Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhaftierung eines Griechen in der DDR keine Ersatzzeit
Leitsatz (amtlich)
Die Zeit einer Inhaftierung in der DDR kann bei einem griechischen Staatsangehörigen nicht als Ersatzzeit berücksichtigt werden.
Orientierungssatz
1. § 28 Abs 1 Nr 5 AVG iVm § 1 Abs 1 HHG erfaßt nur deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige. Der Ausschluß ausländischer Staatsangehöriger widerspricht nicht dem Art 3 Abs 1 GG. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber die in § 28 Abs 1 Nr 5 AVG zum Ausdruck kommende Fürsorge lediglich seinen eigenen Staatsangehörigen und Volkszugehörigen zuteil werden läßt.
2. Die in dem SozSichAbk GRC vereinbarte Gleichstellung der Staatsangehörigen der beiden Vertragsstaaten bezieht sich nicht auf die Vorschriften der Häftlingshilfe.
3. Die Gleichstellungsvorschrift des Art 3 Abs 1 der EWGV 1408/71 kann, obgleich diese nach dem Beitritt Griechenlands zur EG mit Wirkung ab 1.1.1981 Anwendung findet, nicht dazu führen, daß sich die Ersatzzeitenregelung des § 28 Abs 1 Nr 5 AVG auch auf griechische Staatsangehörige erstreckt. Auch nach der EWGV 1408/71 sind für die Anrechnung deutscher Ersatzzeiten ausschließlich die innerstaatlichen deutschen Rechtsvorschriften maßgebend.
4. Die Häftlingshilfe gehört nicht zu den von der EWGV 1408/71 erfaßten Leistungsarten der sozialen Sicherheit.
Normenkette
AVG § 28 Abs 1 Nr 5 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1251 Abs 1 Nr 5 Fassung: 1957-02-23; HHG § 1 Abs 1; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; SozSichAbk GRC Art 2 Fassung: 1961-04-25; SozSichAbk GRC Art 4 Fassung: 1961-04-25; SozSichAbk GRC Art 28 Fassung: 1961-04-25; SozSichAbk GRC Art 32 Fassung: 1961-04-25; EWGV 1408/71 Art 3 Fassung: 1971-06-14; EWGV 1408/71 Art 4 Fassung: 1971-06-14; EWGV 1408/71 Art 89 Fassung: 1971-06-14; EWGV 1408/71 Anh 5 Buchst C Nr 2 Fassung: 1971-06-14; EWGV 1408/71 Art 3 Abs 1 Fassung: 1971-06-14
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 06.10.1978; Aktenzeichen L 1 An 8/78) |
SG Berlin (Entscheidung vom 21.11.1977; Aktenzeichen S 14 An 2044/77) |
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Vormerkung einer Ersatzzeit.
Der im April 1938 geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger. Er war in Berlin (West) beschäftigt. Am 15. Mai 1970 wurde er in der DDR verhaftet und nach dem Strafgesetzbuch der DDR wegen Spionage verurteilt. Am 26. Mai 1976 wurde er aus der Haft entlassen. Der Generalstaatsanwalt bei dem Kammergericht stellte am 30. September 1976 die Unzulässigkeit der Vollstreckung des Urteils fest.
Im September 1976 beantragte der Kläger die Anerkennung der Zeit seiner Inhaftierung als Ersatzzeit. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. November 1976 ab. Den Widerspruch des Klägers wies sie zurück (Widerspruchsbescheid vom 11. August 1977).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21. November 1977). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 6. Oktober 1978) und zur Begründung ausgeführt:
Der Kläger gehöre als ausländischer Staatsangehöriger nicht zu dem durch § 28 Abs 1 Nr 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) in Verbindung mit § 1 des Häftlingshilfegesetzes (HHG) begünstigten Personenkreis. § 1 HHG erfasse bewußt und gewollt nur deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige. Sein Anwendungsbereich könne daher nicht im Wege der Auslegung auf ausländische Staatsangehörige erstreckt werden. Die hierin liegende Beschränkung widerspreche nicht dem Gleichheitssatz (Art 3 des Grundgesetzes -GG-). Es sei dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die staatliche Fürsorge allein den eigenen Staatsangehörigen und Volkszugehörigen zuzuwenden. Die in Art 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über Soziale Sicherheit vom 25. April 1961 (im folgenden: Abkommen) vereinbarte Gleichstellung der Staatsangehörigen beider Staaten beziehe sich nicht auf § 1 HHG. Art 32 des Abkommens hebe vielmehr ausdrücklich hervor, daß sich die Erfüllung des Tatbestandes einer Ersatzzeit nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften einer Vertragspartei richte.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger, das LSG habe bei der Auslegung des § 28 Abs 1 Nr 5 AVG den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt. § 28 AVG sei eine Vorschrift des Sozialversicherungsrechts. Für dieses gelte der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Personen, die am Arbeitsleben teilnehmen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit. Demzufolge müsse die Ausländereigenschaft bei Prüfung der Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Nr 5 AVG unberücksichtigt bleiben. Dies ergebe sich im übrigen auch aus Art 4 des Abkommens. Zweck dieser Vorschrift sei gerade die Beseitigung der Nachteile, die sich aus der Ausländereigenschaft des Arbeitnehmers ergäben. Dieser Zweck gebiete eine Erstreckung der Gleichstellung über § 28 Abs 1 Nr 5 AVG auf § 1 HHG. Dem stehe Art 32 des Abkommens nicht entgegen. Er überlasse es zwar dem einzelnen Vertragsstaat, den Tatbestand einer Ersatzzeit zu definieren und abzugrenzen. Daraus folge aber nicht, daß das innerstaatliche Recht auch insofern maßgebend sei, als es sich nur auf deutsche Staatsangehörige beschränke. Dies widerspreche dem Grundsatz der Gleichstellung der ausländischen Arbeitnehmer im Bereich der Sozialversicherung.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Urteile des
Landessozialgerichts Berlin vom 6. Oktober 1978
und des Sozialgerichts Berlin vom 21. November 1977
sowie des Bescheides vom 2. November 1976 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 1977
zu verurteilen, eine Ersatzzeit nach § 28 Abs 1 Nr 5 AVG
für die Zeit vom 15. Mai 1970 bis 25. Mai 1976
vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 1 HHG auf deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige stelle angesichts des besonders weiten Ermessens des Gesetzgebers im Rahmen der fürsorgerischen Verwaltung eine einleuchtend begründete Differenzierung dar, die nicht gegen Art 3 GG verstoße. Art 4 des Abkommens erlaube insoweit keine Gleichstellung griechischer Staatsangehöriger. Nach Art 2 Abs 1 Nr 1c des Abkommens zählten zu den von der Gleichstellung erfaßten Bestimmungen zwar die der Rentenversicherung, nicht jedoch die der Häftlingshilfe. Art 32 schreibe ausdrücklich vor, daß es nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu beurteilen sei, ob der Tatbestand einer Ersatzzeit erfüllt sei.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger begehrt die Vormerkung einer Ersatzzeit außerhalb eines Leistungsverfahrens. Dieses Begehren ist - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - im Rechtsstreit mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu verfolgen (BSGE 31, 226, 227 ff = SozR Nr 1 zu § 1412 RVO; BSGE 42, 159, 160 = SozR 2200 § 1251 Nr 24 S 64 f).
Rechtsgrundlage des Anspruchs des Klägers ist § 28 Abs 1 Nr 5 AVG. Hiernach werden für die Erfüllung der Wartezeit - und damit zugleich im Falle der Rentengewährung bei der Ermittlung der Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre (§ 35 Abs 1 AVG) - Zeiten des Gewahrsams und einer anschließenden Krankheit oder unverschuldeten Arbeitslosigkeit bei Personen iS des § 1 HHG als Ersatzzeit angerechnet. Nach § 1 Abs 1 HHG erhalten unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen Leistungen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige.
Der Kläger hat als ausländischer Staatsangehöriger keinen Anspruch auf Berücksichtigung der Zeit seiner Inhaftierung in der DDR als Ersatzzeit.
Gemäß der ausdrücklichen Bezugnahme des § 28 Abs 1 Nr 5 AVG auf § 1 HHG können Zeiten im Sinne der erstgenannten Vorschrift nur bei deutschen Staatsangehörigen und deutschen Volkszugehörigen als Ersatzzeiten berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber hat bei der Formulierung der Ersatzzeittatbestände durch das Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) vom 23. Februar 1957 (BGBl I S 88) auf die entsprechenden Begriffe verwiesen, die in anderen Gesetzen bereits definiert sind (BT-Drucks 2/2437, S 71 zu § 1256). Dadurch hat eine Übereinstimmung der Personenkreise in den einzelnen Sozialgesetzen herbeigeführt, eine verschiedenartige Bewertung desselben Tatbestandes vermieden und eine Rechtsvereinfachung erreicht werden sollen (BT-Drucks aaO). Der Kreis der durch das HHG begünstigten Personen ist jedoch stets auf deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige begrenzt worden. Trotz der Entwicklung in der Zeit seit dem Inkrafttreten des Gesetzes in seiner ursprünglichen Fassung vom 6. August 1955 (BGBl I S 498) hat der Gesetzgeber keinen Anlaß gesehen, den Versorgungsschutz des HHG auf Ausländer auszudehnen. Er hat mit dem 3. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des HHG vom 30. Mai 1969 (BGBl I S 451) eine Reihe von Leistungsverbesserungen geschaffen, ohne jedoch Ausländer in den Anwendungsbereich des Gesetzes einzubeziehen. Mit dieser Novelle hat die Häftlingshilfe abschließend geregelt werden sollen (BT-Drucks 5/2877, S 5 zu I). Dies verdeutlicht, daß ausländische Staatsangehörige aus dem Anwendungsbereich des HHG endgültig ausgeschlossen bleiben sollen.
Dieser Ausschluß der ausländischen Staatsangehörigen aus dem Anwendungsbereich des HHG und damit zugleich von der Vergünstigung des § 28 Abs 1 Nr 5 AVG ist nicht verfassungswidrig. Art 3 Abs 3 GG scheidet als Prüfungsmaßstab aus. Zwar führt die Bezugnahme des § 28 Abs 1 Nr 5 AVG auf § 1 HHG zu einer Bevorzugung der deutschen Staatsangehörigen und deutschen Volkszugehörigen gegenüber ausländischen Staatsangehörigen. Die Staatsangehörigkeit gehört jedoch nicht zu den in Art 3 Abs 3 GG aufgezählten Merkmalen, die eine Mindestsicherung gegen Diskriminierungen erreichen sollen (BVerfGE 51, 1, 30 = SozR 2200 § 1315 Nr 5 S 18).
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) ist nicht verletzt. Er verbietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Dabei liegt Willkür vor, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt (seit BVerfGE 1, 14, 52 stRspr; vgl zB BVerfGE 52, 227, 280 f). Innerhalb dieser Grenzen steht dem Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Grundsätzlich unterliegt es seiner Entscheidung, diejenigen Merkmale als Vergleichspaar zu wählen, an denen er Gleichheit oder Ungleichheit der gesetzlichen Regelung orientiert. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt erst dann vor, wenn der Gesetzgeber Übereinstimmungen der zu ordnenden Lebensverhältnisse nicht berücksichtigt, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen (BVerfGE 48, 346, 357 = SozR 2200 § 1268 Nr 11 S 40 mwN). Die weitgehende Gestaltungsfreiheit kommt dem Gesetzgeber auch bei der Bestimmung des Personenkreises zu, auf den eine gesetzliche Regelung Anwendung finden soll. Insbesondere im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit ist diese Bestimmung so lange nicht zu beanstanden, wie für sie vernünftige Gründe bestehen und der Gesetzgeber willkürliche Privilegierungen und Diskriminierungen vermeidet. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt nicht bereits dann vor, wenn der Gesetzgeber unter mehreren Lösungen nicht die "zweckmäßigste", "vernünftigste" oder "gerechteste" gewählt hat (BVerfGE 51, 257, 267 f = SozR 5420 § 3 Nr 8 S 14; BVerfGE 51, 295, 300 f; jeweils mwN).
Bei der Ersatzzeitenregelung des § 28 Abs 1 Nr 5 AVG hat der Gesetzgeber durch Anknüpfung an § 1 HHG nach der Staatsangehörigkeit (bzw Volkszugehörigkeit) des Versicherten differenziert. Er hat damit zugleich unberücksichtigt gelassen, daß auch ausländische Staatsangehörige in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung unter den Voraussetzungen insbesondere des § 2 Abs 1 Nr 1 AVG versicherungspflichtig oder nach § 10 Abs 1 Satz 1 AVG zur freiwilligen Versicherung berechtigt sein können. Der Senat hat nicht darüber zu befinden, ob es zweckmäßig oder gerechter wäre, diesem Umstand auch im Rahmen des § 28 Abs 1 Nr 5 AVG stärkeres Gewicht beizulegen. Jedenfalls hat entgegen der Ansicht des Klägers der Gesetzgeber die bezüglich der Versicherungspflicht bzw Versicherungsberechtigung gegebene Übereinstimmung der zu ordnenden Lebensverhältnisse nicht durch Einbeziehung auch ausländischer Staatsangehöriger in die Regelung des § 28 Abs 1 Nr 5 AVG zwingend berücksichtigen müssen. Die Vorschrift enthält gerade nicht eine typisch und spezifisch versicherungsrechtliche Regelung. Vielmehr wird durch sie eine an sich versicherungsfremde, aus allgemeinen Steuermitteln zu finanzierende Sonderleistung gewährt (vgl BSGE 49, 13, 15 = SozR 2200 § 1251 Nr 66 S 171). Ebenso wie mit dem HHG selbst (vgl BSGE 37, 206, 211 = SozR 7190 § 2 Nr 1 S 6) hat auch mit dem daran anschließenden § 28 Abs 1 Nr 5 AVG der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß sich die Bundesrepublik Deutschland im Wege der sozial- und fürsorgerechtlichen Förderung (vgl BSGE 49, 13, 15 = SozR 2200 § 1251 Nr 66 S 171) für die Opfer von aus politischen Gründen (vgl hierzu Urteil des BSG vom 23. April 1980 - 4 RJ 3/79 -) zu Unrecht erlittenen Haftzeiten verantwortlich fühlt, auch wenn diese Haftzeiten nicht in ihren Verantwortungsbereich fallen. Es kann verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden, daß der Gesetzgeber eine derart ausgestaltete Fürsorge lediglich den eigenen Staatsangehörigen bzw Volkszugehörigen zuteil werden läßt und ausländische Staatsangehörige von dieser versicherungsfremden Vergünstigung ausschließt. § 28 Abs 1 Nr 5 AVG, soweit er auf § 1 HHG verweist, ist demnach mit dem GG vereinbar.
Aus dem Abkommen mit Griechenland kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten. Zwar werden nach Art 4 des Abkommens, welches aufgrund des Zustimmungsgesetzes vom 15. Juni 1963 (BGBl II 1963, 678) am 1. November 1963 in Kraft getreten und damit in das innerstaatliche deutsche Recht überführt worden ist (zur Transformationsfunktion vgl Urteil des erkennenden Senats vom 12. November 1980 - 1 RJ 112/79 -), die Staatsangehörigen beider Vertragsstaaten bei gewöhnlichem Aufenthalt im Hoheitsgebiet des jeweils anderen Staates in ihren Rechten und Pflichten aus den Rechtsvorschriften beider Vertragsparteien einander gleichgestellt, soweit in dem Abkommen nichts anderes bestimmt ist. Nach Art 2 Abs 1 Nr 1 Buchst c des Abkommens bezieht sich dieses in der Bundesrepublik Deutschland jedoch nur auf die Rechtsvorschriften über die Rentenversicherung. Es erfaßt hingegen nicht das HHG, welches zum Recht der sozialen Entschädigung gehört (§ 5 des Sozialgesetzbuchs, Erstes Buch, Allgemeiner Teil -SGB 1- vom 11. Dezember 1975; BGBl I S 3015). Allerdings bezieht sich das Abkommen nach seinem Art 2 Abs 2 auch auf alle Rechtsvorschriften, welche die in Abs 1 genannten Rechtsvorschriften zusammenfassen, ändern oder ergänzen. § 1 HHG stellt in diesem Zusammenhang weder eine "Zusammenfassung" noch eine "Änderung" des § 28 Abs 1 Nr 5 AVG dar. Vielmehr bewirkt er eine dem § 28 Abs 1 Nr 5 AVG von vornherein immanente Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereiches dieser Vorschrift. In dieser Funktion kann § 1 HHG allenfalls eine "Ergänzung" zu § 28 Abs 1 Nr 5 AVG darstellen. Allerdings ist fraglich, ob hierunter nicht nur eine in der Zeit nach dem Inkrafttreten des Abkommens vorgenommene Ergänzung der in Art 2 Abs 1 des Abkommens aufgeführte Rechtsvorschriften zu verstehen ist. Dies kann indes auf sich beruhen. Denn selbst wenn iS des Art 2 Abs 2 des Abkommens § 1 HHG den § 28 Abs 1 Nr 5 AVG "ergänzen" sollte, so kann dies nicht bedeuten, daß damit auch griechische Staatsangehörige in den persönlichen Anwendungsbereich letzterer Vorschrift eingeschlossen werden. Vielmehr wird dann im Gegenteil durch die Einbeziehung des § 1 HHG in die von dem Abkommen erfaßten Rechtsvorschriften (Art 2 Abs 2 des Abkommens) ausdrücklich klargestellt, daß auch in diesem Rahmen § 28 Abs 1 Nr 5 AVG nur mit der sich aus § 1 HHG ergebenden Einschränkung und somit nur zugunsten deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger anwendbar ist. Insoweit gilt eine von dem Grundsatz der Gleichstellung abweichende "andere Bestimmung" iS des Art 4 des Abkommens.
Dieses Ergebnis wird durch weitere Vorschriften des Abkommens bestätigt. Art 28 regelt die Rentengewährung an Versicherte, die nach Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten versichert gewesen sind. Hierbei hat der Träger jeder Vertragspartei von den Beitragszeiten und gleichgestellten Zeiten auszugehen, die nach den von ihm anzuwendenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind (Art 28 Abs 2 Satz 1 des Abkommens). Zu den gleichgestellten Zeiten gehört ua eine Ersatzzeit, soweit sie nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften einer Beitragszeit gleichsteht (Art 1 Nr 14 des Abkommens). Nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften einer Vertragspartei zurückgelegte Beitragszeiten und gleichgestellte Zeiten sind diejenigen, die nach den Rechtsvorschriften dieser Vertragspartei zu berücksichtigen sind (Art 32 des Abkommens). Für die Anrechnung deutscher Zeiten sind somit die deutschen Rechtsvorschriften dafür maßgebend, ob Beitragszeiten oder gleichgestellte Zeiten vorliegen (Kintzel in RVO-Gesamtkommentar, Internationales Sozialversicherungsrecht, Griechenland/Abkommen, Art 32, Anm 1). Das trifft auch für eine Ersatzzeit iS des § 28 Abs 1 Nr 5 AVG zu. Sie kann nur bei deutschen Staatsangehörigen und deutschen Volkszugehörigen berücksichtigt werden. Die Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereiches der Vorschrift wird durch die grundsätzliche Gleichstellung der Staatsangehörigen der beiden Vertragsstaaten durch Art 4 des Abkommens nicht aufgehoben und gilt somit auch gegenüber dem Kläger.
Eine Berücksichtigung der Zeit seiner Inhaftierung als Ersatzzeit nach § 28 Abs 1 Nr 5 AVG kann der Kläger schließlich nicht über Art 3 Abs 1 der Verordnung Nr 1408/71 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl EG 1971, Nr L 149/2 vom 5. Juli 1971) (im folgenden: EWG-VO 1408/71) verlangen. Diese Verordnung findet seit dem 1. Januar 1981 nach dem Beitritt Griechenlands zur EWG und zur Europäischen Atomgemeinschaft mit Vertrag vom 28. Mai 1979 und zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl mit Beschluß des Rates der Europäischen Gemeinschaften (EG) vom 24. Mai 1979 auf griechische Staatsangehörige Anwendung (Art 2 Abs 2 des Vertrages, BGBl II 1980, 229, 233; siehe dazu Hermsen, Griechenland in der EG BABl 1980, Nr 6, S 12). Die EWG-VO 1408/71 ist Inhalt des Vertrages (Art 21, 150; Anhang I, Abschn IX, BGBl II 1980, 229, 237, 256, 294). Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Vertrag und dem Beschluß des Rates der EG mit Gesetz vom 14. März 1980 zugestimmt (BGBl II 1980, 229).
Nach Art 3 Abs 1 EWG-VO 1408/71 haben die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen. Diese Vorschrift kann indes nicht dazu führen, daß sich die Ersatzzeitenregelung des § 28 Abs 1 Nr 5 AVG auch auf griechische Staatsangehörige erstreckt. Hierfür sind zwei Gründe maßgebend. Einmal besteht eine besondere Bestimmung, die abweichend von Art 3 Abs 1 EWG-VO 1408/71 etwas anderes vorsieht. Gemäß Art 89 in Verbindung mit Anhang V Buchst C Nr 2 Buchst d) zur EWG-VO 1408/71 sind nämlich für die Anrechnung deutscher Ersatzzeiten ausschließlich die innerstaatlichen deutschen Rechtsvorschriften maßgebend. Schon deswegen gilt die Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs des § 28 Abs 1 Nr 5 AVG auf deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige auch gegenüber Angehörigen der EG-Staaten. Zum anderen gilt die EWG-VO 1408/71 lediglich für die Rechtsvorschriften über die in Art 4 Abs 1 aufgezählten Leistungsarten der sozialen Sicherheit. Dazu gehört die Häftlingshilfe selbst nicht. Nach Art 4 Abs 4 findet die EWG-VO 1408/71 ua keine Anwendung auf Leistungssysteme für Opfer des Krieges und seiner Folgen. Hierunter fällt auch das HHG. Dasselbe muß für den darauf verweisenden § 28 Abs 1 Nr 5 AVG gelten. Ist eine Bestimmung, die Leistungen für Opfer des Krieges und seiner Folgen vorsieht, in nationalen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit enthalten, entscheidet dies für sich allein noch nicht darüber, ob der in dieser Bestimmung vorgesehenen Vergünstigung der Charakter einer Leistung der sozialen Sicherheit im Sinne der EWG-VO 1408/71 beizumessen ist (Urteile des EuGH vom 6. Juli 1978, Slg 1978, 1661, und vom 31. Mai 1979, Slg 1979, 2019). Maßgebend sind vielmehr die Wesensmerkmale der einzelnen Leistung, insbesondere ihre Zweckbestimmung und die Voraussetzungen ihrer Gewährung. Ein auf einer Rechtsstellung der nationalen Anerkennung beruhender Vorteil kann nicht als eine Vergünstigung angesehen werden, die zum Geltungsbereich der EWG-VO 1408/71 gehört (EuGH aaO). So ist es auch bei § 28 Abs 1 Nr 5 AVG.
Die EWG-VO 1408/71 hat ebenso wie zuvor die EWG-Verordnung Nr 3 über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer vom 25. September 1958 (BGBl II 1959, 473 = ABl EG 1958, 561) das Ziel, die Schranken abzubauen, welche die Freizügigkeit und den Arbeitsplatzwechsel der Arbeitnehmer in den Mitgliedstaaten behindern (Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, 1965, S 413; ders, Die Auswirkungen des übernationalen Sozialrechts auf die deutsche Sozial- und Arbeitslosenversicherung, SGb 1960, 1, 3f; Wiechec, Die Verordnung Nr 3 der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer, RdA 1959, 53). Den Arbeitnehmern und Rentnern sowie deren Angehörigen sollen keine wesentlichen Nachteile hinsichtlich ihrer sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche entstehen, wenn sie ihren Wohn-, Aufenthalts- oder Beschäftigungsort innerhalb der Staaten der Gemeinschaft wechseln. Für die Schaffung des HHG und des daran anschließenden § 28 Abs 1 Nr 5 AVG sind andere Gründe maßgebend gewesen. Der Gesetzgeber des HHG hat unter gesamtdeutschen Aspekten dem Fehlen der Grundsätze eines demokratischen Rechtsstaates und den zahlreichen Verhaftungen aus politischen Gründen in der DDR Rechnung tragen wollen (BT-Drucks 2/1450, S 5 ff). Der Versorgungsschutz ist bewußt auf deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige begrenzt worden (BT-Drucks 2/1450, S 7 zu § 1). Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG Buchholz 412.6 § 1 HHG Nr 21, S 47) weist zu Recht darauf hin, daß der Gesetzgeber mit dem HHG nicht einmal Deutschen schlechthin hat helfen wollen. Er habe sich nur einer bestimmten Gruppe Deutscher gegenüber zur Unterstützung verpflichtet gefühlt, die innerhalb der Schicksalsgemeinschaft aller Deutschen unter den besonderen Bedingungen der Nachkriegszeit ein Sonderschicksal - das des politischen Gewahrsams - erlitten habe. Deshalb müsse ein Deutscher, der an dieser Hilfe teilhaben solle, auch als Deutscher an diesem spezifischen Nachkriegsschicksal teilgenommen haben und als Deutscher in politischen Gewahrsam geraten sein. Dieser Sinn und Zweck des HHG und des § 28 Abs 1 Nr 5 AVG verdeutlichen, daß es für die Anerkennung der Ersatzzeit entscheidend auf nationale Merkmale, nämlich die deutschen Nachkriegsverhältnisse und die deutsche Staatsangehörigkeit bzw Volkszugehörigkeit ankommt. Deshalb werden diese Vorschriften nicht von Art 4 Abs 1 EWG-VO 1408/71 erfaßt. Auch aus diesem Grunde kann die Gleichstellungsvorschrift des Art 3 Abs 1 EWG-VO 1408/71 nicht zugunsten des Klägers herangezogen werden.
Der Kläger kann somit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Berücksichtigung der Zeit seiner Inhaftierung in der DDR als Ersatzzeit beanspruchen. Das angefochtene Urteil des LSG erweist sich als zutreffend. Dies muß zur Zurückweisung der Revision führen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen