Orientierungssatz

Bei tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Beschäftigten desselben Unternehmens auf der Betriebsstätte oder - wie hier - der betrieblichen Tätigkeit zuzurechnenden betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ist der für den Versicherungsschutz nach RVO § 548 erforderliche innere Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der versicherten Tätigkeit nicht ohne weiteres ausgeschlossen, weil eine persönliche Willensentscheidung zu dem Streit geführt hat. Der innere Zusammenhang in dem angeführten Sinn ist bei tätlichen  Streitigkeiten auf der Betriebsstätte nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zu bejahen, wenn der Streit unmittelbar aus der Betriebsarbeit erwachsen ist.

 

Normenkette

RVO § 548 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 12. September 1974 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 28. Juni 1973 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger ist bei der Firma D. B T GmbH in S als Kundendienst-Meister beschäftigt. Der Betrieb veranstaltete jährlich eine Weihnachtsfeier, einen ganztägigen Betriebsausflug und - als Abschluß der Verkaufssaison jeweils im Herbst - ein Wurstessen; ferner fanden in unregelmäßigen Abständen Kegelabende und Spanferkelessen statt. Diese Veranstaltungen wurden nach Besprechung mit dem Geschäftsführer der Firma, Dr. v. H, und den Mitgliedern des Betriebsrates von dem Angestellten I organisiert, der bis zum Jahre 1966 selbst dem Betriebsrat angehörte. Nachdem die Mitglieder des Betriebsrates im Mai 1967 ihre Ämter niedergelegt hatten, wurden die Veranstaltungen von dem Angestellten I im Einvernehmen mit dem Geschäftsführer Dr. v. H festgelegt und durchgeführt. Ein Teil der Unkosten der Weihnachtsfeiern, Betriebsausflüge und Wurstessen wurde aus einer Nebenkasse bestritten, die mit Billigung des Geschäftsführers der Angestellte I führte. In diese Kasse kamen im wesentlichen Erlöse aus dem Verkauf ausgesonderter Maschinenteile. Am Freitag, den 29. November 1968, fand wieder ein Wurstessen statt. Das Essen, das um 17,30 Uhr begann und an dem auch der Geschäftsführer Dr. v. H bis gegen 23,30 Uhr teilnahm, wurde in einem Nebenraum der Gaststätte P eingenommen. Die während des Essens und danach in diesem Raum genossenen Getränke wurden aus der von dem Angestellten I geführten Nebenkasse und aus Geldmitteln des Betriebes beglichen, die der Geschäftsführer Dr. v. H zur Verfügung gestellt hatte.

Etwa um 22,30 Uhr hielten sich der Kläger sowie der Vorarbeiter K und der Spritzer S in der Herrentoilette der Gastwirtschaft auf. K und S warfen dem Kläger vor, er mische sich im Betrieb in ihre Arbeit, die ihn nichts angehe, ein und schwärze sie - und auch andere Betriebsangehörige - bei der Geschäftsführung an. Der Kläger bestritt dies und äußerte: "Laßt mich hinaus, Ihr aus der Werkstatt haltet zusammen". Dabei drückte er S und K mit beiden Armen zur Seite, um zum Ausgang zu gelangen. S fiel infolge der Armbewegungen des Klägers zu Boden. Der Kläger entfernte sich. S und K folgten ihm auf den Gang zum Schankraum, wo ein Handgemenge entstand, aus dem sich der Kläger befreite und in den Schrankraum lief. Dort entwickelte sich zwischen dem Kläger, K und S sowie zwei weiteren Betriebsangehörigen, die dem Kläger zu Hilfe gekommen waren, erneut ein Handgemenge, in dessen Verlauf der Kläger mit dem Ruf "au, mein Bein" auf den Boden fiel. Der Kläger erlitt u.a. einen Unterschenkelbruch rechts. Er war bis zum 31. Mai 1969 arbeitsunfähig krank und bezog von der Beigeladenen bis zu diesem Tage Barleistungen (Hausgeld und Krankengeld). Oberarzt Dr. H vom F.-stift H bewertete die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers nach dessen ambulanter Untersuchung in dem Gutachten vom 19. Januar 1974 für die Zeit vom 1. Juni 1969 bis 20. November 1970 mit 30 v.H. und ab 21. November 1970 mit 20 v.H.. K und S wurden durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 7. Oktober 1969 (46 Ds 132/69) von der Anklage der gemeinschaftlichen Körperverletzung des Klägers freigesprochen; es sei lediglich festzustellen, daß zwischen beiden und dem Kläger nur eine Schubserei stattgefunden habe, die aber zu feststellbaren erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen des Klägers nicht geführt habe; es sei nicht feststellbar, wie es anschließend zu den Verletzungen des Klägers gekommen sei.

