Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Der Kläger, 1936 geborener jugoslawischer Staatsangehöriger, begehrt Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Er war nach Abschluß einer dreijährigen Lehrzeit von 1962 bis 1969 in seiner Heimat und von Januar 1970 bis Oktober 1972 in der Bundesrepublik Deutschland als Maurer beschäftigt. Dann erkrankte er an Urogenital-Tbc; es wurde eine rechtsseitige Nephrektomie durchgeführt. Seit Dezember 1973, dem Monat der Rentenantragstellung, kann er leichte bis mittelschwere körperliche und einfache geistige Arbeiten in geschlossenen Räumen bei Vermeidung von Kälte- und Nässeeinwirkung vollschichtig verrichten. Im Februar 1977 nahm er eine Beschäftigung als Betriebshandwerker auf.
Das Sozialgericht München (SG) wies die Klage gegen den ablehnenden Rentenbescheid vom 10. September 1974 ab, das Bayerische Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurück: Der Kläger sei für den Maurerberuf nicht mehr einsatzfähig. Gegen die Ansicht der Beklagten, dem Kläger sei wegen der nur 34 Monate dauernden Beschäftigung als Maurer in der Bundesrepublik der Berufsschutz zu versagen, bestünden erhebliche Bedenken. Hierüber bedürfe es aber keiner Entscheidung. Auch wenn man den Berufsschutz annehme, bestehe keine Berufsunfähigkeit. Die Verweisbarkeit auf Beschäftigungen, die ein besonderes Vertrauen oder Verantwortungsbewußtsein erfordern, scheitere nicht an mangelnden Sprachkenntnissen; diese fielen nicht in den Risikobereich des Versicherungsträgers. Zumutbar seien dem Kläger u.a. Tätigkeiten des Lagerfacharbeiters, Handelsfachpackers, Staplerfahrers, Kundendienst- und Montagehelfers sowie Hausmeisters mit handwerklichen Fähigkeiten. Diese Tätigkeiten umfasse die Lohngruppe 4 des vom Kläger vorgelegten Funktionsschlüssels zum Lohngruppenkatalog. Nach den ärztlichen Gutachten sei der Kläger zu einer solchen Tätigkeit auch in der Lage. Auf die Zumutbarkeit der derzeitigen Tätigkeit und die Frage, ob der Kläger diese auf Kosten seiner Gesundheit ausübe, komme es daher nicht an (Urteil vom 27. Juni 1978).
Der Kläger beantragt,die Urteile der Vorinstanzen sowie den Bescheid vom 10. September 1974 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit seit der Antragstellung Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend; nach, ihrer Ansicht hat der Kläger während der nur 34 Monate dauernden Beschäftigung als Maurer in der Bundesrepublik Deutschland keinen Berufsschutz erlangen können.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, daß dem Kläger keine Rente wegen Berufsunfähigkeit zusteht.
Der geltend gemachte Anspruch scheitert allerdings nicht schon am fehlenden Berufsschutz des Klägers, wie die Beklagte meint. Der "bisherige Beruf" (Hauptberuf) war hier der des Maurers. Dabei kann offen bleiben, ob in die Ermittlung und Bewertung die in Jugoslawien absolvierte Ausbildung und die dort zurückgelegten Versicherungszeiten mit einzubeziehen sind, und es braucht nicht näher erörtert zu werden, ob das Urteil des 5. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. November 1978 - 5 RKn 4/77 - (BSGE 47, 183 = SozR 2600 § 45 Nr. 24) Gedanken enthält, die sich auf Anwendungsfälle außerhalb der EWG übertragen lassen jener Sachverhalt betraf zunächst den - innerstaatlichen - Grundsatz, daß sich die Frage der Berufsunfähigkeit nicht nach einer Tätigkeit beurteilen kann, die vor Erfüllung der Wartezeit bereits aufgegeben war; es hieß dort, wenn bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 des Reichsknappschaftsgesetzes - RKG - außer der im deutschen Bergbau zurückgelegten Versicherungszeit gemäß Art 45 Abs. 1 und 2 der EWG-VO 1408/71 vom 14. Juni 1971 auch eine danach in einem anderen EWG-Staat im Bergbau zurückgelegte Versicherungszeit für die Erfüllung der Wartezeit mit einzubeziehen sei, dann müsse auch die während dieser Versicherungszeit ausgeübte bergmännische Tätigkeit bei der Prüfung der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit i.S. von § 45 Abs. 2 RKG mit berücksichtigt werden). Denn als bisheriger Beruf ist die letzte vor der Rentenantragstellung verrichtete versicherungspflichtige Beschäftigung jedenfalls dann zugrunde zu legen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste gewesen ist; dies gilt auch bei nur kurzfristiger Ausübung dieser Beschäftigung oder Tätigkeit, wie der Senat im Urteil vom 29. November 1979 - 4 RJ 111/78 (vgl. S. 6 mit Rechtsprechungsnachweisen) ausgeführt hat. Dort ist weiter dargelegt, daß auch eine ohne die an sich vorgesehene Ausbildung und entsprechende Abschlußprüfung zwar "vollwertig'' aber nur kurzfristig ausgeübte Facharbeitertätigkeit als bisheriger Beruf in Betracht kommen kann, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr hat fortgesetzt werden können; hierfür hat der Senat die Konsequenz des zugrunde liegenden Gedankens angeführt, nicht den Weg zum Beruf, sondern die Qualität des tatsächlich ausgeübten Berufs maßgebend sein zu lassen (a.a.O. S. 8). In diese Gleichstellung sollten auch ausländische Arbeitskräfte einbezogen werden; denn für sie ist ebenfalls die tatsächliche Qualifikation entscheidend, die in aller Regel nicht schon bei der Vermittlung in die Bundesrepublik Deutschland, sondern erst am Arbeitsplatz festgestellt werden kann (a.a.O. unter Hinweis auf Eichner, Holjewilken in BArbBl 1970, 240, 242).
Aus den dargelegten Gründen kommt der vom Kläger im Geltungsbereich der Reichsversicherungsordnung (WO) geleisteten Maurertätigkeit sowie deren Bewertung erhebliche Bedeutung zu. Generell reicht zwar der Qualifikationsnachweis aus dem Heimatland selbst in Verbindung mit der tariflichen Einstufung als Facharbeiter nicht aus, um den "Facharbeiterstatus" annehmen zu können; es ist zu verlangen, daß der Versicherte über die seinen individuellen Arbeitsplatz entsprechende Leistung hinaus die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten mitbringt, die in seiner Berufsgruppe gemeinhin erwartet werden. Hier jedoch hat das LSG unter Hinweis auch auf die dreijährige Lehre und langjährige Berufsausübung in Jugoslawien eine Facharbeitertätigkeit des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland festgestellt, ohne daß insoweit Revisionsgründe von der Beklagten vorgebracht worden sind. Wenn auch das Urteil des Berufungsgerichts keine ausdrücklichen Feststellungen darüber enthält, ob die erlangte berufliche Position des Klägers tatsächlich - wie erforderlich - in voller Breite derjenigen des vergleichbaren Facharbeiters entsprach, der die in der Bundesrepublik Deutschland üblichen Stadien der Ausbildung durchlaufen hat, so sind doch unter den gegebenen Umständen auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die dies in Frage stellen.
Obwohl hiernach dem Kläger der Berufsschutz eines Maurer-Facharbeiters zuzubilligen ist, besteht keine Berufsunfähigkeit. Zwar vermag der Kläger nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG gesundheitsbedingt (da Kälte- und Nässeeinwirkung vermieden werden muß) den Beruf des Maurers nicht mehr - jedenfalls nicht mehr vollschichtig - auszuüben. Er ist indessen (zumindest) auf die vom Berufungsgericht u.a. genannte Tätigkeit eines "Hausmeisters mit handwerklichen Fähigkeiten" im Sinne der Lohngruppe 4 im "Funktionsschlüssel zum Lohngruppenkatalog" des Gehalts- und Lohntarifvertrages für die Arbeitnehmer in den bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels verweisbar. Der Kläger räumt selbst ein, es sei, vom Niveau her betrachtet, grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn das LSG die in Lohngruppe 4 aufgeführten Tätigkeiten als subjektiv zumutbare Verweisungstätigkeiten in Betracht gezogen habe. Der Senat sieht sich zu keiner anderen Beurteilung veranlaßt zumal diese durch die Definition der Lohngruppe 4 ("Arbeiten, die nach einer Anlernzeit mit langjähriger praktischer Tätigkeit und mit umfangreichen Warenkenntnissen oder entsprechender Prüfung ausgeführt werden") gestützt wird, die nächsthöhere Gruppe 5 bereits Facharbeiter erfaßt und auch die niedrigere Lohngruppe 3 nicht nur - wie die Gruppe 2 - Arbeiten umschreibt, die nach kurzer Einarbeit, sondern solche, die "mit einschlägigen Kenntnissen nach einer Anlernzeit" ausgeführt werden.
Zu Unrecht wendet der Kläger ein, es fehle an den objektiven Voraussetzungen der Verweisbarkeit, zumindest an genügenden Feststellungen darüber, welche Anforderungen die ins Auge gefaßten Verweisungstätigkeiten stellten und ob zu deren Verrichtung seine Kräfte und Fähigkeiten ausreichten. Dies trifft jedenfalls für die schon erwähnte Hausmeistertätigkeit nicht zu. Was zunächst die konkrete Bezeichnungspflicht einer Verweisungstätigkeit betrifft, so ist dem Genüge getan, wenn die Tätigkeit - wie hier - im Zusammenhang mit einem Tarifvertrag genannt wird, der Lohngruppendefinitionen enthält. Man muß auch von den Tätigkeitsmerkmalen eines Hausmeisters annehmen, daß dies allgemeinkundige Tatsachen sind; denn es handelt sich hierbei um solche, von denen verständige und erfahrene Menschen ohne weiteres Kenntnis haben (vgl. hierzu Beschluß des Senats vom 31. Oktober 1978 - 4 BJ 179/78 - =SozR 1500 § 128 Nr. 15). Die - soweit ersichtlich - noch nicht abschließend geklärte Frage, ob auch allgemeinkundige Tatsachen vom Gericht in gehöriger Form in den Prozeß eingeführt werden müssen (vgl. § 128 Abs. 2 SGG, genannter Beschluß a.a.O. Seiten 10, 11 mit Nachweisen), bedarf auch hier keiner abschließenden Stellungnahme. Denn die Einführung in das Verfahren ist jedenfalls, für solche allgemeinkundigen Tatsachen entbehrlich, die den Prozeßbeteiligten gegenwärtig sind und von denen diese wissen, daß sie für die Entscheidung erheblich sein können. Das trifft hier zu. Der Kläger hat dem LSG den "Funktionsschlüssel zum Lohngruppenkatalog" vorgelegt, so daß er auch nicht in Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs "überrascht" worden sein kann, wenn die dort genannten Tätigkeiten bei der Urteilsfindung verwertet worden sind. Daß er vom körperlichen Leistungsvermögen her (leichte bis mittelschwere Arbeiten) zur Ausübung einer Hausmeistertätigkeit generell geeignet ist, bedurfte keiner näheren Erörterung des Berufungsgerichts.
