Beklagte hat, soweit ersichtlich, bisher auch nichts Gegenteiliges behauptet. Die Stellungnahme der Beklagten im Berufungsverfahren, ihr sei nicht bekannt, warum der Kläger die Forderung erst 3 Jahre nach dem Tode der Versicherten (gerichtlich) geltend gemacht habe, läßt nicht den Schluß zu, sie habe tatsächlich darauf vertraut und sich darauf eingerichtet, daß sie wegen dieses Unterstützungsfalles nicht mehr in Anspruch genommen werde. Sollte der Kläger tatsächlich mit den Krankenkassen des Rheinlands Verhandlungen über den Verzicht auf die Verjährungseinrede in allen gleichgelagerten Fällen geführt haben, dann läge es nahe, daß die Krankenkassen jedenfalls noch bis zum Ablauf der Verjährungsfrist mit einer gerichtlichen Geltendmachung der fristgerecht angemeldeten Ersatzansprüche rechnen mußten. Die Beklagte selbst macht eine Verwirkung nur unter Berufung auf die Ausschlußfrist des § 1539 RVO für die Zeit vor dem 21. Oktober 1975 geltend. Sie berücksichtigt dabei jedoch nicht, daß zu diesem Zeitpunkt die Sozialhilfeunterstützung anläßlich der Unterbringung von Frau B. im Landeskrankenhaus B.-H. noch nicht abgelaufen war.
Da es dem Senat verwehrt ist, die fehlenden Tatsachenfeststellungen selbst zu treffen, muß die Streitsache an das LSG zurückverwiesen werden.
Dem LSG bleibt auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens vorbehalten.
Fundstellen