Die Beklagte lehnte es durch Bescheid vom 15. Dezember 1970 ab, den Kläger aus Anlaß des Ereignisses am 29. November 1968 zu entschädigen: Zwischen der betrieblichen Tätigkeit des Klägers und der Auseinandersetzung habe kein innerer Zusammenhang bestanden. Das Motiv für die tätliche Auseinandersetzung sei allein in persönlich bedingten Spannungen begründet gewesen. Der Streit sei somit der privaten, unversicherten Lebenssphäre der Beteiligten zuzurechnen.

Der Kläger hat Klage erhoben.

Das Sozialgericht (SG) Hannover hat durch Urteil vom 28. Juni 1973 den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 1970 aufgehoben und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger für die Folgen seines Arbeitsunfalls vom 29. November 1968 Entschädigung nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu gewähren. In den Entscheidungsgründen heißt es, bei dem Wurstessen habe es sich um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt; die Ursache der tätlichen Auseinandersetzung, in deren Folge sich der Kläger verletzt habe, seien betriebsbedingte Spannungen gewesen.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt.

Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 12. September 1974 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung u.a. ausgeführt: Mit dem SG sei es der Auffassung, daß es sich bei dem Wurstessen um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt habe (vgl. BSG Urteil vom 12. März 1974 - 2, 8 RU 101/73). Es sei aber der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall des Klägers nicht gegeben. Bei Streitigkeiten von Betriebsangehörigen seien für die Beurteilung des Versicherungsschutzes in der Regel die Beweggründe entscheidend, die den Angreifer in seinem Vorgehen bestimmt hätten (BSG SozR Nr. 11 zu § 548 RVO). Da bei einer Streitigkeit unter mehreren Personen eines Betriebes, wie sie hier im Schankraum der Gastwirtschaft zur Zeit der Verletzung des Klägers stattfand, vielfach derjenige, der die Verletzung verursacht habe, nicht ermittelt werden könne, genüge in diesen Fällen die Feststellung, daß betriebliche Vorgänge die wesentliche Ursache des Streites überhaupt gewesen seien. Das sei hier nicht der Fall. Die Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und den Zeugen K und S habe sich im besonderen an dem Vorwurf des Zeugen K entzündet, der Kläger schwärze Betriebsangehörige bei der Geschäftsleitung an, und er mische sich in die Arbeit anderer ein. Der erste Vorwurf betreffe eine charakterliche Eigenschaft des Klägers (Schwatzhaftigkeit, um sich selbst ins bessere Licht zu rücken) und habe mit seiner versicherten Tätigkeit nichts zu tun. Mit der weiteren Bemerkung, der Kläger mische sich in die Arbeit anderer ein, habe der Zeuge ganz allgemein das Verhalten des Klägers gegenüber den anderen Beschäftigten im Betrieb kritisiert. Einen konkreten betrieblichen Vorgang, an dem er selbst beteiligt gewesen sei, habe er nicht genannt. Das werde vom Kläger auch nicht behauptet. Streitigkeiten von Angehörigen eines Betriebes, denen kein konkreter betrieblicher Vorgang zugrunde liege, beruhten im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung in der Regel nicht auf der betrieblichen Beschäftigung, sondern auf persönlichen Spannungen. Das komme im vorliegenden Fall dadurch zum Ausdruck, daß der Zeuge K die Vorwürfe anläßlich des Besuches der Herrentoilette während einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung erhoben habe, offenbar die Gelegenheit des Zusammentreffens mit dem Kläger wahrgenommen habe, um letzterem einmal, weil ihm sein allgemeines Verhalten gegenüber Betriebsangehörigen mißfalle, seine Meinung zu sagen.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt und ausgeführt: Das LSG meine, der Zeuge K habe keinen konkreten betrieblichen Vorgang angegeben, an dem er selbst beteiligt gewesen sei. Das LSG habe jedoch die Vernehmung der Zeugen K und S auf die Frage beschränkt, ob eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vorgelegen habe. Beide Zeugen hätten jedoch betriebsinterne Angelegenheiten als ausschließlichen Anlaß für die Auseinandersetzung angeführt und auch einen konkreten Anlaß nennen können. Aufgrund der noch durchzuführenden Sachaufklärung hätte das LSG feststellen müssen, daß die Zeugen dem Kläger vorgeworfen hätten, er mische sich in ihre Angelegenheiten ein und schwärze sie beim Geschäftsführer an.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 12. September 1974 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 28. Juni 1973 zurückzuweisen;

hilfsweise, die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Die Beigeladene schließt sich den Anträgen des Klägers an.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie führt aus: Im Vordergrund der Auseinandersetzung hätten persönliche Spannungen und nicht die Zugehörigkeit zum Betrieb gestanden. Man sei über den Kläger wegen seines Verhaltens im Betrieb, aber eben doch gegen ihn persönlich wegen seiner persönlichen Eigenschaften verärgert gewesen.

II.

Die zulässige Revision ist begründet.

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger beim Wurstessen an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung teilgenommen und dabei unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden hat.

Bereits das Reichsversicherungsamt (RVA) hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, eine Festlichkeit gehöre zur betrieblichen Gemeinschaftsarbeit und die Teilnahme an ihr stehe der Betriebstätigkeit gleich, wenn und solange die Festlichkeit von der Autorität des Unternehmers oder seines Stellvertreters getragen ist und sich in einer Weise vollzieht, welche die betriebliche Gemeinschaft fördert (vgl. RVA AN 13, 636; 35, 340; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-8. Aufl., S. 482 o I). Das Bundessozialgericht (BSG) vertritt, wie die Beteiligten nicht verkennen, die Grundsätze des RVA mit Zustimmung des Schrifttums ebenfalls in ständiger Rechtsprechung (vgl. u.a. BSG 1, 179, 182; 17, 280, 281; Brackmann aaO mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., § 548 Anm. 38-41).

Eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung muß entweder vom Betriebsleiter selbst veranstaltet oder von ihm gebilligt und gefördert werden; sie muß bei der Planung und Durchführung von der Autorität des Betriebsleiters getragen werden (BSG 1, 179, 183). Eine Veranstaltung ist dann von der Autorität des Unternehmers getragen, wenn der Veranstalter dabei nicht oder nicht nur aus eigenem Antrieb und freier Entschließung, sondern im Einvernehmen mit dem Unternehmer und für diesen oder die Betriebsvertretung handelt (BSG SozR Nr. 66 zu § 542 RVO aF). Der Unternehmer muß nicht unbedingt selbst als Veranstalter auftreten. Er kann sowohl die Durchführung einer auf seine Initiative zurückgehende Gemeinschaftsveranstaltung einer anderen Person oder einer Personengruppe übertragen als auch sich damit einverstanden erklären, daß eine von anderer Seite geplante Veranstaltung als Gemeinschaftsveranstaltung des Betriebes durchgeführt wird (BSG 7, 249, 251). Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ging das Wurstessen jedenfalls mit auf die Initiative des Unternehmers zurück. Die - mindestens erforderliche - Billigung einer von anderer Seite geplanten Veranstaltung durch den Unternehmer muß sich allerdings nicht nur auf die wegen der Durchführung einer Veranstaltung erforderlichen betrieblichen Änderungen (z.B. der Arbeitszeiteinteilung, der Benutzung von Betriebsräumen), sondern auch auf die Durchführung als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung erstrecken (BSG SozR Nr. 66 zu § 542 RVO aF; BSG Urteil vom 12. März 1974 - 2/8 RU 101/73). Eine Billigung als Gemeinschaftsveranstaltung ist nicht allein darin zu sehen, daß der Unternehmer, der Geschäftsführer oder andere leitende Angehörige des Unternehmens an dem Wurstessen teilgenommen haben. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat der mit der Planung des Wurstessens beauftragte Betriebsangehörige jedoch den Geschäftsführer nicht nur über eine von den Betriebsangehörigen geplante Veranstaltung unterrichtet, sondern das Wurstessen im Einvernehmen mit dem Geschäftsführer festgelegt und durchgeführt. Das LSG hat gestützt auf die Bekundungen des Geschäftsführers deshalb mit Recht angenommen, dieser habe das Wurstessen als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gebilligt.

Entgegen der Ansicht des LSG ist jedoch auch der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit gegeben.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts war das Unfallereignis, durch das sich der Kläger u.a. einen Unterschenkelbruch zuzog, die Folge einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und den Zeugen K und S, wobei es dahinstehen kann, wodurch im einzelnen die Verletzung des Klägers verursacht worden ist. Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich hierbei um einen Arbeitsunfall im Sinne des § 548 RVO handelt, ist in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, daß bei tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Beschäftigten desselben Unternehmens auf der Betriebsstätte der für den Versicherungsschutz nach der angeführten Vorschrift erforderliche innere Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der versicherten Tätigkeit nicht ohne weiteres ausgeschlossen ist, weil eine persönliche Willensentschließung zu dem Streit geführt hat. Der innere Zusammenhang in dem angeführten Sinne ist bei tätlichen Streitigkeiten auf der Betriebsstätte nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zu bejahen, wenn der Streit unmittelbar aus der Betriebsarbeit erwachsen ist (BSG 6, 164, 167; 13, 290, 291; 18, 106, 108; BSG SozR Nr. 44 zu § 542 RVO aF und Nr. 11 zu § 548 RVO; Brackmann aaO S. 484 u; Lauterbach aaO § 548 Anm. 60 - jeweils mit weiteren Nachweisen). Gleiches gilt, wenn der Streit auf einer der versicherten Tätigkeit gleichgestellten Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung unmittelbar aus der Betriebstätigkeit erwachsen ist. Für die Frage, ob und unter welchen Umständen diese Voraussetzungen im Einzelfall gegeben sind, sind in der Regel die Beweggründe entscheidend, die den Angreifer zu seinem Vorgehen bestimmt haben. Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist nicht zu entnehmen, ob der Kläger oder die Zeugen K und S im Schankraum das Handgemenge wieder begonnen haben. Das Berufungsgericht hat jedoch festgestellt, daß sich die Auseinandersetzung für alle Beteiligten an den Vorwürfen entzündete, der Kläger habe Betriebsangehörige bei der Betriebsleitung angeschwärzt und mische sich in die Arbeit anderer ein. Diese Vorgänge bestimmten deshalb die Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Kläger verletzt wurde.

Die Meldung von Betriebsangehörigen bei der Betriebsleitung und das Einmischen des Klägers als Kundendienst-Meister in die Arbeiten anderer Betriebsangehöriger waren betriebliche Angelegenheiten. Die Zeugen K und S nannten nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG zwar keine Namen der betroffenen Personen und auch keine Beispiele dafür, wo und wie der Kläger sich in die Arbeit eingemischt und Betriebsangehörige gemeldet habe. Dies rechtfertigt entgegen der Auffassung des LSG keine andere rechtliche Beurteilung. Entscheidend ist, daß dem Kläger nicht ein allgemein ungehöriges Verhalten gegenüber seinen Arbeitskollegen, sondern die Ausübung seiner betrieblichen Tätigkeit in bestimmten Fällen zum Vorwurf gemacht wurde.

Nach der für das Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätsnorm ist allerdings nicht jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele, zugleich auch eine Ursache im Rechtssinne. Hierfür ist vielmehr erforderlich, daß sie wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Entgegen der Auffassung des LSG ist den Vorwürfen gegen den Kläger eine solche Bedeutung für die spätere Auseinandersetzung beizumessen. Gegenstand der Auseinandersetzung bildeten betriebliche Vorgänge, und der unmittelbare Anlaß der Auseinandersetzung wegen dieser Vorgänge war das Zusammentreffen auf der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung. Beide mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängende Umstände bestimmten die den Unfall auslösende Auseinandersetzung so stark, daß sie als wesentliche Bedingung des Unfalls zu werten sind. Dem steht nicht entgegen, daß sich die Auseinandersetzung nicht unmittelbar im Anschluß an die Meldung oder bei der sich daran anschließenden Aussprache mit dem betroffenen Betriebsangehörigen oder unmittelbar bei dem Einmischen des Klägers in die betrieblichen Tätigkeiten anderer Betriebsangehöriger entzündet hat. Entscheidend ist, daß diese betrieblichen Vorgänge weiterhin den Grund und Gegenstand der Auseinandersetzung bildeten und diese sich, wenn auch erst einige Zeit danach, wiederum bei einer betrieblichen Tätigkeit entzündeten. Das LSG stützt seine gegenteilige Auffassung vornehmlich darauf, der - vom Kläger bestrittene - Vorwurf gegen den Kläger, er schwärze andere Betriebsangehörige bei der Geschäftsleitung an, sei eine "charakterliche Eigenschaft" des Klägers, nämlich "Schwatzhaftigkeit, um sich selbst ins bessere Licht zu setzen". Die tatsächlichen Feststellungen des LSG tragen diese abwertende Beurteilung nicht; denn das Berufungsgericht hat überhaupt nicht geprüft, ob und aus welchem Grunde der Kläger Betriebsangehörige der Geschäftsleitung gemeldet hat. Eine Mitteilung in seiner Eigenschaft als mit Beanstandungen besonders konfrontierter Kundendienst-Meister, um Mißstände abzustellen, würde den Vorwurf der "Schwatzhaftigkeit" nicht tragen. Es bedarf jedoch keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen. Wesentlich ist, daß der Kläger wegen betrieblicher Vorgänge zur Rede gestellt wurde. Diese Erwägungen gelten auch für die weiteren Ausführungen des LSG, der Kläger habe sich in die Arbeiten anderer eingemischt. Selbst wenn - was den tatsächlichen Feststellungen des LSG wiederum nicht zu entnehmen ist - dies in nicht angemessenem Umfang geschehen sein sollte, wäre es doch im Rahmen und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit des Klägers geschehen. Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist nicht zu entnehmen, daß wesentlich allein die Person des Klägers ohne Rücksicht auf seine Tätigkeit im Betrieb Anlaß zu der Auseinandersetzung gegeben hat. Dagegen sprechen sowohl die vom LSG festgestellten Vorwürfe der Zeugen K und S gegen den Kläger als auch dessen Antwort, die Angehörigen aus der Werkstatt würden doch zusammenhalten.

Der Unfall des Klägers steht somit im ursächlichen Zusammenhang mit seiner betrieblichen Tätigkeit und ist als Arbeitsunfall zu entschädigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1648007

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge