Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten für Ostarbeiter im Reichsgebiet
Orientierungssatz
Zur Berücksichtigung von Beitragszeiten für eine während des 2. Weltkrieges in das Reichsgebiet zur Zwangsarbeit verbrachte Ukrainerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf höheres Knappschaftsruhegeld unter Berücksichtigung weiterer Pflichtbeitragszeiten für die Zeit vom 01.05.1942 bis 03.09.1944 und vom 11.04.1945 bis 11.05.1945.
Die Klägerin wurde ....1923 in J (späteres Reichskommissariat Ukraine) unter dem Geburtsnamen Paulina S oder S, S, Z geboren. Sie wurde im Frühjahr 1942 gegen ihren Willen zum Arbeitseinsatz in das Deutsche Reich verbracht. In der Folgezeit lebte und arbeitete sie dort, unter anderem in der Zeit vom 12.11.1942 bis zum 30.08.1944 bei einem E. T. Am 07.07.1945 ehelichte sie in G den ebenfalls aus der Ukraine stammenden Iwan W. Folgende weitere Schreibweisen des Namens sind bekannt: W, W, W. Die gemeinsame Tochter Olga wurde ....1946 in Deutschland geboren. Die Familie wanderte am 09.12.1948 nach Kanada aus und hält sich dort seit dem 20.12.1948 ununterbrochen auf. Drei weitere Kinder wurden in Kanada geboren. Die Klägerin ist kanadische Staatsangehörige. Am 17.09.1990 beantragte sie eine Versichertenrente aus der deutschen Rentenversicherung in Anwendung des Abkommens zwischen Kanada und der Bundesrepublik Deutschland über soziale Sicherheit. Nach dem kanadischen Versicherungsverlauf legte sie dort Zeiten im Umfang von 476 Monaten zurück. Sie gab zunächst an, von Mai 1942 bis September 1943 in einer Fabrik in W/ G als Arbeiterin, von September 1943 bis Mai 1944 im Kaffeehaus K in G als Küchenhilfe und von Mai 1944 bis Mai 1945 in einem Schieferbergwerk in G als Arbeiterin gearbeitet zu haben. Für alle Beschäftigungsverhältnisse habe sie lediglich Verpflegung und Übernachtung erhalten. Nach einer bereits zuvor abgegebenen übereinstimmendem Erklärung von ihr und ihrem Ehemann sollten die gesamten Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten für Kindererziehung für die Tochter Olga dem Vater zugeordnet werden. Die Landesversicherungsanstalt (LVA) Freie und Hansestadt Hamburg, bei der der Rentenantrag zunächst bearbeitet wurde, gab den Vorgang an die Beklagte ab, da die Klägerin nach ihren Angaben zuletzt in einem knappschaftlichen Betrieb beschäftigt gewesen war.
Die Beklagte konnte trotz zahlreicher Ermittlungen bei den Städten G und G, den LVAen Hamburg und Braunschweig und den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) Helmstedt und Nordharz zunächst keine Nachweise für die von der Klägerin angegebenen Zeiten erhalten. Unterlagen der G Schiefer GmbH waren nicht mehr vorhanden. Nach einer Zählkarte für Ausländer sei die Klägerin vom 04.09.1944 bis 10.04.1945 im Bergbau beschäftigt gewesen. Mit Bescheid vom 17.02.1993 bewilligte die Beklagte vorläufig Knappschaftsruhegeld ab dem 01.08.1988 i.H.v. 38,80 DM monat- lich unter Berücksichtigung der Zeit im Schiefer Bergwerk vom 04.09.1944 bis 10.04.1945. Die Klägerin machte nunmehr geltend, entweder von Juni 1942 oder Herbst 1942 bis entweder September oder Dezember 1944 im Kaffeehaus K gearbeitet zu haben. Ferner habe sie dort während der Zeit vom 11.04.1945 bis 11.05.1945 gearbeitet. Nachdem weitere Ermittlungen der Beklagten ergebnislos verliefen, teilte sie der Klägerin mit Bescheid vom 18.09.1995 mit, der Bescheid vom 17.02.1993 sei endgültig.
Mit einer eidesstattlichen Erklärung vom 06.10.1995 gab die Klägerin an, sie habe vom 01.05.1942 bis 03.09.1944 und vom 11.04.1945 bis 11.05.1945 im Kaffeehaus/Hotel K in G gearbeitet und für die Tätigkeit einen Wochenlohn erhalten. Sie wisse nicht, ob Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt worden seien und habe auch keine Unterlagen darüber. Dazu brachte sie zwei Zeugenerklärungen bei. Hierbei handelt es sich um eine undatierte Erklärung eines weiteren Mitarbeiters des Kaffeehauses K, John P, und um eine Erklärung eines ehemaligen Nachbarn vom 11.05.1993, David F. Beide gaben als Beschäftigungszeit im Kaffeehaus K den Zeitraum von 1942 bis 1944 an und bejahten die Frage, ob Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden seien. Zu Ausstellung, Anzahl und Verbleib der Quittungs- und Versicherungskarten konnten sie jeweils keine Angaben machen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.1996 zurück.
Mit der Klage hat die Klägerin unter Bezugnahme auf Zeugenerklärungen weiterhin Beschäftigungszeiten im Kaffeehaus K von Mai 1942 bis September 1944 und von April 1945 bis Mai 1945 geltend gemacht.
Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17.02.1993 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 18.09.1995 und des Widerspruchsbescheides vom 10.06.1996 zu verurteilen, das ihr gewährte Knappschaftsruhegeld unter Berücksichtigung weiterer Pflichtbeitragszeiten für die Zeiten vom 01.05.1942 bis 03.09.1944 und vom 11.04.1945 bis 11.05.1945 neu zu berechnen.
Die Beklagte hat beantragt,
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