Die vom Kläger in den Vordergrund gestellten "Sprachschwierigkeiten" (besser: mangelnden Kenntnisse der deutschen Sprache) stehen der Verweisung auf die Hausmeistertätigkeit nicht entgegen. Bisheriger Beruf und Tätigkeiten, auf die verwiesen werden kann, stehen in einer Wechselwirkung insofern, als von der Qualität des bisherigen Berufs die Zumutbarkeit einer in Betracht gezogenen Verweisungstätigkeit im einzelnen und die Verweisungsbreite generell anhängt (§ 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO). Allerdings muß die ins Auge gefaßte Verweisungstätigkeit auch (objektiv) den "Kräften und Fähigkeiten" des Versicherten entsprechen. Die Behauptung, über derartige Kräfte und Fähigkeiten nicht zu verfügen, ist jedoch dann unbeachtlich, wenn von einem vergleichbaren Versicherten - hier: Maurer-Facharbeiter - eine derartige Eignung gerade erwartet wird. Ein ausländischer Versicherter, dessen "bisheriger Beruf" zur Gruppe der Facharbeiter gehört, kann sich gegenüber der Verweisung auf eine (sozial zumutbare) Tätigkeit nicht auf ungenügende Beherrschung der deutschen Sprache berufen, sofern der vergleichbare deutsche Versicherte die erforderlichen Sprachkenntnisse typischerweise besitzt. Der Maurer-Facharbeiter hat typischerweise keine sprachlichen Schwierigkeiten, den Hausmeisterberuf auszuüben. Demgegenüber vermag der Hinweis des Klägers, man werde einen sprachungewandten Gastarbeiter weder im Kundendienst noch in der Kundenberatung einsetzen können, nicht zu überzeugen; dies schon deswegen nicht, weil auch von einem deutschen Maurer normalerweise nicht ohne weiteres die erforderliche Sprachgewandtheit erwartet werden kann, die zu einer solchen Tätigkeit erforderlich ist. Wollte man der Ansicht des Klägers folgen und die Verweisbarkeit (nur) wegen mangelnder Kenntnisse der deutschen Sprache verneinen, so würde damit dem Versicherungsträger nicht nur ein von der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfaßtes Risiko aufgebürdet, sondern auch eine Ungleichbehandlung von deutschen und ausländischen Versicherten bei gleichem körperlichen und geistigen Leistungsvermögen herbeigeführt. Auch wären dann Fälle denkbar, in denen die deutsche Berufsunfähigkeitsrente einem Versicherten letztlich deshalb gewährt würde, weil dieser die deutsche Sprache nicht oder unzureichend beherrscht. Eine solche Gesetzesauslegung und -anwendung würde dem Sinn und Zweck des § 1246 WO nicht gerecht. Im übrigen erfordert auch die Ausübung der "vollwertigen" Facharbeitertätigkeit im Geltungsbereich der RVO zumindest berufsbezogene Kenntnisse der deutschen Sprache; reichen diese für die Verweisungstätigkeit nicht aus, so wird es doch möglich sein, die erforderlichen Kenntnisse innerhalb weniger Monate zu erwerben.
Der beispielhafte Vergleich mit einem (taub-) stummen Versicherten steht zu der hier vertretenen Ansicht nur scheinbar im Widerspruch. Unterstellt man auch in einem solchen Fall den erlangten "Facharbeiterstatus", so liegt doch der Unterschied darin, daß dann ein nach § 1246 Abs. 2 Satz 1 RVO relevantes Gebrechen (hierzu VRD-Kommentar, Stand: 30. Juni 1979, Anm. 9 zu § 1246 RVO) vorliegt und durch dieses die Verweisbarkeit eingeengt wird. Eine solche Ursache, die zu den in § 1246 Abs. 2 Satz 1 RVO erschöpfend aufgezählten Gründen für die Minderung der Erwerbsfähigkeit gehört, ist stets beachtlich; sie fällt in den Risikobereich der gesetzlichen Rentenversicherung unabhängig davon, ob sie schon zu Beginn des Erwerbslebens "eingebracht" oder erst später erworben worden ist (vgl. hierzu BSGE 25, 227, 230 = SozR Nr. 62 zu § 1246 RVO).
Aus diesen Gründen brauchte das LSG nicht zu prüfen, ob die Behauptung des Klägers zutrifft, wegen seiner mangelnden deutschen Sprachkenntnisse sei er zur Ausübung keiner der genannten Verweisungstätigkeiten in der Lage.
Nach alledem konnte die Revision des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen