Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslandsrentner. Beitragszuschuß

 

Leitsatz (redaktionell)

Rentner, die sich gewöhnlich im Ausland aufhalten und dort privat gegen Krankheit versichert sind, können auch dann einen Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag erhalten, wenn sich dies nicht aus einer zwischen- oder überstaatlichen Regelung ergibt. Dabei stehen die Vorschriften über die Leistungen der Rentenversicherung bei Auslandsaufenthalt (RVO §§ 1315 ff) diesem Ergebnis nicht entgegen. Das Territorialprinzip hindert nicht die Zahlung von Beitragszuschüssen in das Ausland; die deutsche Sozialversicherung kennt keinen allgemein für alle Versicherungszweige gültigen Grundsatz, Leistungen nur an Berechtigte im Inland zu erbringen, während sie bei Auslandsaufenthalt ruhen.

Wenn die für den Rentner bei einem ausländischen Versicherungsunternehmen bestehende Krankenversicherung eine Vollversicherung ist, kommt es auf die Höhe der gezahlten Versicherungsprämien nicht an. Im allgemeinen muß es als ausreichend angesehen werden, daß die Versicherungsprämien der Auslandsrentner in etwa dem Betrag entsprechen, den privatversicherte Inlandsrentner durchschnittlich für ihre Krankenversicherung entrichten.

 

Normenkette

RVO § 381 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1956-06-12, § 1315 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1960-02-25

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. Juni 1970 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Beklagten zur Zahlung des Beitragszuschusses (§ 381 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) in die USA.

Der Kläger ist Verfolgter des Nationalsozialismus und amerikanischer Staatsangehöriger. Aufgrund des Bescheides vom 1. Februar 1967 bezieht er von der Beklagten mit Wirkung vom 1. März 1965 Rente wegen Berufsunfähigkeit. Seinen am 9. Februar 1968 gestellten Antrag, ihm zu seiner in den USA bestehenden freiwilligen Krankenversicherung den Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO zu gewähren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. April 1968 ab, weil die §§ 1315 ff RVO die Auszahlung des Zuschusses ins Ausland nicht vorsähen. Ein diesen Bestimmungen entgegenstehendes Sozialversicherungsabkommen bestehe zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA nicht.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Ob und inwieweit Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung ins Ausland zu entrichten seien, richte sich grundsätzlich nach den §§ 1315 ff RVO. Auch die Erbringung des Beitragszuschusses nach § 381 Abs. 4 RVO an Beteiligte, die im Ausland lebten, richte sich nach diesen Vorschriften. Hiernach sei die Zahlung ins Ausland auf Renten- und Beitragserstattungen beschränkt. Sie könnten nicht auf die Beitragszuschüsse übertragen werden. Die Zulässigkeit der Zahlung an den Kläger ergebe sich auch nicht aus internationalen Abkommen, insbesondere nicht aus dem deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954 (BGBl 1956, 484). In dieser Regelung liege auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat gegen das Urteil Revision eingelegt.

Er trägt vor: Sinn der §§ 1315 ff RVO über Zahlungen bei Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes sei es zu verhindern, daß Rentenbeträge in höherem Umfang ins Ausland geleistet würden. Bei minderen Leistungen, wie die Beiträge der Rentenversicherungsträger zur Krankenversicherung der Rentner und die ihnen gleichstehenden Beitragszuschüsse nach § 381 Abs. 4 RVO, seien jedoch diese Vorschriften nicht anzuwenden. Das Territorialprinzip schließe nicht aus, einen inländischen Versicherungsträger zu Leistungen an Personen im Ausland zu verpflichten, wenn diese Leistungen wie die Beitragszuschüsse den Begünstigten nur die Möglichkeit geben sollten, sich im Ausland einen angemessenen Krankenversicherungsschutz zu verschaffen.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 4. Juni 1970 und des SG Münster vom 28. Juli 1969 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. April 1968 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Zeit vom 9. Februar 1968 an den Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revision ist begründet.

Wie der Senat in seinen Urteilen vom 28. August 1970 (BSG 31, 288 = SozR Nr. 24 zu § 381 RVO) und 27. Mai 1971 (3 RK 64/70) entschieden hat, können Rentner, die sich gewöhnlich im Ausland aufhalten und dort privat gegen Krankheit versichert sind, auch dann einen Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag erhalten, wenn sich dies nicht aus einer zwischen- oder überstaatlichen Regelung ergibt. Dabei stehen die Vorschriften über die Leistungen der Rentenversicherung bei Auslandsaufenthalt (§§ 1315 ff RVO) diesem Ergebnis nicht entgegen, da weder der Wortlaut noch der Zweck des § 381 Abs. 4 RVO dafür sprechen, die Zahlung von Beitragszuschüssen auf Rentner im Inland zu beschränken. Es wäre mit der Zielsetzung des Gesetzes, allen nicht pflichtversicherten Rentnern aus Gründen der Gleichbehandlung einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz zu ermöglichen, nicht vereinbar, wenn der Beitragszuschuß nur den freiwillig versicherten Rentnern im Inland zugute käme, den im Ausland lebenden jedoch trotz Bestehens einer privaten Krankenversicherung versagt bliebe. Der Senat hat auch in dem genannten Urteil weiter ausgeführt, daß auch das Territorialprinzip die Zahlung von Beitragszuschüssen in das Ausland nicht hindere. Vielmehr kennt die deutsche Sozialversicherung keinen allgemeinen für alle Versicherungszweige gültigen Grundsatz, Leistungen nur an Berechtigte im Inland zu erbringen, während sie bei Auslandsaufenthalt ruhen.

Andererseits dürfen jedoch Rentner im Ausland nicht allein wegen ihres Auslandsaufenthaltes besser gestellt werden als im Inland wohnende Rentner. Bei ihnen wurde der Abschluß einer "Vollversicherung" in der Form gefordert, daß ihnen bei ambulanter und stationärer Behandlung Leistungen zustehen, die in etwa denen der freiwillig Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen (BSG 23, 42 und 27, 129, 131). Wenn eine solche Vollversicherung besteht, kommt es auf die Höhe der gezahlten Versicherungsprämien nicht an. Dies ist insbesondere von Bedeutung für Rentner in den USA, die gegen bestimmte Krankheitsrisiken beitragsfrei versichert sind und schon mit Hilfe verhältnismäßig billiger Zusatzversicherungen vollen Krankenversicherungsschutz erwerben können. Im allgemeinen muß es als ausreichend angesehen werden, daß die Versicherungsprämien der Auslandsrentner in etwa dem Betrag entsprechen, den privatversicherte Inlandsrentner durchschnittlich für ihre Krankenversicherung entrichten.

Unter den Beteiligten ist streitig, ob die Krankenversicherung des Klägers diesen Anforderungen entspricht. Weil das LSG von seinem abweichenden rechtlichen Standpunkt aus keine Feststellungen hierüber getroffen hat, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Das Urteil des LSG muß daher aufgehoben und der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden.

Diesem wird auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens überlassen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652471

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