Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzzeit. Zwangsarbeit. Ostarbeiter. Verfolgter. Nationalgeschädigter
Leitsatz (amtlich)
Die Angehörigen der slawischen Völker wurden als solche nicht aus Gründen der Rasse iS des § 1 BEG verfolgt. Zeiten der Zwangsarbeit als „Ostarbeiter” sind daher keine Ersatzzeiten nach § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO (Bestätigung und Fortführung von BSG SozR 2200 § 1251 Nr. 14).
Normenkette
RVO § 1251 Abs. 1 Nr. 4, § 1418; BEG § 1; BEGSchlG Art. 6; FANG Art. 6 § 23
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 21.08.1991; Aktenzeichen L 8 J 116/91) |
SG Münster (Entscheidung vom 22.05.1991; Aktenzeichen S 10 J 193/90) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. August 1991 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt die Gewährung eines höheren Altersruhegeldes. Streitig ist, ob die von ihr im Zweiten Weltkrieg in Deutschfand verrichtete Zwangsarbeit als Ersatzzeit anzurechnen ist.
Die 1925 in P. S. bei B. -L. in der ehemaligen Sowjetunion geborene Klägerin wurde im Mai oder Juni 1942 in ihrer Heimat von Deutschen aufgegriffen und nach B. gebracht, wo sie als Zwangsarbeiterin bei den Askania-Werken Hilfstätigkeiten verrichten mußte. Nach der Befreiung durch die Alliierten im Jahre 1945 kehrte sie nicht in ihre Heimat zurück, sondern nahm ihren Wohnsitz in den Niederlanden, wo sie heute noch lebt und deren Staatsangehörigkeit sie besitzt.
Den im September 1988 gestellten Rentenantrag der Klägerin lehnte die Beklagte zunächst durch Bescheid vom 17. April 1990 mit der Begründung ab, die Wartezeit sei nicht erfüllt: Als „Ostarbeiterin” sei die Klägerin bis zum 31. März 1944 nicht versicherungspflichtig gewesen; nachgewiesen sei dann lediglich eine versicherungspflichtige Beschäftigung bis zum 11. Juli 1944, also für lediglich 4 Monate. Der von der Klägerin hiergegen eingelegte Widerspruch war zum Teil erfolgreich. Die Beklagte gewährte ihr nunmehr durch Bescheid vom 15. August 1990 unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 17. April 1990 und Berücksichtigung einer weiteren Beitragszeit bis zum 20. April 1945 flexibles Altersruhegeld ab 1. Januar 1989, wies den Widerspruch aber im übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 17. September 1990).
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Münster (SG) die Beklagte mit Urteil vom 22. Mai 1991 verurteilt, die Zeit von Juni 1942 bis 31. März 1944 als Ersatzzeit rentensteigernd zu berücksichtigen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwar könne die Klägerin nicht verlangen, daß die streitige Zeit als Beitragszeit angerechnet werde, weil sie als „Ostarbeiterin” nicht den reichsrechtlichen Vorschriften über die Invalidenversicherung unterlegen habe. Die Zeit müsse aber als Ersatzzeit iS des § 1251 Abs. 1 Nr. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) berücksichtigt werden. Die Klägerin sei Verfolgte iS des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Als russische Zwangsarbeiterin sei sie aus Gründen der Rasse durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden und habe einen Schaden an ihrer Freiheit erlitten, weil sie die Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen habe leisten müssen. Der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), nach der die Angehörigen der slawischen Völker nicht wegen ihrer Rasse verfolgt worden seien (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1251 Nr. 14), könne nicht gefolgt werden. Insbesondere aus der neueren einschlägigen Literatur, die zur Zeit der Entscheidung des BSG noch nicht zur Verfügung gestanden habe, ergebe sich, daß der Einsatz der russischen Zwangsarbeiter sowohl hinsichtlich der ideologischen Grundlegung als auch der tatsächlichen Durchführung einen rassistischen Charakter gehabt habe. Die rassistischen Motivationen seien von so ungeheuerlichem Gewicht, daß ihnen nicht nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen werden könne.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Berufungsurteil vom 21. August 1991 ist auf folgende Erwägungen gestützt: Bei der streitigen Zeit handele es sich nicht um eine Beitragszeit, weil keine Anhaltspunkte dafür bestünden, daß schon vor dem 1. April 1944 für die Klägerin Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden seien. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz seien aber auch die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Ersatzzeit nicht gegeben. Zwar habe die Klägerin Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen verrichtet und sei damit Opfer rechtsstaatswidriger Maßnahmen der damaligen nationalsozialistischen Besatzungsmacht ihrer Heimat gewesen. Damit sei sie aber noch nicht als Verfolgte iS des § 1 BEG anzusehen. Verfolgter aus Gründen der Rasse iS dieser Vorschrift sei nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zum BEG nur, wer allein wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse, die ausgemerzt werden sollte, verfolgt worden sei. Aus rassischen Gründen wegen der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe habe daher die Verfolgung nur gegenüber Juden, jüdischen Mischlingen, Zigeunern und Zigeunermischlingen stattgefunden. Die Angehörigen der slawischen Völker seien jedoch, wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), der Bundesgerichtshof (BGH) und das BSG entschieden hätten, nicht aus Gründen der Rasse, sondern allein ihrer Nationalität wegen verfolgt worden; dies entspreche auch der ganz herrschenden Meinung in der Literatur. Nach den Ausführungen des BSG habe die nationalsozialistische Ideologie zwar die slawischen Völker gegenüber der „Herrenschicht” der Deutschen als „minderwertig” und als „Untermenschen” angesehen, deren Siedlungsgebiet den Deutschen als „Lebensraum” zur Kolonialisierung zur Verfügung zu stehen habe; eine „Artverwandtschaft” mit den Deutschen habe sie aber noch gelten lassen.
Diese Beurteilung sei weiterhin zutreffend; insbesondere sei sie nicht durch neue historische Erkenntnisse widerlegt. Aus der Qualifizierung des Krieges gegen die Sowjetunion als Vernichtungsfeldzug folge nicht schon die Verfolgung der Angehörigen der slawischen Völker aus Gründen der Rasse. Daß ideologische und nicht nur militärische, wirtschafts- oder rüstungspolitische Gründe für die Behandlung der Bewohner der besetzten osteuropäischen Gebiete entscheidend gewesen seien, könne entgegen der Ansicht des SG nicht schon eine Verfolgung aus Gründen der Rasse begründen. Würde man der weltanschaulich-ideologischen Komponente die ihr vom SG beigelegte Bedeutung beimessen, so wären alle in § 1 Abs. 1 BEG aufgeführten Verfolgtengruppen immer auch wegen der nationalsozialistischen Weltanschauung verfolgt worden; einer Benennung der einzelnen Verfolgungsgründe hätte es dann nicht bedurft. Für die Gruppe der Nationalgeschädigten, zu denen die wegen ihrer Zugehörigkeit zum damaligen Kriegsgegner Sowjetunion verfolgten Angehörigen der slawischen Völker gehörten, sei eine Sonderregelung in Art. VI des Zweiten Gesetzes zur Änderung des BEG vom 18. September 1965 (BEG-SchlußG) vorgesehen. Dies mache deutlich, daß nach dem Gesetz eine Differenzierung zwischen Nationalgeschädigten und Verfolgten iS des § 1 BEG erforderlich und nur iS der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung möglich sei.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend: Sie sei entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts als Opfer der Verfolgung aus Gründen der Rasse anzusehen. Das LSG habe nicht berücksichtigt, daß sich die Situation seit der Verkündung der seiner Beurteilung zugrundeliegenden Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 (RGBl I 344) bis zum Jahre 1942 insoweit entscheidend geändert habe, als infolge der radikalisierten Rassenpolitik Hitlers kein Unterschied mehr zwischen Ukrainern, Polen, Russen oder Tschechen gemacht worden sei. Der Begriff der „Verfolgung aus Gründen der Rasse” könne nicht zutreffend ausgelegt werden, ohne zugteich die nationalsozialistische Rassenideologie in die Erwägungen einzubeziehen. Grundlage dieser Ideologie sei die Vorstellung eines immerwährenden Kampfes der Rassen gegeneinander gewesen, der seine Dynamik aus dem Streben nach Lebensraum erhalten sollte. Von dieser Vorstellung seien die Besetzung Polens und der „Rußlandfeldzug” bestimmt gewesen. Die mit einer rigorosen Verfolgung und Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung in den besetzten Ostgebieten verbundene Rekrutierung von Zwangsarbeitern sei zur Sicherung dieser Gebiete als neuer Lebensraum für die eigene Rasse erfolgt. Diese ausschlaggebende rassische Komponente lasse sich insbesondere daran ablesen, daß die slawischen Zwangsarbeiter eine weitaus schlechtere Behandlung als die „rassisch verwandten” Völkern angehörenden Zwangsarbeiter erfahren hätten. Im übrige gebiete es auch der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz, die slawischen Zwangsarbeiter im Wege verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 BEG als Verfolgte iS dieser Vorschrift anzuerkennen.
Die Klägerin beantragt.
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. August 1991 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: Die „Ostarbeiter” hätten nach den damaligen Regelungen in einem Beschäftigungsverhältnis eigener Art. gestanden, das nicht wie ein freies Beschäftigungsverhältnis von der RVO erfaßt worden und daher nicht versicherungspflichtig gewesen sei.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die von ihr zurückgelegte Zeit als Zwangsarbeiterin kann nicht als Ersatzzeit angerechnet werden, wie das LSG zutreffend entschieden hat. Das zusprechende Urteil des SG war daher nicht wiederherzustellen.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Gewährung eines höheren Altersruhegeldes unter Anrechnung der Zeit vom 1. Juni 1942 bis 31. März 1944 als Ersatzzeit hat. Die Klägerin hatte im erstinstanzlichen Verfahren beantragt, diese Zeit als weitere Beitragszeit, hilfsweise als Ersatzzeit anzuerkennen und bei der Berechnung ihres Altersruhegeldes zu berücksichtigen. Das SG hat der Klage nur hinsichtlich des Hilfsantrages stattgegeben und sie „im übrigen”, also im Hinblick auf den Hauptantrag (Anrechnung der Zeit als Beitragszeit), abgewiesen. Bei der Überprüfung ihrer Art. nach unterschiedlicher Versicherungszeiten für abgegrenzte Zeiträume, also etwa Beitrags- und Ersatzzeiten, handelt es sich um teilbare Streitgegenstände (vgl. BSG SozR 32200 § 1251 Nr. 6). Da nur die – durch die Teilabweisung nicht beschwerte – Beklagte gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt hat, ist dieses hinsichtlich der Teilabweisung der Klage rechtskräftig geworden und war insoweit bereits nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Die Ausführungen des LSG, eine Beitragszeit sei nicht gegeben, sind insoweit unbeachtlich, weil sie nicht den Streitgegenstand des Berufungsverfahrens betrafen. Der erkennende Senat konnte daher nicht entscheiden, ob diese Zeit als Beitragszeit anzurechnen oder ob die Klägerin berechtigt ist, für die streitige Zeit Pflichtbeiträge nachzuentrichten.
Die Anrechnung der streitigen Zeit als Ersatzzeit scheitert nicht bereits daran, daß sie aufgrund internationaler Abkommen in die Versicherungslast der Niederlande fiele oder bereits reparationsrechtlich abgegolten wäre, Zwar enthält Art. 2 der Vierten Zusatzvereinbarung vom 14. April 1959 (BGBl II 433) zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Sozialversicherung vom 29. März 1951, der nach Art. 7 Abs. 2 Buchst c iVm Anhang III A Nr. 28 der Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 (EWGV 1408/71) weiterhin Anwendung findet, eine Regelung über „Versicherungszeiten, die von niederländischen Staatsangehörigen zwischen dem 13. Mai 1940 und dem 1. September 1945 aufgrund eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses in der deutschen Rentenversicherung … zurückgelegt worden sind”; diese Zeiten gelten als in der niederländischen Versicherung für den Fall der Invalidität, des Alters und des Todes zurückgelegt, falls der Arbeitnehmer vor dem 1. September 1945 aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden und bis zum 31. Dezember 1945 zurückgekehrt ist. Aus dem Wortlaut und dem Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen der Vereinbarung folgt jedoch, daß sich diese Regelung nur auf die Ansprüche von Personen bezieht, die – anders als die Klägerin – bereits beim Erwerb der Versicherungsszeiten die niederländische Staatsangehörigkeit besaßen, Die Zeiten müssen von „niederländischen Staatsangehörigen” zurückgelegt sein; in die Niederlande konnte nur „zurückkehren”, wer bereits vorher dort ansässig gewesen war. Dies wird auch durch das Memorandum zu dem Abkommen (BABl 1952, 66) bestätigt, indem dort die Notwendigkeit zur vertraglichen Ordnung der sozialversicherungsrechtlichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten ua damit begründet wird, daß in der Zeit von 1940 bis 1945 eine große Zahl niederländischer Arbeitskräfte aufgrund amtlicher Vermittlung in Deutschland gearbeitet hat. Damit wird auf die Anwerbung von „Fremdarbeitern” durch deutsche Stellen in den Niederlanden während des Zweiten Weltkrieges Bezug genommen.
Auch der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Regelung finanzieller Fragen und über Leistungen zugunsten niederländischer Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Finanzvertrag) vom 8. April 1960 (BGBl II 1963, 629) hat keine Auswirkungen auf mögliche Ansprüche der Klägerin aus der deutschen Rentenversicherung. In Art. 1 Abs. 1 iVm Art. 2 Nr. 2 dieses Vertrages verpflichtete sich die Bundesrepublik Deutschland lediglich zur Zahlung eines bestimmten Betrages an das Königreich der Niederlande im Hinblick auf die „zugunsten der aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffenen niederländischen Staatsangehörigen erhobenen Forderungen”. Dabei handelt es sich um eine reparationsrechtliche Vereinbarung zwischen Staaten, die individuelle sozialversicherungsrechtliche Ansprüche einzelner Staatsbürger nicht ausschließt. Außerdem gehört die Klägerin nicht zu dem dort genannten Personenkreis, wie noch darzulegen ist.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften des Vierten Buches der RVO, denn der Rentenantrag ist bereits im September 1988 – also bis zum 31. März 1992 – gestellt worden und bezieht sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 (§ 300 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung – ≪SGB VI ≫; vgl. BSG SozR 3-2200 § 1259 Nr. 14).
Nach § 1258 Abs. 1 iVm § 1251 RVO werden für die Ermittlung der Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre und damit auch der Rentenhöhe (vgl. § 1254 RVO) ua Ersatzzeiten angerechnet. Voraussetzung für eine solche Anrechnung ist ua, daß während der Ersatzzeit eine Versicherungspflicht nicht bestanden hat (§ 1251 Abs. 2 Satz 1 RVO).
Bis zum 1. April 1944 unterlagen „Ostarbeiterinnen” wie die Klägerin während der im Deutschen Reich geleisteten Zwangsarbeit nicht der Versicherungspflicht in der deutschen Sozialversicherung. Voraussetzung für die Versicherungspflicht war auch nach den damals geltenden Rechtsvorschriften das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses (§ 1226 Abs. 1 Nr. 1 RVO aF). Ein solches Verhältnis entstand nach der ständigen Rechtsprechung bereits des Reichsversicherungsamtes (RVA) und dann des BSG regelmäßig nur auf freiwilliger Basis, es sei denn, daß ein Gesetz – wie etwa die Verordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung vom 13. Februar 1939 (DienstpflichtVO, RGBl I 206) – ausnahmsweise etwas Abweichendes bestimmte (vgl. zB BSG SozR 5070 § 14 Nr. 9). So kam zwischen Bewohnern des Reichsgebiets, die nach der DienstpflichtVO zur Dienstleistung herangezogen wurden, und dem Betrieb, dem sie zugewiesen wurden, gemäß § 2 Abs. 2 der Ersten Durchführungsanordnung vom 2. März 1939 zu dieser Verordnung (RGBl I 403) mit der Zustellung des Verpflichtungsbescheides ein Arbeits- oder Dienstvertrag zustande. Damit bestand auch Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
„Ostarbeiter” wurden auf der Grundlage der vom Reichsminister für die besetzten Ostgebiete (RM Ost) am 19. Dezember 1941 erlassenen VO über die Einführung der Arbeitspflicht in den besetzten Ostgebieten (VBl RM Ost 1941, 5 und 72), nach deren § 1 Abs. 1 alle Bewohner dieser Gebiete nach Maßgabe ihrer Arbeitsfähigkeit der öffentlichen Arbeitspflicht unterlagen, ganz überwiegend zwangsweise zum Arbeitseinsatz nach Deutschland verbracht (vgl. Herbert, Fremdarbeiter, Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes” in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, 1985, 157f). Dies war nach den bindenden Feststellungen des LSG auch bei der Klägerin der Fall. Arbeitsverträge wurden zwischen den „Ostarbeitern” und den Betrieben, denen sie zugewiesen waren, nicht geschlossen. Diesen reinen Zwangsverhältnissen fehlte jedes Element der Freiwilligkeit. Die DienstpflichtVO mit ihrer Fiktion der Entstehung eines Beschäftigungsverhältnisses durch Verwaltungsakt fand keine Anwendung. Die VO über die Einführung der Arbeitspflicht in den besetzten Ostgebieten wies auch keine entsprechenden Regetungen über das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses durch Verpflichtungsbescheid auf. „Ostarbeiter” standen vielmehr nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 7 Abs. 1 der VO über die Besteuerung und die arbeitsrechtliche Behandlung der Arbeitskräfte aus den neu besetzten Ostgebieten vom 20. Januar 1942 (RGBl I 41; StAVOst) in einem „besonderen Beschäftigungsverhältnis eigener Art”, das nach dem Willen der Normgeber durch den Reichsarbeitsminister (RAM) rechtlich im einzelnen auszugestalten war. Dementsprechend kamen versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse vor dem 1. April 1944 nicht zustande, und es bestand mithin nach allgemeinen Grundsätzen keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BSGE 29, 197, 199 = SozR Nr. 1 zu Art. 6 § 23 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes vom 25. Februar 1960 ≪FANG≫; Moser, Kompaß 1982, 188, 190). Diese wurde erst durch die vom Vorsitzenden des Ministerrats für die Reichsverteidigung und Beauftragten für den Vierjahresplan erlassenen VO über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter vom 25. März 1944 (RGBl I 68), nach der die „Ostarbeiter” vom 1. April 1944 an Sozial Versicherungsbeiträge nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze zu entrichten hatten (§ 11 Abs. 1 Satz 1 iVm § 14 Abs. 1 Satz 2 aaO), eingeführt.
Von dieser Rechtslage gingen auch die Vorschriften aus, die zur Regelung der Rechtsverhältnisse der „Ostarbeiter” erlassen wurden. Die nationalsozialistischen Machthaber haben diese Personengruppe offensichtlich bewußt und gewollt zunächst nicht in den Schutz der deutschen Sozialversicherung einbezogen (vgl. Loewke ZSR 1988, 40, 42). So stellte der Erlaß des RAM vom 4. März 1942 – IIa 3316/42 – (AN 1942, II 167), der im Anschluß an die StVAOst erging, (unter Nr. 1) einleitend fest, die im Reichsgebiet beschäftigten Arbeitskräfte aus den besetzten Ostgebieten unterlägen nicht der Reichsversicherung, und traf (unter Nrn 2 bis 8) besondere Regelungen für die Krankenversorgung dieses Personenkreises. Mit Erlaß vom 1. August 1942 – IIa 11193/42 – (AN 1942, II 453) ersetzte der RAM die Bestimmungen über die Krankenversorgung vom 4. März 1942 durch neue, die sich stärker an die Vorschriften der RVO anlehnten, ohne aber die „Ostarbeiter” in die gesetzliche Krankenversicherung einzubeziehen. Der Wille des Normgebers zum umfassenden Ausschluß der „Ostarbeiter” von den Vorschriften der RVO (vgl. dazu auch das Schreiben des RAM vom 19. August 1942 – IIb 2165/42A – an das RVA, AN 1942, II 466) ergibt sich weiter zum einen aus der Verordnung über die Unfallversicherung der Ostarbeiter vom 30. März 1943 (RGBl I 165), nach der die Vorschriften der Reichsunfallversicherung auf die Unfallversorgung der „Ostarbeiter” entsprechend anzuwenden waren, soweit diese Verordnung nichts anderes bestimmt, zum anderen aus der VO über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter vom 25. März 1944 (RGBl I 68) selbst, nach der die „Ostarbeiter” (erst) vom 1. April 1944 an Sozialversicherungsbeiträge nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze zu entrichten hatten. Alle diese Regelungen wären bei unmittelbarer Geltung der RVO für „Ostarbeiter” nicht erforderlich gewesen.
Die Klägerin gilt auch nicht als während des streitigen Zeitraums nachversichert; auch dann wäre allerdings die Berücksichtigung einer Ersatzzeit nicht möglich (vgl. § 1260c Abs. 2 RVO). Die Voraussetzungen des Art. 6 § 23 FANG (BGBl I 93), der eigens zur Wiedergutmachung der durch die Diskriminierung in der Sozialversicherung bei ehemaligen Zwangsarbeitern entstandenen Schäden in der Rentenversicherung geschaffen wurde, liegen bei der Klägerin nicht vor. Sie hatte am Stichtag (30. Juni 1950) keinen Aufenthalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes (GG) oder in B. (West) und auch nicht den Status einer heimatlosen Ausländerin iS des § 1 des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet (HAuslG) vom 25. April 1951 (BGBl I 269).
Eine Gleichstellung des Aufenthalts der Klägerin in den Niederlanden mit dem von Art. 6 § 23 FANG zum Stichtag geforderten Inlandsaufenthalt ergibt sich weder aus bilateralen Abkommen der Bundesrepublik mit den Niederlanden noch aus multilateralen Verträgen oder europäischem Gemeinschaftsrecht. Das am 29. März 1951 unterzeichnete Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Sozialversicherung nebst Schluß-Protokoll sowie drei Zusatzvereinbarungen, dem der Bundestag mit am 1. November 1952 in Kraft getretenem Gesetz vom 20. Dezember 1951 (BGBl II 221) zugestimmt hat, kann nicht nachträglich den Aufenthalt in den Niederlanden dem in der Bundesrepublik gleichstellen, enthält auch keine entsprechenden Regelungen. Der Vertrag zur Gründung der EWG (BGBl 1957 II 766) wurde erst am 25. März 1957 geschlossen, die erste Verordnung der EWG für die Sozialversicherung (EWGV Nr. 3) am 25. September 1958 erlassen. Auch die nicht zum Gemeinschaftsrecht gehörenden multilateralen Verträge, die überhaupt einschlägig sein könnten, wurden nach dem 30. Juni 1950 geschlossen. So datiert das Europäische Abkommen über die Systeme der Sozialen Sicherheit (BGBl 1956 II 508) vom 11. Dezember 1953. Im übrigen beseitigen Gleichstellungsvorschriften, wie etwa diejenige in Art. 10 EWGV 1408/71, nur die mit einem Auslandsaufenthalt nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates leistungsrechtlich verbundenen Nachteile, nicht aber den durch Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland eintretenden Verlust von Statusrechten (vgl. BSGE 40, 228, 232); dies muß für die Hinderung der Entstehung von Statusrechten durch Auslandsaufenthalt entsprechend gelten. Da es hier um den Erhalt bzw den Erwerb des Status einer heimatlosen Ausländerin durch die Klägerin geht, wären mithin selbst entsprechende bereits am Stichtag geltende Gleichstellungsregelungen insoweit unergiebig gewesen.
Von der ihr ursprünglich in § 1 Abs. 2 HAuslG erteilten Ermächtigung, mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zu erlassen, durch die andere ausländische Flüchtlinge zur Vermeidung unbilliger Härten dem in Abs. 1 genannten Personenkreis gleichgestellt werden, hat die Bundesregierung keinen Gebrauch gemacht; inzwischen ist Abs. 2 aF mit Wirkung vom 1. Januar 1991 durch Gesetz vom 9. Juli 1990 (BGBl I 1354) aufgehoben worden. Aus dieser Ermächtigungsnorm konnten subjektive Rechte des einzelnen auf Erlaß entsprechender – ihn begünstigender – Regelungen nicht abgeleitet werden.
Ob der damalige Ausschluß der „Ostarbeiter” von der deutschen Sozialversicherung unter dem Gesichtspunkt eines fundamentalen Verstoßes gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit als von Anfang an nichtig anzusehen und insoweit doch von dem Bestehen einer Rentenversicherungspflicht auszugehen ist, muß hier nicht entschieden werden. Denn eine anrechnungsfähige Ersatzzeit liegt bei der Klägerin schon tatbestandsmäßig nicht vor.
Als Ersatzzeiten werden ua Zeiten der Freiheitsentziehung und der Freiheitsbeschränkung iS der §§ 43 und 47 BEG angerechnet, wenn die Versicherte Verfolgte iS des § 1 BEG ist (vgl. § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO). Die Klägerin hat zwar auch im streitigen Zeitraum nach den bindenden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) Feststellungen des LSG Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen, die nach § 43 Abs. 3 BEG einer Freiheitsentziehung gleichgestellt ist, verrichtet. Sie ist jedoch nicht Verfolgte iS des § 1 Abs. 1 BEG. Danach ist Opfer nationalsozialistischer Verfolgung, wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit. Freiheit, Eigentum, Vermögen, in seinem beruflichen oder in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat.
Durch die Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen hat die Klägerin zwar einen Freiheitsschaden erlitten, sie ist jedoch nicht aus den in § 1 Abs. 1 BEG genannten Gründen durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen (§ 2 BEG) verfolgt worden. Für eine Verfolgung aufgrund politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus, des Glaubens oder der Weltanschauung sind nach den bindenden Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Klägerin ist aber auch nicht aus Gründen der Rasse verfolgt worden. Sie war zwar Arbeits- und Lebensbedingungen ausgesetzt, die sicherlich auch durch rassenideologische Vorstellungen geprägt waren. Der Begriff der Verfolgung umfaßt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. zB RzW 1968, 115 mwN) aber nicht alle Maßnahmen, denen rassenpolitische Erwägungen zugrunde lagen. Er ist vielmehr enger zu sehen und zwar so, wie er in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in den Begriffen „Rassenschande” und im Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 (RGBl I 1146; „Blutschutzgesetz”) Ausdruck gefunden hat. Maßgeblich für die Kennzeichnung einer solchen „Rasse” war das nach Vorstellung der nationalsozialistischen Machthaber „artfremde Blut” ihrer Angehörigen, Verfolgter aus Gründen der Rasse iS des § 1 BEG ist demnach nur derjenige, der allein wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse verfolgt wurde, weil diese Rasse ausgemerzt werden sollte. Als solche kamen nach nationalsozialistischer Auffassung, auf die dabei abzustellen ist, in Europa regelmäßig nur „Juden”, „jüdische Mischlinge” und „Zigeuner” in Betracht. Zu diesen Personengruppen gehört die Klägerin nicht. Angehörige der slawischen Völker wurden hingegen als solche nicht deshalb verfolgt, weil die nationalsozialistischen Machthaber sie als minderwertige Rasse ansahen und deshalb ausmerzen wollten, Wenn gegen sie nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen ergriffen wurden, geschah dies nicht aus Gründen der Rasse, sondern aus Gründen der Nationalität; sie sind dann als Nationalgeschädigte iS von Art. VI Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 BEG-SchlußG anzusehen. Dieser Rechtsprechung des BGH, die insoweit mit der des BVerwG übereinstimmt (vgl. BVerwG RzW 1961, 427), hat sich das BSG angeschlossen (vgl. zB BSG SozR 2200 § 1251 Nr. 14 mwN; Urteil vom 18. März 1976 – 4 RJ 155/74 –; Beschlüsse vom 20. Juli 1988 – 12 BK 27/88 – und vom 13. Oktober 1989 – 5 BJ 92/89 –).
Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Deren Richtigkeit wird durch die Geschichte des Entschädigungsrechts, insbesondere die Entwicklung der Begriffe des „Verfolgten” und des „Nationalverfolgten” bzw später „Nationalgeschädigten”, bestätigt. Alle Wiedergutmachungsgesetze der Bundesrepublik Deutschland sind in Ausführung des am 26. Mai 1952 zwischen der Bundesrepublik und den alliierten Mächten geschlossenen Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (sog Überleitungsvertrag; BGBl II 1954, 57, 181, 194), der das Besatzungsstatut ablöste, ergangen (vgl. Majer VerwArch Bd. 29 ≪1991≫, 1, 11). In dessen viertem Teil wurde der Bundesrepublik die Verpflichtung zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung auferlegt. Dabei wurde bereits die Unterscheidung zwischen „Personen, die wegen ihrer politischen Oberzeugung, ihrer Rasse, ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung verfolgt wurden und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen oder in ihrem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten haben” (Abs. 1 Satz 1 aaO) und „Personen, die aus Gründen der Nationalität unter Mißachtung der Menschenrechte verfolgt wurden” (Abs. 1 Satz 2 aaO), getroffen.
Diese von den Alliierten vorgegebene Unterscheidung wurde in den Entschädigungsgesetzen übernommen (vgl. zB Begründung zum Regierungsentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, BT-Drucks 2/1949, S 180). Im Bundesergänzunasgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung vom 18. September 1953 (BGBl I 1387 ≪BErgG≫), dem ersten bundeseinheitlichen Entschädigungsgesetz, wurde zwischen einer Verfolgung aus Gründen der – im obigen Sinne verstandenen – Rasse, politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus, des Glaubens oder der Weltanschauung auf der einen (§ 1 BErgG) und wegen der Zugehörigkeit zu einer fremden Nation („Nationalverfolgte”, § 76 BErgG) auf der anderen Seite unterschieden. Dabei war durchaus bekannt, daß der nationalsozialistischen Volkstumspolitik auch rassenpolitische Gesichtspunkte und Erwägungen zugrunde lagen. Demgemäß stellte etwa das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz bereits mit Urteil vom 17. Dezember 1954 (RzW 1955, 92) fest, daß die Angehörigen der slawischen Völker nicht aus Gründen der Rasse verfolgt wurden.
Die Abgrenzung in Verfolgte des Nationalsozialismus und Geschädigte aus Gründen ihrer Nationalität wurde dann in das BEG vom 24. Juni 1956 übernommen. Dies geschah in einem besonderen Abschnitt des Gesetzes (5. Abschnitt, §§ 167, 168 BEG), um deutlich zu machen, daß diese Gruppe nicht als Verfolgte im Sinne der Terminologie des BEG angesehen werden sollte (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des BErgG zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, BT-Drucks 2/1949, S 179). Im Gesetzgebungsverfahren wurde dabei allgemein davon ausgegangen, daß aus Gründen ihrer Nationalität die Angehörigen der osteuropäischen Völker, insbesondere die Polen – also im wesentlichen Slawen – verfolgt wurden (vgl. etwa den Diskussionsbeitrag des BT-Abgeordneten Dr. Böhm, 2. BT, 147. Sitzung, stenographische Berichte, S 7798).
In Kenntnis der unter Geltung dieser Vorschriften ergangenen Rechtsprechung des BGH und des BVerwG (s.o.) sowie der fast einhellig in der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. etwa die Nachweise in BVerwG RzW 1961, 427 und BGH RzW 1968, 115), wonach Slawen nicht aus Gründen der Rasse iS des § 1 BEG verfolgt wurden, sondern – bei Vorliegen der entsprechenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 76 BErgG bzw des § 167 BEG – Nationalgeschädigte sind, hat der Gesetzgeber schließlich in Art. VI Nr. 1 BEG-SchlußG die Unterscheidung in „Verfolgte” und „Nationalgeschädigte” beibehalten und zugleich in Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift klargestellt, was unter „Schädigung aus Gründen der Nationalität” zu verstehen ist. Aus Gründen der Nationalität ist danach derjenige geschädigt, bei dem die Zugehörigkeit zu einem fremden Staat oder zu einem nichtdeutschen Volkstum ganz oder wesentlich den Grund für die schädigende Maßnahme gebildet hat. Der Wortlaut („Geschädigter” statt „Verfolgter”) und die endgültige Herausnahme dieser Gruppe aus dem BEG in das Rahmengesetz – §§ 167, 168 BEG aF wurden zugleich gestrichen – steilen begrifflich bzw gesetzessystematisch klar, daß Nationalgeschädigte nach dem Willen des Gesetzgebers nicht Verfolgte iS des BEG sind (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des BEG, BT-Drucks 4/1550, S 44).
Das SG ist aufgrund der von ihm herangezogenen Literatur davon ausgegangen, die nationalsozialistische Ideologie sei auch gegenüber den Slawen rassistisch geprägt gewesen und die nationalsozialistische Politik habe auch auf deren Ausrottung abgezielt. Auch wenn man von der Richtigkeit dieser Annahmen ausginge, würde daraus nicht folgen, daß die Angehörigen der slawischen Völker als Verfolgte aus Gründen der Rasse iS des § 1 BEG anzusehen wären. Eine solche Annahme würde vielmehr der dargelegten gesetzgeberischen Konzeption zuwiderlaufen. Im übrigen belegen die zitierten Stellen nur, daß bei den nationalsozialistischen Machthabern Tendenzen bestanden, auch slawische Völker, insbesondere die Völker der Sowjetunion, zu vernichten. Nur haben sich diese Tendenzen in der tatsächlichen Handlungsweise des nationalsozialistischen Staates bis zu dessen Zusammenbruch nicht durchsetzen können (vgl. hierzu zB Herbert, Fremdarbeiter, Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes” in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches. 1985, S 233 ff. 241 f).
Nach alledem ist mit dem LSG davon auszugehen, daß die Klägerin als zwangsweise zum Arbeitseinsatz nach Deutschland verbrachte Angehörige eines osteuropäischen Volkes nur eine Nationalgeschädigte iS von Art. VI Nr. 1 BEG-SchlußG sein kann (vgl. dazu BGH RzW 1970, 566, 567). Ob sie es tatsächlich ist, kann jedoch dahingestellt bleiben, denn als einer solchen könnte ihr eine Ersatzzeit nach § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO ohnehin nicht zuerkannt werden. Diese Vorschrift bezieht sich nämlich nach ihrem Wortlaut, ihrer Entstehungsgeschichte sowie ihrem Sinn und Zweck allein auf Verfolgte iS des § 1 BEG (vgl. BSG SozR 2200 § 1251 Nrn 14, 130; Friederichs SGb 1975, 81, 83). Für eine erweiternde Auslegung ist danach kein Raum.
Die in dem dargelegten Sinne verstandene Regelung des § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, auch wenn die Klägerin dadurch von der Anerkennung einer Ersatzzeit für ihre Zwangsarbeit ausgeschlossen wird. Prüfungsmaßstab ist insoweit Art. 3 GG. Abs. 1 dieser Verfassungsnorm gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist allerdings dem Gesetzgeber nicht jegliche Differenzierung verwehrt. Es soll lediglich ausgeschlossen werden, daß eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art. und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Darüber hinaus kommt in Art. 3 Abs. 1 GG ein Willkürverbot als fundamentales Rechtsprinzip zum Ausdruck. Die Grenze zur Willkür wird durch eine Regelung jedoch nicht schon dann überschritten, wenn die gefundene Lösung nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste ist, sondern erst dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für die Regelung nicht finden läßt (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 55, 72, 88; 78, 232, 247; BSG SozR 3-2200 § 1259 Nr. 14).
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die unterschiedliche Behandlung von Juden und Slawen im Entschädigungsrecht selbst gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot verstößt. Die Differenzierung zwischen Verfolgten (Juden) und Nationalgeschädigten (Slawen) im BEG wirkt sich im vorliegenden Zusammenhang mittelbar nur insoweit aus, als die Klägerin auch als Nationalgeschädigte im Gegensatz zu einer Verfolgten nicht zu dem von der Ersatzzeitenregelung des § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO begünstigten Personenkreis gehört und damit nicht anspruchsberechtigt ist. Lediglich in dieser Hinsicht ist hier die unterschiedliche Behandlung der beiden Gruppen entscheidungsrelevant.
Die Nichteinbeziehung der Nationalgeschädigten iS des Art. VI BEG-SchlußG in den von § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO begünstigten Personenkreis ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BSG SozR 2200 § 1251 Nr. 14).
Die Gruppe der Nationatgeschädigten wird durch § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO nicht sachwidrig gegenüber der Gruppe der Verfolgten iS des § 1 BEG benachteiligt. Dies gilt für den Personenkreis der in Deutschland verbliebenen ehemaligen „Ostarbeiter” bereits deshalb, weil dieser für die Zeit der Zwangsarbeit nach Art. 6 § 23 FANG als nachversichert gilt und damit eine zumindest gleichwertige Leistung erhält. Aber auch sonst lassen sich für die unterschiedliche Behandlung beider Personenkreise hinreichende Rechtfertigungsgründe anführen.
Zum einen hatten die nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen insbesondere gegenüber den Juden eine andere Qualität und Intensität. Während etwa Russen und Polen als solche nicht generell in Konzentrationslagern unter menschenunwürdigen Bedingungen mit dem Ziel der Vernichtung festgehalten wurden, sondern nur bestimmte Personengruppen (ua sowjetische Kommissare, Kriegsgefangene, disziplinarisch gemaßregelte Zwangsarbeiter), war dies bei Juden die Regel. Sie wurden im gesamten nationalsozialistischen Herrschaftsbereich systematisch aufgespürt, ihrer Freiheit und dann ihres Lebens beraubt. Am deutlichsten wird dies anhand des „Wannsee-Protokolls” der Besprechung über die „Endlösung der Judenfrage” am 20. Januar 1942 in B. wonach Europa „von Westen nach Osten durchkämmt” werden sollte, um sämtliche noch nicht festgenommenen Juden zu ergreifen und gezielt in den eigens dafür bereitgestellten Tötungseinrichtungen (zB Auschwitz) zu vernichten. Eine auch nur ähnlich unerbittliche Vernichtungsstrategie der nationalsozialistischen Machthaber hinsichtlich der Angehörigen der slawischen Völker ist nicht bekannt. Soweit Juden, Sinti und Roma als KZ-Häftlinge zu Zwangsarbeiten herangezogen wurden, geschah dies in der Regel unter noch unwürdigeren Bedingungen als bei den slawischen Zwangsarbeitern (vgl. Herbert. Geschichte der Ausländerbeschäftigung in Deutschland 1880 bis 1980, 1986, S 153), die zudem keineswegs einheitlich (schlecht) behandelt wurden.
Dies wird auch aus den häufig geänderten Verordnungen und Erlassen deutlich, welche die sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse der Zwangsarbeiter aus den osteuropäischen Ländern in sehr unterschiedlicher Weise regelten. Arbeitskräfte aus Serbien – also ebenfalls Slawen – waren zB nach dem Zweiten Erlaß des RAM über die Regelung der gegenseitigen Beziehungen auf dem Gebiet der Sozialversicherung zwischen dem Großdeutschen Reich und Serbien vom 2. Dezember 1943 (AN 1943 II 511) in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicheruno durch Anrechnungsregelungen für die Zeit der Beschäftigung im Großdeutschen Reich in vollem Umfang abgesichert. Slowaken wurden vergleichbaren deutschen Arbeitskräften hinsichtlich der Sozialversicherung sogar grundsätzlich gleichgestellt (vgl. Erlaß des RAM vom 6. Dezember 1943 ≪AN 1943 II 513). Ähnliche Regelungen galten für Bulgaren (Deutsch-bulgarische Vereinbarung über Sozialversicherung vom 2. Dezember 1941 ≪AN 1942, 480≫).
Für „Ostarbeiter” iS des § 1 der Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter vom 30. Juni 1942 (RGBl I 419) bestanden zwar zunächst im Vergleich zu Zwangsarbeitern anderer Nationalität sehr viel ungünstigere Sondervorschriften, wie die Nichteinbeziehung in die Sozialversicherung und die Verpflichtung zur Leistung von Zusatzabgaben vom ohnehin sehr viel niedrigeren Lohn nach der StAVOst. Später waren jedoch immerhin die Unfallversicherungsvorschriften entsprechend auf die „Ostarbeiter” anzuwenden (VO über die Unfallversorgung der Ostarbeiter vom 30. März 1943 ≪RGBl I 165≫), dann wurde die Geltung der Sozialversicherungspflicht allgemein angeordnet (VO über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter vom 25. März 1944 ≪RGBl I 68≫), und schließlich wurden sogar in „Anerkennung” der guten Arbeitsleistungen und der Haltung und Bewährung der im Reich eingesetzten „Ostarbeiter” alle diskriminierenden Sondervorschriften für diesen Personenkreis aufgehoben (VO über die Aufhebung der arbeitsrechtlichen, steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Sondervorschriften für Ostarbeiter vom 13. März 1945 ≪RGBl I 39≫).
Zum anderen ist bei der vergleichenden Betrachtung der beiden Gruppen die besondere Eigenart der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Die Entschädigung auf diesem Gebiet in Form der Zuerkennung von Beitrags- oder Ersatzzeiten ist nur dann sinnvoll und damit sachgerecht, wenn die Begünstigten hieraus tvpischerweise letztlich einen Rentenanspruch erwerben können. Im Hinblick auf die Notwendigkeit der Erfüllung von Wartezeiten für den Erwerb eines Rentenanspruchs, die im Normalfall eine anrechenbare Versicherungszeit von mindestens 60 Kalendermonaten erforderten, wäre die bloße Zubilligung von Ersatzzeiten für Nationalgeschädigte wenig sinnvoll. Denn angesichts der verhältnismäßig kurzen Zeiträume, in denen „Ostarbeiter” im Deutschen Reich eingesetzt waren, nämlich kaum länger als drei Jahre (Anfang 1942 bis April 1945), wäre auf diese Weise für sie im Rahmen der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung eine wirksame Schließung der durch nationalsozialistisches Unrecht in ihrer Invaliditäts- und Altersvorsorge verursachten Lücke regelmäßig nicht zu erreichen. „Ostarbeiter” waren normalerweise im Sozialversicherungssystem eines bestimmten Herkunftsstaates integriert gewesen, so daß sich hier eher eine zwischenstaatliche Lösung iS einer Reparationsvereinbarung anbot.
Die Verfolgten iS des § 1 BEG waren hingegen häufig deutsche Staatsangehörige, die bereits über Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung verfügten und deren verfolgungsbedingten Lücken ihrer Versicherungsbiographie es zu schließen galt. Außerdem waren bei diesem Personenkreis angesichts der schon bald nach der „Machtergreifung” im Jahre 1933 einsetzenden Verfolgung im Deutschen Reich wesentlich längere Zeiten der verfolgungsbedingten Freiheitsentziehung zu entschädigen, so daß in der Regel bereits bei nur kurzen Beitragszeiten die Wartezeiten für Rentenansprüche erfüllt waren. Im übrigen stammten die Verfolgten iS des § 1 BEG aus allen Teilen Europas, wo die Bevölkerung ansonsten nicht generell von den nationalsozialistischen Machthabern verfolgt worden war. Dies erschwerte eine zwischenstaatliche Regelung und legte eine solche im deutschen Rentenversicherungsrecht nahe.
Schließlich ist zu bedenken, daß einerseits die Zuerkennung einer Ersatzzeit nach § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO eine Art. Entschädigung ist und andererseits die Entschädigung für aufgrund der Nationalität erlittene Schäden einen reparationsrechtlichen Charakter hat. Ansprüche gegen den Verletzerstaat auf Reparationsleistungen wegen völkerrechtlicher Delikte können nach allgemeiner Meinung auch hinsichtlich der Verletzung der Rechte von Privatpersonen nicht von den Staatsangehörigen des verletzten Staates, sondern stets nur von dem verletzten Staat selbst geltend gemacht werden (vgl. Majer VerwArch Bd. 29 ≪1991≫, 1, 4). Die Sowjetunion hat aber mit Zustimmung Polens in der „Moskauer Erklärung” vom 22. August 1953 gegenüber der DDR auf Reparationsleistungen ausdrücklich verzichtet; dieser Verzicht bezog „Gesamtdeutschland” ein, galt daher auch für Reparationsansprüche gegenüber der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Majer VerwArch Bd. 29 ≪1991≫, 1, 15). Bei der Entschädigungsregelung für Nationalgeschädigte in Art. VI BEG-SchlußG handelt es sich daher um eine Ausnahmevorschrift, die im wesentlichen auf der von der Bundesrepublik im Überleitungsvertrag vom 26. Mai 1952 übernommenen Verpflichtung beruht.
Soweit ehemalige „Ostarbeiterinnen” – wie die Klägerin – nicht in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt und auch nicht in Deutschland verblieben sind, kommen für sie allerdings weder die fiktive Nachversicherung nach Art. 6 § 23 FANG noch mögliche Reparationsleistungen über den Herkunftsstaat in Betracht. Auch bezogen auf diesen Personenkreis sprechen aber die drei Gründe, die oben allgemein gegen die Anwendbarkeit von § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO auf Nationalgeschädigte und für die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung angeführt wurden (andere Qualität der Verfolgung, Unzweckmäßigkeit. Reparationscharakter), unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG dagegen, eine verfassungsrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik zur Entschädigung (der „Ostarbeiter”) durch Anerkennung beitragsloser Zeiten anzunehmen. Zwar ist die Lage der nach Westen abgewanderten „Ostarbeiter” insoweit anders, als durch eine Vielzahl von bilateralen Verträgen sowie das europäische Gemeinschaftsrecht bessere Möglichkeiten bestehen, daß sich Ersatzzeiten auswirken. Die anderen genannten Gründe reichen aber allein schon aus, zumal ein zusätzlicher Nachteil gegenüber den in die Sowjetunion zurückgekehrten „Ostarbeitern” nicht auszugleichen ist.
Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Entschädigung der Nationalgeschädigten im Gegensatz zu jener der Verfolgten iS des § 1 BEG auf die im BEG-SchlußG vorgesehenen Leistungen zu beschränken und (abgesehen von Art. 6 § 23 FANG) nicht auf die Rentenversicherung zu erstrecken, erscheint insgesamt gesehen sachlich vertretbar. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei Kriegsfolgeregelungen, um die es hier geht (vgl. BVerfGE 11, 245, 253 f; 27, 253, 286). Ferner ist zu berücksichtigen, daß die Grundstruktur des gesamten Entschädigungsrechts nicht vom Bundesgesetzgeber eigenständig konzipiert, sondern ihm durch die bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bereits vorhandene Wiedergutmachungsgesetzgebung der Alliierten Mächte und der Länder sowie den am 26. Mai 1952 mit den Besatzungsmächten geschlossenen Überleitungsvertrag vorgegeben worden ist (vgt Bericht der Bundesregierung über Wiedergutmachung und Entschädigung für nationalsozialistisches Unrecht sowie über die Lage der Sinti, Roma und verwandter Gruppen, BT-Drucks 10/6287, S 340).
Soweit es die hier allein entscheidungserhebliche Versagung von Ersatzzeiten für die Zeit des erzwungenen Arbeitseinsatzes betrifft, liegt eine Ungleichbehandlung der ehemaligen „Ostarbeiter” gegenüber den „Westarbeitern”, dh zum Arbeitseinsatz im Deutschen Reich gezwungenen Angehörigen der westlichen europäischen Staaten, oder auch gegenüber den gegen ihren Willen dienstverpflichteten deutschen Arbeitern ebenfalls nicht vor. Sowohl für „Westarbeiter” als auch für deutsche dienstverpflichtete Arbeitskräfte kommt die Gewährung oder Versagung von Ersatzzeiten für die Zeit des erzwungenen Arbeitseinsatzes von vornherein nicht in Betracht, weil diese insoweit stets (auch) in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert waren (vgl. BSGE 29, 197, 199 = SozR Nr. 1 zu Art. 6 § 23 FANG; dazu auch die Sozialversicherungsvereinbarungen des Deutschen Reiches ua mit Spanien ≪AN 1943, 418≫, Frankreich ≪AN 1942, 184≫, Dänemark ≪AN 1942, 416≫, Norwegen ≪AN 1941, 178≫ und den Niederlanden ≪AN 1941, 162≫) und somit für den gesamten Zeitraum ihres Arbeitseinsatzes Beitragszeiten erworben haben (vgl. § 1251 Abs. 2 Satz 1 RVO).
Nach alledem kann die Klägerin bei der Bemessung ihres Altersruhegeldes keine Berücksichtigung der Zeit von Juni 1942 bis März 1944 als Ersatzzeit beanspruchen.
Eine andere – hier nicht abschließend zu entscheidende – Frage ist, ob – außerhalb des Entschädigungsrechts – in verfassungskonformer Auslegung geltenden Rechts allen „Ostarbeitern” ein Recht zur Nachentrichtung von (Pflicht-)Beiträgen für die vor dem 1. April 1944 liegende Zeit ihrer Tätigkeit als Zwangsarbeiter zusteht. Dazu ist auf folgendes hinzuweisen:
Der Ausschluß der „Ostarbeiter” von der Beitragspflicht zur Sozialversicherung beruht erkennbar auf willkürlichen ideologischen Überlegungen. Die nach nationalsozialistischer Ideologie angenommene Minderwertigkeit der Völker der Sowjetunion führte dazu, daß diese Gruppe allgemein – auch in der Sozialversicherung – an der untersten Stelle der „Rangfolge” ausländischer Arbeitskräfte angesiedelt und besonderen Repressionen und Nachteilen ausgesetzt wurde (vgl. Herbert, Geschichte der Ausländerbeschäftigung in Deutschland S 161 ff). Diese Benachteiligung dürfte in solchem Maße gegen fundamentale Prinzipien der Gerechtigkeit verstoßen und ein derart evidentes Unrecht darstellen, daß dessen Fortwirken in unserer Rechtsordnung in der Weise, daß solche Differenzierungen weiterhin berücksichtigt werden müssen, nicht hingenommen werden kann. Die Normen, die einer Einbeziehung der „Ostarbeiter” in die gesetzliche Rentenversicherung für die Zeit vor dem 1. April 1944 entgegenstanden, wären deshalb als nichtig anzusehen und die DienstpflichtVO auf „Ostarbeiter” wie auf alle anderen Gruppen zwangsverpflichteter Arbeiter entsprechend anzuwenden (vgl. dazu allg BVerfGE 23, 98, 106). Nur so kann verhindert werden, daß sich das nationalsozialistische Unrecht in der Anwendung des heute geltenden Rentenversicherungsrechts fortsetzt.
Wäre die Nichteinbeziehung der „Ostarbeiter” in die deutsche Sozialversicherung nach diesen Überlegungen von Anfang an als nichtig anzusehen, so wären in der Zeit vor dem 1. April 1944 für die Klägerin trotz bestehender Versicherungspflicht zu Unrecht keine Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden. Zwar könnte die Klägerin nach dem hier wegen § 300 Abs. 2 SGB VI noch maßgeblichen vor dem 1. Januar 1992 geltenden Recht (vgl. BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 6) grundsätzlich keine Pflichtbeiträge für den streitigen Zeitraum mehr nachentrichten. Denn nach § 1418 Abs. 1 RVO waren Pflichtbeiträge unwirksam, wenn sie nach Ablauf eines Jahres nach Schluß des Kalenderjahres, für das sie gelten sollten, entrichtet wurden. Ein Recht zur Nachentrichtung müßte der Klägerin aber gemäß § 1418 Abs. 3 RVO zugestanden werden. Da sie angesichts der bisher insoweit ungeklärten Rechtslage die fristgerechte Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen für den streitigen Zeitraum ohne Verschulden unterlassen hätte und da angesichts der gesamten Umstände, die zur Nichtwahrnehmung des Nachversicherungsrechts geführt haben, ohne weiteres von einer besonderen Härte auszugehen wäre, müßte die Beklagte die Nachentrichtung noch zulassen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 946275 |
SozSi 1997, 74 |